Protokoll 384. Verhandlungstag – 24. Oktober 2017

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Zu Beginn dieses Verhandlungstag verkündet Götzl, dass alle bisherigen Ablehnungsgesuche zurückgewiesen wurden. Die Verteidigungen, u.a. von André Eminger, verzögern den Ablauf trotzdem, weil sie die Kopien der Beschlüsse unverzüglich erhalten wollen und später diese bis zum kommenden Prozesstag und nicht sofort auswerten wollen. Zwischenzeitlich wird der Durchsuchungsbericht bzgl. der Durchsuchung bei verlesen und Fotos davon in Augenschein genommen.

Planmäßiger Beginn ist heute um 13 Uhr. Um 13:12 Uhr geht es tatsächlich los. Als Nebenklägerinnen sind heute Gamze und Elif Kubaşık anwesend.

Nach der Feststellung der Präsenz sagt Götzl: „Dann wird mitgeteilt: Die Ablehnungsgesuche des Angeklagten Eminger gegen Richterin Dr. Wagner [Richterin in einem Spruchkörper, der über ein anderes Ablehnungsgesuch zu entscheiden hatte] einerseits und Richterin Odersky, Richter Kuchenbauer und mich andererseits sind als unbegründet zurückgewiesen worden. Frau Odersky, Herrn Kuchenbauer und mir wurde der Beschluss unmittelbar vor Sitzungsbeginn bekanntgegeben. Die Beschlüsse werden in der nächsten Pause verteilt, sobald sie fertig kopiert sind. Herr Rechtsanwalt Reinecke, Sie hatten einen Beweisantrag angekündigt, soll der gestellt werden?“ NK-Vertreter RA Reinecke: „Wenn ich es richtig sehe, sind alle Befangenheitsanträge erledigt, wir könnten also mit den Plädoyers beginnen, dann würde ich den Antrag nicht stellen.“

Götzl beginnt: „Dann schließe ich die …“ [phon.] Eminger-Verteidiger RA Kaiser fällt Götzl ins Wort: „Herr Vorsitzender, ich bitte die Verhandlung zu unterbrechen und mir die Ablichtung des, wie Sie sagten, gerade Ihnen überreichten Beschlusses, dass Sie und die übrigen abgelehnten Richter nicht befangen seien, auszuhändigen, um das weitere prozessuale Vorgehen mit meinem Mandanten zu besprechen nach Kenntnisnahme des Beschlusses, den ich erwähnt habe.“ Götzl: „Stellungnahmen dazu?“ Bundesanwalt Diemer sagt, es gebe nach seiner Auffassung keinen Anlass zur Unterbrechung: „Sie haben mitgeteilt, dass Beschlüsse eingegangen sind, und ich nehme an, Rechtsanwalt Kaiser möchte überlegen, ob er ein neues Befangenheitsgesuch stellt, das kann er immer noch, wenn er die Beschlüsse bekommt.“ Götzl: „Zum Prozedere hinsichtlich …“ Wieder unterbricht Kaiser: „Was Herr Dr. Diemer dort gerade gesagt hat, könnte ja dann letztendlich wieder dazu führen, dass das Befangenheitsgesuch wegen fehlender Unverzüglichkeit abgelehnt würde. Das ist hier ja schon mal vorgekommen, völlig zu unrecht. Wenn der Verdacht vorliegt, dann ist jetzt zu unterbrechen und zu überprüfen, damit der Mandant dieses unverzüglich stellen kann. [phon.]“ Diemer: „Herr Vorsitzender, ich meine, man muss grundsätzlich davon ausgehen, dass wenn ein Gericht die Entscheidung trifft, dass es die dann unbefangen trifft. Der Eindruck der Befangenheit kann bei Ihrem Mandanten doch erst entstehen, wenn er irgendwelche Gründe liest. Der Verdacht der Befangenheit begründet keine Unterbrechung. [phon.]“

