An diesem Prozesstag verliest die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Dieser hatte am Vortag Anträge der Verteidigung abgelehnt. Richter Götzl beendet daraufhin den Verhandlungstag.
Der Beginn des Verhandlungstages ist heute für 11:30 Uhr angesetzt. Um 11:45 Uhr beginnt der Verhandlungstag dann tatsächlich. Nach der Präsenzfeststellung wendet sich der Vorsitzende Richter Götzl an die „Altverteidigung“ Zschäpe: „Zunächst die Frage an die Verteidigung von Frau Zschäpe: Sollen Anträge gestellt werden?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir geben keine Stellungnahme ab.“ Dann wendet sich Götzl an die Verteidigung Wohlleben: „Dann kommen wir zu Ihnen.“
Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath verliest wie angekündigt einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Nahrath gibt zunächst aus Sicht der Verteidigung Wohlleben den prozessualen Hergang rund um die gestrigen Ablehnungen des Antrags auf Ladung von Sven Rosemann sowie des Antrags auf Beiziehung des Vernehmungsprotokolls von Jug Puskaric beim UA Baden-Württemberg wieder. Bei der rechtlichen Würdigung verliest Nahrath, dass die abgelehnten Richter mit der Ablehnung des Beweisantrags auf Einvernahme Sven Rosemanns erneut zu erkennen gegeben hätten, dass sie Wohlleben nicht unvoreingenommen und unparteilich gegenüberstehen, sondern sich bereits vor dem letzten Wort eine abschließende Überzeugung von seiner Schuld gebildet hätten. Die Ablehnung sei zudem aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen willkürlich, was bei Wohlleben die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den abgelehnten Richtern begründe: 1. Bewusste künstliche Aufspaltung des Beweisantrags: Herr Wohlleben wirft den abgelehnten Richtern vor, dass sie die Beweistatsachen bewusst künstlich aufspalten, um den Beweisantrag hinsichtlich der isolierten Beweistatsachen reibungsloser ablehnen zu können. Der Beweisantrag war hingegen bewusst gerade nicht in Einzeltatsachen gegliedert, sondern als in sich geschlossener Komplex gestellt. Die unter Beweis gestellte Tatsache, dem Zeugen Rosemann sei bekannt gewesen, dass sein guter Kumpel Jürgen Länger in der Lage gewesen sei, auch scharfe Schusswaffen zu beschaffen, ist integraler Bestandteil des Beweisantrags und kann deshalb nicht isoliert bewertet werden. Deswegen ist die Behauptung, nach der bisherigen Beweisaufnahme spiele der Zeuge Rosemann im Rahmen einer möglichen Waffenlieferung an Uwe Böhnhardt keine Rolle, ein reines Scheinargument. Mit den übrigen unter Beweis gestellten Tatsachen soll gerade dieser Zusammenhang hergestellt werden.
2. Willkürliche Bewertung des Antrags im Übrigen als Beweisermittlungsantrag: Die Bewertung des Beweisantrags als ohne begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein gestellt ist willkürlich. Die abgelehnten Richter konnten zu dieser Bewertung nur gelangen, in dem sie den per Telefax am 06.03.2018 angekündigten Beweisermittlungsantrag auf Beiziehung der Protokolle der Vernehmungen des Zeugen Puskaric ignorierten. Im Gegensatz zu den vom Zeugen Rosemann im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben verfügte dieser nach den jüngsten Aussagen des Zeugen Puskaric sehr wohl über Waffen, die aus der Schweiz stammten. Rosemann hatte angegeben, Waffen an einen Waffensammler verkauft zu haben. Damit verfügten die abgelehnten Richter vor der Verkündung des Beschlusses am 13.03.2018 über Erkenntnisse, dass Rosemann Waffen verkauft haben könnte, die aus der Schweiz stammten. Die dem entgegenstehende Behauptung in dem angefochtenen Beschluss, es gebe aus der Sicht eines verständigen Antragstellers keine Anhaltspunkte dafür, dass Rosemann überhaupt eine Waffe, die aus der Schweiz stammte, erworben hat, kann, nachdem den abgelehnten Richtern seit dem 06.03.2018 die dem widersprechende Aussage des Zeugen Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg bekannt ist, nur als objektiv und subjektiv unwahr bezeichnet werden.
