1. Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle. Dienstag, 21.07.2020 – Zusammenfassender Bericht

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Am ersten Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle wird die Anklageschrift verlesen und der Angeklagte von der Richterin detailliert befragt. Wir beschreiben hier den Anschlag anhand der Anklage ausführlich, geben die Angaben des Angeklagten zum 9. Oktober 2019 aber nur zusammenfassend wieder und nennen auch seinen Namen nicht. Denn schon am ersten Prozesstag wurde deutlich, dass der Angeklagte sich selbst inszenieren und weiterhin andere Menschen zu rechtsterroristischen Taten ermutigen möchte. Um das Vorgehen der Vorsitzenden Richterin Ursula Mertens nachvollziehbar und die Ideologie des Angeklagten deutlich zu machen, die er mit anderen rechtsterroristischen Gruppen und Personen wie dem NSU und den mutmaßlichen Mördern von Walter Lübcke, aber auch Parteien und Organisationen wie AfD oder Pegida teilt, geben wir die zum Anschlagsgeschehen hinführende Befragung ausführlicher wieder.

Der Prozesstag beginnt nicht wie angekündigt um 10:00 Uhr, sondern erst um 11:56 Uhr. Der Angeklagte wird in Hand- und Fußfesseln in den Saal geführt, bekommt dann die Handfesseln abgenommen, worauhin er sofort seine Corona-Maske ablegt, um sein Gesicht den zahlreichen Kameras im Gerichtssaal zu zeigen. Vor Beginn des Prozesses hatte er bereits mitteilen lassen, dass er in der Berichterstattung unverpixelt gezeigt und mit vollem Namen genannt werden wolle. Zu Beginn der Verhandlung geht die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens einige Formalien durch, begrüßt die Verfahrensbeteiligten. Sie geht auf die Pandemielage ein und sagt zu den dicht gedrängt im Bereich der Nebenklage oder Öffentlichkeit sitzenden Menschen, sie gehe davon aus, dass niemand infiziert sei oder mit infizierten Personen Kontakt gehabt habe. Sie geht außerdem darauf ein, dass Pressevertreter*innen und zeitweise auch Teile der Nebenklage sehr lange vor Gericht warten mussten. Auch für sie als Strafsenat vom OLG Naumburg sei dies eine besondere Situation, ein Verfahren mit so viel Verfahrensbeteiligten habe sie noch nicht gehabt, „um ehrlich zu sein“.

Mertens stellt dann die Anwesenheit fest. Anwesend sind zwei Vertreter der Bundesanwaltschaft, Bundesanwalt Lohse und Oberstaatsanwalt Schmidt, der Angeklagte und seine beiden Verteidiger. Mertens nennt auch die Namen der Vertreter*innen der Nebenklage, aber, wohl aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, nicht die Namen der Nebenkläger*innen selbst. Außerdem sind der psychiatrische Gutachter Leygraf und die Pyschologin John anwesend. Die Richterin sagt, es habe keine Gespräche in Hinblick auf verfahrensbeendende Maßnahmen gegeben. Sie belehrt den Angeklagten und fragt ihn, ob er sich einlassen werde. Das bestätigt der Angeklagte. Mertens stellt die Personalien des Angeklagten fest und fordert Bundesanwalt Lohse auf, die Anklageschrift zu verlesen. Er verliest zunächst die 13 einzelnen Anklagepunkte und geht dann zu einer detaillierten Beschreibung der angeklagten Taten über. Die Anklageschrift umfasst den Vorwurf des zweifachen Mordes sowie neunfachen Mordversuchs an insgesamt 68 Menschen.

