Kurz-Protokoll 357. Verhandlungstag – 06. April 2017

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Die Verteidigung Wohlleben verliest an diesem Prozesstag einige Anträge. Sie beantragt die Ladung zahlreicher Zeugen, die den Angeklagten Wohlleben ihrer Meinung nach entlasten sollen. Diese Zeugen würden Wohlleben seit den 1990er Jahren kennen und könnten daher aussagen, dass sie selbst nicht mit den Taten des NSU gerechnet hätten, sie Wohlleben keine Unterstützung zutrauen würden und sich dieser zudem nie „ausländerfeindlich“ geäußert habe. Außerdem nimmt die BAW Stellung zur Ankündigung der Nebenklagevertretung der Familie von Halit Yozgat, das Gutachten des Instituts Forensic Architecture zur Anwesenheit des hessischen Verfassungsschützers Andreas Temme beim Mord das NSU an Halit Yozgat, über eine selbstständige Sachverständigenladung in den Prozess einzuführen. Die BAW hält die NK nicht für nicht dazu berechtigt.

Heute ist der 11. Jahrestag des Mordes an Halit Yozgat. Der Verhandlungstag beginnt um 09:49 Uhr.
Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath stellt folgenden Antrag:
1. Robert He. zu vernehmen dazu, dass „er Ende der 90er Jahre zur rechten Szene Jenas gehörte; er zu dieser Zeit mit Ralf Wohlleben befreundet war; er ca. 1995/1996 Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Winzerclub kennenlernte; er letztmals Kontakt zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ende 1997 hatte; der Zeuge Ralf Wohlleben eine Beihilfehandlung zu Mordstraftaten nicht zutraue; er aus dem von ihm wahrgenommenen Verhalten und Äußerungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht darauf schloss, dass die beiden schwerste Straftaten gegen das Leben von Menschen aus ausländerfeindlichen Motiven planten“.
2. Volker He. dazu vernehmen, dass „er Ende der 90er Jahre zur rechten Szene in Jena gehörte; dass er Ende der 90er Jahre mit Ralf Wohlleben befreundet war; er Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ca. 1996 kennengelernt hat; er Ralf Wohlleben eine Beihilfehandlung zu Mordstraftaten nicht zutraut; er aus dem von ihm wahrgenommenen Verhalten und Äußerungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht darauf schloss, dass die beiden aus ausländerfeindlichen Motiven schwerste Straftaten gegen das Leben von Menschen planten“.
3. Maximilian Lemke als Zeuge zu vernehmen dazu, dass „er seit 1992 zur rechten Szene gehört; er Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt etwa zwei Jahre vor deren Untertauchen kennengelernt hat; er ab Mitte der 90er Jahre Kontakt zu Ralf Wohlleben hatte und diesen näher kannte; die Mordserie zum Nachteil von Mitbürgern mit Migrationshintergrund sowie der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter kein Thema innerhalb der rechten Szene Jenas war; dass Gewalt nach Ansicht des Zeugen kein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein darf und gezieltes Töten von Ausländern nicht zu den politischen Zielen des Nationalen Widerstands und Ralf Wohllebens gehörte und sich Ralf Wohlleben entsprechend dieser Ansicht Ende der 90er und im Jahr 2000 gegenüber dem Zeugen geäußert und verhalten hat; er Ralf Wohlleben als friedvolle und friedliebende Person wahrgenommen hat und er sich nicht vorstellen kann, dass Ralf Wohlleben für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Waffe besorgt hat, um Beihilfe zu Mordstraftaten aus ausländerfeindlichen Motiven zu leisten, da ein solches Verhalten nicht der von Ralf Wohlleben ihm gegenüber geäußerten Meinung entsprach“.
4. Ralph Oe. als Zeugen zu vernehmen dazu, dass „er seit 1998 Kontakt zu rechten Szene in Jena hatte; er seit dieser Zeit auch Ralf Wohlleben kennt und seither näheren Kontakt zu diesem hat; er sich nicht vorstellen kann, dass Ralf Wohlleben eine Behilfehandlung zu Mordstraftaten aus ausländerfeindlichen Motiven geleistet hat, da Ralf Wohlleben in Gesprächen mit ihm immer zu erkennen gegeben hat, dass er gegen Gewalt war“.
5. die Vernehmungsbeamten des Frank Schwerdt, KHK Kr. und KK Tr. als Zeugen zu vernehmen dazu, dass „sich der Zeuge Frank Schwerdt bei dieser Vernehmung auch zu Ralf Wohlleben geäußert hat; Frank Schwerdt aussagte, dass Gewalt in der rechten Szene in Jena kein Thema war und sich Ralf Wohlleben und André Kapke anlässlich eines Vorfalles einer Prügelei im Jahr 2006 klar gegen die gewalttätigen Personen ausgesprochen haben und sich ausdrücklich von diesen distanzierten“.
6. Rick We. als Zeugen zu vernehmen dazu, dass „er seit 1992/1993 politisch aktiv in Jena sei; er seit Mitte der 90er Jahre Ralf Wohlleben kennt und zu diesem auch näheren Kontakt hatte; er seit Mitte der 90er Uwe Böhnhardt aus der Schule kannte, in die sie gemeinsam gingen; er Bombenattrappen wie die Theaterbombe, von der er aus der Presse erfuhr, ebenfalls als kontraproduktiv empfand, Ralf Wohlleben seine diesbezügliche Einstellung teilte und dies in Gesprächen und Verhalten gegenüber ihm offen zeigte; nach seiner Kenntnis auch Ralf Wohlleben vom Sprengstoff in der Garage nichts wusste und sich ihm gegenüber nach dem Untertauchen der drei entsprechend äußerte; er glaube, dass Ralf Wohlleben mit der vorgeworfenen Beihilfehandlung zu Mordstraftaten aus ausländerfeindlichen Motiven nichts zu tun hat; sich Ralf Wohlleben ihm gegenüber Anfang 2000 geäußert hat, dass er nicht wisse wo sich die drei aufhalten; er glaube, dass Kontaktpersonen der drei nach deren Untertauchen nicht wussten, dass es sich bei ihnen möglicherweise um Terroristen handelt; sich Ralf Wohlleben ihm gegenüber mehrfach äußerte, dass Gewalt für die Durchsetzung politischer Ziele nicht in Betracht kommt, er ein Europa der Vaterländer befürworte und Ausländer nicht als Feindbild angesehen werden“.
7. Herrn Günter Platzdasch, Jena-Winzerla, als Zeugen zu vernehmen dazu, dass „er um die Jahrtausendwende Gespräche mit Ralf Wohlleben über dessen politische Ansichten, Weltanschauung und Haltung zur Gewalt geführt hat; sich Ralf Wohlleben bei diesen Gesprächen zum Thema Ausländer und zu seiner Haltung gegenüber Ausländern geäußert hat; sich Ralf Wohlleben bei diesen Gesprächen klar gegen Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ausgesprochen hat“.
Die Beweiserhebung diene der Entlastung des Angeklagten, so Nahrath. Die Zeugen hätten Wohlleben gekannt und teilweise über mehrere Jahre hinweg ein enges freundschaftliches Verhältnis zu ihm gehabt, insbesondere im vorgeworfenen Tatzeitraum. Die Beweiserhebung werde ergeben, dass Wohlleben sich niemals „ausländerfeindlich“ geäußert oder sonst eine ausländerfeindliche Haltung gezeigt habe. Die Beweiserhebung werde die Anklage hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes der vorgeworfenen Beihilfehandlung zu Mordstraftaten widerlegen.

