Kurz-Protokoll 347. Verhandlungstag – 15. Februar 2017

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An diesem Verhandlungstag ist der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Henning Saß geladen. Er wird allerdings nur kurz von NK-Vertreter Scharmer befragt. Darauf folgen Verlesungen sowie Ablehnungen von Beweisanträgen durch den Senat.

Sachverständiger:

  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrische Begutachtung von Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Götzl: „Dann würden wir zu Ihnen kommen, Herr Prof. Dr. Saß. Sind denn weitere Fragen an den Sachverständigen von Seiten der Verteidiger Frau Zschäpes? Keine Fragen? Sonst Fragen an den Sachverständigen?“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Wenn man unterstellen würde, Frau Zschäpe hätte sich in den letzten fünf Jahren Untersuchungshaft ohne disziplinarische Auffälligkeit, vollständig beanstandungsfrei in der JVA geführt, hätte das auf Ihr Gutachten, die Einschätzung einen Einfluss?“ Saß: „Natürlich bin ich zurückhaltend, etwas für einen Fall zu sagen, wo ich den genauen Inhalt nicht kenne. Es wäre eine interessante und wichtige Information. Aber grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass, wie ich es im Gutachten beschrieben habe, bei Frau Zschäpe über die vielen Jahre im Untergrund eine sehr tief eingeschliffene Fähigkeit besteht, sich unauffällig zu verhalten, bei den Urlaubsbekanntschaften, bei den Hausmitbewohnern, einen insgesamt unauffälligen Eindruck zu machen, so dass kein Verdachtsmoment auftauchte, dass sich etwas ganz anderes abspielt als nach außen dargeboten wird. Also das wäre zu berücksichtigen. So habe ich es aber im Gutachten auch schon ausgeführt im Hinblick auf die aufgezählten Informationsquellen und diesen Aspekt müsste man bei neuen Informationen sicherlich auch berücksichtigen.“

Es folgt dann die Verlesung des Behördengutachtens des TLKA. Das Schriftstück enthält eine gerichtsbiologische Expertise an Spuren und Vergleichsmaterialien auf Antrag des TLKA im Verfahren gegen die Beschuldigten André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Als Untersuchungsmaterialien hätten fünf Filterzigarettenreste, drei Filterzigarettenreste, drei einzelne PE-Handschuhe und ein Latexhandschuh, drei einzelne PE-Handschuhe und zehn abgetrennte Fingerkuppen eines Latexhandschuhs vorgelegen.
In der Zusammenfassung wird dann festgestellt, dass die an fünf Filterzigarettenresten und einem Filterzigarettenrest festgestellten Merkmale des Verursachers in allen Systemen mit denen der Beschuldigten Beate Zschäpe übereinstimmten. Die Merkmale an einer Spur [phon.] stimmten in allen Systemen mit denen des Beschuldigten Uwe Böhnhardt überein. Somit sei davon auszugehen, dass Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt Verursacher der Spuren sind. Götzl: „Sollen dazu Erklärungen abgegeben werden?“ Sturm: „Wir widersprechen insoweit ebenfalls der Beweisverwertung und nehmen wieder Bezug auf die wiederholt vorgetragenen Begründungen anlässlich der Durchsuchung der Garage am 26.01.1998.“

Danach verkündet Götzl den Beschluss, dass die Beweisanregung von RA Narin vom 25.01.2017, Christian Sch. als Zeugen zu vernehmen, nicht entsprochen wird. Götzl:
Die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO drängt nicht dazu, den Zeugen Sch. in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Der Umstand, dass der Zeuge über einen Zeitraum von ungefähr einem Jahr bis zum 30.10.2011 regelmäßig über das Internet mit Uwe Mundlos kommuniziert habe und sich mit Uwe Mundlos per E-Mail oder mittels der Software „Teamspeak“ zeitweise nahezu täglich ausgetauscht und insbesondere zum Spielen verschiedener Computerspiele verabredet habe, erbringt ersichtlich keinen Aufklärungsgewinn.
Hinweise dafür, dass der Zeuge aufgrund dieser Kontakte nähere und noch nicht bekannte Angaben zur Beziehung der Personen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe untereinander machen könnte, sind nicht vorhanden. Rechtsanwalt Narin hofft dies lediglich, indem er in seiner mündlichen Erwiderung auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts ausführte, „vielleicht könne sich der Zeuge von der Beziehung ein Bild machen“. Tatsachen, die diese Vermutung stützen könnten, sind allerdings nicht vorhanden. Auch aus der polizeilichen Vernehmung des Zeugen ergeben sich diesbezüglich keine Hinweise.
Der Umstand, dass, nach Angaben des Zeugen, Mundlos sich als „Max Burkard“ vorgestellt und angegeben habe, dass er gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Freundin „Lieschen“ in Zwickau wohnhaft sei, erbringt keinen Aufklärungsgewinn im oben dargestellten Sinne. Diese Umstände sind bereits erwiesen. Sofern die Verwendung des Begriffs „Freundin“ eine sexuelle Beziehung zwischen Mundlos und der Angeklagten Zschäpe im Jahr 2011 belegen soll, ist der Zeuge nicht geeignet, den diesbezüglichen Nachweis zu erbringen. Der Zeuge hat hierzu keine eigenen Wahrnehmungen, sondern kann lediglich eine Äußerung des verstorbenen Uwe Mundlos ihm gegenüber wiedergeben.
Es besteht nach Ansicht des Senats jedoch die naheliegende Möglichkeit, dass Uwe Mundlos im Rahmen der Erläuterung seiner „Legende“, bei der er den Zeugen in zahlreichen Details belog, ebenfalls wahrheitswidrig von der Angeklagten als seiner Freundin sprach. Ein Schluss auf bestimmende Persönlichkeitszüge bei der Angeklagten Zschäpe lässt sich vor diesem Hintergrund nicht ziehen.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen für Demographie abgelehnt ist, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Götzl wiederholt zunächst die wesentlichen Punkte aus dem [rassistischen – Anm. NSU-Watch]Antrag der Wohlleben-Verteidigung. Dann macht er im Begründungsteil der Ablehnung unter I. die üblichen Ausführungen dazu, wann eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache aus tatsächlichen Grün den für die Entscheidung bedeutungslos ist. Der Verhandlungstag endet um 10:45 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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