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, am 9. Oktober 2019 bewaffnet mit acht Schusswaffen zur jüdischen Synagoge gefahren zu sein, um einen Mordanschlag zu verüben, um eine möglichst große Zahl Juden und Jüdinnen zu ermorden. Lohse: „Dabei handelte er aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation.“ Er habe dabei eine Aufnahme in Echtzeit veröffentlicht und das spätere Tatgeschehen gefilmt. Der Angeklagte habe zunächst Dokumente und Anleitungen und einen Link zum Livestream veröffentlicht, weil er Nachahmer habe motivieren wollen. Anschließend habe sich der Angeklagte seinem Tatvorhaben zugewandt. Er habe absichtlich Jom Kippur ausgewählt, in der Annahme, dass an diesem Tag besonders viele Menschen in der Synagoge seien. Er sei auf die auf Eingangstür zugegangen, „in der Vorstellung, alsbald die Synagoge zu betreten.“ Das sei nicht gelungen, er habe daraufhin eine Handgranate gezündet. Dabei habe der Angeklagte in der Annahme gehandelt, dass von der Granate Leute getötet würden oder diese fliehen würden und er sie dann erschießen könne; es sei aber niemand verletzt worden. Der Angeklagte habe sich gegen die Tür gelehnt, diese habe einen Spalt geöffnet, er habe einen Sprengsatz geholt und gezündet, aber die Tür habe sich nicht geöffnet. Der Angeklagte habe einen anderem Weg in die Synagoge gesucht, aber keinen gefunden. In einem dritten Versuch habe er das Türschloss aufschießen wollen, es sei aber nur der Türgriff beschädigt worden, er habe dagegen getreten und danach fünf Molotowcocktails auf das Grundstück geworfen, auch hier habe er die Vorstellung gehabt, dadurch Personen verletzen oder töten zu können oder in etwas in Brand zu setzen, um dadurch Menschen zu töten. Er habe erkannt, dass sein Vorhaben gescheitert war, und habe den Tatort verlassen.

Kurz bevor der Angeklagte versucht habe, die Tür aufzusprengen, habe Jana L. ihn „beiläufig angegangen“ – wie es in der Anklageschrift zu dem Punkt, an dem Jana L. den Attentäter anspricht, heißt – ohne zu wissen, dass der Angeklagte bewaffnet war. Wenige Sekunden später, als sie vorbeigelaufen war, habe dieser vier Schüsse auf sie abgegeben. Der Angeklagte sei darüber verärgert gewesen, nicht in die Synagoge zu kommen, außerdem habe er Jana L. aufgrund ihres Aussehens für minderwertig gehalten. Er habe dann noch einmal elf Schüsse auf das Opfer abgegeben, dabei habe er auch versehentlich seine Reifen zerschossen. Jana L. sei an Ort und Stelle verstorben.

Der Angeklagte habe dann eine andere Passantin wahrgenommen und auf sie angelegt. Er habe eine Ladehemmung an seiner Waffe erkannt; aufgrund des Gewichts seiner Ausrüstung sei es nicht möglich gewesen, die Verfolgung aufzunehmen. Ein Autofahrer sei vorbeigefahren, habe Jana L. bemerkt und sei ausgestiegen. Der Angeklagte sei auf ihn zugetreten, habe die Maschinenpistole gehoben und abgedrückt, habe aber Ladehemmungen gehabt; bei einem nochmaligen Versuch habe es wieder eine Ladehemmung gegeben. Daraufhin habe der Angeklagte die Waffe wechseln wollen, der Autofahrer sei währenddessen weggefahren.

Nachdem sich der Angeklagte von der Synagoge entfernt habe, habe er sich dem Kiez-Döner genähert. Die Anklageschrift spricht davon, dass der Angeklagte frustriert gewesen sei, dass er die erhoffte Tat nicht habe begehen können. Er habe nunmehr beschlossen, Menschen mit Migrationshintergrund zu töten, die er in ähnlicher Weise wie Jüdinnen und Juden für seine Situation verantwortlich gemacht habe. Er habe diese in den Räumlichkeiten des Kiez-Döners vermutet. Er sei aus dem Auto ausgestiegen, habe eine Sprenggranate auf den Laden geworden, diese habe Menschen töten oder wehrlos machen sollen, ein Nagel habe eine Passantin am Fuß getroffen.

