NSU-Watch: „Das Wartenlassen auf das schriftliche Urteil im NSU-Prozess hat Aufklärung verhindert.“ – Statement vom 21. April 2020

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Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat heute, am 21. April 2020, das schriftliche Urteil zum NSU-Prozess fertiggestellt. Der Senat hat damit die Frist von 93 Wochen bis auf einen Tag ausgeschöpft. NSU-Watch: „Die knapp zwei Jahre, die sich der Senat für das schriftliche Urteil Zeit gelassen hat, lassen die Aufklärung des NSU-Komplexes wie etwas aussehen, bei dem man bummeln kann. So fehlte es am nötigen Druck auf die Bundesanwaltschaft, weiter zu ermitteln, aber auch am Druck auf Bundesländer wie Hamburg oder Bayern, Untersuchungsausschüsse einzurichten. Das ist wertvolle Zeit, die mit der Ausrede, das Verfahren sei nicht abgeschlossen, verschwendet wurde.“

Seit dem Ende des NSU-Prozesses wurden in Deutschland mindestens 13 Menschen bei rechten Terroranschlägen ermordet. NSU-Watch: „Zum Mord an Walter Lübcke, zu den Morden in Halle und zu den Morden in Hanau konnte es auch kommen, weil vom NSU-Prozess kein Zeichen der Aufklärung, kein Zeichen des Drucks auf die terroraffine Neonaziszene ausgesendet wurde. Die Gefahr des rechten Terrors bleibt bestehen.“

Am 11. Juli 2018 wurde in München das Urteil im NSU-Prozess gesprochen. Der NSU wurde in diesem mündlichen Urteil auf ein Trio reduziert. NSU-Watch: „Wir erinnern daran, dass der Vorsitzende Richter Manfred Götzl keine Worte an die Angehörigen der Ermordeten und die Überlebenden der Anschläge richtete. Wir haben nicht vergessen, dass Rassismus, ob institutionell oder gesellschaftlich, keine Rolle in der mündlichen Urteilsbegründung spielte.“ Auch die Verantwortung des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex blieb unerwähnt. Die milden Urteile für André Eminger und Ralf Wohlleben wurden von den im Gerichtssaal anwesenden Neonazis bejubelt. Der Senat hatte den 11. Juli 2018 mit dem mündlichen Urteil zu ihrem Tag gemacht.

Die Aufklärung des NSU-Komplexes ist jedenfalls auch mit diesem schriftlichen Urteil nicht abgeschlossen: „Wir erwarten auch vom schriftlichen Urteil keine Gerechtigkeit. Auf den Staat kann sich bei der Aufklärung des NSU-Komplexes nicht verlassen werden, das müssen auch weiterhin gesellschaftliche Akteur*innen selbst in die Hand nehmen. Vielleicht werden wir nie alles erfahren, was den NSU-Komplex ausmacht. Aber wir können unser Möglichstes tun, damit die Verantwortlichen nicht ungestraft davon kommen.“