Protokoll 328. Verhandlungstag – 08. Dezember 2016

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An diesem Prozesstag werden die Antworten der Angeklagten Beate Zschäpe zu weiteren Fragekomplexen verlesen. Danach nimmt die BAW Stellung zu Anträgen der Verteidigung von Wohlleben, die u.a. einen Gutachter zur Glaubwürdigkeit von Carsten Schultze heranziehen wollten. Diese Anträge seien abzulehnen. Anschließend geht es um weitere Anträge und Beschlüsse.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:49 Uhr. Heute ist Zschäpe-Verteidiger RA Borchert anwesend. Nach der Präsenzfeststellung fragt Götzl: „Frau Zschäpe, Sie hatten angekündigt, heute sich ergänzend einzulassen. Soll das erfolgen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel reicht ein Blatt nach vorn an den Senat. Dann verliest RA Borchert die Erklärung Zschäpes:

Die Fragen des Senats vom 26.10.2016 beantworte ich wie folgt:

Frage: Verfügen Sie über Informationen zu Peggy [K.], die Sie nicht aus den Medien haben?
Antwort: Nein!

Frage: Wer benutzte den als EDV01 bezeichneten PC AMD, der unter dem Hochbett im Brandbereich E aufgefunden wurde?
Antwort: Der PC wurde sowohl von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als auch von mir benutzt. Jeder von uns hatte darauf Zugriff.

Frage: Befanden sich auf der Festplatte des PCs Bilder von Kindern und Jugendlichen? Welche Informationen haben Sie ggf. zu diesen Bildern?
Antwort: Erst durch die Akteneinsicht habe ich festgestellt, dass sich auf der Festplatte des PCs Bilder von Kindern und Jugendlichen befinden. Weitergehende Informationen zu diesen Bildern habe ich daher nicht.
Uwe Mundlos hatte diesen Rechner selbst zusammengebaut, so dass ich vermute, dass es sich bei der sichergestellten Festplatte um eine gebrauchte, von ihm gekaufte Festplatte handelt. Er hatte regelmäßig in An- und Verkaufsläden Computerzubehör erworben und diese in den Rechner eingebaut.

Unterschrift.

Götzl: „Frau Zschäpe, ist das Ihre Erklärung, die von Herrn Borchert verlesen wurde? Ja.“ Grasel: „Im Hinblick auf die von Herrn Stahl, Frau Sturm und Herrn Heer angekündigte externe Expertise wird die Erklärung zum Gutachten Saß vorerst zurückgestellt.“

Götzl: „Dann kommen wir zu Stellungnahmen. Und zwar geht es mir um mehrere Anträge, zu denen Stellung genommen werden soll. Zu dem Antrag der Verteidigung Wohlleben hinsichtlich eines aussagepyschologischen Gutachtens, soll dazu Stellung genommen werden?“ OStAin Greger nimmt für den GBA dazu Stellung. Die Anträge seien sämtlich abzulehnen, so Greger, weil – bezogen auf die Anträge zur Einholung eines Gutachtens etc. – das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitze, und weil – bezogen auf den Antrag auf Beiziehung und Verlesung von Behandlungsunterlagen von Schultze – die allgemeine Aufklärungspflicht dies unter Berücksichtigung der bisherigen Beweisaufnahme nicht gebiete. Die Beurteilung des Beweiswerts eines Beweismittels sowie des gesamten Beweisergebnisses sei Kern richterlicher Tätigkeit und könne nicht auf einen SV übertragen werden.

Ein Besucher betritt die Besucherempore und stellt sich direkt an die Glasscheibe, was nicht erlaubt ist. Die Justizangestellten gehen zu der Person. Erst nach mehreren Versuchen, ihn zum Hinsetzen zu bewegen, geht er an einen Sitzplatz, setzt sich aber erst nach einer Weile tatsächlich hin.

Greger verliest währenddessen weiter die Stellungnahme des GBA. Die Glaubhaftigkeit einer Aussage als solches habe allein der Richter zu würdigen, so Greger. Der SV könne jedoch dem Gericht bei seinen Entscheidungen dadurch behilflich werden, dass er auf psychologischem oder sonstigem Fachgebiet den Richtern eine evtl. fehlende Sachkunde vermittelt. Der SV könne die psychologischen Vorfragen in einer Aussageanalyse mit seinen Mitteln untersuchen und dazu beitragen, die richterliche Beurteilung einer Zeugenaussage zu erleichtern. Die besondere Sachkunde eines Psychiaters werde dann benötigt, wenn der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet, die sich auf seine Aussagetüchtigkeit ausgewirkt haben kann, weil die Beurteilung krankhafter Zustände medizinische Kenntnisse voraussetze, die der Psychologe grundsätzlich nicht besitzt.