Eine solche Unwahrheit hat bei Herrn Wohlleben zu einem verständlichen Unmutsausbruch während der Verkündung geführt. Zwar hat Rosemann im Ermittlungsverfahren behauptet, mit dem Trio ab dem 26.01.1998 keinen Kontakt mehr gehabt zu haben. Rosemann hat jedoch, wie bereits ausgeführt, auch behauptet, über keine aus der Schweiz stammenden Waffen verfügt zu haben. Die Angaben des Zeugen Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg deuten jedoch darauf hin, dass letztere Behauptung unwahr ist. Somit liegt es nahe, dass Rosemann auch bzgl. des Kontakts zum Trio gelogen hat. Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass Rosemann aufgrund seiner Vielzahl an Vorstrafen nach Aktenlage als gerichts- und polizeierfahren angesehen werden muss. Gerade weil Rosemann Böhnhardt und Mundlos kannte und wusste, dass ihm bei einer Verstrickung in die Waffenlieferung einer aus der Schweiz stammenden Schalldämpferwaffe, die möglicherweise die Tatwaffe war, an Mundlos und Böhnhardt die Inhaftierung drohte, ist von einem taktischen Aussageverhalten des Rosemann auszugehen. Die abgelehnten Richter führen weiter an, dass sich weder aus der durchgeführten Beweisaufnahme noch aus den Verfahrensakten Umstände, Hinweise oder Anhaltspunkte ergeben würden, die geeignet wären, die Beweisbehauptungen tatsächlich und argumentativ zu stützen. Dies ist schlicht unwahr. Der Zeuge Länger hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, ein guter Kumpel von Rosemann gewesen zu sein. Weiter gehen die abgelehnten Richter selbst davon aus, dass Länger Zugang zu der Quelle hatte, aus der die Tatwaffe Ceska 83 stammen soll.
Dies haben die abgelehnten Richter in mehreren Zwischenentscheidungen unmissverständlich deutlich gemacht. Weiter bestand nach Aktenlage ein Kennverhältnis zwischen Rosemann und Böhnhardt sowie Mundlos. Nach Aktenlage waren sowohl Böhnhardt als auch Rosemann Waffennarren. Es liegt nahe, dass diese geteilte Neigung zu Waffen ein besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis begründete. Zudem legt der Umstand, dass Mundlos und Böhnhardt mehrere Personen – bspw. Schultze und Jan Werner sowie mglw. Personen aus der Chemnitzer Unterstützerszene – um die Beschaffung von Waffen baten, nahe, dass Böhnhardt, der um die Waffenaffinität des Rosemann und dessen Kontakte ins Rotlichtmilieu wusste, auch bei diesem anfragte. Dass Mundlos und Böhnhardt bei verschiedensten Quellen nach Waffen nachfragten, ist auch den abgelehnten Richter bewusst. Schließlich vernahmen sie in diesem Zusammenhang mehrere Zeugen, etwa die Zeugen Gil Wo., geb. Eh., Ron Eh., Jens L., Andreas Re., Andreas Ke., Carsten Szczepanski und dessen V-Mann-Führer sowie Jan Werner. Nach all dem ist die Bewertung der abgelehnten Richter, der Beweisantrag sei ins Blaue hinein gestellt, willkürlich.
3. Verneinung der Amtsaufklärungspflicht: Auch die Bewertung, dem angeblichen Beweisermittlungsantrag müsse nicht nachgekommen werden, weil die Amtsaufklärungspflicht nicht dazu dränge, erweist sich als willkürlich. Die Richter haben den Ausgangspunkt zutreffend dargestellt, dass es entscheidend auf die Bedeutung der beantragten Zeugenvernehmung für die Wahrheitsfindung ankommt. Je wichtiger die Beweiserhebung für die Aufklärung des wahren Sachverhalts ist, desto geringer ist das Gewicht des Beschleunigungsgrundsatzes. Die Aufklärung eines möglichen alternativen Weges der Tatwaffe zu den Tätern ist von herausragender Bedeutung für den Angeklagten Wohlleben, weil hiervon der Schuldspruch entscheidend abhängt. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Beweisbehauptung mit dem Schuldvorwurf auf das engste verknüpft ist. Die Tatsachen, die der Zeuge Rosemann bekunden soll, haben wir im Beweisantrag präzise bezeichnet. Die Umstände, auf denen das Wissen des Zeugen Rosemann beruht, ergeben sich aus den Beweistatsachen selbst. Nicht umsonst rügen die abgelehnten Richter nicht etwa eine fehlende Konnexität zwischen Beweismittel und Beweistatsache. Wegen der herausragenden Bedeutung der unter Beweis gestellten Tatsachen kommt dem Umstand, dass deren Nachweis nur möglich ist, auch im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht nur untergeordnete Bedeutung zu. Hiervor verschließen die abgelehnten Richter unter Bezugnahme auf eine Scheinargumentation bewusst die Augen, um die von ihnen erstrebte Verurteilung des Herrn Wohlleben nicht zu gefährden.