Dann beantragt Schneiders, Mike We. von der KPI Saalfeld als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass diesem im Jahr 2007 ein Kollege vom K1 der KPI Saalfeld mitgeteilt habe, dass ein Zusammenhang zwischen dem Mord an Michèle Kiesewetter und den sogenannten „Türkenmorden“ bestehen könne. Der Zeuge, Patenonkel von Kiesewetter, sei im Mal 2007 polizeilich vernommen worden, so Schneiders. Dabei habe der Zeuge auf Frage folgende Angaben gemacht:
Frage: Haben Sie einen Verdacht bezüglich der Tat?
Antwort: Aufgrund meiner Berufserfahrung muss ich sagen, dass es für mich aussieht wie aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität und dort im Bereich russisch oder georgisch. Das entnehme ich dem skrupellosen Vorgehen. Meiner Meinung nach besteht auch aufgrund der verwendeten Kaliber und der Pistolen, die ich aus den Medien kenne, ein Zusammenhang mit den bundesweiten Türkenmorden. Soviel ich weiß soll auch ein Fahrradfahrer bei den Türkenmorden eine Rolle spielen. Ich sage nicht, dass ein Zusammenhang besteht. Ein Kollege von der K1 hat mich nur angesprochen, dass ein Zusammenhang bestehen könnte.

Die Beweiserhebung, so Schneiders, diene der Bestätigung der vorgenannten Angaben sowie der
Namhaftmachung der Quelle im K1 der KPI Saalfeld, die bereits im Jahr 2007 einen Zusammenhang zwischen dem Polizistenmord in Heilbronn und der sogenannten
„Türkenmord-Serie“ gesehen habe. Erstaunlich dabei sei, so Schneiders, dass eine lokale KPI bereits im Jahr 2007 diesen Zusammenhang hergestellt habe, hingegen das weitaus besser ausgestattete BKA einen solchen über lange Jahre ignoriert habe. Dasselbe gelte für alle LKA, die anlässlich dieser Mordserie ermittelt haben.

Bundesanwalt Diemer: „Ich würde gerne zur Ankündigung, den Prof. Dr. Weizman als Sachverständigen zu laden, rein vorsorglich einige Bemerkungen anbringen, weil wir der Auffassung sind, dass die Befugnis zur unmittelbaren Ladung für Nebenkläger nicht mehr vorgesehen ist.“
Götzl: „Vorsorglich weise ich darauf hin, dass es schon möglich ist, dass Herr Weizman nicht als Sachverständiger im Sinne des § 245 angesehen werden wird, also kein Ladungsrecht als Nebenkläger besteht, wenn Sie das also bitte mit dem Kollegen besprechen. In dem Zusammenhang wäre auch die Frage, ob es möglich ist, ob insofern vorweg ein Beweisantrag gestellt oder übersandt wird. Dass wir einen erhalten, wenn der aufrechterhalten bleiben soll.“
Der Verhandlungstag endet um 11:20 Uhr.

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