Während der Plädoyerphase des Prozesses werden hier tagesaktuell und fortlaufend Zusammenfassungen der Prozesstage veröffentlicht. Diese Zusammenfassungen sind auch auf unserer Protokoll-Seite unter dem jeweiligen Termin zu finden. Dort werden dann durch die jeweiligen Protokolle ersetzt werden.
Tageszusammenfassung des 382. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 12.09.2017
Achter Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
Man hätte ahnen können, wie turbulent der Tag verlaufen würde, denn als erstes ergingen von Seiten des Senats die von der Bundesanwaltschaft beantragten rechtlichen Hinweise auf eine strafverschärfende strengere Beurteilung von Taten, die dem Angeklagten André Eminger in der Anklageschrift zur Last gelegt werden [s. Zusammenfassung des 7. Plädoyertages].
Dabei ging es darum, dass die Anmietung von Fahrzeugen für Raubüberfälle durch Eminger nicht nur als Beihilfe zum einfachen, sondern zum bewaffneten Raub einzustufen seien, da er zum Zeitpunkt der Anmietung um die Bewaffnung des NSU gewusst habe.
Dass die Bundesanwaltschaft dann einen dramatischen Fokus auf Eminger legen würde und ihn für Beihilfe zum versuchten Mord im Falle des so genannten Stollendosenanschlags in der Kölner Probsteigasse, was als Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gewertet wurde, sowie seine nachgewiesene Beihilfe zu einem schweren und einem besonders schweren Raubüberfall in den Jahren 2000 und 2003 mit einer Strafe von 12 Jahren Freiheitsentzug zu belegen wünscht, kam mit der Wucht und in der Höhe doch überraschend. Bundesanwalt Diemer erklärte die Höhe der beantragten Strafe für tat- und schuldangemessen und stellte auf deren spezial- und generalpräventiven Charakter ab.
Dass diese hohe Freiheitsstrafe zwangsläufig zu einem Haftantrag seitens der Anklagebehörde führen würde, war klar, sorgte aber für helle Aufregung auf den Zuschauerrängen und bei Eminger und seiner Verteidigung. Der Vorsitzende Richter Götzl setzte sodann den nächsten Verhandlungstag, an welchem die Plädoyers der Nebenklage beginnen sollten, ab, um in nicht-öffentlicher Sitzung über den Haftbefehl gegen André Eminger zu verhandeln. Er ließ Eminger jedoch schon im Saal vorläufig – eben bis zu diesem Termin – in Gewahrsam nehmen. Für viele Prozessbeobachter_innen bedeutete diese Ingewahrsamnahme Emingers eine gewisse Genugtuung, nachdem Eminger im Laufe der über 4 Jahre Prozess stets provozierend und verächtlich aufgetreten war und sich auch außerhalb des Gerichtssaals ungeniert zu seinem neonazistischen Gedankengut bekannte, indem er sich nicht nur auf einer Bagida-Demonstration in München, sondern auch bei dem skandalösen Nazi-Konzert im thüringischen Themar zeigte. Eine Verurteilung wegen Körperverletzung vor dem Amtsgericht Zwickau fand im Münchener Gerichtssaal keine Erwähnung, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Die Strafanträge der Bundesanwaltschaft gegen die anderen vier Angeklagten traten angesichts der Causa Eminger an diesem Tag beinahe in den Hintergrund, obwohl es auch die Bewertung der Schuld der Hauptangeklagten Beate Zschäpe in sich hatte: Die BAW forderte nicht nur eine lebenslängliche Haftstrafe für Zschäpe wegen zehnfachen Mordes und 39-fachen versuchten Mordes, sondern arbeitete auch eine „besondere Schwere der Schuld“ heraus, die eine vorzeitige Haftentlassung Zschäpes nach 15 Jahren unmöglich macht, und beantragte außerdem eine Sicherungsverwahrung nach dem Ende der Strafhaft. Bundesanwalt Diemer: „Die Sicherungsverwahrung ist nicht nur zulässig und geboten, sondern unerlässlich, um die Allgemeinheit vor dieser Frau zu schützen.“ In der Angeklagten öffne sich ein „Abgrund an Menschen- und Staatsfeindlichkeit“.
Für den bisherigen zweiten Hauptangeklagten Ralf Wohlleben beantragte die Bundesanwaltschaft wegen der Beihilfe zum Mord in neun Fällen eine Haftstrafe von 12 Jahren. Die Schuld der beiden Angeklagten Eminger und Wohlleben, so erklärte Diemer etwas später, sei durchaus „im Ergebnis vergleichbar“, weshalb eben beide auch mit der Haftandrohung von 12 Jahren bedacht worden seien.
Glimpflich kommt der Angeklagte Holger Gerlach bei der Strafforderung der Bundesanwaltschaft weg: Er hatte den NSU über Jahre unterstützt, indem er ihnen Reisepapiere, eine Fahrerlaubnis, eine Krankenversicherungskarte und andere Dokumente überließ. Er sei zwar nicht nur ein „Mitläufer“ des NSU gewesen, habe aber zur Aufklärung der NSU-Verbrechen durch seine Aussagen in den polizeilichen Vernehmungen entscheidend beigetragen. Für ihn verlangt die BAW eine 5-jährige Freiheitsstrafe.
Besonders milde soll nach Ansicht der BAW die Strafe für Carsten Schultze ausfallen, ohne den es eine Aufklärung der Taten des NSU und insbesondere der Beihilfeleistungen des Angeklagten Wohlleben so nicht gegeben hätte, wie Diemer hervorhob. Außerdem sei – nach gutachterlicher Bewertung – bei Schultze Jugendstrafrecht anzuwenden, dessen Strafrahmen wesentlich geringer ausfällt. Schultze, dessen Reue und Kooperationsbereitschaft am glaubhaftesten gewesen ist, soll laut dem Antrag der BAW lediglich 3 Jahre in Haft verbringen.
Im Publikum saßen an diesem Prozesstag auch zwei einschlägig bekannte Größen der deutschen Naziszene, nämlich zum einen der Jenaer André Kapke, der vor Jahren selbst Zeuge im Verfahren war. Er soll, nach Angaben von Wohlleben-Verteidigerin Nicole Schneiders, die Ehefrau Wohllebens nach München begleitet haben. Jacqueline Wohlleben, die im Prozess „Beistand“ für ihren Mann ist, nimmt seit Beginn der Plädoyers in dieser Rolle stets neben ihrem Ehemann Platz. Zum anderen war – mal wieder – der verurteilte Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger im Saal, der schon am ersten Prozesstag anwesend war und sich selbstbewusst spreizte. Auch für sie – beide in der eindeutigen Nazi-Marke „Erik & Sons“ gekleidet, was von den Beamt_innen im Gerichtssaal wie in ähnlichen Fällen auch schon nicht erkannt wurde – kam die Ingewahrsamnahme Emingers überraschend und sorgte für lange Gesichter. Für die anwesenden Angehörigen der ermordeten Mehmet Turgut und Theodoros Boulgarides wird deren Anwesenheit – wie so oft schon in ähnlichen Konstellationen – ein Ärgernis gewesen sein.
Die Hauptverhandlung wird am Donnerstag, 14.09.2017, um 09:30 Uhr mit den Plädoyers der Nebenklage fortgesetzt.
Einschätzung des Blogs NSU-Nebenklage.
Tageszusammenfassung des 381. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 01.09.2017
Siebter Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
„Bei Kumulation der ihm vorliegenden Erkenntnisse führte für Gerlach kein Weg an der Einsicht vorbei, dass seine Freunde den ‘bewaffneten Kampf’ aufnehmen und auch mit Tötungsdelikten an missliebigen Personen aus Staat und Gesellschaft, darunter auch ausländische Mitbürger, fortführen würden“, so stieg Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten in den siebten Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft ein und setzte die am Tag zuvor begonnene Einschätzung des Angeklagten Holger Gerlach fort, in dessen Fall etliche vorgeworfene Unterstützungstaten bei Anklage bereits verjährt gewesen seien. Es liege bei ihm, Gerlach, ein aktives, jedoch erfolgloses Nicht-wissen-wollen eines für ihn selbst schädlichen Wissens vor, dass seine Freunde da nicht nur „herumuntergründeln“, sondern bereits bei der Begehung von Tötungsdelikten waren, so Weingarten. Entgegen den Erwartungen des Angeklagten sei ein bedingter Vorsatz (hinsichtlich der Unterstützung des NSU) in seinem Fall durchaus richterlich in Anschlag zu bringen, auch wenn er ganz guten Mutes ins Verfahren gegangen und keine Fragen mehr beantwortet habe, weil er – nachdem ihn 2011 die Ermittlungsrichter nicht für dringend tatverdächtig gehalten hatten – wohl gedacht habe: „Der Käse ist gegessen“. Weingarten beschrieb die gemeinsame Begeisterung für den historischen Nationalsozialismus als ideologische Grundlagen der Freundschaft Gerlachs mit den Untergetauchten, aus der sich dann die „kameradschaftliche Beistandspflicht“ ergeben habe. Dass Gerlach entgegen seinen Einlassungen sehr wohl der Ideologie verhaftet geblieben war, zeigten etwa eine SMS-Einladung zu einem Hammerskin-Konzert in Italien aus dem November 2011 und die Tatsache, dass Gerlach einen wegen neonazistischer Taten angeklagten Freund solidarisch zu einer Gerichtsverhandlung begleitet habe. Der politisch-ideologische Gleichklang mit den Dreien bis zum Schluss – bis auf einige Meinungsverschiedenheiten – habe ausgereicht, die bewaffneten Freunde weiter zu unterstützen: Die Loyalität zu den „Kameraden“ sei Gerlach wichtiger gewesen als das Leben ausländischer Mitbürger, von Bankangestellten und anderen vom NSU Betroffenen, schloss Weingarten seine Ausführungen zu Gerlach im „Tatsächlichen“.
