Kurz-Protokoll 327. Verhandlungstag – 01. Dezember 2016

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An diesem Verhandlungstag geht es um die Wette zwischen Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, in der es um einen Wetteinsatz von u.a. „200 Videoclips schneiden“ ging. Es steht dabei die Vermutung im Raum, dass es hierbei um das Schneiden des Bekennervideos des NSU geht. Beate Zschäpe widersprach dem und behauptete, es sei um das Herausschneiden von Werbung aus TV-Serien gegangen. NK-Vertreter_innen stellten Beweisanträge, die das Gegenteil belegen sollten. Der heutige Zeuge und der Sachverständige sprechen u.a. zu den technischen Möglichkeiten, die vorlagen, um Werbung zu schneiden. Außerdem geht es um verschiedenen Anträge.

Zeuge und SV:

  • Falko Hu. (BKA Meckenheim, Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bearbeiten bzw. Schneiden von Videoclips, Angaben von Beate Zschäpe)
  • Thomas Willkomm (SV, BKA Wiesbaden, Gutachten im Zusammenhang mit dem Bearbeiten bzw. Schneiden von Videoclips, Angaben von Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:50 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: „Für heute haben wir zunächst den Zeugen Hu. geladen. Ist er erschienen?“ Es folgt die Vernehmung des Zeugen Falko Hu. Götzl: „Es geht uns um Ermittlungen im Zusammenhang mit Bearbeiten, Schneiden von Videoclips, anknüpfend an die Einlassung der Frau Zschäpe hier im Verfahren. Welche Ermittlungen haben Sie durchgeführt, welche Asservate gegebenenfalls abgeglichen und mit welchem Ergebnis?“ Hu.: „Vom GBA habe ich den Auftrag bekommen, in den Asservaten nach Hinweisen zu suchen, die diese Aussage belegen oder widerlegen.“ Er habe sich, so Hu., Datenträger angeschaut unter dem Kriterium, dass sie in zeitlicher Nähe zum 24.11.2005 erzeugt worden seien. Hu.: „Gefunden habe ich unterm Strich fünf Datenträger, die für mich nach den Kriterien relevant waren. Alle Datenträger haben Zeitstempel aus dem Jahr 2006, also in relativer zeitlicher Nähe. Diese Datenträger habe ich mir dahingehend angeschaut, ob da kommerzielle TV-Serien drauf sind und ob da gegebenenfalls Werbung rausgeschnitten wurde. Festgestellt habe ich fünf Asservate EDV. Diese Asservate enthalten tatsächlich kommerzielle Serien.“ Hu. nennt z.B. „Malcolm Mittendrin“ und „Grey’s Anatomy“. Hu. weiter: „Alle diese Serien sind in privaten Sendeanstalten gelaufen. Für mich ein Kriterium, dass da tatsächlich Werbung gelaufen sein müsste. Außerdem im Durchschnitt zweimal pro Folge eingeblendete TV-Senderlogos oder nochmals der Serienname. Ebenso konnte ich feststellen, dass alle Serien exakt mit dem ersten Bild starteten und auch im Anschluss keine längere Werbung mehr folgte, maximal ein Spot. Diese Datenträger sind vom Typ DVD-R.
An der Stelle musste ich mich auf den Beweisantrag von Herrn Langer beziehen, der richtigerweise feststellte, dass auf Datenträgern dieses Typs keine Teile einer Aufnahme gelöscht werden können. [phon.] Das muss – da ist mein Vermerk nicht präzise oder schlicht falsch -, das muss in der Tat auf einem Datenträger des Typs DVD-RAM erfolgt sein. Wir haben dann diese Datenträger einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen und einen Brennertyp festgestellt, DMR-E55 [phon.]. Wir haben festgestellt, dass dies ein Modell ist, welches auch in ein Panasonic-Endgerät mit der gleichen Nummer [phon.] eingebaut wurde. Und dieses Gerät, mit dem hatte man die Möglichkeit, DVD-Rs herzustellen und auch tatsächlich DVD-RAM zu nutzen, um Werbung beispielsweise zu editieren und ein solches Produkt herzustellen, wie wir es in den Asservaten gefunden haben. Unterm Strich ist mein Fazit, dass die technischen Voraussetzungen vorgelegen haben, solche DVDs ohne Werbung zu erstellen. Der letzte Arbeitsschritt, wie die Serie dann auf den Datenträgertyp DVD-R gelangt ist, den haben wir letztlich nicht nachgewiesen.“
Götzl: „Haben Sie überprüft, ob ein entsprechendes Gerät vorhanden war, sichergestellt worden ist?“ Hu.: „Haben wir in den Asservaten natürlich nachgeschaut, wir haben einen DMR-E55 [phon.] nicht festgestellt, aber ein ähnliches Gerät, ein Nachfolgegerät, auch von der Firma Panasonic, DMR-EH595 [phon.]. Das war ein Gerät, das technisch mehr leisten konnte, ein Festplattenrekorder, da wäre ein Herausschneiden noch leichter gewesen als mit dem Gerät, das 2004/2005 möglicherweise genutzt wurde.“
Götzl sagt, Hu. habe ja einen Vermerk gefertigt: „Sie haben hier Überlegungen angestellt hinsichtlich der durchgeführten Schnitte.“ Götzl fragt, wie Hu. zu den Zahlen gekommen sei. Hu.: „Ich habe im Grunde eine Hochrechnung angestellt, eine Schätzung, weil ich nicht genau Schnitte erkennen konnte. Ich habe dann als Kriterium das sich einblendende Senderlogo hergenommen und habe dann im Schnitt pro TV-Folge zwei Werbeunterbrechungen zugrunde gelegt. Auf den fünf DVDs haben wir 38 TV-Serien [meint vermutlich 39]und wenn ich 38-mal zwei Schnitte hochrechne sind wir bei 78 Schnitten und wenn jeweils der Vorspann rausgeschnitten wird und am Ende, dann würde man nochmal zwei Schnitte bekommen, das wären dann 156 Schnitte. Aber das ist eine Hochrechnung, weil man die Schnitte, wenn sie gut gesetzt sind, nicht sieht.“

