Kurz-Protokoll 414. Verhandlungstag – 13. März 2018

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An diesem Prozesstag stellt die Verteidigung von Ralf Wohlleben zunächst einen Beweisantrag zu einem aus ihrer Sicht möglichen alternativen Lieferweg der Mordwaffe des NSU, der Ceska 83. Danach lehnt der Vorsitzende Richter Götzl einen ähnlichen Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben von einem anderen Verhandlungstag ab, im Anschluss daran den aktuell gestellten. Außerdem lehnt er die Entpflichtung der Rechtsanwält_innen Sturm, Stahl und Heer als Pflichtverteidiger_innen von Beate Zschäpe ab. Die Wohlleben-Verteidigung kündigt zum Ende des Verhandlungstages einen Befangenheitsantrag an.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:52 Uhr. Wohlleben-Verteidiger RAin Schneiders verliest einen Beweisantrag. Sie beantragt, die Beiziehung des Vernehmungsprotokolls des Zeugen Jug Puskaric aus dem Untersuchungsausschuss des Landtags Baden-Württemberg vom 05.03.2018, sowie das Vernehmungsprotokoll der Vernehmung Puskarics beim BKA, das dem baden-württembergischen UA vorgelegen habe und aus dem Puskaric am 05.03.2018 vorgehalten worden sei. Die Amtsaufklärung gebiete die Beiziehung der Protokolle:
Der Zeuge wurde im Untersuchungsausschuss, ausweislich des beigefügten Presseartikels, zu etwaigen Waffenbeschaffungen befragt. Er machte teilweise dahin Angaben, dass er dem weiteren Zeugen Sven Rosemann im Jahr 2000 drei Waffen beschafft habe. Von wem er diese drei Waffen erworben hatte, wollte Jug Puskaric in seiner Vernehmung nicht angeben. Er verweigerte die Angaben, um sich nicht selbst zu belasten. Er behauptete jedoch, dass die drei Waffen nicht aus der Schweiz stammten und es kein ‚Ostschrott‘ gewesen sei.
Aus Twitter-Berichten wurden weitere Details der Vernehmung bekannt. Aus diesen Tweets geht hervor, dass Jug Puskaric ausgesagt haben soll, dass er Sven Rosemann „teilweise“ Waffen aus der Schweiz besorgt habe. Informationen dazu wolle er keine geben. Der GBA habe ihm gesagt, dass diese Tat verjährt sei. Wie bereits mehrfach in Beweisanträgen dargelegt, besteht der Verdacht, dass Sven Rosemann seinerseits Waffen an Mundlos und Böhnhardt verkaufte, u.a. die Tatwaffe Ceska 83.

Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wie bereits per Telefax geschehen, schließen Frau Sturm, Herr Stahl und ich uns dem Antrag an.“ Dann nimmt OStAin Greger für den GBA Stellung zu dem Antrag. Der Antrag sei abzulehnen, so Greger. Greger wiederholt kurz die Anklagepunkte gegen den Angeklagten Wohlleben und sagt, dass Wohlleben und Schultze die Lieferung einer Schalldämpferwaffe in der Hauptverhandlung auch glaubhaft eingeräumt hätten. Nach der Erinnerung Schultzes decke sich danach die in der Frühlingsstraße sichergestellte Tatwaffe dem Modell nach mit der von ihm gelieferten Waffe. Der Senat habe umfangreich Beweis über die Lieferkette der Tatwaffe Ceska 83 erhoben.
Auch nach dem Vorbringen der Antragsteller verfüge der Zeuge Puskaric über kein Wissen zur Tatwaffe und er habe auch keine Wahrnehmungen gemacht, die mit Blick auf die angeklagten Taten von Belang wären. Weder Puskaric noch Hubeny hätten Angaben zur Tatwaffe Ceska 83 mit Schalldämpfer oder zu einem baugleichen Modell gemacht. Die Aussagen Puskaric und Hubeny beschränkten sich auf den Handel mit Waffen und den Besitz von Waffen, ohne konkreten Bezug zu den drei Untergetauchten. [phon.]