Im Anschluss daran „lud“ Oberstaatsanwältin Greger „zu einem Themenwechsel ein“ und arbeitete in einer guten Stunde die Tatbestände der 15 dem NSU zugeschriebenen Bank- und Raubüberfälle im Verlaufe der 13 Jahre im Untergrund nach, bei denen es ja auch zu schweren Gewalttaten kam und zu einigen als versuchte Morde zu qualifizierenden Schusswaffeneinsätzen seitens der Räuber – zumeist Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu zweit, in einem Fall sollen es drei Personen gewesen sein, in einem Uwe Böhnhardt alleine. Beim ersten Überfall im Dezember 1998 auf einen Edeka-Markt in Chemnitz war den Räubern ein junger Mann nachgeeilt, auf den die Flüchtenden dann drei scharfe Schüsse abgaben, die ihn zwar verfehlten, aber potentiell tödlich waren und infolgedessen als versuchter Mord zu werten sind. Einen jungen Auszubildenden verletzte Böhnhardt ebenfalls potentiell tödlich, er trug schwere Verletzungen davon: beim Überfall auf eine Sparkassenfiliale in Zwickau Anfang Oktober 2006 traf den jungen Mann ein Bauchschuss, der seine Milz zerstörte und um Haaresbreite an der Wirbelsäule vorbeiging. Außerdem beschrieb Greger die zum Teil erheblichen Körperverletzungen einzelner Bankangestellter, die die Täter mit Gegenständen oder ihrer Waffe schlugen. Greger vergaß auch nicht die zum Teil schwere Traumatisierung der Betroffenen der äußerst brutalen Überfälle zu beschreiben, die diese bei ihren Zeugenaussagen im Prozess auf bedrückende Weise geschildert hatten.
Greger schritt danach zur strafrechtlichen Würdigung der in der Hauptverhandlung festgestellten Sachverhalte. Bei Beate Zschäpe schlägt die Bildung, Mitgliedschaft und Gründung einer terroristischen Vereinigung zu Buche nach Paragraph 129 a, der trotz einiger, durchaus nicht unbedeutender Änderungen während der Untergrundzeit des NSU volle Wirkung bei ihrer Verurteilung entfalten müsse. Einzig die Gründung der Vereinigung im Jahr 1998 sei verjährt. Demnach sei der NSU eine strukturierte Gruppe gewesen, habe auf Freiwilligkeit beruht, sei auf Dauer angelegt gewesen und habe aus drei Personen bestanden. Im Bekenntnis der Gruppe in der Außendarstellung, etwa durch den sogenannten NSU-Brief oder das Bekennervideo, sei ein „übergeordneter staatsfeindlicher Gruppenwille“ dokumentiert. Dieser Gruppenwille sei, so Greger, durchgehend auf die Begehung von Mord und Sprengstoffverbrechen ausgerichtet gewesen. Die Gewalttaten seien dazu bestimmt gewesen, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, die Anschläge seien aufgrund ihres Ausmaßes geeignet gewesen, die Bundesrepublik auch als Staat zu gefährden. Und auch, wenn die Vorgehensweise auf zunehmend psychopathische Züge bei Mundlos und Böhnhardt hinweise: das würde dem Verband weder Struktur noch Zwecksetzung nehmen, sagte Greger.
Beate Zschäpe sei darüber hinaus in 10 Fällen des Mordes, in einem Fall zusammenfallend mit einem versuchten Mord und gefährlicher Körperverletzung schuldig. Die gemeinschaftlich begangenen Morde seien, stellte die OStAin fest, durch Heimtücke und niedere Beweggründe gekennzeichnet. Dabei sei es nicht um Mordlust gegangen, ausschlaggebend sei die Einschüchterung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe gewesen. Heimtücke heiße hier, keines der Opfer habe in der konkreten Situation mit einem Angriff gerechnet, es sei keine Gegenwehr möglich gewesen.
Der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße schlägt als versuchter Mord in 32 Fällen zu Buche, in 23 Fällen mit gefährlicher Körperverletzung. Auch hier hätten die Täter mit Tötungsabsicht gehandelt. Der „Stollendosenanschlag“ in der Kölner Probsteigasse ist laut Greger ebenso wie die erwähnten Schüsse bei den Überfällen als versuchter Mord zu werten. Dass Zschäpe an keinem der Tatorte selbst anwesend war, sondern „zu Hause“ für Absicherung, Legendierung und Logistik zuständig war und viele ihrer eigentlichen Handlungen als solche gar nicht strafbar waren, entlaste sie jedoch nicht von der Mittäterschaft als eingeschworenes und den Verbrechen zustimmendes Mitglied eines „verschworenen Triumvirats“. Die Durchführung und der Ausgang aller Taten sei auch vom Willen Zschäpes abhängig gewesen und die einzige Zwecksetzung der Gruppe sei es gewesen, fortlaufend und fortlaufend erfolgreich Mordanschläge aus staatsfeindlichen Motiven zu begehen. Ideologische Grundlage sei dabei der „Rechtsextremismus“ gewesen, so Greger. Und schließlich kommen noch drei versuchte Morde an arglosen Opfern, zwei Handwerkern und einer betagten Nachbarin, hinzu, derer sich Zschäpe bei der auch als „Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“ zu wertenden Brandstiftung im letzten NSU-Unterschlupf in der Zwickauer Frühlingsstraße schuldig gemacht habe. Alles in allem lägen angesichts der vorgeworfenen und nachgewiesenen Taten nach Auffassung der BAW bei Zschäpe „grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vor“.
Im nächsten Block bewertete Oberstaatsanwalt Weingarten die Beihilfehandlungen der Angeklagten Wohlleben und Schultze, die vorsätzlich zu neun Morden Hilfe geleistet hätten. Sie haben wissentlich eine Waffe mit Schalldämpfer und „viel Munition“ beschafft und müssten es für naheliegend gehalten haben, dass die Belieferten damit Morde begehen würden. Die BAW wertet das als „volle gehilfenschaftliche Beihilfehandlung“. Dreh- und Angelpunkt des vorgeworfenen Handelns sei die dem historischen NS entlehnte „rechtsextremistische“ Einstellung, die der Verbundenheit mit den Untergetauchten zu Grunde gelegen habe. Sie hätten die rassistisch-völkischen Beweggründe geteilt und seien deshalb das konkrete Risiko der Lieferung eingegangen. Weingarten nannte das zutiefst verachtenswert und sprach die beiden Angeklagten direkt an: „Sie, Herr Wohlleben, Sie, Herr Schultze sind der Beihilfe zu neun Morden schuldig!“
Beim Angeklagten Eminger seien zwar die meisten Unterstützungshandlungen verjährt, doch ließen sich in drei Fällen – dem Anschlag in der Probsteigasse und zwei Raubüberfällen – konkrete und ideologisch gewollte Beihilfehandlungen durch Anmietung und Übergabe von Fahrzeugen feststellen, die im Falle des Anschlags in der Kölner Probsteigasse als Beihilfe zum versuchten Mord gewertet werden müssten, so Weingarten.
Obwohl man, so Weingarten, die Frage stellen könne, wo der Unterschied zwischen Eminger und Gerlach liege, die beide aus ideologischer Verbundenheit ihre untergetauchten „Kameraden“ unterstützten – auch Gerlachs Hingabe des Führerscheins hatte ja die Mordtaten und Raube direkt unterstützt, bei denen die Täter mit diesem Führerschein ein Tatfahrzeug gemietet hatten –, lasse sich bei Holger Gerlach kein Gehilfenvorsatz nachweisen. Der Unterschied liege hier im subjektiven Bereich, also bei der Frage, was sich Gerlach bei der Übergabe von Führerschein und Reisepass an Uwe Böhnhardt gedacht habe. Anders als bei Eminger liege bei Gerlach kein Gehilfenvorsatz konkret im Hinblick auf die einzelnen Verbrechen des NSU und damit keine vorsätzliche Beihilfe vor. Gerlach habe im Unterschied zu Eminger kein „konkretisiertes Risikowissen“ gehabt, denn er sei nie ausdrücklich eingeweiht gewesen, was der NSU konkret tut und wie er es tut. Bei ihm bleibe also nur der noch nicht verjährte Teil der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
An drei Stellen beantragte die Bundesanwaltschaft einen rechtlichen Hinweis an die Angeklagten, dass die angeklagten Handlungen anders rechtlich gewürdigt werden können als in der Anklage. Bei Zschäpe ging es darum, dass die Brandstiftung in der Frühlingsstraße auch als Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion zu qualifizieren sei, sowie um technische Details zum Verhältnis des § 129a StGB zu den einzelnen Straftaten. Bei Eminger sei die Anmietung von Fahrzeugen für Raubüberfälle als Beihilfe zum bewaffneten Raub (nicht zum einfachen Raub, wie in der Anklage) einzustufen, denn die Beweisaufnahme habe ergeben, dass Eminger zum Zeitpunkt der Anmietung um die Bewaffnung des NSU wusste. Ob das Gericht entsprechende Hinweise erteilt, und wenn ja, wie die Verteidigungen Zschäpe und Eminger reagieren, bleibt abzuwarten.
