Protokoll 338. Verhandlungstag – 19. Januar 2017

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An diesem Prozesstag ist der Sachverständige Prof. Leygraf anwesend, der das Gutachten über Carsten Schultze erstattete, und Götzl teilt ihm gebündelt mit, was die Angeklagten und Zeug_innen im Laufe des Prozess über Carsten Schultze und die ihm vorgeworfene Tat ausgesagt haben. Danach endet der Verhandlungstag.

Der Verhandlungstag soll heute planmäßig erst um 11:30 Uhr beginnen, um 11:42 Uhr geht es tatsächlich los. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: „Eine Nachfrage, Frau von der Behrens, konnten Sie sich die Nachlieferungen anschauen?“ NK-Vertreterin RAin v. d. Behrens: „Ich habe mir das angesehen, würde den Beweisantrag aber nicht zurückziehen, sondern erweitern, ich bitte Sie mir bis Dienstag dafür Zeit zu geben.“ Götzl sagt, dass das Konzept von Prof. Dr. Saß nun vorliege und man es eben ausdrucken und kopieren lassen: „Ich nehme an, der Hilfsantrag hat sich dann erledigt? Nicht?“ Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: „Herr Vorsitzender, das würden wir uns erst anschauen wollen.“ Das Kamerabild, das einen Überblick über die Reihen der NK-Vertreter_innen zeigt, wird unscharf. Götzl: „Das Bild könnte schärfer sein. Wie lang brauchen Sie dafür? 10 Minuten? Dann unterbrechen wir bis 11:50 Uhr.“ Um 11:58 Uhr kommt die Durchsage, dass es erst um 12:05 Uhr weitergeht.

Um 12:06 Uhr geht es dann weiter. Götzl wendet sich an den anwesenden psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Leygraf, der das Gutachten über Carsten Schultze erstattet hat: „Es geht uns darum, Sie, Herr Prof. Dr. Leygraf, zu informieren. Es geht um die Informationen, die im Hinblick auf die Gutachtensfragen von Bedeutung sind. Da geht’s zunächst noch um Einlassungen Herrn Schultzes am 269. Hauptverhandlungstag zum Thema -Kreisvorstand und Landesverband. Herr Schultze hat gesagt, seiner Erinnerung nach sei er das nie gewesen.“ Im Folgenden gibt Götzl Angaben Schultzes am 269. Verhandlungstag wieder, die für die Begutachtung durch Leygraf relevant seien. Danach gibt er Angaben Ralf Wohllebens und Beate Zschäpes in Bezug auf Schultze wieder. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders unterbricht mehrmals, weil Götzl zu schnell oder zu leise vortrage.

Dann gibt Götzl Angaben des Zeugen Marco G. [179. Verhandlungstag] zu Carsten Schultze wieder. Danach sagt er: „Wir haben die Zeugin Christine Ha. gehört.“ Leygraf: „Ist das die, die früher unter dem Namen Tina Sch. gelaufen ist?“ Götzl: „Ist jedenfalls eine Freundin von Herrn Schultze.“ Leygraf: „Genau.“ Im Folgenden gibt Götzl Angaben der Zeugin [188. Verhandlungstag] zu Schultze wieder. Es folgt die Wiedergabe von Informationen zu Schultze aus den Einvernahmen Tino Brandts [zuletzt 287. Verhandlungstag]. Es folgt die Wiedergabe von Angaben zu Schultze aus den Einvernahmen von [zuletzt 259. Verhandlungstag], aus der Einvernahme von [112. Verhandlungstag] und von Jana J. [93. und 107. Verhandlungstag].