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben zu Sven Rosemann vom 412. Verhandlungstag abgelehnt sind. Die Anträge, Rosemann zu vernehmen
zum Beweis der Tatsachen, dass ihm bekannt gewesen sei, dass sein guter Kumpel Jürgen Länger in der Lage gewesen sei, auch scharfe Schusswaffen zu beschaffen, werden abgelehnt, weil sie für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Die Anträgen zu den anderen Beweistatsachen werden unter abgelehnt, weil die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, ihnen nachzukommen und weil sie darüber hinaus, falls sie als Beweisanträge im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO qualifiziert werden sollten, wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt werden könnten.

Götzl setzt an einen weiteren Beschluss zu verkünden. RA Klemke versucht das Wort zu bekommen. Götzl: „Ich bitte das zurückzustellen, wir haben noch eine weitere Entscheidung. Sie werden keinen Rechtsverlust erleiden.“
Götzl verkündet dann den Beschluss, dass den Anträgen der Verteidigung Wohlleben vom heutigen Tag zu den Vernehmungsprotokollen von Jug Puskaric ebenfalls nicht nachgekommen wird. Zur Begründung stellt Götzl zunächst fest, dass es sich bei den Anträgen um Beweisermittlungsanträge handele und macht dann die üblichen Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen. Im vorliegenden Fall, so Götzl weiter, dränge die Aufklärungspflicht nicht zur Beiziehung des genannten Vernehmungsprotokolls des UA Baden-Württemberg und/oder des Vernehmungsprotokolls des BKA; mangels Beiziehung hätten sich die Akteneinsichtsgesuche erledigt.

Götzl: „Dann ergeht …“ Wieder versucht RA Klemke zu unterbrechen und etwas zu sagen. Götzl: „Ich bitte das noch zurückzustellen. Es gilt das gleiche wie eben, Sie werden keinen Rechtsverlust erleiden.“ Götzl verliest dann die Verfügung, dass I. sich die Anträge von Heer, Stahl und Sturm auf dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden erledigt hätten und II. die Anträge von Sturm, Stahl und Heer auf Entpflichtung abgelehnt werden.
Alle drei Verteidiger waren zunächst Wahlverteidiger der Angeklagten und wurden mit ihrer Zustimmung zu Pflichtverteidigern bestellt. Die Anträge sind abzulehnen, da keine Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, der Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden würden. Eine prozessuale Situation, die eine ordnungsgemäße Verteidigung der Angeklagten nicht mehr ermöglichen würde, ist nicht gegeben. Es liegen weder grobe Pflichtverletzungen der Pflichtverteidiger vor, noch sind konkrete Umstände einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Angeklagten und den Pflichtverteidigern Heer, Stahl und Sturm vorgetragen und nachgewiesen.

Klemke: „Die Verteidigung Wohlleben beantragt die Erteilung von Abschriften der drei verkündeten Beschlüsse und die Unterbrechung der Hauptverhandlung für eine Stunde. Wir haben Besprechungsbedarf mit unserem Mandanten, was Sie nicht erstaunen wird.“ Heer: „Wir benötigen ebenfalls Besprechung [phon.] und beantragen die Unterbrechung von zunächst [betont]einer Stunde.“ Götzl sagt, dann werde bis 13 Uhr unterbrochen.

Um 13:03 Uhr geht es weiter. Klemke: „Die Verteidigung des Herrn Wohlleben beantragt, die Hauptverhandlung bis morgen 11:30 Uhr zu unterbrechen, damit wir eine Ablehnungsgesuch gegen sämtliche Mitglieder des Senates vorbereiten können. Angesichts des Umfangs der zwei Beschlüsse, auf die Herr Wohlleben das Gesuch stützen möchte, ist die Frist angemessen.“ Heer: „Wir schließen uns dem Unterbrechungsantrag an, um zu entscheiden, inwiefern auf die soeben verkündeten Entscheidungen prozessual zu reagieren ist.“ Um 13:06 Uhr endet der Verhandlungstag.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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