Kaiser: „Es geht ja nicht unbedingt um den Inhalt des Beschlusses, sondern es geht darum, wie damit umgegangen wurde. Wir hätten eine halbe Stunde später anfangen können. [phon.] Da kommt das aus Sicht des Mandanten noch befangene Gericht in den Saal, um zu verkünden, dass ein Beschluss ergangen ist, der ihre Befangenheit abgelehnt hat. Aber die Tür geht auf und es erscheinen hier befangene Richter, aus Sicht des Mandanten und meiner Sicht auch. Und das ist doch schon überraschend und ich denke, das ist auch prüfenswert.“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir würden auch gerne auf dem aktuellen Verfahrensstand sein und nicht nur, dass Sie mitteilen, dass alle Richter im Amt seien, sondern wir würden es gerne lesen, bevor es hier wie auch immer weitergeht.“ Götzl: „Dann unterbrechen wir die Hauptverhandlung bis 13:30 Uhr.“

Um 13:37 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet, dass die Anträge von Kaiser und Heer auf sofortige Unterbrechung der Verhandlung, um Kenntnis vom Inhalt der Beschlüsse zu nehmen, abgelehnt werden. Kaiser und Heer werde ohne Rechtsverlust Gelegenheit gegeben, in einer späteren, noch zu verfügenden Pause Kenntnis zu nehmen und ggf. ein Ablehnungsgesuch zu stellen.

Dann sagt Götzl, dass beabsichtigt sei, Teile eines Ermittlungsvermerk zur Durchsuchung im Haus von Maik Eminger, des Bruders von André Eminger, in Mühlenfließ in Brandenburg und Beschriftungen aus der dazu gehörigen Lichtbildmappe zu verlesen, sowie Teile der Lichtbildmappe in Augenschein zu nehmen. Götzl nennt die entsprechenden Fundstellen. Götzl: „Stellungnahmen? Keine?“ Heer: „Würden wir uns gerne anschauen, Herr Vorsitzender.“ Götzl: „Bitte schauen Sie es sich an!“ Heer: „In der Hauptverhandlung? Nein, das werde ich nicht tun. Ich beantrage die Unterbrechung für eine halbe Stunde. Es ist ein Unding, eben hat der Vorsitzende die Beweisaufnahme geschlossen.“ Götzl: „Ich habe die Beweisaufnahme nicht geschlossen.“ Heer: „Ich wüsste nicht, was es dagegen zu sagen gibt.“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Die Verteidigung Wohlleben schließt sich dem Antrag des Kollegen Heer an.“ Kaiser: „Ich möchte es mir gemeinsam mit Herrn Eminger auch gern anschauen.“

Götzl: „Stellungnahmen zu den Unterbrechungsanträgen?“ Diemer: „Also ich meine, man wird es nicht verhindern können, dass sie sich das angucken. Nur es ist so, meines Erachtens nach braucht man da keine halbe Stunde dazu. Vielleicht würde eine Viertelstunde genügen.“ RA Heer reagiert ungehalten auf die Äußerung Diemers: „Das hat der Vorsitzende völlig ordnungsgemäß gemacht. Warum sagen Sie denn jetzt: ‚man kann es nicht verhindern‘? Es ist ein rechtsstaatlicher Vorgang. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Was für eine Äußerung!“ Diemer: „Ich meine nur, eine Viertelstunde würde genügen.“ [phon.] Heer: „Gegen Ihre Äußerung gibt es selbstverständlich etwas zu sagen. Das verdeutlicht nämlich, wie Sie denken, Herr Dr. Diemer. Es ist doch nicht wahr! Ich bin entsetzt!“

Götzl: „Weitere Stellungnahmen?“ Kaiser: „Herr Vorsitzender, vielleicht könnte man die Unterbrechung dazu nutzen, schon mal den Beschluss zu kopieren und uns den dann auch zur Verfügung zu stellen.“ Heer: „Ich hätte auch gerne eine Ablichtung des Beschlusses.“ Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung bis 14:15 Uhr unterbrochen.“