Mit dieser rechtlichen Einschätzung endete der siebte Plädoyertag der Bundesanwaltschaft, eine abschließende Würdigung und die Forderung eines Strafmaßes wird am 12. September Bundesanwalt Herbert Diemer vortragen – wenn alles nach Plan läuft.
Die Einschätzung des Blogs NSU-Nebenklage.
Tageszusammenfassung des 380. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 31.08.2017
Sechster Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
Der Tag begann mit Protest: Vor dem Haus fand eine Dauerkundgebung statt, um auf die zwiespältige Rolle der Bundesanwaltschaft in der Aufarbeitung des NSU-Komplexes hinzuweisen. Aktivist_innen machten die beim NSU-Tribunal Mitte Mai in Köln vorgetragene Anklage u.a. gegen die BAW mit Transparenten und Ansprachen bis 14 Uhr weithin sicht- und hörbar.
Aber auch im Saal A 101 rührte sich Unmut: In dem Moment, als Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten zur Fortsetzung des Plädoyers der Bundesanwaltschaft ansetzte, begannen auf der Zuschauer_innentribune eine Handvoll Aktivist_innen mit Protestrufen. „Wir klagen an“, war zu hören und der Satz richtete sich gegen die BAW, namentlich wurden die drei Sitzungsvertreter_innen des Generalbundesanwalts im Saal, Herbert Diemer, Anette Greger und Jochen Weingarten aufgerufen, sie hätten sich der „Fortsetzung des institutionellen Rassismus’“ in den NSU-Ermittlungen schuldig gemacht und der „Missachtung der Betroffenen“. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl rief ein paar mal „Hören Sie auf!“ und unterbrach dann für einige Minuten die Hauptverhandlung, während derer die Aktivist_innen hinauskomplimentiert wurden. Im ganzen Saal war aufgeregte Diskussion, sowohl zustimmende wie ablehnende Bemerkungen waren zu hören. Die Intervention aus dem Umfeld von „NSU-Komplex auflösen“ war der erste wahrnehmbare Protest im Saal in den nun 380 Prozesstagen.
Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, setzte Weingarten das Plädoyer in viereinhalb dreiviertelstündigen Blöcken fort. Er wandte sich dem Angeklagten André Eminger zu, der als schwieriger Fall gilt, weil die Beweislage bei ihm etwas dünner ist als bei anderen Angeklagten. Eminger schweigt von Beginn an hartnäckig und ist bis heute ungebrochen als gewaltbereiter Neonazi aktiv und zeigt sich auch schon mal auf einer Pegida-Demo in München oder dem Rechtsrock-Großevent mit rund 6000 Teilnehmer_innen im thüringischen Themar, wo u.a. auch für seinen Mitangeklagten Ralf Wohlleben Geld gesammelt worden sein soll. Außerdem provozierte der nicht inhaftierte Eminger im Laufe der Prozessjahre immer wieder mit T- und Sweatshirt-Motiven und durch sein Verhalten in und vor dem Gerichtsgebäude.
Entsprechend scharf fiel Weingartens Einschätzung des Angeklagten aus und er ließ durchblicken, dass sich das auch in der rechtlichen Würdigung der Handlungen Emingers im NSU-Kontext niederschlagen werde. Zunächst jedoch zählte der OStA die Vorwürfe auf, die Eminger in der Anklage gemacht werden und ihn auf die Anklagebank gebracht haben: Eminger soll für den NSU mehrfach Fahrzeuge ausgeliehen haben, mit denen diese zu „vereinigungsbedingten Reisebewegungen“, also zu Raubüberfällen und zu mindestens einem Sprengstoffanschlag aufgebrochen sein sollen. Außerdem versorgte er die Untergetauchten mit Bahncards, die u.a. von Beate Zschäpe auch als Identifikationsmittel für den Notfall dienen sollten, und sprang persönlich als Zeuge an der Seite Zschäpes bei einer für die Gesuchten außerordentlich gefährlichen polizeilichen Vernehmung in Zwickau als falscher Ehemann ein und deckte so die Legende der Untergetauchten.
Weingarten stellte fest, dass Eminger viel näher am NSU dran gewesen sei und weit mehr über deren Aktivitäten gewusst habe, als etwa die Angeklagten Schultze, Gerlach und Wohlleben. Er habe gewusst, dass sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe dauerhaft zusammengeschlossen hätten, um „rechtsextremistische und fremdenfeindliche“ Anschläge zu verüben und Menschen auch durch Sprengstoff zu töten. Er sei insoweit und was seine Unterstützungsleistungen für die terroristische Vereinigung NSU angehe, nach der Beweisaufnahme überführt, so Weingarten. Nun sei die Frage, ob Eminger vorsätzlich handelte und was er im „persönlichen Näheverhältnis“ vom Tun der Drei hielt und von ihrer politisch-ideologischen Einstellung. Weingarten musste jedoch eingestehen: Es fehlten unmittelbar aussagekräftige Beweismittel dafür, dass er über die Tatabsichten informiert war, Beweise auch für die billigende Inkaufnahme und die vorsätzliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gebe es nicht. Gleichwohl sei die BAW zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass Eminger „genau wusste, was da gemacht wurde und wer diese Leute waren“. Er habe schon früh nach dem Untertauchen zum Vertrauenskreis gehört, er sei „ideologisch kompatibel“ gewesen und voller Bewunderung gegenüber der Kompromisslosigkeit und Handlungsfähigkeit von Mundlos und Böhnhardt, er habe „live und in Farbe“ die Entschlossenheit der u.a. mit Sprengstoff Bewaffneten erlebt, führte Weingarten aus. Insofern dränge sich die Frage auf, ob nicht Eminger die vierte Paulchen-Panther-Figur sei, die im Bekennervideo auftauche. Das Vertrauensverhältnis habe sich im Laufe der Jahre zu einer engen und persönlichen Freundschaft entwickelt, die Weingarten als „Wahlverwandtschaft“ bezeichnete und in die Emingers Familie, Frau und Kinder, einbezogen gewesen seien.
Dieses ziemlich bedingungslose Vertrauensverhältnis habe sich am und nach dem 04.11.2011 nochmals erwiesen, an welchem Eminger schon vormittags in der Funkzelle der Frühlingsstraße 26 mit seinem Handy auftaucht und offenbar mit Zschäpe eine Internetrecherche zum Eisenacher Bankraub veranstaltet habe. Am Nachmittag des Tages sei Eminger dann wieder „stante pede“ zur Stelle gewesen und habe die flüchtende Beate Zschäpe mit Klamotten seiner Frau versorgt, da ihre Kleidung mit Benzin verunreinigt war. Eine SMS habe er nach dem Auffliegen des NSU an seine offenbar eingeweihte Frau Susann abgesetzt und ausgerechnet diese, vermutlich äußerst kompromittierende Kurznachricht wenig später bei sich und seiner Frau gelöscht. Auch habe er ein Paulchen-Panther-Motiv und die „Turner Diaries“ von seinem Rechner gelöscht, was Weingarten zu einer ausführlichen Würdigung dieses Handbuches rechtsterroristischer Aktion veranlasste, das nicht nur als „rassistische Erbauungsliteratur für ZOG-Verschwörungstheoretiker“, sondern auch als Blaupause für das Handeln des NSU gilt. Die politisch-ideologische Ausrichtung Emingers habe für den NSU Anlass gegeben, ihn einzubeziehen: er sei ein „ausgewiesener Rechtsextremist nationalsozialistischer Prägung“, sein Bauchtattoo „Die Jew Die“ – „Stirb Jude Stirb“ – offenbare die zutiefst antisemitische, den Holocaust fortsetzen wollende Haltung und völlige Übereinstimmung mit Mundlos, Böhnhardt und auch Zschäpe, die die paraindiustrielle Ermordung der europäischen Juden und Jüdinnen etwa im so genannten Pogromly-Spiel zelebriert hätten. Eminger sei mithin kein „unsicherer Kantonist“ gewesen, sondern „wahrhaft einer von ihnen“.
Weingarten sorgte dann mit der Aussage, es liege ja auch ein Geständnis von Eminger vor, für Unruhe und Anspannung. Dieses habe er nicht „bei der Polizei, dem BKA oder gar der Bundesanwaltschaft abgelegt oder – ich sehe Unruhe aufkommen – beim Verfassungsschutz“, so Weingarten, sondern durch eine „geständnisgleiche Wohnzimmerwandgestaltung“. Weingarten geht damit auf den kerzenbeschienenen Altar für Mundlos und Böhnhardt ein, der bei einer Hausdurchsuchung bei Eminger festgestellt wurde und den gezeichnete Porträts der beiden „Verstorbenen“ und die Runeninschrift „Unvergessen“ geziert haben. Er sei also, so Weingarten weiter, nicht der ahnungslose Mordgehilfe, sondern stets im Bild gewesen, was Mordanschläge, Raubüberfälle und Unterstützung der terroristischen Vereinigung angehe. Trotz drohender Anklage habe er diese ehrende Gedenkstätte aufgebaut – trotz möglicher Konsequenzen für ihn, seine Familie und ihr Leben. Hier gehe es nicht nur um die Erinnerung an verstorbene Freunde, das sei nicht Totengedächtnis, sondern Heldenverehrung.