Grundsätzlich könne und müsse der Tatrichter die Glaubhaftigkeit von Zeugen jedoch selbst in schwierigen Beweissituationen in der Regel ohne sachverständige Hilfe beurteilen und habe dabei grundsätzlich nach derselben wissenschaftlichen Methode zu arbeiten wie der SV: „Es ist daher ohne Weiteres davon auszugehen, dass die erkennenden Berufsrichter aufgrund ihrer Erfahrung über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für eine Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist.“ Die Bedenken, dass das von Schultze bekundete Geschehen bereits längere Zeit zurückliege, ein Einfluss von Nachinformationen, von suggestiven Vorhalten und der Belastung aufgrund der Festnahme nicht auszuschließen sei und ein wiederholtes Wiedererkennen der Tatwaffe dessen Zuverlässigkeit relativiere, seien sämtlich nicht geeignet, die eigene Sachkunde der Tatrichter in Frage zu stellen, da sie für sich genommen, aber auch in Kombination regelhafte Gegebenheiten in Strafverfahren darstellten.

Nach Rechtsprechung des BGH sei ein psychologischer oder psychiatrischer SV dann hinzuzuziehen, wenn der Sachverhalt solche Besonderheiten aufweise, dass Zweifel aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit ausreicht. Dies könne einerseits in der Person des Auskunftsperson begründet sein. Bei einem erwachsenen Zeugen bedürfe es, soweit nicht besondere Umstände in der Person des Zeugen vorliegen, grundsätzlich nicht der Hilfe eines SV. Wo die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage jedoch wegen der Person des Zeugen besonders schwierig sei, könne es im Einzelfall angezeigt sein, einen SV zu Rate zu ziehen. Solche Besonderheiten seien aber nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage ein Geschehen war, das die Beweisperson zur Zeit des geschilderten Vorfalls im kindlichen oder jugendlichen Alter wahrgenommen hat.

Die Hinzuziehung eines SV sei jedoch dann geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen können, und wenn für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich sei, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt. Als mögliche Quelle derartiger Besonderheiten würden in der Rechtsprechung Umstände angesehen, aufgrund derer die Feststellungen und die Beurteilung der nach dem Stand der Aussagepsychologie in der Regel anzuwendenden Glaubwürdigkeitskriterien zweifelhaft sind, z. B. ungewöhnliche persönliche Dispositionen, Persönlichkeitsstrukturen und psychische Erkrankungen. So sei etwa die Hinzuziehung eines SV bei Anhaltspunkten für eine geistige Erkrankung, bei einer stationären psychiatrischen Behandlung oder bei einer partiellen Erinnerungslosigkeit für geboten erachtet worden.

Auch bei einem Angeklagten würden der Hinzuziehung eines SV – jedenfalls dann, wenn er umfassende Angaben macht – keine strafverfahrensrechtlichen Hinderungsgründe entgegen. Auch wenn sich die Situation eines Angeklagten von derjenigen eines Zeugen, der der Wahrheitspflicht unterliegt, unterscheide. Neben den Umständen in der Person des Zeugen könne es nach der Rechtsprechung auch bei einer besonders schwierigen Beweislage, die sich auf für den Tatrichter aus eigener Sachkunde nicht auflösbaren Widersprüchen gründet, oder bei Besonderheiten in der Aussageentstehung in Einzelfällen angezeigt sein, einen SV zu hören. Allein die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ begründe für sich genommen jedoch keine solche Besonderheit, die zwingend die Heranziehung eines SV gebieten würde. Denn grundsätzlich könne sich das Tatgericht auch bei der Beurteilung einer schwierigen Beweissituation hinreichende eigene Sachkunde zutrauen. Es müsse in diesem Fall lediglich erhöhte Anforderungen an die eigene Beweiswürdigung beachten. In der besonderen Beweissituation, dass eine Verurteilung eines Angeklagten allein aufgrund der Angaben eines einzigen Belastungszeugen im Raum steht, müssten die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten beeinflussen könnten, erkannt, in seine Überlegungen mit einbezogen und in einer Gesamtschau gewürdigt hat.

Eine Gesamtwürdigung aller entscheidungsrelevanten Umstände sei auch geboten, wenn der Angeklagte zwar nicht allein, jedoch überwiegend auf die Angaben eines Tatbeteiligten überführt werden soll. Erforderlich seien dann eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben. Für den Tatrichter gelte der Grundsatz freier Beweiswürdigung und im Rahmen dessen die in der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Regeln, dass eine Beweiswürdigung je nach der Beweislage erschöpfend und nicht lückenhaft zu sein hat und keine erörterungsbedürftigen Möglichkeiten unerwogen lässt. Auch dürfe sie den anerkannten Erfahrungssätzen der Aussagepsychologie nicht widerstreiten. Bei einer sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung sei auch nicht ausgeschlossen, einer Person teilweise zu glauben und teilweise nicht. Schließlich bestünden besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung auch in der Beweissituation des Wiedererkennens. Der Tatrichter dürfe sich nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim ersten Wiedererkennen verlassen, sondern müsse anhand objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat. Der Tatrichter müsse sich grundsätzlich dieses beschränkten Beweiswerts bewusst sein und in den Urteilsgründen erörtern, ob Zeugen sich bei dem erneuten Wiedererkennen unbewusst an einer früheren Identifizierung orientiert haben können.