Es folgt die Anhörung des SV Thomas Willkomm vom KT-Institut des BKA Wiesbaden. [Wiedergabe aller sachverständigen Angaben unter Vorbehalt.] Götzl: „Es geht uns um die Gutachten, die auch vorbereitet zu den Akten gereicht wurden. Es geht um das Bearbeiten, Schneiden von Videoclips. Was können Sie uns berichten?“ Willkomm: „Da ging es darum, mit welchem Brenner die DVDs gebrannt wurden, die uns vorlagen. Das haben wir gemacht und festgestellt, dass mit einem Brenner gebrannt wurde, der als Manufacturer-ID ‚Matshita DVD-RAM DMR-E55‘ ausgibt. Daneben gibt es noch eine Seriennummer und eine Modellnummer. Die Seriennummer sollte eigentlich eineindeutig [phon.] sein für den verbauten Brenner und die Modellnummer bezeichnet eigentlich den Laser, das hat mit dem Gerät, also dem Gehäuse, nix zu tun. Und dieser Brenner brennt diese Information auf die DVD. Das Problem bei der ganzen Geschichte ist, dass es so eine Recording-Area geben muss, aber es dem Hersteller überlassen wird, was er da reinschreibt. Also Serien- oder Modellnummer sind nicht verpflichtend.
Aber wir haben, wie gesagt, die Feststellung getroffen: ‚Matshita DVD-RAM DMR-E55‘ und eine Serien- und eine Modellnummer. Jetzt im Oktober haben wir drei DVD-Rekorder bekommen und sollten von denen diese Brennerdaten auslesen, ob die auf DVD-Medien auch diese Infos hinterlassen. Ein Panasonic E55, ein Panasonic 85 und ein Panasonic 95. Die letzten beiden waren Festplattenrekorder, da nimmt man auf Festplatte auf, brennt das zum Archivieren auf DVD. Beim ersten, der reine DVD-Rekorder, da muss man direkt auf DVD aufnehmen. Alle drei Geräte beschreiben die Recording-Area mit Manufacturer-ID, mit Serien- und Modellnummer. Aber alle drei brennen bei Manufacturer-ID ‚DMR-E55‘ ein, was auf dasselbe Gerät hinweist, aber offensichtlich nicht so ist. Alle drei Geräte brennen [phon.] eine Seriennummer. Und die Modellnummer hat sich unterschieden zwischen DVD-Rekorder J117 und bei den Festplattenrekordern hatten wir die Modellnummer J125. [phon.] Was das letztlich bedeutet, müsste man beim Hersteller erfragen, aber ich vermute, dass da ein anderer Laser eingebaut wurde, der eine andere Firmware und eine andere Modellnummer hat. Das waren die Feststellungen.“