Zum Ende des Verhandlungstages ging Weingarten noch auf den Angeklagten Holger Gerlach ein, der der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist. Die BAW hält Gerlach dieser Unterstützung vollinhaltlich für überführt. Angeklagt ist Gerlach wegen der Beschaffung eines Reisepasses, eines Führerscheins und einer AOK-Karte. So habe er „nationalsozialistische Tötungsdelikte“ gefördert und ermöglicht. Das Problem der Beweiswürdigung bei Gerlach sei die Frage, so Weingarten, ob er durch seine Unterstützungsleistung bewusst eine terroristische Vereinigung unterstützt habe und deren Tun gebilligt habe. „Dass er nichts wusste, kann als widerlegt gelten“, stellte Weingarten klar. Er habe sehr wohl gewusst, was da geschah: ihm sei die „hochextremistische“ Haltung seiner Freunde bekannt gewesen: „Viel Raum für Friedensfliegerei bleibt da nicht“, schließlich habe es sich um keinen „der theoretischen Philosophie zugetanen Teestubenzirkel“ gehandelt, sondern um hart gesottene Rechtsextremisten. Allerspätestens im Nachgang zur Übergabe einer Pistole durch Gerlach an Mundlos und Böhnhardt müsse er dies kapiert haben, schloss Weingarten seine heutigen Ausführungen. Der Prozesstag endete um 16:00 Uhr.
Die Einschätzung des Blogs NSU-Nebenklage.
Tageszusammenfassung des 379. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 01.08.2017
Fünfter Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
„Aller-, allerspätestens nach der Taschenlampengeschichte muss Carsten Schultze klargeworden sein, dass die ‘Typen’ ernst machen könnten mit der Waffe“, so fasste Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Jochen Weingarten, die Erörterung des fünften Tages des Plädoyers der Bundesanwaltschaft zum Angeklagten Schultze zusammen. Es ging noch einmal ausführlich um die Genese der Aussagen des einzig geständigen Angeklagten Schultze und ihre zeitliche Einordnung und Verknüpfung mit Ereignissen, die von Schultze darin erwähnt werden. Bei der Übergabe der Ceska 83 in Chemnitz sei Schultze mitgeteilt worden, dass die beiden untergetauchten Männer in Nürnberg in einem Laden „eine Taschenlampe“ abgestellt hätten. Bei der Taschenlampe, mit deren Abstellen sich die beiden NSU-Mitglieder gegenüber Schultze rühmten, handelt es sich um den Rohrbombenanschlag auf die Kneipe eines türkisch-stämmigen Betreibers in Nürnberg. Außerdem hatte Carsten Schultze berichtet, der Mitangeklagte Ralf Wohlleben habe ihm einmal am Ende eines Telefonats lachend erzählt, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten jemanden angeschossen. Weingarten versuchte nun den indiziellen Nachweis zu führen, dass es sich bei dem Vorfall um den Schuss auf einen jungen Mann gehandelt haben muss, der ihnen nach ihrem ersten bekannten Überfall auf einen Edeka-Markt in Chemnitz Ende 1998 nachgeeilt war. Der Schuss verfehlte den Zeugen und Nebenkläger F. K. um Haaresbreite. Auf keinen Fall könne es sich bei dieser Episode um den ersten NSU-Mord der Ceska-Serie gehandelt haben, so Weingarten, da auf Enver Şimşek am 09.09.2000 neunmal geschossen worden sei, davon sechsmal in den Kopf. Das hätten die Mörder Şimşeks schwerlich als „angeschossen“ bezeichnen können, so Weingarten.
Diese diffizile Analyse dessen, was Schultze im Laufe der Zeit nach Auffliegen des NSU ausgesagt hatte, diente dazu, Carsten Schultzes Tatvorsatz, der für Schuld- und Strafzumessung relevant ist, schonungslos herauszuarbeiten– trotz Schultzes Aussagebereitschaft und der glaubhaften Reue und Kooperation mit den Ermittler_innen. Weingarten gelang es in einem weiteren Block am Ende dieses Verhandlungstages nachzuweisen, dass Schultze – zur fraglichen Zeit noch überzeugter Anhänger und Aktivist der rechten Szene Jenas, der sich von seiner „verantwortungsvollen“ Aufgabe der Kontaktpflege mit den gesuchten Kameraden jedenfalls geehrt und gefördert gefühlt hat, – durch die erwähnten Mitteilungen sehr wohl wissen konnte, welchen Zweck die von ihm abgelieferte Waffen haben sollte, was seine Mitverantwortung an der Mordserie des NSU und seine bewusste Beihilfe unterstreiche. Letztlich stellte Weingarten fest, dass Schultze die Mordwaffe Ceska – deren Zwecksetzung durch den von ihm bestellten und vom Waffenschieber Andreas Schultz mitgelieferten Schalldämpfer noch offensichtlicher geworden sei – trotz dieser Ahnungen, die Schultze selbst als „Bauchschmerzen“ bezeichnete, im Jahr 2000 bewusst an die ihm als fanatisch-ideologische und gewaltaffine Nazis bekannten Mundlos und Böhnhardt übergeben habe.
Noch eindeutiger und vernichtender fiel die Beurteilung der Rolle des Angeklagten Ralf Wohlleben durch die Bundesanwaltschaft aus: In langen argumentativen Bögen arbeitete Weingarten dessen zentrale Rolle als „Konspirationszuchtmeister“ und „Mastermind mit überlegenem Sonderwissen“ heraus. Bei Wohlleben seien alle Fäden der Jenaer Unterstützerszene zusammengelaufen und er habe im Hintergrund steuernd die Unterstützung der Untergetauchten organisiert und auch für deren Bewaffnung gesorgt. Letzteres auch nicht nur einmal durch Schultze und die Ceska 83, sondern ein weiteres Mal durch den Mitangeklagten Holger Gerlach, der eine weitere Waffe – ohne Schalldämpfer – zu einem Zeitpunkt nach den ersten Morden in Zwickau abgeliefert habe. Die Aussage Gerlachs bei der Polizei, Schultzes nach der Festnahme und im Gerichtssal, aber auch die Einlassungen zahlreicher anderer Angehöriger der Jenaer Naziszene ergeben nach Weingartens Interpretation eindeutig diese „zuchtmeisterliche“ Position Wohllebens und den Umfang seiner wissentlichen und – im ideologischen Kontext – willentlichen Beihilfehandlungen.
Zwei Beispiele verdeutlichen die Stringenz von Weingartens Aufbereitung sogar der in Wohllebens eigenen Sinne überaus fragwürdigen Einlassungen selbst. So sei etwa die – von Weingarten als Schutzbehauptung bezeichnete – Version Wohllebens, er habe sich geziert, überhaupt eine Waffe für Uwe Böhnhardt zu besorgen, da er befürchtet habe, Böhnhardt wolle sie zum Suizid im Falle seiner Entdeckung durch die Verfolgungsbehörden verwenden, wofür er, Wohlleben, auf keinen Fall mitverantwortlich habe sein wollen., „abseitig“: Wenn man der Feststellung folgt, dass die über Wohlleben von Schultze besorgten 50 Schuss Munition und der Schalldämpfer von vornherein mit bestellt worden sind. Geradezu genüsslich ventilierte Weingarten die Frage, wozu der „Suizident“ denn für die einmalige Schussabgabe so viel Munition brauche und ob ihm in der Stunde der Selbsttötung noch sein eigenes oder das Gehör anderer in der Umgebung noch derart wichtig sein könne, dass er einen Schalldämpfer gebrauchen wolle. Auch die angebliche Bestellung ausdrücklich „einer Pistole und keines Revolvers“, und zwar eines „deutschen Fabrikats“, bestätige den reinen Schutzcharakter von Wohllebens Schilderungen, denn für einen Suizid sei die Waffenart und auch – „Neonazi hin oder her“ (Weingarten) – eine deutsche Herkunft des Tötungsinstruments völlig unerheblich.