Greger: „Im vorliegenden Fall liegen besondere Umstände, die die Heranziehung eines oder mehrerer Sachverständiger zur Vermittlung einer besonderen Sachkunde nahelegen würden, weder in der Person des Mitangeklagten Schultze noch in seinem Aussageverhalten oder der konkreten Beweissituation begründet.“ Es seien, so Greger weiter, nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass Schultze an einer aussagepsychologisch oder psychiatrisch relevanten psychischen Störung leiden würde, die sich maßgeblich auf seine Aussagetüchtigkeit auswirken könnte. Ausgehend von dem forensisch anerkannten Grundsatz, dass die Aussage über ein Ereignis dessen Wahrnehmung, dessen Speicherung im Gedächtnis und die bewusste Wiedergabe voraussetzt, könnten Störungen der Zeugentüchtigkeit bei der Wahrnehmung, der Speicherung und der Wiedergabe auftreten. Die Feststellungen zur Persönlichkeit Schultzes böten jedoch auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller keinen Anlass, seinen diesbezüglichen Kompetenzen zu misstrauen. Zwar habe Schultze von Konflikten mit seinem Vater berichtet, die er als Jugendlicher aufgrund seiner damals rechten Gesinnung und im Rahmen seiner sexuellen Identitätsfindung erlebt habe. In der Folge habe Schultze an psychosomatisch bedingten Verdauungsbeschwerden gelitten und sich von 2009 bis 2011 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befunden, wodurch die Symptome nach den Angaben Schultzes abgeklungen seien. Auch seien in seinem familiären Umfeld psychische Erkrankungen, vorwiegend aus dem manisch-depressiven Formenkreis, bekannt.

Greger: „Diese Umstände wiegen jedoch auch in ihrer Gesamtheit bei weitem nicht so schwer, als dass sich daraus unter Berücksichtigung seiner bislang im Verfahren erfolgten Angaben zur Sache, seinem Auftreten in der Hauptverhandlung und der Bestätigung wesentlicher Angaben durch weitere Beweismittel Bedenken gegen seine Zeugenkompetenz, seine geistige Verfassung und seine kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten ableiten ließen.“ Die Besorgnis Wohllebens, das Aussageverhalten Schultzes sei von der Haftsituation geprägt und lasse, bedingt durch eine labile Persönlichkeit, einen psychischen Ausnahmezustand bis hin zum Verlust der Aussagetüchtigkeit befürchten, finde in der Aussagegenese keinen Rückhalt. Vielmehr weise die hochkomplexe, logisch konsistente Aussage über mehrere Jahre in unterschiedlichen Vernehmungs- und Befragungssituationen auch außerhalb einer Haftsituation keine nennenswerten Brüche oder Widersprüche auf. Sie zeuge von einer differenzierten sprachlichen Leistungsfähigkeit und einem bildungsadäquaten verbalen Ausdrucksvermögen.

Schultzes autobiografisches Gedächtnis wie auch die Fähigkeit zur Schilderung von Ereignissen und Emotionen sowie zur Selbstreflexion zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten und keinerlei Hinweise auf neurotische Störungen, sodass die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit Schultzes kein spezifisches Fachwissen erfordere. Auch die gutachterliche Überprüfung einer Erlebnisfundiertheit seiner Angaben sei nicht veranlasst. Wohlleben sehe den Mitangeklagten Schultze in einen „Schuldkomplex“ verstrickt, so genannten „Verdrängungsmechanismen“ wie auch einer besonderen Erwartungshaltung und einer psychischen Ausnahmesituation in der Haft ausgesetzt und anfällig für suggestive Einwirkungen. Das erkennende Gericht könne sich aber mit all diesen Umständen aus eigener Sachkunde in der Beweiswürdigung in dem gebotenen Umfang auseinandersetzen. So könne es in seiner Beweiswürdigung berücksichtigen, dass Schultze bereits vor seiner Festnahme zwei unbeteiligten Personen – Christina Ha. und Marco G. – die Lieferung der Schalldämpferwaffe gestanden und seine Mitverantwortlichkeit für die Morde angedeutet habe.

Der Senat könne die logische und chronologische Entwicklung der Aussagen des Mitangeklagten Gerlach, des Zeugen und von Schultze darstellen und deren voneinander unabhängigen Selbstbelastungen und deren jeweiliges spezifisches Hintergrundwissen, das sich im Laufe der Beweisaufnahme durch weitere Indizien weitestgehend bestätigt habe, in die Würdigung mit einstellen. Es könne die Identifizierungsleistungen Schultzes bzgl. der Schalldämpferwaffe, die Art der sichergestellten Schusswaffen, die Gutachten der Waffensachverständigen, die Tatzeit, die Einlassung des Angeklagten Wohlleben und die Zeugenaussagen von Andreas Schultz, , und Peter Anton Ge., den Zeitablauf und die zwischenzeitlich erfolgten Medienveröffentlichungen würdigen. Entsprechendes gelte auch für den von Wohlleben beispielhaft herangezogenen Aussageverlauf zu den von ihm angeblich getragenen Handschuhen.

