An diesem Prozesstag ist erneut Frank Gr. geladen, der mutmaßlich Beate Zschäpe und andere beim Ausspähen der Synagoge Rykestraße in Berlin im Jahr 2000 bemerkte. Er konkretisiert seine bisherige Aussage noch einnmal.
Zeuge:
- Frank Gr. (Erkenntnisse zu einer möglichen Sichtung von Beate Zschäpe in Berlin, mögliche Ausspähung der Synagoge Rykestraße am 07.05.2000)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Götzl: „Dann haben wir für heute den Zeugen Gr. Geladen.“ Nach der erneuten Belehrung des Zeugen Frank Gr. sagt Götzl: „Es geht nochmal um das Thema Beobachtungen Objektschutz, 07.05.2000, Rykestraße 53 und im Umfeld. Haben Sie gegenüber der letzten Vernehmung noch etwas zu ergänzen?“ Gr.: „Im Wesentlichen nicht mehr. Ich habe bloß, wo ich nach Hause kam, mit meiner Frau drüber gesprochen. Da haben wir festgestellt, also ich hatte mich zeitmäßig etwas verschätzt. Es war am gleichen Tag, wo ich in Thüringen angerufen hatte und ich musste am nächsten Tag zum LKA Berlin zur Aussage. Ich hatte mich verschätzt, aber meine Frau wusste es noch ziemlich gut.“ Götzl: „Am gleichen Tag?“ Gr.: „Gegen 18:30 Uhr, 19 Uhr war ich zu Hause und da habe ich die Sendung dann gesehen, also praktisch am gleichen Tag, wo ich die dort gesehen habe.“ Götzl: „Ist das Ihre eigene Erinnerung oder die Angabe Ihrer Frau?“ Gr.: „Da ist bei mir auch die Erinnerung wiedergekommen wo wir eingehender geredet haben.“
Götzl: „Dann kommt zur Verlesung Blatt 254 aus Absatz 2 der Satz 1 und aus dem dritten Absatz der Satz 2 bis zum Ende des vierten Absatzes. Ich würde Sie bitten, falls es was zu ergänzen gäbe, dass Sie sich dazu äußern.“ Götzl verliest dann: „‚Etwa 15 bis 20 m von der Synagoge entfernt, an der Ecke Rykestraße/Knaackstraße, befindet sich das Restaurant Wasserturm.‘ Ist da noch eine Erinnerung?“ Gr.: „Das stimmt soweit. Nur dass die Gaststätte mehrmals den Besitzer gewechselt hat.“
Götzl verliest: In der Zeit zwischen 13 und 14 Uhr waren fast alle Plätze besetzt. Innerhalb dieser Stunde bin ich öfters, ich denke mehrere Dutzend Male an diesem Restaurant vorbeigelaufen. Dabei schaue ich mir auch die Personen an, welche dort sitzen. Kurz nach 13 Uhr fiel mir rechterseits der Eingangstür vor dem Restaurant eine Frau auf, welche für meinen Geschmack sehr gut aussah und im Stile der 60er Jahre gekleidet war. Dementsprechend habe ich die Frau auch angeschaut, worauf diese das mit einem giftigen Blick erwiderte. Zu dieser Zeit nahm ich auch die beiden männlichen Begleiter dieser Frau und eine weitere weibliche Person wahr. Alle vier saßen an an einem Tisch. Die Personen waren während meiner Wahrnehmung mit einem Stadtplan oder einer Landkarte beschäftigt. Des weiteren konnte ich noch zwei Kinder, das eine ca. 2 Jahre und das andere ca. 3 oder 4 Jahre alt, wahrnehmen. Diese spielten in der Nähe des Tisches. Gegen 13.45 Uhr hat die komplette Personengruppe das Restaurant verlassen und ist in Richtung Wörther Straße davongegangen. Dabei wurden die beiden Kinder von der anderen Frau an den Händen geführt. Götzl: „Gibt es da noch etwas zu ergänzen?“ Gr.: „Zu ergänzen ist da nichts mehr. Da ist das Erinnerungsvermögen nicht mehr so genau, da das ja dann mehr oder weniger nicht mehr von Wichtigkeit gewesen ist.“
Götzl verliest: Männliche Person mit dunkelblonden Haaren, ca. 30 bis 35 Jahre alt, ca. 180 bis 185 cm groß, schmale Figur, blaue ausgewaschene Jeansjacke und Jeanshose, Kinnbart, kurz geschnitten, Igelschnitt, keine Besonderheiten, ein Wiedererkennen wäre mir möglich.‘ Götzl: „Haben Sie etwas anzumerken?“ Gr. „Nein.“ Götzl verliest die nächste Stelle: Zweite männliche Person, ca. 30 bis 35 Jahre alt, ca. 190 cm groß, sportliche Figur, braune ganz kurze Haare, helles Hemd, Wiedererkennen nicht möglich. Gr.: „Stimmt.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Gr.: „Aus heutiger Sicht sowieso nicht mehr.“ Götzl verliest: Zweite weibliche Person: Ca. Mitte bis Ende 20, cm 175 cm groß, schlanke Figur blonde gelockte halblange Haare, nicht bis zur Schulter reichend, Bekleidung evtl. Jeans, Wiedererkennen nicht möglich. Gr.: „Weil ich diese Person nicht weiter beachtet habe.“
Götzl verliest: Kurz vor 20 Uhr am gestrigen Abend schaute ich dann u.a. Fernsehen. Auf dem MDR lief die Sendung Kripo Live, welche ich teilweise verfolgte. Da ich mich zum Teil in der Küche befand, habe ich die Sendung allerdings nur sehr unvollständig wahrgenommen. Als ich ins Wohnzimmer kam, wurden gerade Fahndungsfotos von drei Personen im Zusammenhang mit rechtsgerichteten Straftaten dargestellt. Darauf waren zwei männliche und eine weibliche Person zu erkennen. Götzl: „Gibt es dazu von Ihrer Seite etwas anzumerken?“ Gr.: „Nein.“ Um 10:42 Uhr wird der Zeuge entlassen.
Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Wir hatten uns eine Erklärung vorbehalten zur gestrigen Beweiserhebung durch Abspielen des Liedes ‚Türken raus‘. Dazu habe ich keine Erklärung, aber einen Beweisantrag. Und zwar beantragt die Verteidigung Wohlleben, Herrn Kevin Richard Russel, geboren am 12.01.1964 in Hamburg, wohnhaft in Kelkheim (Taunus) zu vernehmen. Der Zeuge wird nach Einsichtnahme in die Dateiverzeichnisse bekunden, dass sich auf dem Asservat 24.1.3.1. im Ordner ‚Böhse Onkelz‘ 36 Unterordner mit 589 Dateien befinden, in denen sämtliche sowohl offizielle als auch nicht autorisierte Alben der Rockband Böhse Onkelz vollständig abgespeichert sind. Der Zeuge war und ist der Leadsänger der Band Böhse Onkelz.
Begründung: Am 325. Verhandlungstag nahm der Senat im Rahmen der Vernehmung der Zeugin KOKin Pflug die Audiodatei ‚Türken raus‘ aus dem Unterordner ‚Mülla Milch‘ durch Abspielen in Augenschein. Die Beweiserhebung wird ergeben, dass sich in dem Ordner ‚Böhse Onkelz‘ die gesamte Diskographie der Band befindet. Der Existenz der Datei ‚Türken raus‘, die i.Ü. frühestens am 12.11.2009 auf der Festplatte abgespeichert wurde, kommt bei dieser Sachlage nicht einmal eine schwache indizielle Bedeutung für die Klärung der Schuld- und Rechtsfolgenfrage zu. Abgesehen davon, dass von dem Text des Titels bei der Inaugenscheinnahme nur die Textzeile ‚Türken raus‘ akustisch deutlich wahrnehmbar war, schließt der Umstand, dass das Lied ‚Türken raus‘ eines von mehr als 500 auf der Festplatte abgespeicherten Liedern der Böhsen Onkelz ist, aus, dass es sich bei dem Abspeichern auch dieses Liedes um ein Bekenntnis zu seinem Text handelt, wie Rechtsanwalt Reinecke in seinem Beweisantrag meinte behaupten zu müssen.“
Reinecke: „Ja, und ich will auch gleich hier zum Beweisantrag Stellung nehmen. Meine Beweisbehauptung, dass das Lied in sehr schlechter Tonqualität vorliegt, ist bestätigt worden. Zu den Schlüssen: Wenn wir davon ausgehen, dass Menschen bewusst etwas tun, – und auch der Beweisantrag der Verteidigung gerade behauptet ja nicht, jemand Drittes hätte die Böhse Onkelz-Sammlung auf die Festplatte von Herrn Wohlleben kopiert – wenn also Menschen etwas freiwillig tun, dann können wir das Handeln auch bewerten.“ Das Lied ‚Türken raus‘ sei eine Hymne der Bewegung: „Mir ist es zum ersten Mal im Solinger Brandstifterprozess begegnet, weil einer der rassistischen Brandstifter das Lied auch gehört hat. Nun so zu tun, als ob Ralf Wohlleben das Lied nur aus Vollständigkeitswahn gehabt hätte und sonst nichts damit zu tun gehabt hätte, ist natürlich völlig unzutreffend. [phon.]
Die Frage ist: Welche Bedeutung hat die politische Auffassung für die angeklagte Tat? Da wird man sagen müssen: Nicht jeder, der die Auffassung hat, gibt Waffen weiter. Aber man kann sicherlich sagen, dass es dabei hilft. Zu der ganzen Beweiserhebung ist es deswegen gekommen, weil die Verteidigung hier den Eindruck erweckt hat, die ihm vorgeworfenen Taten seien für Ralf Wohlleben quasi wesensfremd sei, weil er ja ein Friedenskämpfer usw. sei. Das scheint mir in der Tat widerlegt, auch durch dieses gestern abgespielte Musikstück.“ Der Verhandlungstag endet um 10:56 Uhr.
Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.
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