Um 14:21 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sollen zu den Verlesungen Erklärungen erfolgen?“ Kaiser: „Ja, ich widerspreche der Verlesung, weil ich der Auffassung bin, dass die Voraussetzungen des § 256 nicht gegeben sind, Stichwort: Unmittelbarkeitsprinzip.“ Götzl: „Unmittelbarkeitsprinzip, habe ich das richtig verstanden? Wollen Sie das noch näher ausführen?“ Kaiser: „Ich habe ausgeführt, dass ich die Voraussetzungen des 256 für nicht gegeben erachte und beabsichtige jetzt nicht, noch weitere Ausführungen dazu zu machen.“ Heer: „Ich widerspreche ebenfalls und füge Herrn Kollegen Kaiser Folgendes hinzu: Ausweislich Blatt 20 des Ordners 148 wurde ein Durchsuchungsbeamter hinzugezogen, und nicht irgendein Gemeindebeamter, sondern Herr Staatsanwalt Schmidt von der Bundesanwaltschaft [phon.]. Sie schütteln den Kopf, Herr Weingarten, aber Herr Schmidt war nur Zeuge, nicht Durchsuchungskraft. Und dann möge Herr Staatsanwalt Schmidt auch hier zu dieser Thematik bekunden. So dass der Verlesung hier widersprochen wird.“

Götzl: „Sonstige Stellungnahmen?“ RAin Schneiders sagt, sie habe ein Asservat unter der angegebenen Fundstelle nicht gefunden. Götzl sagt, es handele sich um einen Schreibfehler und korrigiert das. Diemer: „Meines Erachtens können die Stücke verlesen werden. Sie erfüllen die Voraussetzungen nach 256, 5, wonach polizeiliche Vermerke verlesen werden können. Weil das Gegenargument vielleicht kommt: Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass das meist Routinevorgänge sind, aber inzwischen ist das auch geklärt vom BGH, dass Vermerke auch verlesen werden können, wenn es nicht Routinevorgänge sind. Da war es ein Observationsbericht z. B. Also die Voraussetzungen nach 256 StPO liegen vor.“ Götzl berät sich mit Richter Lang, dann sagt er, dass bis 15 Uhr unterbrochen wird.

Um 15:02 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass die Verlesungen durchgeführt werden. Die Verlesung des Ermittlungsberichts im angekündigten Umfang sei zulässig. Die Aufklärungspflicht erfordere nicht die Vernehmung des StA Schmidt. Zutreffend werde im Widerspruch auf das Unmittelbarkeitsprinzip Bezug genommen. § 256 gestatte aber in Durchbrechung dieses Grundsatzes die Verlesung einer Urkunde, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand habe. [phon.] Ob der Rückgriff auf den Urkundsbeweis ausreichend ist, habe das Gericht nach Maßgabe der Aufklärungspflicht zu entscheiden. Die Aufklärungspflicht verpflichte nicht zu einer Vernehmung des StA. Die Wahrnehmungen des Zeugen lägen sechs Jahre zurück. Es könne nicht angenommen werden, dass sich StA Schmidt an mehr erinnern kann, was nicht im Vermerk niedergelegt wurde. [phon.]

Götzl: „Dann kommen wir zu der angekündigten Verlesung.“ Richter Lang verliest die angekündigten Teile des Durchsuchungsberichts. Aufgrund von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen [phon.], wonach André Eminger am 23.11.2011 mit seinen beiden Kindern und ohne zu seinem Bruder nach Mühlenfließ habe reisen wollen, sei am 24.11.2011 die Wohnung des Zwillingsbruders Maik Eminger aufgrund eines Beschlusses des Ermittlungsrichters am BGH vom 23.11.2011 durchsucht worden. Beim Durchsuchungsobjekt handele es sich um einen vollständig geschlossenen Vierseitenhof in Ortsrandlage. Neben dem eigentlichen Wohnhaus existierten zahlreiche weitere Gebäude, die untereinander verbunden seien. Alle Teile seien in baulich schlechtem Zustand, die Wirtschaftsgebäude würden überwiegend als Abstellfläche genutzt. Das Anwesen verfüge über zwei mit Holztoren gesicherte Eingänge. Das eigentliche Wohngebäude der mittlerweile sechsköpfigen Familie des Maik Eminger liege im nordwestlichen Teil des Grundstücks. Die Wohnung sei in unordentlichem und ungepflegten Gesamtzustand. Es gebe zwei Schlafzimmer, einen Wohn- und Essbereich inklusive Bibliothek, zudem sei das Wohnhaus teilunterkellert. Aufgrund des Grundrisses sei es für André Eminger möglich, sich nahezu in allen Wohnräumen aufzuhalten. Um 06:30 Uhr seien Spezialeinsatzkräfte der Bundespolizei in das Anwesen eingedrungen. André Eminger sei im Wohnzimmer auf dem Bettsofa angetroffen worden. Dort seien auch seine Reisetasche und Reiseutensilien der Kinder gefunden worden. Die Durchsuchung sei am 24.11. um 10:45 Uhr beendet worden.