Wohlleben habe sich, so Weingarten, vielfach in seiner Aussage „verheddert“ und „verplappert“ oder sie sei durch Aussagen wie die des Zeugen St. eindrucksvoll widerlegt. St. hatte berichtet, das Wohlleben ihn nach dem Untertauchen der drei aufgefordert habe, einen größeren Betrag für sie in die Solidaritätskasse einzuzahlen. St. habe sich geweigert und Wohlleben habe ihn daraufhin mit seiner Beteiligung an der „Puppentorso“-Aktion zu erpressen versucht. In seiner Aussage verwies St. auf die vor deren Untertauchen durch „Puppentorso“, Drohbriefe, Bombenattrappen und den Sprengstoff in der Garage offenbar gewordene Eskalation der operativen Radikalisierung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Er habe sich damals gefragt, was denn von den dreien als nächstes kommen solle. Weingarten: „St. hat bereits 1998 mit allem gerechnet, und das obwohl er zu keinem Zeitpunkt eine Pistole mit Schalldämpfer und 50 Schuss Munition liefern sollte. Die rhetorische Frage sei erlaubt: Und ausgerechnet Ralf Wohlleben soll sich die Unkalkulierbarkeit der drei nicht aufgedrängt haben?“
Auch der Zeuge Jürgen Helbig – „ebenfalls nicht mit seherischen Kräften, sondern mit einem bodenständigen Realitätssinn ausgestattet“ (Weingarten) – habe bereits 1999 bei einer Vernehmung durch den MAD die drei Untergetauchten mit Rechtsterroristen auf einer Stufe gesehen und Uwe Böhnhardt des Waffeneinsatzes gegen „Ausländer“ für fähig eingeschätzt, erklärte Weingarten. Nebenbei bestätige Wohllebens Verhalten in der Episode mit St. nochmals seine zentrale Rolle des Organisators der Unterstützung für den NSU. St. habe die Sache richtig erkannt und seine Unterstützungshandlungen eingestellt und die „Kameradschaftspflicht verweigert“
Dass sich Wohlleben keiner Illusionen über die Zwecksetzung der beschafften Waffen hingegeben haben kann, kann nach den Fakten, die Weingartens hierzu zusammengefasst hat, als nachgewiesen angesehen werden.
In einem weiteren Block befragte Weingarten die Aussagen Wohllebens und später auch Schultzes nach deren „intrinsischen und extrinsischen Motivation“, den untergetauchten „Kameraden“ zu helfen. Weingarten fördert dabei eine „völlig entgrenzte Radikalität“ und eine „völkisch motivierte Ausländerfeindlichkeit“ zutage, die eine Verbundenheit untereinander auf „von allen geteilte nationalsozialistische Einstellungen“ zurückführt. Und ausgerechnet Wohlleben, der in alle „Aktivitäten“ von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe – vor und zumindest in den ersten Jahren nach dem Untertauchen – eingeweiht war und den Kontakt zu ihnen in Sachsen herrisch koordinierte, soll nicht geahnt haben, noch überhaupt in Erwägung gezogen haben, dass die Untergetauchten drei mit dieser Schalldämpfer-Pistole Menschen töten wollten? Weingarten ließ auch diese Frage rhetorisch im Saal A 101 des Münchener Strafjustizzentrums stehen, der sich am Ende des Tages in die Sommerpause entleerte.
Nach der Sommerpause geht es am Donnerstag, 31. August 2017, um 09:30 Uhr weiter, nach Ankündigung der BAW mit der Würdigung der Angeklagten André Eminger und Holger Gerlach.
Die Einschätzung des Blogs NSU-Nebenklage.
Presseerklärung von Vertreter_innen Nebenklage zum Zwischenstand des BAW-Plädoyers.
Das Protokoll des Blogs NSU-Nebenklage vom 01.08.2017.
Tageszusammenfassung des 378. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 31.07.2017
Vierter Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
Heute plädierte Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Jochen Weingarten, für die Bundesanwaltschaft. Sein erstes und umfangreiches Thema war „der Weg der Ceska“, der Tatwaffe bei den neun rassistischen Morden des NSU. Die Ausführlichkeit und Detailversessenheit der ersten vier von fünf Dreiviertelstunden-Blöcken am heutigen Tag war einer, wie Weingarten es nannte, „zwingenden Indizienlage“ geschuldet, die zweifelsfrei zu entwickeln war. Und das schon deshalb, weil die Verteidigung des Angeklagten Wohlleben bis heute steif und fest behauptet, der Weg der Waffe vom tschechischen Hersteller der Waffe über die Waffenhändler „Schläfli & Zbinden“ in der Schweiz und fünf Zwischenstationen zu den Angeklagten Carsten Schultze und Ralf Wohlleben sei keineswegs indiziell nachweisbar oder gar bewiesen. Diese Frage ist also von kardinaler Bedeutung für Anklage und Verurteilung der beiden wegen der Beihilfe zum neunfachen Mord angeklagten Schultze und Wohlleben.
Entsprechend ausführlich und penibel gestaltete Weingarten die Erörterung des Indizienbeweises gegen die beiden. Die Waffe „Ceska 83“ stamme von der tschechischen Firma Luxik und sei mit dem dazugehörigen Schalldämpfer in einer bestimmten Charge an das Schweizer Waffengeschäft verkauft worden. Diese hätten die Ceska gegen Vorlage eines in der Schweiz notwendigen Waffenerwerbsscheins an den zeitweise Beschuldigten Anton Ge. versandt, der jedoch nur Strohmann eines weiteren Zwischenhändlers, Hans-Ulrich Mü. gewesen sei, der die Waffe nach Deutschland verkaufen wollte, weil es dort für „gewisse Kreise“ schwer sei, an Waffen heranzukommen, wie Mü. sich laut Ge. eingelassen habe. Mü. habe die Waffe an seinen Freund Enrico Theile weitergereicht, der in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört worden ist. Der wiederum habe die Waffe dem Jenaer Jürgen Länger übergeben, der ebenfalls als Zeuge im Prozess gehört wurde. Auf Länger kam der Angestellte Andreas Schultz des Jenaer Szeneladens „Madley“ zu, bei dem der Angeklagte Carsten Schultze eine Waffe mit Schalldämpfer bestellt habe, was Carsten Schultze in seinen Einlassungen eingestanden habe. Schultze habe die Bestellung auf Anregung und Kosten des Angeklagten Wohlleben aufgegeben, die Anforderung sei von den Untergetauchten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gekommen. Weingarten deduzierte aus den Vernehmungen und Einlassungen aller genannten Beteiligten an dem Geschäft, warum die Indizienlage zum „Weg der Ceska“ tatsächlich „zwingend“ und stimmig sei. Es gebe, so Weingarten, keine Zweifel, dass die Waffe im Waffenbuch der Schweizer Händler mit der im Bauschutt der Frühlingsstraße aufgefundenen Tatwaffe identisch sei; dass etwas mit dem Eintrag im Waffenbuch nicht stimmen könnte, worauf die Verteidigung Wohlleben insistiere, habe sich in der Beweisaufnahme nicht ergeben, weshalb die BAW keine Zweifel an der Identität mit der Tatwaffe habe, so Weingarten.
Der Angestellte des Szeneladens, Andreas Schultz, sei, betonte Weingarten, ein ganz zentraler Zeuge dieses Strafverfahrens mit Blick auf Schultze und Wohlleben; er gehöre zu den drei Auskunftspersonen, die den lückenlosen Weg der Ceska bezeugten, ohne die die Anklage wegen Beihilfe zum 9-fachen Mord „hinwegfallen müsste“. Andreas Schultz habe nach einigen Notlügen zugegeben, die Waffe von Jürgen Länger für 2.000 Euro gekauft zu haben und sie dann für 2.500 Euro an Schultze weiterveräußert zu haben – und zwar mit dem Schalldämpfer, der als „geradezu klischeehaftes Instrument eines Profikillers“ gelten könne. Das Geld habe Wohlleben aus dem Depot von 10.000 DM entnommen, das ihm der NSU anvertraut habe. Auf ihrem Blog machen die Nebenklageanwälte Hoffmann und Elberling darauf aufmerksam, dass die BAW an dieser Stelle „den untauglichen Versuch, die Ermittlungsbehörden der damals noch sog. Döner-Morde in Schutz zu nehmen: eine Pistole mit Schalldämpfer sei ja ein geradezu klischeehaftes Anzeichen für organisierte Allgemeinkriminalität, deswegen seien die Ermittlungen eben in diese Richtung gelaufen.“ Einmal mehr versuche die BAW den Aspekt des institutionellen Rassismus zu kaschieren, so die beiden Nebenklagevertreter.
Sodann widmete sich Weingarten ausführlich und geradezu überschwänglich dem Angeklagten Carsten Schultze, seiner Aussagebereitschaft und seiner Glaubwürdigkeit: „Die BAW nimmt Schultze ohne jeden Zweifel ab, an rückhaltloser Aufklärung der Verbrechen des NSU, seiner Beteiligung und der Beteiligung anderer interessiert zu sein, ausschließlich aus einem Motivbündel einer tief empfunden Reue heraus, das Teilnahmeunrecht wiedergutzumachen.“ Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Schultze dabei interessegeleitet vorgegangen sei oder überschießender Belastungseifer festzustellen sei: Schultze sei allein vom Ringen um die Wahrheit getrieben, so Weingarten. Von Anfang an habe er zwanglos weit mehr eingeräumt als ihm laut Haftbefehl vorgeworfen worden sei und habe alle Anwesenden und an den Vernehmungen Beteiligten mit dem Detail des Schalldämpfers geradezu überrascht und vor Gericht noch den so genannten Taschenlampenanschlag in Nürnberg 1999 erinnert.
