An diesem Prozesstag verliest die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Dieser hatte am Vortag Anträge der Verteidigung abgelehnt. Richter Götzl beendet daraufhin den Verhandlungstag.
Um 11:45 Uhr beginnt der Verhandlungstag. Götzl wendet sich an die Verteidigung Wohlleben: „Dann kommen wir zu Ihnen.“
Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath verliest wie angekündigt einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Nahrath gibt zunächst aus Sicht der Verteidigung Wohlleben den prozessualen Hergang rund um die gestrigen Ablehnungen des Antrags auf Ladung von Sven Rosemann sowie des Antrags auf Beiziehung des Vernehmungsprotokolls von Jug Puskaric beim UA Baden-Württemberg wieder. Bei der rechtlichen Würdigung verliest Nahrath, dass die abgelehnten Richter mit der Ablehnung des Beweisantrags auf Einvernahme Sven Rosemanns erneut zu erkennen gegeben hätten, dass sie Wohlleben nicht unvoreingenommen und unparteilich gegenüberstehen, sondern sich bereits vor dem letzten Wort eine abschließende Überzeugung von seiner Schuld gebildet hätten.
Die Ablehnung sei zudem aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen willkürlich, was bei Wohlleben die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den abgelehnten Richtern begründe.
Nahrath zitiert dann länger aus dem Beschluss vom 414. Verhandlungstag: „Unter Beweis gestellt ist hier nun zwar nicht, dass der Zeuge Rosemann mit der hier relevanten Ceska 83 mit der Nummer 034678 Umgang hatte, sondern lediglich, dass es sich um eine Ceska 83 aus einer Lieferung von zwei Schalldämpferwaffen des Typs Ceska 83 aus der Schweiz gehandelt habe. Unter Berücksichtigung der unter Beweis gestellten Tatsachen und der Begründung der Anträge ist nach der Interessenlage der Antragsteller davon auszugehen, dass von ihnen jedenfalls folgendes Beweisziel verfolgt wird: Die unter Beweis gestellten Umstände, nämlich dass der Zeuge Länger der Lieferant der Waffe war und dass es sich um eine Lieferung von zwei Schalldämpferwaffen Ceska 83 aus der Schweiz gehandelt hat, könnte ein Anhalt dafür sein, dass es sich dabei um die laut Waffenbuch Schläfli & Zbinden an den Zeugen Ge. verkauften Waffen handelt, unter denen sich laut Waffenbuch auch die ‚Tatwaffe‘ befunden hat.
Neue Waffen gleichen Typs können im Regelfall nur aufgrund der Waffennummer unterschieden werden. Zeugen können sich an die Waffennummer nach einem derartig langen Zeitauflauf, nämlich knapp 18 Jahre, an diese erfahrungsgemäß nicht mehr erinnern. Bei Nachweis des unter Beweis gestellten Umgangs des Zeugen Rosemann mit einer Ceska 83 mit Schalldämpfer, die aus der Schweiz stammt, käme daher als Beweisziel nach dem in-dubio-Grundsatz der Schluss in Betracht, dass es sich bei der von Rosemann an Uwe Böhnhardt gelieferten Waffe um die ‚Tatwaffe‘ gehandelt hätte.“
Der Beschluss ist daher aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht anders zu verstehen als ein Ausdruck der Besorgnis der abgelehnten Richter, dass die Antragsteller mit der Vernehmung des Zeugen Rosemann das Beweisziel erreichen könnten. Das Gegenteil – nämlich, dass das Beweisziel nicht erreicht werden könne – behaupten sie jedoch. Sie stellen einzig und allein auf die von vom dem Zeugen Hubeny bei Rosemann gesehene Waffe ab. Anhaltspunkte dafür, dass das Beweisziel erreicht werden kann, übergehen die abgelehnten Richter geflissentlich. Diese wären:
– Bekanntschaft zwischen Rosemann und Böhnhardt und deren Waffenaffinität;
– die Freundschaft zwischen Rosemann und Länger;
– die Annahme der abgelehnten Richter, Länger habe Zugriff auf die Tatwaffe gehabt und diese an Andreas Schultz geliefert;
– die wahrscheinliche Widerlegung der Behauptung Rosemanns, er habe niemals Waffen aus der Schweiz erhalten, durch die Vernehmung des Jug Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg;
– Angaben des Zeugen Jens L. zu Waffenbeschaffungen aus der Schweiz in Bezug auf die Rotlichtszene in Thüringen, zu der auch Sven Rosemann gehörte.
In Bezug darauf, dass der Senat behauptet habe, die Antragsteller hätten ihre Anträge ausschließlich in Verschleppungsabsicht gestellt, zitiert Nahrath aus juristischer Fachliteratur, dass die Absicht der Prozessverschleppung nur anzunehmen sei, wenn sich der Antragsteller selbst keinen sachlichen Erfolg für das Beweisergebnis verspricht, es ihm also ausschließlich auf Prozesssabotage ankomme. Auch die „ärgerlichste Schlamperei“ und „gröbste Prozessverlängerung“ wäre demnach, zitiert Nahrath weiter, für sich alleine kein Ablehnungsgrund, solange nicht eindeutig feststehe, dass es sich nicht um einen Scheinbeweisantrag handelt; stets sei zu beachten, dass die Pflicht des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit vorrangig ist.
Götzl: „Der morgige Termin wird abgesetzt und wir setzen fort am Dienstag, 20.03.2018, 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 12:17 Uhr.
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Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.