Die diesbezüglichen Schilderungen Schultzes sprächen bereits aufgrund der offenen Formulierung der Fragestellung entgegen der Sorge Wohllebens nicht für einen unzulässigen Suggestivvorhalt, sondern für eine zulässige forensisch anerkannte Vernehmungstechnik, die der Verhörsperson ermöglichen solle, sich mental in die konkrete Situation und den konkreten Wahrnehmungskontext zurückzuversetzen – also einer Erinnerungshilfe mit einer wissenschaftlich nachgewiesenen hohen Wirksamkeit. Weshalb die Prüfung dieser Aspekte und weiterer möglicher Fehlerquellen die eigene Sachkunde des erkennenden Senats überfordern könnte, erschließe sich aus dem Vorbringen Wohllebens nicht. Unter Zugrundelegung von anerkannten aussageanalytischen Kriterien wie dem Detailreichtum der Aussage, der Raum-Zeit-Verknüpfung, der Interaktionsschilderung, der Wiedergabe von Gesprächen und Emotionen, der Erörterung ausgefallener Einzelheiten, der Schilderung eigener psychischer Vorgänge, dem Eingeständnis von Erinnerungslücken und der Selbstbelastung seien jedenfalls bislang keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Hinzuziehung eines psychologischen SV erforderlich machen würden.

Dies gelte umso mehr, als der Tatrichter nach der Rechtsprechung des BGH davon ausgehen dürfe, dass bei der Frage, ob der Tatrichter die eigene Sachkunde zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung annehmen darf, Besonderheiten in der Person des Zeugen in ihrer Bedeutung zurücktreten, wenn dessen Aussage, wie im vorliegenden Fall, in anderen Umständen erhebliche Unterstützung finde. Denn die von Wohlleben besorgte besondere Beweissituation einer Aussage gegen Aussage liege im vorliegenden Fall bzgl. der Würdigung seiner Beweislage nicht vor. Nach der BGH-Rechtsprechung sei von einer Konstellation „Aussage gegen Aussage “ nicht mehr auszugehen, wenn belastende Angaben des Mitangeklagten der Einlassung des Angeklagten nicht in vollem Umfang entgegenstehen, weil dieser den Vorwurf nur teilweise bestreitet, wenn die belastende Aussage in Randbereichen durch die Aussage weiterer Zeugen bestätigt wird oder wenn andere Beweismittel die belastende Aussage bestätigen. Soweit Wohlleben im Rahmen der von ihm angestellten Beweiswürdigung den Wahrheitsgehalt einzelner ihn belastender Angaben Schultzes anzweifle und insoweit von einer Konstellation „Aussage gegen Aussage“ spreche, verkenne er die Beweislage, wie sie sich nach der bislang durchgeführten Beweisaufnahme darstelle.

Der zunehmend verdichtete Verdacht, dass Wohlleben im Frühjahr 2000 in die Lieferung einer Schalldämpferwaffe an die ihm als Rechtsextremisten bekannten, im Untergrund lebenden Böhnhardt und Mundlos eingebunden gewesen sei und dabei die Ermordung von neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft billigend in Kauf genommen habe, rühre nicht allein auf den Angaben Schultzes. Der Verdacht gründe sich vielmehr auch auf einer Vielzahl von Zeugenaussagen (etwa die Zeugen Helbig, , Ge.), Urkunden (etwa die Behördenzeugnisse der Verfassungsschutzbehörden) und sächlichen Beweismitteln (etwa den sichergestellten Schusswaffen), auf der Einlassung Holger Gerlachs und nicht zuletzt auch auf der eigene Einlassung Wohllebens, indem er die Angaben Schultzes mittlerweile zu einem weiten Teil bestätigt habe.

Hinzu komme, dass zahlreiche nebensächliche, nicht unmittelbar tatbezogene Aspekte und Umstände wiederum in der Beweisaufnahme ihre Bestätigung gefunden hätten, wie etwa die Schlägerei an der Endhaltestelle in Jena-Winzerla, die von Wohlleben vehement in Abrede gestellt, jedoch nachhaltig und bestimmt von Schultze behauptet worden sei. Nach all dem werde es daher bei der gebotenen sorgfältigen und umfassenden Würdigung aller Erkenntnisse einschließlich des bereits in die Hauptverhandlung eingeführten Gutachtens des psychiatrischen SV Prof. Leygraf dem Senat auch ohne die Hinzuziehung weiterer SV möglich sein, aus eigener Sachkunde die vom Angeklagten Wohlleben in der Antragstellung aufgeworfenen Fragen zu beurteilen. Da nicht ersichtlich ist, welcher Erkenntnismehrwert für die Aufklärung der angeklagten Taten und der Persönlichkeit Schultzes einer Beiziehung und Verlesung von Behandlungsunterlagen zukommen könnte, sei auch diesem Antrag nicht zu entsprechen.