Auch der Abgleich der Aussagen Schultzes mit denen Wohllebens, des Zwischenhändlers Andreas Schultz und auch Zschäpes ergebe einen übereinstimmenden Ablauf des Waffenkaufs, so Weingarten. Und – entgegen den Einlassungen des Angeklagten Schultze – sei die BAW davon überzeugt, dass Böhnhardt und Mundlos von vornherein und ausdrücklich eine Schalldämpferwaffe bestellt hätten und diesen Wunsch Schultze auch telefonisch so übermittelt hätten. Schließlich entspreche der Schalldämpfer der Zwecksetzung des NSU, nämlich die Ermordung von in Deutschland lebenden Ausländern ohne Bekennung, aber als Mordserie erkennbar. Auf diese Weise sollte der Verdacht auf andere umgeleitet und Verängstigung und Vertreibung von in Deutschland lebenden Ausländern erreicht werden.
Am letzten Prozesstag vor der Sommerpause wird sich Weingarten mit den Aussagen Schultzes und Wohllebens beschäftigen, um nach der Sommerpause Anfang September zu den beiden Angeklagten André Eminger und Holger Gerlach zu kommen.
Die Einschätzung des Blogs NSU-Nebenklage.
Das Protokoll des Blogs NSU-Nebenklage vom 31.07.2017.
Tageszusammenfassung des 377. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 27.07.2017
Dritter Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
Am heutigen dritten Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft trug Oberstaatsanwältin Anette Greger in sechs wieder etwa dreiviertelstündigen Blöcken die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der obersten Verfolgungsbehörde vor. Dabei ging es um die politischen Hintergründe der Gruppe und die Bedeutung des Bekennervideos, dann vollzog sie im Plädoyer die Mordanschläge des NSU und dessen Bombenanschläge nach und ging auch auf die Zerstörung des letzten Unterschlupfs des NSU in der Zwickauer Frühlingsstraße ein.
Doch zunächst ging es um den Slogan „Taten statt Worte“, dem der NSU bis zu seiner „Auflösung“ konsequent folgte. Erst mit dem Bekennervideo sollte die Öffentlichkeit über die Urheberschaft der Verbrechen informiert werden. Dass Beate Zschäpe von den aufwändigen Videoarbeiten nichts mitbekommen haben will sei, so Greger, fernliegend. Sie sei mit der Archivierung von Zeitungsausschnitten und der Dokumentation des Terrors betraut gewesen. Einzelne Zeitungsschnipsel trügen Fingerspuren der Angeklagten. Dass sie am Ende gedacht haben will, die Bekennervideos würden sich auf die Banküberfälle des NSU beziehen, sei noch abwegiger, so Greger. Ebenso Zschäpes Behauptung sie habe von den Taten immer erst im Nachhinein erfahren und Artikel nur zur Information gelesen: Allein die TV-Berichte zum Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße seien nicht mobil von den Tätern mitgeschnitten worden, sondern seien live und manuell in der Zwickauer Polenzstraße von der Angeklagten aufgenommen worden. Auch gebe es eine in einer Datei auf Zschäpes Rechner dokumentierte Wette der drei, in welcher es um Gewichtsabnahme gegangen sei und „Liese“ (Zschäpe), „Killer“ und „Cleaner“ (Mundlos und Böhnhardt) wetten, dass sie bis zu einem bestimmten Datum ein bestimmtes Gewicht erreicht haben wollen, widrigenfalls sie 200 Videoschnitte zu tätigen hätten. Die Beweisaufnahme und Asservatenauswertung habe eindeutig ergeben, dass es sich dabei nicht etwa um das Herausschneiden von Werbeblöcken aus TV-Serien gegangen sei, wie Zschäpe behauptet, sondern um den Schnitt des Paulchen-Panther-Bekennervideos. Diese Erwägungen sind der BAW nur durch die akribische Recherchearbeit einzelner Nebenklagevertreter zu technischen Voraussetzungen und zur Entschlüsselung der Wette überhaupt möglich.
Greger beschrieb ausführlich das erhaltene Drehbuch zum Video und die verschiedenen Schnittfassungen des Bekennervideos und zitierte daraus die Passage „Der NSU ist ein Netzwerk von Kameraden…“ – ohne dass ihr der offensichtliche Widerspruch zur Kernthese der BAW aufgefallen wäre, der NSU sei im Wesentlichen ein „isoliertes Trio“ gewesen. Die Videos seien für den Tag des Endes des NSU in der Wohnung und im letzten Wohnmobil der beiden Männer verpackt, adressiert und frankiert bereitgehalten worden, um dann am 04.11. von Beate Zschäpe – wie vereinbart – versandt bzw. im ausgebrannten Wohnmobil gefunden zu werden.
Zschäpe sei eines der drei Gründungsmitglieder der terroristischen Vereinigung NSU und keine bloße Mitläuferin; sie sei auch nicht durch staatlichen Verfolgungsdruck zum Leben im Untergrund gezwungen gewesen, sie hätte sich jederzeit stellen können, da bis September 1998 noch keine Straftaten begangen waren. Sie habe den Entschluss zu einem Leben im Untergrund und für den Weg in den Terror freiwillig und ganz bewusst getroffen, so Greger. Bei ihrer Festnahme stellte Zschäpe selbst fest, sie sei zu nichts gezwungen worden. Bei ihrer Aufgabe der Verschleierung und Legendierung der Gruppe sei sie weit über das Notwendige hinausgegangen. Immer und immer wieder arbeitete Greger die angeblich exklusive Dreierkonstellation des NSU heraus, um stoisch die fragwürdige Grundthese der BAW zu unterstützen.
„Meine Überschrift lautet ‚Verblendung’“, so führte die Oberstaatsanwältin in den Komplex der Mordanschläge des NSU ein. Sie gab den einzelnen Hinrichtungen der Ceska-Mordserie viel Raum und referierte ausführlich ihre Sicht auf die prozessuale Beweisaufnahme. Zwar ging sie chronologisch und quälend detailliert auf die Tötung und tödlichen Verletzungen von Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat ein, zumindest an diesem Tag jedoch kaum auf die Folgen der Morde für die Familien der Opfer, geschweige denn auf die rassistische Ermittlungsarbeit der Behörden. Aus Sicht der BAW war Andreas Temme, Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen, bei der Hinrichtung Yozgats natürlich nur „zufällig anwesend“ und, wie es der Zufall will, war er auch der einzige der anwesenden fünf Kund_innen, der auch keine Schüsse oder überhaupt irgendetwas wahrgenommen haben will. An dieser Stelle leistete sich die Plädierende für diesen Tag den heftigsten Ausfall, indem sie Nebenklageverteter_innen beleidigende und haltlose Vorwürfe machte: „Eine Existenz von rechten Hintermännern an den Tatorten, die einige Rechtsanwälte ihren Mandanten offensichtlich versprochen hatten, hat sich bislang weder in den seit sechs Jahren laufenden Ermittlungen und der Hinweisbearbeitung, noch in der 360-tägigen Beweisaufnahme, wo wieder jedem Hinweise darauf nachgegangen wurde – und ich erinnere an die dramaturgische Inszenierung der Zeugin von A. –, noch in den breit angelegten Beweiserhebungen der zahlreichen Untersuchungsausschüsse bewahrheitet.“ Dieser Affront trug ihr zeitnah eine geharnischte Replik von Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer ein (siehe Link unten), zumal der Hinweis auf die Untersuchungsausschüsse schlicht unrichtig ist: Der Bundestagsuntersuchungsausschuss hatte hier mangelnde Ermittlungen ausdrücklich moniert und geht selbst von einem Unterstützungsnetzwerk des NSU aus.
Im nächsten Block erörterte Greger detailliert und umfassend die Sprengstoffanschläge des NSU in der Nürnberger Scheuerlstraße 1999, der nicht Teil der Anklage ist, in der Kölner Probsteigasse 2001, bei dem die 19-jährige Tochter der Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes sich lebensgefährliche Verletzungen bei der Explosion der Stollendosenbombe zuzog und den brutale Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße 2004. Auch hier, insbesondere im Kontext der Probsteigasse, vermied es Greger stur, mögliche Helfer des NSU an den Anschlagsorten überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dass Vater und Schwester des Attentatsopfers einen Mann als Täter beschrieben hatten, der einem V-Mann des dortigen Verfassungsschutzes zum Verwechseln ähnlich sah, war Greger aus nachvollziehbaren Gründen keine Erwähnung wert. Beeindruckend waren ihre Beschreibungen der in der Keupstraße zur Explosion gebrachten Nagelbombe mit etwa 800 zehn Zentimeter langen Zimmermannsnägeln und der potentiell tödlichen Sprengwirkung und Wucht, bei deren Explosion 23 Menschen zum Teil sehr schwer verletzt wurden. Die Zuordnung der Höllenmaschine zu den Verbrechen des NSU erfolgte ebenfalls ohne die Erwägung ortskundiger Unterstützer_innen der Täter.
