Kurz-Protokoll 405. Verhandlungstag – 23. Januar 2018

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An diesem Verhandlungstag stellt die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Antrag zu einem Lieferweg der Tatwaffe des NSU, der Ceska 83, in den laut Antrag Wohlleben nicht involviert gewesen sei. Die Bundesanwaltschaft erklärt daraufhin, dieser Antrag sei zurückzuweisen, sie sprechen von Verschleppung des Prozesses. Nebenklage-Vertreter Langer gibt ebenfalls eine Erklärung dazu ab. Darin führt er aus, dass für dieser alternative Lieferweg der Ceska nichts spräche.

Die Besucher_innenempore ist bis auf den letzten Platz besetzt – eine Seltenheit im NSU-Prozess. Der Verhandlungstag beginnt um 09:45 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt der Vorsitzende Richter Götzl: „Sie hatten, Herr Rechtsanwalt Nahrath, Frau Rechtsanwältin Schneiders, Herr Rechtsanwalt Klemke, die Stellung eines Beweisantrags angekündigt. Bitte schön!“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders verliest den Antrag, „zum Beweis der Tatsache, 1. dass Jug Puskaric die Tatwaffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 aus der Schweiz besorgte und 2. die Waffe über Sven Rosemann an Mundlos und Böhnhardt geliefert oder von diesen bei Sven Rosemann abgeholt wurde“, Jug Puskaric und Sven Rosemann zu vernehmen, und die Verfahrensakten des vom LKA Baden-Württemberg gegen Puskaric geführten Strukturermittlungsverfahren beizuziehen und Akteneinsicht darin zu gewähren.
Zur Begründung führt sie aus:
Die Beweiserhebung wird ergeben, dass der vom GBA behauptete Weg der Tatwaffe Ceska 83 über Schläfli & Zbinden an Ge. , Mü., Theile, Länger und Andreas Schultz an den Angeklagten Schultze der falsche ist. Der hierauf beruhende Haftbefehl und der gegen Herrn Wohlleben erhobene Anklagevorwurf werden nach der beantragten Beweiserhebung keinen Bestand mehr haben.
Die Beweiserhebung dient der Entlastung unseres Mandanten, da sie ergeben wird, dass die Tatwaffe Ceska 83 nicht von Carsten Schultze, sondern über Jug Puskaric und Sven Rosemann an Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelangte.

Dann verliest Greger die Stellungnahme des GBA zu dem Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben. Die Anträge, so Greger, seien abzulehnen. Es handele sich sowohl bei den beiden Anträgen auf Zeugenbeweis wie beim Antrag auf Beiziehung von Akten um Beweisermittlungsanträge, denen mangels zu erwartenden Erkenntnisgewinns nicht nachzukommen sei.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist nämlich auch das Recht, Beweisanträge zu stellen, nicht grenzenlos gewährt, sondern auf den Zweck des Strafverfahrens zur Wahrheitserforschung ausgerichtet. Diese Wahrheitserforschung kann nur mit geeigneten Anträgen geschehen, die eine Plausibilität für das mögliche Gelingen der Beweiserhebung darlegen. Bei einer fortgeschrittenen Beweisaufnahme steht die weitere Beweiserhebung in unlösbarem Zusammenhang mit der bisher durchgeführten.
Gemessen daran erweisen sich die beiden Beweistatsachen zu dem Verkauf der Tatwaffe aufgrund der gesicherten bisherigen Beweisaufnahme als haltlos, denn sie wurden von den Antragstellern ausgehend von ihrer Antragsbegründung ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte ersichtlich und bewusst aufs Geratewohl aufgestellt. Demgemäß stellt sich das Beweisverlangen hier gerade zu als ein Prototyp eines ins Blaue hinein gestellten Antrags dar.
Im Übrigen verlieren sich die Antragsteller in Milieustudien und Spekulationen, die zum Verkauf der Tatwaffe in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen.

Greger weist darauf hin, dass dort „wenn der Antragsteller selbst seine Beweisbehauptung für unrichtig hält“ von einer Verschleppungsabsicht ausgegangen werde.
Hilfsweise beantrage ich die Anträge auf Zeugenbeweis wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen.
Nach einer erstmaligen Fristsetzung am 07.03.2017, verbunden mit einem Hinweis auf die strafprozessualen Folgen einer Fristüberschreitung in den Nummern 5 und 6 der Verfügung, hat der Vorsitzende mit Verfügung vom 25.04.2017 die Frist zur Stellung von Beweisanträgen bis zum 17.05.2017 verlängert. Mit Beschluss vom 26.04.2017 hat der Senat die Verfügung des Vorsitzenden bestätigt. Eine Fristsetzung für die Stellung von Beweisanträgen nach § 244, Absatz 6 Satz 2 StPO war bereits nach der damals geltenden Rechtslage zulässig.
Die Antragsteller haben weder die vom Vorsitzenden gesetzte Frist eingehalten, noch ist eine Glaubhaftmachung nach § 244, Absatz 6 Satz 4 StPO erfolgt. Vor allem aber haben die Antragsteller nicht dargelegt, weshalb ihnen die rechtzeitige Stellung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Rosemann und Puskaric nicht innerhalb der gesetzten Frist möglich gewesen sein soll.

Dann gibt NK-Vertreter RA Langer seine Stellungnahme ab:
Es ist offenkundig, dass der Antrag auf die Zeugenvernehmungen nicht das von den Antragstellern mitgeteilte Beweisergebnis erbringen wird. Denn es ist fernliegend, dass der Zeuge Puskaric und der Zeuge Rosemann die unter Beweis gestellten Behauptungen bestätigen werden. Ersterer soll die hier relevante Tatwaffe Ceska 83 mit Schalldämpferaufsatz „aus der Schweiz besorgt“ und sich dabei die Waffennummer 034678 besonders eingeprägt haben. Zweiterer soll sich diese Waffennummer ebenso genau eingeprägt haben, bevor er diese Waffe Uwe Mundlos/Uwe Böhnhardt habe zukommen lassen. Gleiches gilt zu dem mutmaßlichen Verfahren mit 2017er Aktenzeichen des LKA Baden-Württemberg gegen den Zeugen Puskaric, zu dem die Antragsteller forsch ins Blaue hinein vermuten, dieses habe mit „Ermittlungen zur Herkunft der Tatwaffe Ceska 83“ aus der Zeit bis zum Jahre 2000 zu tun.
Zweck dieser Anträge ist offenbar entweder eine Verzögerung des Verfahrens oder es soll versucht werden, aus einer Ablehnung dieser Anträge weitere Rechte auf anderer Ebene herzuleiten, z. B. Ablehnungsgesuch und Verfahrensrüge im Revisionsverfahren.
Bestünde der wirkliche Zweck im Interesse am Nachgehen dieser Anträge in Bezug auf die Zeugen Puskaric und Rosemann, wären diese von den Antragstellern bereits am ersten Hauptverhandlungstag gestellt worden, da alle in diesem Antrag relevanten Bezüge zu den benannten Zeugen bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannt waren. Insbesondere bei einem in U-Haft befindlichen Angeklagten ist nicht recht erkennbar, warum die Antragsteller viereinhalb Jahre abwarten, um sich jetzt auf die Vernehmung der beiden genannten Zeugen zu stützen, also sich auf längst bekannte Umstände zu berufen.
Der Verhandlungstag endet um 11:34 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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