Die Person, die später auf die Besucherempore gekommen ist, klatscht laut vernehmlich. Götzl wird laut: „Würden Sie bitte sofort ruhig sein! Was fällt Ihnen ein? Sie sind hier Zuhörer und haben sich entsprechend zu verhalten.“

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Die Verteidigung wird schriftlich Stellung nehmen.“ Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Wir hatten eine Stellungnahme vorbereitet, aber die Stellungnahme des GBA ist so umfassend und so viel ausführlicher, dass wir uns im vollen Umfang anschließen. Mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen.“ Götzl: „Sind von Seiten der Verfahrensbeteiligten für heute Anträge vorgesehen?“

Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm sagt, die Verteidigung Zschäpe habe die Verfügung zu Kenntnis genommen, dass beabsichtigt ist, den an Schmiemann gerichteten Brief einzuführen: „Wir widersprechen schon jetzt der Beweiserhebung an sich und zur Begründung beziehen wir uns darauf, was vorgetragen worden ist anlässlich der Verlesung von Passagen des Beweisantrags Hoffmann. Von unserer Seite wird darauf verwiesen, dass nicht nur ein Beweisverwertungsverbot, sondern ein Beweiserhebungsverbot besteht.“

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Die Verteidigung Wohlleben hat mit Erschrecken festgestellt, dass der Beschluss nur einem erlesenen Kreis zugestellt worden ist, aber gestern Abend schon in der Presse zu lesen war. Es wäre schön, wenn dazu Klärung möglich wäre, wie so etwas geschehen kann, wenn Verfahrensbeteiligten das noch nicht zur Kenntnis gebracht wurde und daraus schon wörtlich in der Presse zitiert wird. Wir bräuchten aber unabhängig davon eine Pause zur Besprechung zweier geplanter Anträge.“ Götzl: „Dann unterbrechen wird die Hauptverhandlung und setzen fort um 11 Uhr.“

Um 11:05 Uhr geht es weiter. Schneiders verliest den Antrag, die vom Justizministerium Brandenburg an den NSUUA des brandenburgischen Landtages sowie an den NSUUA des Bundestages übersandten Verfahrensakten betreffend den V-Mann des LfV Brandenburg beizuziehen und der Verteidigung Einsicht in die Akten zu gewähren. Nach Informationen des RBB seien bzgl. des V-Manns „“ [= Szczepanski] weitere „für die Aufklärung der NSU-Mordserie“ relevante Verfahrensakten aufgetaucht und an die UAe des Landtags Brandenburg und des Bundestages weitergeleitet worden. Die Akten würden u.a. anderem strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Szczepanski betreffen. Der Senat habe hinsichtlich der Rolle Szczepanskis und dessen Kontakt zu , insbesondere wegen der von Werner an Szczepanski gesendeten SMS, in der wegen des „Bumms“ nachgefragt wurde, umfangreich Beweis erhoben durch Vernehmungen Szczepanskis und seines V-Mann-Führers Görlitz. Es sei anzunehmen, dass die beizuziehenden Akten Aufschluss über mögliche Waffengeschäfte zwischen Szczepanski und Werner geben können, insbesondere im Zusammenhang mit den drei untergetauchten „sächsischen Skinheads“. Jan Werner solle, so Schneiders weiter, nach den Angaben von Zschäpe für Mundlos und Böhnhardt mglw. eine Schalldämpferwaffe beschafft haben. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Tatwaffe 83 über Jan Werner und/oder Carsten Szczepanski, welche beide Kontakte in die Schweiz gehabt hätten, an Böhnhardt und Mundlos gelangte. Götzl: „Wir werden es kopieren.“

Dann verliest Wohlleben-Verteidiger RA Klemke den Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass der auf die Waffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 aufgeschraubte Schalldämpfer D017 ca. 235 Gramm, die Waffe selbst ca. 770 Gramm wiege, einen Beamten des LKA Bayern oder des BKA als Augenscheinsgehilfen zu beauftragen, Waffe und Schalldämpfer gesondert zu wiegen und den Beamten zum Ergebnis seines Augenscheins zu vernehmen. Zur Begründung sagt Klemke, dass Carsten Schultze auf die vom Vorsitzenden am 19. Verhandlungstag gestellte Frage, wie lang der Schalldämpfer gewesen sei, geantwortet habe, dass es das erste Mal gewesen sei, dass er einen Schalldämpfer sah; der sei lang und schwer gewesen und mindestens so lang wie die Waffe, vielleicht auch länger. Indem Schultze hinsichtlich der Länge des Schalldämpfers einen Vergleich zwischen diesem und der Waffe angestellt habe, sei die Aussage, der Schalldämpfer sei schwer gewesen, denklogisch ebenfalls nur als Vergleich von dessen Gewicht mit dem der Waffe aufzufassen. Schultze drücke damit aus, dass das Gewicht des Schalldämpfers dem der Waffe vergleichbar gewesen sei. Dies werde zudem durch Schultzes vorhergehende Angabe gestützt, er habe zuvor noch nie einen Schalldämpfer gesehen. Daher habe Schultze nur einen Vergleich zwischen den Massen von Schalldämpfer und Waffe, nicht jedoch einen entsprechenden Vergleich zu anderen Schalldämpfern ziehen können.