Götzl: „Prof. Dr. Saß soll am 20. und 21.12. gehört werden. Ich würde Sie bitten, dass Sie sich drauf einstellen.“ RA Heer: „Die Anhörung des Sachverständigen Saß bedarf von unserer Seite noch weiterer umfassender Vorbereitung, so dass sie aus unserer Sicht in diesem Jahr nicht mehr in Betracht kommt.“ RA Scharmer: „Das Gutachten liegt jetzt gut einen Monat vor, wie es in Strafprozessen üblicherweise vorkommt. Es ist nach Aktenlage erstellt, die die Verteidiger kennen. Es liegt kein Grund vor, weiter zu warten. Wir müssen weiterkommen. Das ist doch erst in drei Wochen. Also ich bin entrüstet, muss ich wirklich sagen.“ RA Stahl: „Das kann man nicht so im Raum stehen lassen. Ja, es ist Ihnen Recht zu geben, Herr Scharmer, es ist nicht unüblich in Strafverfahren. Gleichwohl ist es so, dass dieses Gutachten relativ umfangreich ist von der Seitenzahl und vom Inhalt, was darin verarbeitet wird. Und wir haben uns damit zu befassen und das nimmt einige Zeit in Anspruch und drei Tage in der Woche sind wir nun mal hier und wir werden es nicht früher schaffen.“ Götzl: „Dann werde ich darauf reagieren und den 06. und 07. Dezember absetzen, so dass Sie Gelegenheit haben, sich in dieser Zeit exklusiv mit diesem Gutachten zu beschäftigen.“ Stahl: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir auch auf Ihre sehr ad hoc geäußerte Maßnahme noch reagieren dürften. Vorab ist es so, dass das einfache Absetzen des 6. und 7. Dezember dem wahrscheinlich nicht abhilft. Ich würde es gern erläutern, möchte es aber kurz mit meinen Kollegen besprechen, wenn Sie uns kurz zehn Minuten geben.“
NK-Vertreter RA Behnke: „Ich halte das Vorgehen des Senats für richtig. Das Absetzen ermöglicht der Verteidigung umfänglich dran zu arbeiten. Es sei denn, es ist richtig, was kolportiert wird, dass Sie ein Gegengutachten einbringen wollen.“

Götzl: „Mich würde auch interessieren, ob denn weitere Beweisanträge vorgesehen sind oder in größerem Umfang vorgesehen sind. Wenn ja, würde ich bitten, dass Sie sie zügig und gesammelt jeweils stellen.“

Schneiders stellt den Antrag, den Haftbefehl gegen Wohlleben aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen.

Götzl wendet sich an die initiale Verteidigung Zschäpe: „Wer von Ihnen will das Wort?“ RA Heer: „Ich gebe für Kollegin Sturm, Herrn Stahl und mich folgende Erklärung ab: Die Absetzung zweier Hauptverhandlungstermine zur Vorbereitung auf die Anhörung von Prof. Dr. Saß ist für uns nicht zielführend, weil wir uns in der Tat externer sachverständiger Unterstützung bedienen und diese externe Unterstützung wird voraussichtlich in diesem Jahr nicht mehr zu erlangen sein. Das Sachverständigengutachten ist zentral. [phon.]“
Bundesanwalt Diemer: „Grundsätzlich ist die Festsetzung eines Termins Sache des Vorsitzenden. Das Gutachten ist seit vier Wochen in der Welt, seit vier Wochen besteht die Möglichkeit sich damit auseinanderzusetzen. Und am 20. Dezember sind dann acht Wochen vergangen. Und auch vor dem Hintergrund, dass zuletzt Termine ausgefallen sind, wäre es durchaus möglich gewesen, dass sich die Verteidigung in der geeigneten Form mit dem Gutachten auseinandersetzt. Und wenn externe, private Gutachter keine Zeit haben, müssen Sie sich halt nach den Vorgaben des Gerichts richten.“

Nahrath stellt für die Verteidigung Wohlleben, die Vernehmung eines aussagepsychologischen Sachverständigen zum Beweis der Tatsache, dass Angaben des Angeklagten Schultze nicht erlebnisfundiert seien. Dann beantragt Nahrath zusätzlich ein psychiatrisches SV-Gutachten zur Aussagetüchtigkeit Schultzes einzuholen.

Dann gibt NK-Vertreter RA Langer eine Erklärung zur Aussage der Zeugin Pf. vom 325. Verhandlungstag ab:
Die Aussage der Zeugin belegt, dass die Einlassung der Angeklagten Beate Zschäpe zum
Komplex der Wette vom 24.11.2005 unplausibel ist und der Wetteinsatz von u. a. „200 Videoclips schneiden“ keineswegs mit dem Herausschneiden von Teilen aufgenommener TV-Serien auf einer Festplatte eines Videorekorders erklärt werden kann.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben auf Ladung von Abdallah Melaouhi und Olaf Rose abgelehnt werden, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Der Verhandlungstag endet um 14:47 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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