Insbesondere stellen die abgelehnten Richter mit keinen Wort auf die Freundschaft des Zeugen Rosemann mit dem Zeugen Länger ab, der Zugang zu der Quelle hatte, aus der die Tatwaffe stammen soll. Auch ignorieren die abgelehnten Richter den Umstand, dass dem Bestreiten des Zeugen Rosemann im Ermittlungsverfahren bei Berücksichtigung der Angaben des Zeugen Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg wenig Gewicht zukommen dürfte. Von daher war es gerade nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge Rosemann bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung nunmehr wahrheitsgemäß aussagen würde. All dies ist nicht nur unredlich, sondern offenbart im höchsten Maße die Willkür der abgelehnten Richter. In diesem Zusammenhang darf der Beweisermittlungsantrag auf Beiziehung der Protokolle der Vernehmungen des Zeugen Puskaric nicht isoliert und vom Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Rosemann losgelöst betrachtet werden, da die vor der Polizei gemachten Angaben des Zeugen Rosemann sind infolge der Vernehmung des Zeugen Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt sind. Dieser Widerspruch zwischen den Angaben von Rosemann und Puskaric betrifft gerade Waffenbeschaffungen für Rosemann aus der Schweiz. Die abgelehnten Richter hätten deshalb bei der Bewertung des Beweisantrags Rückgriff auf diesen Beweisermittlungsantrag nehmen können und müssen. Dies hätte indes dem gewünschten Ergebnis, den Beweisantrag schnellstmöglich ablehnen zu können, entgegengestanden.
4. Prozessverschleppungsabsicht: Die abgelehnten Richter führen in dem Beschluss aus, dass die Ladung des Zeugen Rosemann zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen würde. Dies ist evident unzutreffend. Der Senat hat eine Vielzahl von Zeugen aus Thüringen geladen. Deren pünktliches Erscheinen vor Gericht stand die räumliche Entfernung nicht entgegen. Es ist nichts dafür dargetan, dass dies gerade beim Zeugen Rosemann anders sein sollte. Die Erwägungen der abgelehnten Richter zu beruflichen und familiären Verpflichtungen, die den Zeugen an einem zeitnahen Erscheinen vor Gericht hindern könnten, erweisen sich als reine Spekulationen und ins Blaue hinein gestellt. Soweit die abgelehnten Richter vermuten, dass die Vernehmung des Zeugen Rosemann mehrere Hauptverhandlungstage in Anspruch nehmen könnte, gilt das gleiche. Die Verteidigung hat den Zeugen lediglich zu einem und nicht zu einer Vielzahl von Beweisthemen benannt. Im Übrigen ist eine Reihe von Zeugen trotz der großen Anzahl von frageberechtigten Verfahrensbeteiligten nach einem oder gar nach einem halben Verhandlungstag entlassen worden. Es ist nicht ersichtlich, worauf sich die haltlose Prognose der abgelehnten Richter stützt; dies wird im Beschluss auch nicht dargetan. Soweit die abgelehnten Richter darlegen, dem Zeugen komme nach den Ausführungen der Antragsteller im Hinblick auf den Anklagevorwurf Bedeutung zu, steht dies in eklatantem Widerspruch zur Bewertung der abgelehnten Richter, dass die Antragsteller wüssten, dass die Vernehmung nichts Entlastendes ergeben könne.Der Beschluss ist daher aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht anders zu verstehen als ein Ausdruck der Besorgnis der abgelehnten Richter, dass die Antragsteller mit der Vernehmung des Zeugen Rosemann das Beweisziel erreichen könnten. Das Gegenteil – nämlich, dass das Beweisziel nicht erreicht werden könne – behaupten sie jedoch. Sie stellen einzig und allein auf die von vom dem Zeugen Hubeny bei Rosemann gesehene Waffe ab. Anhaltspunkte dafür, dass das Beweisziel erreicht werden kann, übergehen die abgelehnten Richter geflissentlich. Diese wären:
– Bekanntschaft zwischen Rosemann und Böhnhardt und deren Waffenaffinität;
– die Freundschaft zwischen Rosemann und Länger;
– die Annahme der abgelehnten Richter, Länger habe Zugriff auf die Tatwaffe gehabt und diese an Andreas Schultz geliefert;
– die wahrscheinliche Widerlegung der Behauptung Rosemanns, er habe niemals Waffen aus der Schweiz erhalten, durch die Vernehmung des Jug Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg;
– Angaben des Zeugen Jens L. zu Waffenbeschaffungen aus der Schweiz in Bezug auf die Rotlichtszene in Thüringen, zu der auch Sven Rosemann gehörte;
– zudem erscheint es wegen des langen Zeitablaufs von 12 Jahren zwischen dem Gespräch Hubeny und Rosemann und der Vernehmung des Zeugen Hubeny als nicht ausgeschlossen dass sich der Zeuge Hubeny hinsichtlich der Beschreibung des Laufs als Polygonlauf und deren Zuordnung zu einem Waffentyp irrt. Nach den polizeilichen Angaben hatte Hubeny schließlich nicht nur einmal mit Waffen Kontakt, sondern hat mehrfach Waffen bei Rosemann und anderen Personen gesehen und über Waffen gesprochen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, das Hubeny falsche Angaben gemacht hat, um Rosemann und auch sich selbst vor weiteren Ermittlungen zu schützen. Die Verteidigung Wohlleben hatte die Zeugenvernehmung von Hubeny bereits vor Längerem beantragt, was die abgelehnten Richter ebenfalls abschlägig beschieden.
Die Behauptung der abgelehnten Richter, die Antragsteller seien sich bewusst, dass die Beweiserhebung nichts Sachdienliches ergeben kann und dass sie die Anträge daher ausschließlich in Verzögerungsabsicht stellten, ist ebenfalls nicht ansatzweise nachvollziehbar. Gegen eine Verschleppungsabsicht spricht schon das sonstige Antragsverhalten der Antragsteller, insbesondere der Beweisermittlungsantrag auf Beiziehung der Vernehmungsprotokolle des Zeugen Puskaric. Die Angaben des Zeugen Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg enthalten nämlich neue Tatsachen, die bislang aus den Verfahrensakten nicht hervorgingen und aus diesen auch nicht geschlossen werden konnten. Der Beweisermittlungsantrag muss somit gerade als Ergänzung zum Beweisantrag ausgelegt werden. Dies haben die abgelehnten Richter durch die isolierte Betrachtung von Beweisantrag und Beiziehungsantrag ergebnisorientiert unterlassen, um beide Anträge ohne die gebotene Gesamtschau leichter ablehnen zu können. Allein die Tatsache, dass es sich um neue Erkenntnisse zu Waffen aus der Schweiz handelt, spricht gegen eine Verschleppungsabsicht. Unmittelbar nach Kenntniserlangung der entsprechenden Angaben des Jug Puskaric vor dem Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg übersandte die Verteidigung den Beweisermittlungsantrag, welcher am 13.03.2018 in der Hauptverhandlung gestellt wurde, dem Gericht am 06.03.2018 vorab per Fax. Nach wie vor gilt der Grundsatz, dass ein Beweisantragsteller auch solche Tatsachen unter Beweis stellen kann, die er nur für möglich oder wahrscheinlich hält. Anhaltspunkte, die die Beweistatsachen als möglich oder wahrscheinlich, erscheinen lassen, haben wir bereits dargestellt.
Nahrath wiederholt die Punkte, die er zuvor bereits als “ Anhaltspunkte dafür, dass das Beweisziel erreicht werden kann“ genannt hatte, und fährt dann fort:
Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, dass den Antragstellern bewusst gewesen sei, dass die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches erbringen würde.
