„Es gibt eine Vielzahl von Verbindungen, aber auch lose Fäden, die es zu entwirren gilt.“

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Seit 2016 gibt es auch in einen NSU-Untersuchungsausschuss. Er hält dieser Tage, nachdem Sachverständige gehört wurden, die ersten Sitzungen mit Zeug*innen ab. Anlässlich dieses Ausschusses hat sich NSU-Watch Brandenburg gegründet. Caro Keller sprach Anfang März mit NSU-Watch Brandenburg über den aktuellen Stand.

NSU-Watch: Wie ist der NSU-Untersuchungsausschuss in Brandenburg zustande gekommen?

NSU-Watch Brandenburg: Es gab von verschiedenen Seiten immer wieder die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss in Brandenburg. Nicht zuletzt wegen des unsäglichen Verhaltens der Brandenburger Behörden im Zusammenhang mit dem Neonazi-V-Mann „“. Aber gerade auch die Partei Die Linke hat sich in Brandenburg lange Zeit nicht wirklich dafür interessiert, beziehungsweise hat sie versucht, ihre Regierungsbeteiligung „damit“ nicht zu belasten. Irgendwann war der Druck auf die Regierungskoalition zu groß geworden, so dass sie den Ausschuss auf Initiative der Opposition gemeinsam eingesetzt hat.

NSU-Watch: Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz Brandenburg im NSU-Komplex?

NSU-Watch Brandenburg: Eine finstere Rolle. Das kann man sagen, auch wenn der öffentliche Wissensstand immer noch niedrig ist. Die V-Männer „Piatto“ oder Toni S. sind brandenburgische Beispiele für das bekannte Verhalten des Verfassungsschutzes, militante Neonazis anzuwerben, diese Strukturen aufbauen zu lassen, sie vor Strafverfolgung zu schützen. Hinzu kommen Anhaltspunkte, wie die These des Generalstaatsanwaltes Erardo Rautenberg, der die bisher nicht ermittelte Vereinigung „“ möglicherweise für ein komplett vom Verfassungsschutz gelenktes Konstrukt hält. Die „Nationale Bewegung“ bekannte sich unter anderem zu einem Brandanschlag auf den Jüdischen Friedhof in Potsdam.

NSU-Watch: Welche Rolle spielt die Brandenburger Neonazi-Szene im NSU-Komplex?

NSU-Watch Brandenburg: Es gibt eine Vielzahl von Verbindungen, aber auch lose Fäden, die es zu entwirren gilt. „Piatto“ war nicht der einzige mit einer großen Nähe zum NSU-Kerntrio. Die militante Szene war in den 1990ern und Anfang der 2000er Jahre in Brandenburg in das Blood-&-Honour-Netzwerk eingebunden. Darüber hinaus gibt es verschiedene Verbindungen über Knast- und sonstige Kameradschaften und auch internationale Kontakte wie zu und dem .

NSU-Watch: Was erwartet ihr von diesem Untersuchungsausschuss?

NSU-Watch Brandenburg: Der Untersuchungsauftrag ist sehr weit gefasst, was zu begrüßen ist. Die militante Neonaziszene der 1990er und 2000er könnte beleuchtet und der Öffentlichkeit ins Bewusstsein gebracht werden und das Verhalten von Verfassungsschutz, Polizei und Justiz und auch der Politik aufgearbeitet werden. Leider ist zu erwarten, dass der Ausschuss nur wenige seiner Aufträge erfüllen wird. Es sei denn, dass durch öffentliche Aufmerksamkeit der Druck zu groß wird, um mit kleinlichem Taktieren und Mauscheln um die Wahrheit herumzutanzen.

NSU-Watch: Wie läuft die Arbeit des Untersuchungsausschusses bisher?

NSU-Watch Brandenburg: Der Ausschuss tritt auf der Stelle. Da die Regelungen zum Umgang mit Verschlusssachen, also geheimen Unterlagen, in Brandenburg viel strenger sind als etwa im Bundestag, scheint es schon an der Aktenvorlage und deren Verwendung im Ausschuss zu hapern. Bisher wurden allein Sachverständige gehört. Möglicherweise haben die Aussagen verschiedener Expert*innen den Abgeordneten klar gemacht, dass eine ernsthafte Aufklärung dringend notwendig ist.

NSU-Watch: Was steht in der näheren Zukunft auf der Agenda des NSU-Untersuchungsausschuss in Brandenburg?

NSU-Watch Brandenburg: Nach weiteren Anhörungen von Experten soll es im Frühling endlich um die Vernehmung von Zeugen gehen. Bearbeitet werden soll zunächst die Causa „Nationale Bewegung“ und die Geschehnisse um V-Mann „Piatto“.

NSU-Watch: Worauf legt ihr bei eurer eigenen Arbeit wert? Was sind eure Zielsetzungen?

NSU-Watch Brandenburg: Wir versuchen, den Ausschuss mit eigener Berichterstattung und Recherche kritisch zu beleuchten. Natürlich wollen wir dabei die aktuelle Beweisaufnahme hinterfragen bzw. anregen und wo notwendig, eigene, unabhängige Akzente setzen.

NSU-Watch: Wie bewertet ihr den Ausgang des sogenannten -Prozesses?

NSU-Watch Brandenburg: Fast über den gesamten Prozess, der sich über ein Vierteljahr hinzog, wurde fast gar nicht auf die rassistische, neonazistische Motivation der Angeklagten eingegangen. Das war erschreckend. Die bizarren Rechtfertigungen des Hauptangeklagten wurden garniert von Einlassungen der anderen Angeklagten, die ihr Tun irgendwo zwischen allgemeinem Frust und Alkohol- und Drogenproblemen verortet wissen wollten. Auf den banalen Umstand, dass einer der Angeklagten eine Vorstrafe wegen terroristischen Aktionen hat, wurde vor Gericht nicht eingegangen, sogar hierzu brauchte es eines Hintergrundtextes von uns. Der Angeklagte versuchte sich als orientierungsloser Jungmann darzustellen; genauso, wie er es über ein Jahrzehnt zuvor getan hatte, als er mit dem „Freikorps Havelland“ migrantische Imbissgeschäfte niedergebrannt hatte, um seine Heimat „ausländerfrei“ zu machen. Dass im jetzigen Prozess letztlich harte Strafen verhängt wurden, geht in Ordnung, denn es signalisiert immerhin, dass solche rassistischen Brandstiftungen und Hetzereien durchaus sanktioniert werden können. Die Urteilsbegründung des Richters, der das Wort „Rassismus“ kaum in den Mund nehmen wollte, konnte uns dennoch nicht voll überzeugen. Wir warten gespannt ab, ob der Prozess in Revision geht – und ob bisher nicht belangte mutmaßliche Mittäter*innen noch zur Rechenschaft gezogen werden. Andere Taten, die wahrscheinlich ebenfalls auf das Konto der Gruppe gehen, sind zudem bisher noch nicht aufgeklärt. Es gab beispielsweise einen Brandanschlag auf ein kirchliches Begegnungszentrum in Jüterbog direkt im Anschluss an eine Demonstration, die der Hauptangeklagte organisiert hatte.