Götzl: „Dann schauen wir uns die Lichtbildmappe an und werden in dem Zusammenhang dann auch die Verlesungen dazu durchführen.“

Die Lichtbilder werden in Augenschein genommen. Richter Lang verliest dazu die Beschriftungen. Es wird eine Luftaufnahme des Objekts, gezeigt, dann eine Skizze des Objekts. Darin sind auch die Abstellplätze eines Fahrzeugs Renault mit einem ERZ-Kennzeichen und eines Fahrzeugs Ford mit Zwickauer Kennzeichen vermerkt. Es folgt eine Skizze der Raumaufteilung des Wohnhauses. Dann folgt ein Foto vom Schlafplatz in der Bibliothek, dann ein Foto einer Tüte mit Geld vor dem Schlafplatz, diese habe sich ehemals auf dem Boden unter der Bettcouch befunden. Dann folgt eine Aufnahme des Geldes in der Kunststofftüte, danach das Geld in Stückelung. Die Abbildungen 8, 9 und 10 zeigen das Fahrzeug Ford von verschiedenen Seiten.

Götzl: „Dann Blatt 37.“ Lang verliest aus dem Asservatenverzeichnis, dass in einer Kunststofftüte, transparent mit Schiebeverschluss 3835 €, gestückelt in 267 5€-Scheine, zehn 200€-Scheine, und einen 500€-Schein unter dem Bettsofa gefunden worden seien. Außerdem wird ein Handy Sony Ericsson Xperia mit Ladekabel [phon.] genannt.

Götzl: „Stellungnahmen?“ Kaiser: „Ich widerspreche gegen die Verwertung der verlesenen Schriftstücke und gegen die Verwertung der Inaugenscheinnahme aus den Gründen der Beanstandung.“ Götzl: „Nur zur Klarstellung: Ich hatte vorhin keinen Widerspruch hinsichtlich des Augenscheins vernommen. Sie nehmen aber Bezug auf das vorher Ausgeführte.“ Kaiser: „Auch bei der Inaugenscheinnahme wird der Verwertung widersprochen, weil sie auch in engem Zusammenhang mit der Verlesung steht und deswegen auch nicht verwertbar ist aus meiner Sicht.“

Götzl: „Sind denn ansonsten Anträge oder Erklärungen? Von Ihnen, Frau Rechtsanwältin Sturm?“

RAin Sturm verliest einen Antrag. Der Senat habe Zschäpe, so Sturm, am 383. Verhandlungstag den rechtlichen Hinweis erteilt, dass neben den in der rechtlichen Würdigung der Anklageschrift genannten Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung jeweils rechtlich zusammentreffend mit den dort genannten Delikten ein weiterer dazu in Tatmehrheit stehender Fall der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Betracht komme.
Der GBA habe, so Sturm, in der Anklageschrift zur Begründung der Mittäterschaft ausgeführt; sie zitiert: „Die Angeschuldigte Zschäpe leistete zu den einzelnen Taten dem Umfang ihrer Beteiligung nach wesentliche Tatbeiträge mit dem Willen zur Tatherrschaft. Zwar war sie bei keiner der Anschlags- und Raubtaten an der unmittelbaren Tatausführung selbst beteiligt. Dies ist jedoch für die Annahme von Mittäterschaft auch nicht erforderlich. Indem die Angeschuldigte die gemeinsame Wohnung als Aktionszentrale abtarnte, Böhnhardt und Mundlos mit legendierte und die Abwesenheit von Mundlos und Böhnhardt im unmittelbaren Wohnumfeld während der Ausspähungen und der jeweiligen Tatausführung verschleierte, leistete sie der gemeinsamen Tatplanung gemäß einen integralen Bestandteil zum Gesamtkonzept der Anschläge. (…) Demzufolge können die in Vollziehung des strategischen Tatkonzepts des ‚NSU‚ von den drei Mitgliedern geleisteten Beiträge auch hinsichtlich jedes einzelnen Anschlags nur als Teil einer gemeinschaftlich gewollten und gemeinschaftlich begangenen Tat aufgefasst werden.“