In Bezug darauf, dass der Senat behauptet habe, die Antragsteller hätten ihre Anträge ausschließlich in Verschleppungsabsicht gestellt, zitiert Nahrath aus juristischer Fachliteratur, dass die Absicht der Prozessverschleppung nur anzunehmen sei, wenn sich der Antragsteller selbst keinen sachlichen Erfolg für das Beweisergebnis verspricht, es ihm also ausschließlich auf Prozesssabotage ankomme. Auch die „ärgerlichste Schlamperei“ und „gröbste Prozessverlängerung“ wäre demnach, zitiert Nahrath weiter, für sich alleine kein Ablehnungsgrund, solange nicht eindeutig feststehe, dass es sich nicht um einen Scheinbeweisantrag handelt; stets sei zu beachten, dass die Pflicht des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit vorrangig ist. Dann setzt er fort:
Die abgelehnten Richter verkennen, indem sie den Beweisantrag vom 30.01.2018 mit dem nunmehr gestellten verknüpfen, weiter bewusst, dass die Antragsteller nach der Stellung des ersten Antrags Erkenntnisse erlangt haben können, die sie wegen ihrer anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht nicht offenbaren dürfen. Der Antrag vom 30.01.2018 wurde schließlich in öffentlicher Hauptverhandlung gestellt und von den Medien in ihrer Berichterstattung aufgenommen. Die abgelehnten Richter wollen ein weiteres Beweisanzeichen für die Prozessverschleppungsabsicht darin erkennen, dass die Antragsteller den Beweisantrag nach Ablauf der Frist zur Stellung von Beweisanträgen und ohne substantiierte Begründung, warum eine fristgemäße Stellung nicht möglich war, angebracht haben. Die abgelehnten Richter verkennen, dass die Fristsetzung durch die Änderung des § 244 Abs. 6 StPO obsolet geworden ist. Der Gesetzgeber kannte die bis dahin geltende ausschließlich auf Richterrecht beruhende Fristenlösung zur erleichterten Ablehnung verspätet gestellter Beweisanträge. Er hat diese in Kenntnis der ständigen Rechtspraxis mit der Verabschiedung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.08.2017 nicht zum Gesetz erhoben, sondern die eigentümliche Regelung in § 244 Abs. 6 StPO geschaffen.
Damit besteht keine systemwidrige Regelungslücke für verspätet gestellte Beweisanträge mehr. Bei einer Änderung des Verfahrensrechts gilt ab deren Inkrafttreten ausschließlich das neue Verfahrensrecht. Neues Verfahrensrecht gilt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auch für bereits anhängige Verfahren. Es erfasst sie in der Lage, in der sie sich beim Inkrafttreten der neuen Vorschriften befinden, anhängige Verfahren sind nach diesem weiterzuführen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Rechtsvorschriften, die das Verfahren des Gerichts regeln, sondern auch für Bestimmungen, welche die Stellung von Verfahrensbeteiligten im Prozess, ihre Befugnisse und Pflichten betreffen, sowie für Vorschriften über die Vornahme und Wirkungen von Prozesshandlungen Beteiligter. Nach all dem durften die abgelehnten Richter den Umstand, dass der Beweisantrag nach der Verstreichen der vom Gericht gesetzten Frist gestellt wurde, nicht als Indiz für eine Verschleppungsabsicht der Antragsteller bewerten.
Bundesanwalt Diemer: „Wir nehmen nach Kenntnisnahme der dienstlichen Erklärungen Stellung gegenüber dem betreffenden Spruchkörper.“ Götzl: „Der morgige Termin wird abgesetzt und wir setzen fort am Dienstag, 20.03.2018, 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 12:17 Uhr.
Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Wie gestern angekündigt, verlas die Verteidigung Wohlleben heute das Befangenheitsgesuch gegen alle Richter_innen des Senats. Das Gesuch stützt sich auf den Beschluss von gestern, mit dem das Gericht den windigen Beweisantrag der Verteidigung abgelehnt hatte. Auch dieser Antrag wird keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Es wird aber wie üblich eine Zeit dauern, dies festzustellen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2018/03/14/14-03-2018/