Dass der Schalldämpfer ähnlich schwer wie die von Schultze beschaffte Waffe gewesen sei, werde auch durch die Aussage Wohllebens gestützt, der zum Schalldämpfer angegeben habe, der sei auch ziemlich schwer gewesen, ähnlich schwer wie die Waffe. Tatsächlich betrage das Gewicht des Schalldämpfers der Ceska 83 jedoch nicht mal ein Drittel desjenigen der Waffe und sei damit im Vergleich zur Waffe leicht. Dies spreche entschieden gegen die Zuverlässigkeit des „ohnehin nur sehr vagen und methodisch zweifelhaft zustande gekommenen Wiedererkennens des Waffentyps“ durch Schultze. Aus Sicht der Verteidigung Wohlleben sei es im Ergebnis der Beweiserhebung vielmehr ausgeschlossen, dass es sich bei der von Schultze beschafften und an Mundlos und Böhnhardt weitergegebenen Waffe um eine Ceska 83 handelte. Götzl: „Auch insofern bekommen Sie die Kopien. Soll zu dem Antrag der Verteidigung Wohlleben – Zeuge Russell – Stellung genommen werden? Also ? Keine Stellungnahme?“

Götzl: „Dann ergeht nach geheimer Beratung folgender Beschluss: Der Antrag die beigefügte Presseerklärung der Rechtsanwältin Schneiders sowie ihrer Kollegen Klemke und Nahrath aus dem November 2015 zu verlesen zum Beweis der Tatsache, dass die Verteidiger des Angeklagten Wohlleben in dieser Presseerklärung mit dem Titel ‚Der Wahrheit eine Gasse‘ u.a. ausführen: ‚Herr Wohlleben ist seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben‘, wird abgelehnt, weil die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung ist.“ Götzl macht die üblichen Ausführungen zur Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen etc. Zur konkreten Begründung sagt er, dass die unter Beweis gestellte Tatsache als erwiesen unterstellt, belege, dass die dort zitierte Äußerung in der von den Verteidigern Wohllebens im November 2015 veröffentlichten Presseerklärung enthalten ist. Diese Tatsache sei aber für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten tatsächlich ohne Bedeutung:

a. Der Antragsteller führt in diesem Zusammenhang aus, er sei sich bewusst, dass es sich bei der Presseerklärung nicht um eine Erklärung des Angeklagten Wohlleben handele. Der Inhalt der Presseerklärung sei aber ein Indiz, das Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben im Zeitraum 1999/2000 zuließe, da seine Anwälte, wie er vermute, dem Angeklagten naheständen.
b. Die hier unter Beweis gestellte Tatsache als erwiesen unterstellt, lässt jedoch generell keinen Schluss auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben zu. Rückschlüsse auf die Auffassungen des Angeklagten Wohlleben, die dieser zum Zeitpunkt der angeklagten Tat hatte, sind demnach ebenfalls nicht möglich. 1) Die Presseerklärung stammt ausschließlich von den Verteidigern des Angeklagten Wohlleben. Der Angeklagte Wohlleben hat sich diese Erklärung seiner Verteidiger weder mündlich in der Hauptverhandlung noch schriftlich durch eigene Erklärungen zur Akte oder an die Medien zu eigen gemacht. Er hat sich daher mit dem in der Presseerklärung niedergelegten Inhalt bislang nicht identifiziert. Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben aus dieser Presseerklärung zieht der Senat nicht, weil die Erklärung nicht vom Angeklagten verfasst und von ihm auch nicht autorisiert worden ist. Aus dem
selben Grund kommt der Erklärung auch keine indizielle Bedeutung in der vom Antragsteller aufgezeigten Weise zu.

2) Im Hinblick auf die Ausführungen des Antragstellers, die Erklärung der Verteidiger sei ein Indiz für die innere Einstellung des Angeklagten, weil die Anwälte, wie er vermute, dem Angeklagten naheständen, sei folgendes angemerkt: Im Hinblick auf den Angeklagten Wohlleben können keine Schlüsse gezogen werden, die nur auf eine Vermutung gestützt werden.
c. Eine tatsächliche Bedeutung der unter Beweis gestellten Tatsache im Hinblick auf die Angeklagten Zschäpe, Eminger, Gerlach oder Schultze ist nicht ersichtlich.

Götzl: „Einen Punkt möchte ich nochmal ansprechen, Herr Rechtsanwalt Stahl. Mir geht es um den letzten Termin. Sie hatten gesagt, nachdem Herr Scharmer auf den Beschleunigungsgrundsatz verwiesen hat, dass das Gutachten Saß einen Monat zurückliege, da hatten Sie erklärt, dass das Gutachten umfangreich sei, sie drei Tage hier seien die Woche und es deshalb nicht schaffen würden. So hatte ich Sie verstanden.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Da haben Sie mich missverstanden oder ich mag mich missverständlich ausgedrückt haben. Der Kollege Heer hat eine Erklärung abgegeben und das löst das auf.“ Götzl: „Nein, geäußert haben Sie das! Inwiefern das das aufgelöst hat, ist mir nicht klar. [phon.] Haben Sie das so geäußert oder nicht?“ Stahl: „Ich habe keine Erinnerung, ob ich das in diesem Wortlaut geäußert habe. Und, Herr Vorsitzender, wie gesagt, Kollege Heer hat doch für uns alle drei deutlich erklärt, was mit der Diskussion gemeint war.“