Sturm: „In Anbetracht der Tatsache, dass der Generalbundesanwalt mithin sämtliche Handlungen, derer er Frau Zschäpe verdächtigt, zur Begründung des Vorwurfs mittäterschaftlichen Handelns heranzieht, wird beantragt, vor erneutem Schluss der Beweisaufnahme mitzuteilen und klarzustellen, verbunden mit welchen konkreten Tathandlungen Frau Zschäpe der nunmehr tatmehrheitlich verstandene Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemacht werden soll, ohne dass diese in der Anklageschrift Erwähnung gefunden haben.“ Der vom Senat erwähnte Beschluss des BGH ermögliche gerade nicht, wegen ein und derselben Handlung eine tatmehrheitliche Verurteilung zu begründen, so Sturm.

Götzl: „Soll dazu Stellung genommen werden?“ OStAin Greger: „Wir würden selbstverständlich dazu Stellung nehmen, allerdings nicht ad hoc, das bedarf schon einer gewissen Vorbereitung.“ Götzl: „Sind weitere Anträge? Zu den Beschlüssen noch: Hatten Sie Gelegenheit, davon Kenntnis zu nehmen?“ Kaiser: „Herr Vorsitzender, ich habe es vollständig lesen können. Ich möchte nur bemerken, dass der Angeklagte Eminger das nicht geschafft hat, weil es an der Konzentration mangelt. Er ist gerade einen Monat in Haft und er braucht dazu etwas länger.“ Götzl: „Wie viel Zeit benötigen Sie?“ Kaiser: „Also Herr Eminger hätte gerne eine Frist bis morgen.“ Götzl: „Also wir machen gerne jetzt eine längere Unterbrechung.“ Kaiser: „Nein. Ich habe ihn gefragt. Die Zelle hat bestimmt auch keine ansprechende [phon.] Atmosphäre. Aber hier im Saal zu lesen oder in der Vorführzelle ist für ihn wesentlich schwieriger als in der Zelle, wo er die etwas angenehmere Umgebung [phon.] hat. Und frische Luft vom Fenster, höre ich gerade.“ Götzl: „Ich habe aber schon Interesse, dass das hier beschleunigt vorangeht. Herr Eminger, Sie lachen?“ Kaiser: „Also Herr Eminger sagt, er schafft das nicht und muss jeden Satz drei, vier Mal lesen. Das ist alles sehr juristisch und für Laien eben wesentlich schwieriger zu lesen und zu verstehen. Ich kann ihm da natürlich dabei behilflich sein, aber er sagt, das hilft ihm nichts. Er möchte das in Ruhe durchlesen und mit mir besprechen, was er absolut nicht verstanden hat.“ [phon.]