Auch die bedrückende Beschreibung der Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter und des Mordanschlags auf ihren Kollegen Martin A. folgte im Wesentlichen der Version der Anklageschrift und weist einmal mehr jede Beteiligung weiterer Helfer_innen vor Ort zurück, obwohl gerade im Heilbronner Fall – trotz der eindeutigen Täterschaft Mundlos‘ und Böhnhardts – viele offene Fragen nach wie vor in Richtung weiterer Mittäter weisen. Greger lapidar: „Anhaltspunkte, dass weitere Mittäter und Mitwisser vor Ort beteiligt waren, ergab die Beweisaufnahme nicht.“
Der lange Prozesstag ging mit einer ausführlichen Beschreibung und Bewertung der Zerstörung des letzten Unterschlupfs des NSU in Zwickau zu Ende. Beate Zschäpe sei bei der Brandstiftung ruhig und geordnet zu Werke gegangen und habe dabei den Tod anderer Menschen im Haus oder der Umgebung der mit einkalkulierten Explosion der Wohnung billigend in Kauf genommen, so etwa den Tod der in ihrer Mobilität eingeschränkten 89-jährigen Nachbarin. Ihre Katzen und die Bekennervideos habe sie gerettet, auf die Rettung potentiell Gefährdeter habe sie nach Meinung der BAW nicht allzu viel Energie verwendet.
Presseerklärung von Sebastian Scharmer.
Blog „NSU-Nebenklage“ zum 377. Verhandlungstag
Das Protokoll des Blogs NSU-Nebenklage vom 27.07.2017.
Tageszusammenfassung des 376. Hauptverhandlungstages im NSU-Prozess am 26.07.2017
Zweiter Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft
Am heutigen 376. Hauptverhandlungstag fuhr die Sitzungsvertreterin des Generalbundesanwalts im NSU-Verfahren, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof Greger, mit ihrem Teil des Plädoyers fort. Sie erörterte in vier etwa dreiviertelstündigen Blöcken das „Innenleben der Gruppe“, ihre Art Geld, falsche Papiere und Unterschlüpfe zu besorgen, die Bewaffnung und Waffenbeschaffung, die Kassengewalt in der Gruppe und die Vorbereitung von Anschlägen und Überfällen. Im Zentrum ihrer Ausführungen stand dabei stets Beate Zschäpes Rolle im NSU und inwieweit ihre eigenen Angaben dazu mit der Beweiserhebung im Prozess in Übereinstimmung gebracht werden können. Die Gruppe habe effektiv zusammengewirkt und sei lange Zeit unentdeckt geblieben, was nur bei maximalem Zusammenhalt und Zusammenspiel der Mitglieder möglich gewesen sei. Herzstück des Lebens im Untergrund seien die verschiedenen Wohnungen des NSU in Chemnitz und Zwickau gewesen, wo Beate Zschäpe mit der Abtarnung und Legendierung der Gruppenaktivitäten, der „Chimäre des ganz normalen Lebens“ gegenüber Nachbar_innen, betraut gewesen sei. Zeug_innenaussagen, Asservate und Auffindesituationen belegten ein nach außen abgesichertes Leben ohne exklusive Zimmer für jedes Gruppenmitglied. Einer der beiden Computer etwa habe sich unter Beate Zschäpes Hochbett befunden und sei für alle drei frei zugänglich gewesen, was sich anhand von Browserverläufen stimmig nachweisen lasse. Ebenso lasse sich eine klare Aufgabenverteilung und das Ineinandergreifen der drei Mitglieder nachweisen. Im Brandschutt des letzten Unterschlupfs in der Zwickauer Frühlingsstraße seien Datenträger geborgen worden, die offen herumlagen und viele hochbrisante Datensätze zu Ausspähungen und „Aktionen“, Hitlers „Mein Kampf“, den sog. NSU-Brief, aber auch Urlaubsfotos enthalten hätten, so Greger.
Beate Zschäpe sei Inhaberin und Beschafferin der Handys der Gruppe gewesen, über die sich viele Ausspähungen, Anschläge (Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße), Überfälle (Stralsund), Morde (Mord an Theodoros Boulgarides in München) und entsprechende Anmietungen von Fahrzeugen u.a. zuordnen ließen.
Greger rekapitulierte noch einmal alle Verstecke des NSU in Chemnitz und Zwickau und nannte die jeweiligen Unterstützer_innen, mit deren Hilfe sie angemietet wurden. Sie kam dabei zu dem Schluss, dass diese Wohnungen von den drei Untergetauchten gemeinsam beschafft und benutzt worden seien.
Die eigene Legendierung, die Beschaffung falscher Personalpapiere und das Schlüpfen in Tarnidentitäten war ein weiteres Thema des Vortrages. Nach Greger habe sich auch Beate Zschäpe komplett auf ihre unterschiedlichen Identitäten als Liese, Lisa, Mandy oder Susann, Dienelt, Eminger, Rossberg, Pohl oder Mohl eingelassen, so dass sie selbst angegeben habe, nicht mehr auf „Beate“ zu reagieren. Die Angeklagte sei in Interaktion mit Mundlos und Böhnhardt mit Aliasnamen in der Nachbarschaft und gegenüber Urlaubsbekanntschaften unbefangen aufgetreten. Zschäpe sei nicht nur in die Organisation von manipulierten Ausweispapieren eingebunden, sondern sei auch für die Finanzverwaltung im Untergrund zuständig gewesen und habe damit eine zentrale Rolle in der Gruppe gespielt. So sei sie persönlich noch im Jahr 2011 von Zwickau in den Raum Hannover gereist, um von dem Mitangeklagten Holger Gerlach, der den Kumpanen bis 2011 die Treue hielt, ein neues Reisedokument für Böhnhardt abzuholen. Bei anderer Gelegenheit habe sie Gerlach, der sie im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung als integrale Figur der Dreierkonstellation schwer belastet hatte, nicht nur von ihm geliehene 3000 DM zurückgezahlt, sondern ihm auch 10.000 Mark als Depot für den NSU anvertraut. Auch dem Mitangeklagten Wohlleben seien zu diesem Zweck 10.000 Mark übergeben worden, habe Gerlach zu Protokoll gegeben. Aber auch Urlaubsbekanntschaften und andere Zeug_innen bestätigen die „Kassengewalt“ Beate Zschäpes im NSU.
Die Aussagen Gerlachs widerlegen auch Zschäpes Version des Umgangs mit Waffen; zwar habe sie, so Greger, behauptet, von den Waffen gewusst und sich geärgert zu haben, dass sie offen in der Wohnung herumgelegen hätten, und verlangt zu haben, dass sie „aufgeräumt“ würden. Doch Gerlach – der insgesamt keinen Belastungseifer gezeigt habe –, habe angegeben, zu einer Waffenübergabe von Zschäpe vom Bahnhof in Zwickau abgeholt worden zu sein und dass die von ihm überbrachte Pistole in seiner und Beate Zschäpes Anwesenheit ausgepackt und durchgeladen worden sei. Auf seine erschrockene Aussage hin, sie sollten sich „nicht anmaßen zu fünft die Welt zu retten“, hätten Beate Zschäpe und die beiden Männer ihn besänftigt.
Am Ende habe das Trio über 2,5 Kilo Schwarzpulver, 20 Schusswaffen (2 Maschinenpistolen, 2 Repetierflinten, 12 scharfe Revolver und Pistolen unterschiedlicher Kaliber, drei Schreckschusswaffen) und etwa 1600 Schuss Munition besessen. Als besorgniseregend bezeichnete Frau Greger außerdem den Fund einer in einer Kiste getarnten Schussvorrichtung im Bauschutt der Frühlingsstraße, in der eine der Maschinenpistolen mit einer Laservorrichtung verbaut gewesen sei, um unentdeckt in der Öffentlichkeit eine Salve Schüsse abzugeben. Das Arsenal unterstreiche das Gefahrenpotential der Gruppe.
Zu den wichtigsten Aufgaben Zschäpes, die das Haus hütete, während die beiden Männer oft lange abwesend waren, war die Legendierung der Dreiergruppe und die Erfindung plausibler Gründe und Geschichten zu deren häufiger Abwesenheit. Sie habe zumindest gleichberechtigt, wenn nicht – wie viele Zeug_innen bestätigten – bestimmend an den Entscheidungen der Gruppe mitgewirkt und die Gelder verwaltet und ausgegeben: Als Beispiel führte Greger etwa die Buchung einer „Belohnungsreise“ für die Familie Eminger ins Disneyland Paris an, welche Beate Zschäpe nachweislich vorgenommen habe. Mit der Kassenverwaltung habe sie eine „herausragende Stellung in der Gruppenhierarchie“ gehabt, sagte Greger.
Ausführlich ging Oberstaatsanwältin Greger auf das Ausspähen von Anschlagszielen ein, stützen diese Indizien doch die These der Bundesanwaltschaft, dass es sich um eine isolierte Drei-Personen-Gruppe mit wenigen handverlesenen Helfer_innen gehandelt habe. So seien die Mordanschläge, Bombenattentate und Bank- und Raubüberfälle stets gut vorbereitet gewesen, was sich anhand zahlreicher Spurenfunde im Eisenacher Wohnmobil und im Brandschutt der Frühlingsstraße nachweisen lasse, wo häufig von den Städten der späteren Anschläge markierte Karten, Ausspähnotizen, Routenplaner-Ausdrucke aus der zeitlichen Nähe der Taten und weitere Hinweise gefunden worden seien. Das gelte unter anderem für die Morde an İsmail Yaşar in Nürnberg, Halit Yozgat in Kassel, Mehmet Kubaşık in Dortmund und den Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln, aber auch für einige Banküberfälle. Ein Zettel mit einer Handynummer, die unter dem Wort „Aktion“ notiert war und die Beate Zschäpe kurz vor dem Mord an Theodorus Boulgarides von einer Telefonzelle aus angerufen habe, beweise, dass Beate Zschäpe über die Tötungsabsicht informiert war, denn das Wort „Aktion“ sei der Gruppencode für Anschläge gewesen.