Götzl: „Meine Reaktion war ja die Absetzung der Tage 06. und 07.12.“ Stahl: „Ja, und dazu hatten wir uns ja auch noch außerhalb der Hauptverhandlung geäußert, dass dies nicht behelflich [phon.] ist. Weil wir nicht die Zeit benötigen, sondern dass noch eine fachliche Expertise eingeholt werden muss.“ Götzl: „Das ist aber eine andere Frage. Es geht erstmal um Ihre Vorbereitung. Das ist der eine Punkt ist, ob Sie die Zeit hatten. Und ich habe Sie so verstanden, dass Sie erklärt hatten, Sie würden hier drei Tage in der Woche sitzen. Ob Sie zusätzlich noch eine Expertise einholen, das ist ein anderer Punkt.“ Stahl: „Nein, dann war das missverständlich. Es bezog sich nicht auf unsere fehlende Zeit, sondern dass wir noch warten müssen, bevor wir uns damit beschäftigen.“ Götzl: „Warten womit? Muss ich jetzt doch mal nachfragen.“ Stahl: „Herr Vorsitzender, ich versuche es Ihnen nochmal zu erklären: Wir haben uns umgehend damit befasst, als das Gutachten kam, in der zur Verfügung stehenden Zeit. Wir hatten viel Zeit, weil Termine abgesetzt wurden. Aber neben der Zeit, die wir damit verbringen, müssen wir auch warten und suchen, dass wir eine Fachexpertise gefunden haben. [phon.] Das kostet auch Zeit und das hat der Kollege Heer Ihnen versucht zu erklären und das hat er, denke ich, auch getan. So schwer ist es nicht.“

Götzl: „Sind denn von Ihrer Seite noch Erklärungen?“ RA Heer sagt etwas ohne Mikrofonverstärkung. Götzl: „Mir geht es um die Äußerungen von Herrn Stahl. Wenn Sie etwas ergänzen wollen, können Sie es gerne machen.“ Heer sagt, er habe seine Erklärung beim letzten Mal eingeleitet mit den Worten, dass sie ausdrücklich auch im Namen von Herrn Stahl und Frau Sturm ist und dann mit: „Es ist deshalb nicht zielführend, weil“ usw. fortgesetzt. Heer: „Wenn Sie Herrn Stahl künstlich missverstehen wollen, dann tun sie es!“ Stahl: „Vielleicht darf ich zurückfragen: Warum ist denn das jetzt von Interesse?“ Götzl sagt, er habe Klarheit haben wollen bzgl. Stahls Eingangsäußerungen. [phon.] Stahl entgegnet, dass das Schreiben doch von ihm mitunterzeichnet sei. Stahl: „Herr Vorsitzender, ich bitte Sie! Wir haben uns in der Tat überlegt, ob wir auf Ihre Terminabsetzung mit der darin enthaltenen Begründung noch etwas sagen oder nicht. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir den Eindruck hatten, dass Sie uns ganz bewusst missverstand haben. [phon.] Und deswegen haben wir das nachgeliefert.“

RAin Sturm sagt, sie habe das mitgeschrieben und es sei so gewesen, dass Stahl gesagt habe, dass im Hinblick auf das weitere Gutachten Zeit erforderlich sei. Daraufhin habe Götzl, so Sturm, sofort erklärt, er werde den den 06. und 07. absetzen: „Daraufhin erwiderte der Kollege Stahl, dass es mit dem einfachen Absetzen des 06. und 07. nicht getan sei. Das heißt, das ist unbehelflich. Und Sie sagten daraufhin, wir würden die Frage dann zurückstellen. Und insofern ist von uns ganz klar erklärt worden, dass uns mit dem Absetzen nicht mit einer Minute [phon.] geholfen wäre.“ RAin Schneiders: „Das kann ich bestätigen. So ist es bei uns auch angekommen.“ Götzl: „Es bleibt aber trotzdem die Frage der Vorbereitung durch die Verteidigung, durch Sie, die Anwälte.“ Götzl sagt, die Frage der Anhörung des SV zum Zeitpunkt, zu dem er vom Gericht vorgesehen ist, und die Frage, wie die Verteidigung Beweisanträge und Fragen vorbereite, was ihr ja unbenommen sei, seien „zweierlei Stiefel“. [phon.] Stahl: „Wenn es um die Befassung der Verteidigung von Frau Zschäpe, von Frau Sturm, Herrn Heer und meiner Person mit dem Gutachten von Prof. Saß geht, sind wir, was unsere Tätigkeit, unseren Part dazu angeht, schon seit längerem fertig. Worauf wir warten, ist die Beantwortung verschiedenster Fragen, die eine gewisse Fachexpertise erfordern. Und wenn die vorliegen, dann brauchen wir noch eine überschaubare Zeit. Aber wir sind damit fertig.“

