An diesem Verhandlungstag sagt zunächst ein Beamter des BKA zu Ermittlungsergebnissen bezüglich einer möglichen Schussverletzung in Chemnitz und den Angaben von Carsten Schultze aus. Danach geht es um Anträge, Stellungnahmen und Beschlüsse.
Zeuge:
- Christoph Schn. (BKA, Ermittlungen zu einer Schussverletzung in Chemnitz 2000, Angaben des Angeklagten Carsten Schultze)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:50 Uhr. Als erstes wird der Zeuge Christoph Schn. gehört. Götzl: „Es geht uns um Ermittlungen anknüpfend an einen Artikel, der uns von Rechtsanwalt Langer vorgelegt wurde, Wolgograder Allee in Chemnitz, 14.06.2000, angeschossener Bauarbeiter.“ Schn.: „Auf Grundlage des Beweisantrags von Herrn Langer und der beiden Artikel aus der Freien Presse haben wir anhand dieser konkreteren Angaben zunächst eine Anfrage bei der PD Leipzig gehalten mit der Bitte, nach dieser Straftat zu recherchieren. Da haben wir die Auskunft bekommen, dass kein entsprechender polizeilicher Vorgang vermerkt war und die Telefonnummer im Artikel der Polizei Chemnitz zugeordnet werden konnte, aber keinem bestimmten Sachbearbeiter. In Folge stellte ich Anfrage an den Chemnitzer Verlag wegen der Nutzung des Kürzels ‚hr‘ und bekam die Auskunft, dass Heiko R. das Kürzel verwandt und den Artikel verfasst hat. Er konnte im Archiv sehen, dass die Information aus einer Pressemitteilung der Polizei Chemnitz stammte. Er selber konnte sich nicht mehr erinnern und sei auch nicht vor Ort gewesen. Dann gab es Anfragen bei den Krankenhäusern, Rettungsdiensten und Feuerwehr. Es konnte keine Behandlung im Krankenhaus recherchiert werden. Aber Unterlagen zu ambulanten Behandlungen werden nach 10 Jahren gelöscht. Oder die Recherchen konnten wegen fehlendem Geburtsdatum nicht erfolgen. Oder es konnte eben keine entsprechende Behandlung recherchiert werden. Einen größeren Bereich in der Recherche nahm die Baustelle an der Wolgograder Allee ein. Erstmal erfolgte eine Anfrage an das Tiefbauamt Chemnitz.“
Dort hätten sich aus einem internen System Hinweise auf zwei Firmen aus Chemnitz und deren Bauleiter ergeben, so Schn. In der einen Firma habe es keine Erkenntnisse hinsichtlich einer Verletzung durch Schusswaffen gegeben. Anders sei es bei anderen Firma gewesen. Dort hätten sie einen Herrn Andreas K. befragt, der sei 2000 Geschäftsführer gewesen und habe sich nicht an einen solchen Sachverhalt erinnern können. K. habe angegeben, dass das Unternehmen 20 Mitarbeiter gehabt habe und über ein Steuerbüro in Köln die Mitarbeiter evtl. ermittelt werden könnten. Unterlagen hätten dort für März 2000 nicht mehr vorgelegen, aber für 12 Personen aus dem November 2002, darunter auch K.
Schn.: „Ich habe versucht mit der Polizei Leipzig und LKA Thüringen, diese Personen zu kontaktieren. Das ist mit einer Ausnahme, Herr L., auch erfolgt. Neun Mitarbeiter konnten keine Angaben machen, zwei Mitarbeiter, Thomas K. sowie Heiko W. konnten sich vage erinnern, von einem solchen Sachverhalt gehört zu haben, aber konnten sich nicht erinnern, wer der Betroffene war oder wer dazu Auskunft geben könnte.“ Dann hätten sie noch die städtische Müllentsorgung kontaktiert und die Auskunft erhalten, dass keine Erkenntnisse vorliegen.“ Götzl: „Und die Person L.?“ Schn. sagt, da würden sie noch versuchen, den Aufenthaltsort zu ermitteln, einige LKA hätten eine Fehlanzeige gemeldet, von sechs anderen stehe noch eine Auskunft aus. Schn.: „Aber er war, glaube ich, Geburtsjahr 1948. Es ist natürlich möglich, dass Herr L. verstorben ist.“ Es gibt keine Fragen mehr; um 10:01 Uhr wird der Zeuge entlassen.
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass für die Kopie des Briefes der Angeklagten Zschäpe an Robin Schmiemann das Selbstleseverfahren angeordnet wird. Es bestehe Gelegenheit, in der Geschäftsstelle, ggf. mit Dolmetscher, vom Wortlaut des Schriftstücks Kenntnis zu nehmen. Die Einführung des Inhalts der Briefkopien im Wege des Selbstleseverfahrens habe angeordnet werden können, so Götzl. Ein Beweisverbot bestehe nicht. Umstände, die gegen eine Einführung sprechen, seien weder ersichtlich noch vorgetragen.
Um 11:32 Uhr geht es weiter. OStAin Greger nimmt für den GBA zum Antrag der Verteidigung Wohlleben auf Beiziehung von Verfahrensakten betreffend Carsten Szczepanski Stellung. Der Antrag sei abzulehnen, so Greger, denn die allgemeine Aufklärungspflicht gebiete die Beiziehung der Akten nicht. Somit sei auch dem Antrag auf Einsicht in die Akten die Grundlage entzogen. Es handele sich beim Beiziehungsantrag um einen Beweisermittlungsantrag, da er keine konkreten Urkunden und Akten erwähne. Bei den Akten, die beigezogen werden sollen, handele es sich um Verfahrensakten in einem Ermittlungsverfahren gegen Carsten Szczepanski, die an zwei UAe versandt worden seien. Es sei nicht ersichtlich, welche konkreten verfahrensrelevanten Erkenntnisse die Akten zu den angeklagten Taten enthalten sollen. Der nicht näher substantiierte Verweis der Antragsteller, es handele sich nach Medieninformationen um für die Aufklärung der NSU-Mordserie relevante Inhalte sei ein ebenso wenig hilfreicher Hinweis wie die Behauptung, die Akten könnten mögliche Hinweise über Waffengeschäfte zwischen Szczepanski und Werner ergeben. Es handele sich um bloße Spekulationen der Antragsteller und dies rechtfertige grundsätzlich nicht die Beweiserhebung [phon.] in einem Strafverfahren. Der Verhandlungstag endet um 11:37 Uhr.
Kommentar des Blog NSU-Nebenklage, hier.
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