Götzl sagt: „Dann noch die Angaben André Kapkes in Bezug auf Carsten Schultze.“ Schneiders: „Wäre es möglich, eine kurze Pause zu machen. Ich versuche mitzuschreiben und es ist furchtbar anstrengend.“ Götzl teilt mit, über welche Einvernahmen er noch berichten wolle. Schneiders: „Ich bitte dann doch um 10 Minuten.“ Götzl: „Kein Problem. Setzen wir fünf nach halb fort.“

Um 13:40 Uhr geht es weiter. Götzl berichtet über Angaben zu Carsten Schultze aus den Einvernahmen von André Kapke [zuletzt 96. Verhandlungstag], [zuletzt 301. Verhandlungstag], Sven Kl. [301. Verhandlungstag] und [221. Verhandlungstag].

Götzl: „Dann gibt es des weiteren noch Erkenntnisse zu Carsten Schultze aus verlesenen Berichten des Verfassungsschutzes. Hierzu haben wir Ihnen Kopien angefertigt, Herr Prof. Dr. Leygraf.“ Götzl nennt die Fundstellen der Erkenntnismitteilungen. Götzl weiter: „Ich würde Sie bitten, dass Sie prüfen, ob Ergänzungen erfolgen sollen, gewünscht werden, natürlich von allen Seiten, allen Verfahrensbeteiligten.“ Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Zu den jetzt noch übergebenen Unterlagen meine ich, dass sie ihm bei der Gutachtenerstattung vorgelegen haben, weil sie dem Anschreiben des GBA beigefügt waren, meine ich.“ RAin Schneiders: „Wir haben umfassend Protokoll geführt. Um unsere Mitschriften abzugleichen, welche Information darüber hinaus wir anregen, dem Sachverständigen zu vermitteln, brauchen wir einige Zeit. Wenn Sie uns bis nächste Woche da nachlassen würden, würden wir Entsprechendes vorbereiten.“ Götzl wendet sich an Leygraf: „Dann müssten Sie nächste Woche nochmal kommen. Der Kollege vom 8. Senat hat mir mitgeteilt, dass Sie am 25. in München seien, ist das zutreffend?“ Leygraf: „Ja, das stimmt.“ Götzl: „Sind denn von Seiten weiterer Verfahrensbeteiligter noch Wünsche hinsichtlich der Information Prof. Dr. Leygrafs?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Ja, dann kommen wir heute zunächst mal nicht weiter, denke ich. Jetzt wäre die Frage, ob es weitere Anträge gäbe oder Erklärungen für heute. Sonst wären wir für heute am Ende des Verhandlungstages. Für nächste Woche wären dann Sie, Herr Prof. Saß, geladen.“ Götzl klärt kurz mit Leygraf, dass dieser für den 25.01., 13:00 Uhr geladen werde. Leygraf: „Okay.“ Götzl: „Dann wird für heute unterbrochen und wir setzen fort am Dienstag, 24. Januar, um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 14:11 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Heute war erneut der Sachverständige Prof. Leygraf geladen […]. Auf Antrag der Verteidigung Wohlleben teilte ihm der Vorsitzende Richter Götzl etwa 2 Stunden lang mit, was die Angeklagten und ZeugInnen in der Hauptverhandlung über Carsten Schultze und die ihm vorgeworfene Tat ausgesagt hatten. […] Es lässt sich nicht behaupten, dass dieser Tag das Verfahren irgendwie inhaltlich weitergebracht hätte – vor allem, weil das, was die ZeugInnen über Schultze gesagt haben, letztlich nicht relevant von dem abweicht, was Leygraf bereits seinem Gutachten zu Grunde gelegt hat. Dies sah anscheinend auch der Sachverständige selbst so, der sich nur sehr wenige Notizen machte. Letztlich ging es dem Gericht, das Leygraf eigentlich letzte Woche schon mit Dank entlassen wollte, wohl darum, befürchtete Revisionsgründe seitens der Verteidigung Wohlleben zu vermeiden. Dabei lässt sich schon mit Fug und Recht bezweifeln, ob diese überhaupt ein rechtlich schützenswertes Interesse am Gutachten des Prof. Leygraf hat – denn der hat sich ja nicht etwa zur Glaubhaftigkeit Schultzes geäußert, sondern ausschließlich dazu, ob auf diesen Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/01/19/19-01-2017/

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