Götzl: „Darum ging es mir. Also Sie haben es vorbereitet, sind fertig? [phon.]“ Sturm: „Damit hier jetzt nicht ein erneutes Missverständnis entsteht, möchte ich klarstellen, dass wir zum Teil fertig sind mit der Vorbereitung der Anhörung des Sachverständigen. Da nämlich noch ein Teil der Vorbereitung fehlt. [phon.] Ich möchte nicht später in einer Verfügung lesen, dass wir erklärt hätten, wir seien vorbereitet und der Sachverständige am 20. und 21. gehört werden kann. Dem ist nicht so!“ Götzl: „Aber es geht doch um Ihre Fragestellungen.“ Sturm: „Und die speisen sich aus unseren Wissen und dem Fachwissen einer externen Person.“ Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen, wir setzen fort um 12 Uhr.“

Um 12:02 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass der Antrag der Verteidigung Wohlleben auf Ladung und Vernehmung von [Sänger „Böhse Onkelz“, siehe 326. Verhandlungstag] abgelehnt wird. Dem Antrag, sämtliche Dateien in dem Ordner „Böhse Onkelz“ durch Abspielen in Augenschein zu nehmen, wird nicht nachgekommen. Es folgen die üblichen Ausführungen zur prognostischen Prüfung etc. Dann sagt Götzl, dass die unter Beweis gestellten Umstände für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Götzl fasst die Beweistatsachen zusammen. Dann führt er zur inhaltlichen Begründung der Ablehnung aus, dass sich aus den in der Hauptverhandlung am 22.11.2016 teilweise verlesenen Vermerken ergebe, dass die Verzeichnisse und Dateien nicht vor dem 22.10.2009 auf der Festplatte gesichert worden sein können. Aufgrund des vorhandenen erheblichen zeitlichen Moments ziehe der Senat aus dem Inhalt keine Rückschlüsse auf die innere Einstellung Wohllebens 1999/2000.

Es seien keine Belege dafür vorhanden, dass die Einstellung Wohllebens in allen Aspekten stabil geblieben ist. Selbst wenn der Angeklagte 2009 dem Inhalt zugestimmt haben sollte, sei das kein Indiz, dass dies schon zum Tatzeitpunkt so war. Nachdem der Senat schon keine Schlüsse daraus ziehe, dass sich das Lied „Türken raus“ auf der Festplatte des Angeklagten befindet, komme dem Umstand, dass es sich als Teil einer kompletten Diskografie dort befindet, keine Relevanz zu. Eine Bedeutung im Hinblick auf die Angeklagten Zschäpe, Eminger, Gerlach und Schultze sei nicht ersichtlich.

Danach weist Götzl darauf hin, dass beabsichtigt sei, zwei Blätter eines Protokolls zu kriminaltechnischer Tatortarbeit und ein Behördengutachten des TLKA zu verlesen. Götzl weist darauf hin, dass die zugehörigen Unterlagen zum für Dienstag geladenen Zeugen ausliegen würden und sagt dann: „Sind denn ansonsten noch Anträge oder Erklärungen? Keine. Dann wird unterbrochen. Wir setzen fort am Dienstag, 13.12., um 09:30 Uhr in diesem Sitzungssaal.“ Der Verhandlungstag endet um 12:10 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Rechtsanwalt Borchert verlas die Erklärung der Verteidigung Zschäpe zum Fall Peggy K. und zu den kinder- und jugendpornographischen Bildern auf einem PC in der Frühlingsstraße-Wohnung […]: Informationen zu Peggy K. habe sie keine, den Rechner hätten alle drei genutzt, die Fotos kenne sie nicht, wahrscheinlich habe Uwe Mundlos in den Rechner eine gebrauchte Festplatte eingebaut, auf der die Fotos schon drauf gewesen seien. Dass insbesondere die letzte Aussage Mumpitz ist, liegt auf der Hand – auch die ‚Altverteidiger‘ Heer und Stahl konnten sich beim Zuhören eine Grimasse nicht verkneifen. Bereits vor der Hauptverhandlung hatte das Gericht die Beschlagnahme des Briefes von Beate Zschäpe an einen inhaftierten ‚Kameraden‘ beschlossen. Dieser Brief soll nun im Selbstleseverfahren ins Verfahren eingeführt werden. Damit ist nach fast drei Monaten das Prozedere um den Brief, dessen Verlesung die Nebenklage beantragt hatte […], endlich beendet. Es folgte eine längere Diskussion zwischen dem Vorsitzenden und den ‚Altverteidigern‘ Heer, Stahl und Sturm zur Frage, wann die Verteidigung – und der von ihr hinzugezogene Gutachter – sich ausreichend mit dem Gutachten von Prof. Saß auseinandergesetzt haben und dieser gehört werden kann. Das Gericht plant dies derzeit für den 20./21.12. und scheint hieran auch weiter festzuhalten. Nachdem die Verteidigung Wohlleben noch zwei verzweifelte Beweisanträge gestellt hatte, war der Sitzungstag gegen Mittag beendet.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/12/08/08-12-2016/

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