Götzl: „Stellungnahmen?“ OStA Weingarten: „Es fällt mir schwer, dazu Stellung zu nehmen. Ich halte den Sachvortrag für unvollständig. [phon.] Ich würde gerne wissen, wie weit Herr Eminger denn gekommen ist. Nur dann kann sich der GBA dazu verhalten, wie viel Zeit ihm denn einzuräumen wäre.“ Kaiser: „Ich habe das akustisch nicht verstanden.“ Weingarten: „Wie viel Seiten hat er denn schon gelesen und verstanden, Herr Rechtsanwalt Kaiser?“ Kaiser: „Ich weiß nicht, ob man darauf adäquat reagieren kann. Ob er den ersten Satz schon nicht verstanden hat oder den vorletzten, spielt doch keine Rolle. Er hat es noch nicht verstanden und er möchte das in Ruhe lesen, um dann festzustellen, wo er noch Erklärungsbedarf hat. Er kann das momentan nicht und ist in einer Situation, die mit ihrer und meiner nicht vergleichbar ist.“ Weingarten: „Dann würde ich auch ohne die von Ihnen erbetene Information [phon.] Stellung nehmen: Herr Rechtsanwalt Kaiser kann nicht mitteilen, ob sein Mandant schon den ersten Satz gelesen hat. Wir haben einen Beschlussumfang von 20 Seiten. Wenn das in der Geschwindigkeit weitergeht, die Herrn Kaiser vorschwebt, dann müssten wir mehrere Wochen unterbrechen. Die StPO stellt es nicht in das Ermessen eines schwerfällig lesenden [phon.] Angeklagten, die Unterbrechung nach eigenem Ermessen durchzusetzen. Deswegen haben wir bzw. der Staat Herrn Eminger zwei Verteidiger beigeordnet, deren Pflicht und Schuldigkeit es ist, ihrem Mandanten in der gebotenen Zügigkeit den wesentlichen Inhalt der zu prüfenden Beschlüsse verständlich zu machen. Vor diesem Hintergrund ist die Vorstellung des Vorsitzenden, heute noch zu unterbrechen, exakt das adäquate Mittel. Sonst dürfte es nicht ausreichen, wenn sich Rechtsanwalt Kaiser pauschal auf Konzentrationsstörungen eines gerade mal vier Wochen in Haft befindlichen Angeklagten beruft. Es besteht kein Anlass, ohne anwaltlichen Beistand in der JVA Stadelheim die komplexen Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen. [phon.]“ Kaiser: „Da haben Sie mir ganz augenscheinlich nicht richtig zugehört. Ich habe gesagt, Herr Eminger möchte sich das durchlesen bis morgen früh und nicht bis in alle Ewigkeit. Ich habe Gelegenheit, mit Herrn Eminger morgen früh zu sprechen und die für ihn unverständlichen Passagen zu besprechen. Und dann ist auch Rechtsanwalt Hedrich wieder da, damit wir beide ihm das erklären können. Ich weiß nicht, wo Sie da eine große Verschleppung sehen. Und im Übrigen muss ich mich von Ihnen nicht über meine Pflicht und Schuldigkeit belehren lassen.“

Götzl: „Weitere Stellungnahmen?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Dann machen wir eine Pause und setzten um 15:45 Uhr fort.“ Um 15:52 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sind dann für heute noch Anträge oder Erklärungen? Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen. Wir setzen fort morgen um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 15:52 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Zu Beginn des Hauptverhandlungstages, der wegen eines Arzttermins des Vorsitzenden erst um 13 Uhr begann, teilte dieser mit, dass die letzten noch offenen Ablehnungsgesuche der Verteidigung Eminger in der Zwischenzeit abgelehnt worden waren. Die Verteidigung reagierte überrascht und empört, beantragte diverse Unterbrechungen – u.a. eine Unterbrechung ‚bis morgen früh‘, damit Eminger in der JVA die beiden Beschlüsse lesen könne – das sei ihm im Gerichtssaal nicht möglich. Gegen 16 Uhr beendete der Vorsitzende dann die Verhandlung für heute. In der Zwischenzeit war das Gericht noch kurz erneut in die Beweisaufnahme eingetreten und hatte den Bericht zur Durchsuchung bei Maik Eminger am 30.11.2011 verlesen, bei der auch André Eminger angetroffen wurde. Unter seinem Schlafplatz fand die Polizei eine Plastiktüte mit € 3835 € Bargeld, bestehend aus vielen 5 €-Scheinen und einigen 200 €- und 500€-Scheinen – eine Stückelung, wie man sie im Alltag nicht erleben wird, aber z.B. bei der Beute aus einem Banküberfall. Ob die Episode der immer noch abstruser werdenden Befangenheitsgesuche nun endlich ein Ende hat und morgen die Plädoyers der Nebenklage beginnen können, oder ob die Verteidigung Eminger morgen ein weiteres Befangenheitsgesuch anbringen wird, bleibt abzuwarten. […] keines dieser Gesuche ist auch nur ansatzweise begründet, es handelt sich schlicht um den Versuch, den Prozess, den die Verteidigung Eminger viereinhalb Jahre lang hat an sich vorbeiziehen lassen, zum Stillstand und im besten Falle zum ‚Platzen‘ zu bringen. Dieser Versuch wird insgesamt nicht gelingen, aber für die Nebenklägervertreter_innen und vor allem für die Nebenkläger_innen selbst, die seit Wochen darauf warten, endlich noch einmal ihre Sicht auf den NSU-Komplex darstellen zu können, ist die momentane Situation natürlich nur schwer erträglich.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/10/24/24-10-2017/

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