Für die Frage, warum Beate Zschäpe selten bei Ausspähaktionen dabei gewesen sei und später überwiegend mit der „Stallwache“ (Greger) betraut war, präsentierte die Oberstaatsanwältin eine neue These, die sich auf ein von Nebenklageanwalt Yavuz Narin eingebrachtes Beweisthema stützt: Beim Auskundschaften der Synagoge in der Berliner Rykestraße im Mai 2000, mutmaßlich als potentielles Anschlagsziel, war Beate Zschäpe einem Objektschützer aufgefallen, der sie angestarrt habe, was wiederum Zschäpe aufgefallen sei. Der Zeuge habe Zschäpe dann in einer Fahndungssendung wiedererkannt und der Polizei gemeldet . Die BAW glaubt, dass die Gruppe nach diesem brisanten Zwischenfall in Berlin beschlossen habe, dass Ausspähungen nur noch von den „unauffälligeren“ Männer getätigt werden sollten.
– Einschätzung des Blogs „NSU-Nebenklage“
– Das Protokoll des Blogs NSU-Nebenklage vom 26.07.2017.
375. Verhandlungstag
1. Teil des Schlussvortrags der Bundesanwaltschaft
Nachdem zu Beginn des heutigen Verhandlungstages auch eine Gegenvorstellung mehrerer Verteidiger_innen vom letzten Mittwoch gegen den Beschluss des Senats, das Plädoyer des GBA nicht aufzuzeichnen, zurückgewiesen wurde, gab es zunächst erneut eine längere Pause zur Beratung. Einige Prozessbeobachter_innen erwarteten einen erneuten Befangenheitsantrag und mglw. die Absetzung der folgenden zwei Tage. Doch gegen 12 Uhr konnte der GBA tatsächlich mit seinem Schlussvortrag (Plädoyer) beginnen.
Den Anfang für den GBA am eigens für das Plädoyer aufgestellten Redepult macht Bundesanwalt Herbert Diemer persönlich. Seine kurze Einführungsrede dient offensichtlich dazu, die Sicht des GBA auf den NSU insgesamt und auf die NSU-Aufklärung möglichst wirksam und lautstark unter das zahlreich anwesende Publikum und wohl v.a. die Medienvertreter_innen zu bringen. Diemer macht dabei einmal mehr deutlich, dass der GBA eine politische Behörde ist. Seine Auffassung lautet kurz gefasst: Alles ist bestens gelaufen. Der Prozess habe zwar „das politische und mediale Interesse nicht immer befriedigen“ können, es sei aber „schlicht und einfach unzutreffend“, wenn immer noch ständig kolportiert werde, der NSU-Prozess habe seine Aufgabe nur teilweise erfüllen können. Mögliche Fehler staatlicher Behörden aufzuklären sei, so Diemer, Aufgabe politischer Gremien. Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verstrickung von Angehörigen staatlicher Stellen sieht Diemer nicht. Die Ermittlung eines weiteren Unterstützerumfelds sei bei Bestehen entsprechender Anhaltspunkte Aufgabe weiterer Ermittlungen. Diemer spricht im Zusammenhang mit Bemühungen um weitere Aufklärung von „selbsternannten Experten“, „Irrlichtern“ und „Fliegengesumme“. NK-Vertreter RA Elberling kommentiert das am Rande des Verfahrens: „Diemer sagt, das würde die Opfer verunsichern. Es geht aber darum, Antworten auf deren drängende Fragen zu erhalten.“ Die BAW sieht sich nach der Beweisaufnahme in der in ihrer Anklageschrift formulierten Sichtweise des NSU bestätigt. Es verwundert daher auch nicht, dass die BAW auch im Plädoyer unverbrüchlich bei ihrer These von der „kleinen Zelle“ NSU mit ebenfalls kleinem Unterstützerkreis bleibt.
Den inhaltlichen Part, die Wiedergabe und Bewertung der Beweisaufnahme aus Sicht der BAW, übernimmt dann zunächst Oberstaatsanwältin Annette Greger. Sie geht zuerst auf Beate Zschäpe ein, die Mittäterin der in der Anklage vorgeworfenen Taten sei. Zu Beginn beschäftigt sich Greger mit den Einlassungen Zschäpes, die sie – zutreffend – als kläglich gescheiterten Versuch, Verantwortung abzuschütteln, bewertet. Richtig stellt Greger fest: „Vertan bleibt die historisch einmalige Chance für die Opfer und Angehörigen, dass ihre Fragen durch die Angeklagte beantwortet würden.“ Zur Rolle von Zschäpe stellt sie fest, dass Zschäpe gleichberechtigtes Mitglied des NSU und in die Organisation und Logistik der Taten arbeitsteilig eingebunden gewesen sei, Zschäpe habe das System NSU abgetarnt und auf diese Weise auch an den Taten mitgewirkt. Greger spricht in Bezug auf Zschäpe von „Tarnkappe“. Dann beschäftigt sich Greger – unterbrochen von der Mittagspause und einer weiteren Unterbrechung zur ärztlichen Untersuchung des angeblich unter Konzentrationsschwierigkeiten leidenden Angeklagten Wohlleben – mit der Entwicklung vor dem 26.01.1998, dem Datum des „Untertauchens“. Hier gibt Greger eine Zusammenfassung der früheren Taten der späteren NSU-Mitglieder, wie etwa die diversen Bombenattrappen, und legt auch Zschäpes schon damals wichtige Rolle anhand von Aussagen und anderen Beweismitteln aus dem Verfahren dar. In diesem Zusammenhang zeichnet die BAW – passend zu ihrer Vorstellung vom späteren NSU – schon für die Zeit vor dem „Untertauchen“ ein Bild eines immer mehr abgeschotteten „zunehmend exklusiven“ Dreierbunds, bestehend aus Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Später versteigt sich Greger sogar zu der Behauptung, weder der THS, noch Tino Brandt, noch die Verfassungsschutzbehörden hätten massiven Einfluss ausgeübt. NK-Vertreterin RAin von der Behrens kommentierte dies am Rande des Verfahrens: „Eine absurde Behauptung zum Schutz des Verfassungsschutzes, der den THS mit aufgebaut hat. Die Beweisaufnahme hat das Gegenteil gezeigt: Der THS war ideologische Heimat des späteren NSU.“
Greger geht auf das am 26.01.1998 in der Garage sichergestellte rassistische „Ali-Gedicht“ ein, der Begriff „Ali“ finde sich in einigen in der Frühlingsstraße gefundenen Beweismitteln und sei auch in dem NSU-Video enthalten, das Zschäpe noch am 04.11.2011 versendet hat. Der „Verzicht auf Bekennung“, die symbolische Verwendung einer „Signaturwaffe“ u.ä. hätten dazu geführt, dass die Polizei lange im Umfeld der Betroffenen gesucht habe. Rassismus als Grund für die Ermittlungen im Umfeld der Angehörigen kommt bei Greger bisher nicht vor. Dass Zschäpe das NSU-Video noch während ihrer Flucht verbreitet hat, zeige, dass Zschäpe auch noch hinter dem Begriff „Ali“ gestanden habe, als die Gruppe bereits aufgelöst gewesen sei, so Greger. Zschäpe sei es darauf angekommen, die Angehörigen der Opfer mit diesen Grausamkeiten zu konfrontieren, Zschäpe sei also noch im November 2011 „durchaus zu einem Stich ins Herz imstande“ gewesen. Zum Abschluss dieses Teils sagt Greger: „Eine Antwort, wann und weshalb sie von der Billigung ideologisch begründeter Gewalttaten abgerückt sein könnte, bleibt die Angeklagte schuldig.“
Greger nennt dann den Zeitraum, in dem die „Gründung der terroristischen Vereinigung“ NSU stattgefunden habe. Auch hier geht es wieder nur um die angeblich einzigen Mitglieder Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Die Gründung habe noch im Jahr 1998 stattgefunden. Hierbei geht Greger auf die Waffensuche ein und die Entscheidung der drei für den Verbleib in Deutschland. Als erste Tat des NSU bezeichnet Greger folgerichtig den Überfall auf einen Edeka-Markt am 18.12.1998 in Chemnitz. Sie geht hier aber interessanterweise nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme ein, dass laut Zeugen drei Täter vor Ort waren. Auch im Zusammenhang mit der Zeit im Untergrund geht Greger auf Zeugenaussagen ein, die Zschäpe als selbstbewusst und nicht als isoliert von Mundlos und Böhnhardt beschreiben.
Insgesamt fällt auf, dass Greger sich auf einige Teile der Beweisaufnahme bezieht, die erst durch die Arbeit der Nebenklage ins Verfahren gebracht worden sind, so etwa die Ausspähung einer Synagoge in der Berliner Rykestraße oder die Teilnahme Zschäpes an der neonazistischen „Hetendorfer Tagungswoche“ (ohne Böhnhardt und Mundlos!).
– NK-Vertreter_innen haben bereits ein Protokoll vom 25.07.2017 veröffentlicht
– Einschätzung des Blogs „NSU-Nebenklage“