Im Eingangsbereich habe er Kevin S. getroffen und zwei Schüsse auf ihn abgegeben, weil er ihn für einen Muslim gehalten habe. Er habe S. verfehlt und dieser sei hinter einen Getränkeautomaten geflohen. Der Imbissangestellte habe sich hinter dem Tresen versteckt, der Angeklagte habe auf einen anderen Kunden des Kiez-Döner geschossen, es habe eine Ladehemmung gegeben und der Kunde sei geflohen; der Angeklagte habe ihn nicht verfolgt. Er habe dann Kevin S. hinter den Kühlschränken vorgefunden, habe versucht auf ihn zu schießen, es habe aber eine Ladehemmung gegeben. Er habe versucht, auf einen weiteren Kunden zu schießen, der wegen einer Ladehemmung habe fliehen können, auch der Imbissangestellte habe unbemerkt entkommen können. Der Angeklagte habe mit der Einzellader-Pistole auf Kevin S. geschossen. Danach sei er noch einmal mit der Schrotflinte zurückgekehrt und habe weitere Schüsse auf Kevin S. abgegeben. Der 20-jährige Kevin S. sei an seinen Schussverletzungen verstorben.

Danach sei der Angeklagte ins Auto gegangen, habe die Schrotflinte genommen und habe versucht, aus rassistischen Motiven einen Passanten zu töten, dieser habe sich ducken können und sei weggelaufen. Der Angeklagte sei die Straße hoch- und runtergefahren, sei dann nochmal in den Kiez-Döner gegangen, habe auf der Straße aus rassistischen Gründen mehrfach auf zwei Personen geschossen, die wegliefen und dabei immer wieder Deckung gesucht hätten.

Der Angeklagte sei dann die Straße hinaufgefahren, dort hätten ihm Polizeiautos den Weg versperrt. Er habe sich daran gehindert gesehen, zu entkommen und sein Vorhaben fortzusetzen. Er habe in 50 Meter Entfernung vom Polizei-Auto geparkt, sei ausgestiegen und habe auf die Polizeibeamten geschossen. Die Polizei habe das Feuer erwidert, der Angeklagte sei getroffen worden. Dieser habe dann gewusst, dass er unterlegen sei, sei in das Auto gestiegen und weggefahren.

Auf seiner weiteren Fahrt stadtauswärts durch Halle sei der Angeklagte mit einem Taxi zusammengestoßen und habe auf Höhe des „Halle Towers“ auf die andere Fahrspur gewechselt und die Flucht entgegen der Fahrtrichtung fortgesetzt, die Belange der anderen Verkehrsteilnehmer seien ihm egal gewesen. Er habe dabei eine Person angefahren.

In Wiedersdorf habe der Angeklagte das Fahrzeug wechseln wollen. Der Angeklagte habe verlangt, dass ein Anwohner den Schlüssel zu seinem Auto übergibt. Dieser habe sich geweigert, da habe der Angeklagte auf ihn geschossen. Zur Motivation sagt Lohse auch, dass der Angeklagte den Anwohner für minderwertig gehalten habe. Die Lebensgefährtin des Anwohners sei hinzugetreten. Auch auf sie habe der Angeklagte geschossen, er habe gedacht, sie könnte die Polizei rufen. Der Angeklagte habe auch sie für minderwertig gehalten. Er habe – nachdem er die Autoschlüssel auch von der Lebensgefährtin nicht bekommen hatte – dann einen örtlichen Taxifahrer mit der Waffe bedroht, ebenfalls um ein Fahrzeug zu bekommen. Der Taxifahrer habe Leute aus der Garage gerufen, es seien zwei Personen hinzu gekommen. Dem Angeklagten sei das Taxi übergeben worden, er sei dann auf der weiteren Fluchtfahrt gestellt worden; zuvor sei er mit einem LKW zusammengestoßen. Zum Abschluss der Anklage macht Lohse Ausführungen zur Strafbarkeit der Taten.

Im Anschluss an die Verlesung der Anklage belehrt die Vorsitzende Richterin Mertens den Angeklagten erneut, bevor sie beginnt ihn zu befragen. Sie stelle sich vor, so Mertens, dass der Angeklagte etwas zu seinem Lebenslauf erzählen solle. Dann werde sie ihn befragen und über weitere Einzelheiten würden sie sprechen, wenn sie das Video der Tat in Augenschein genommen hätten. Alle Verfahrensbeteiligten hätten dann Gelegenheit, Fragen zu stellen. Mertens: „Ich darf Sie bitten mir zu erzählen, wie ihre Kindheit abgelaufen ist.“ Der Angeklagte antwortet überbetont: „Es ist unwichtig!“ Mertens: „Ob es unwichtig ist oder nicht, das ist ja immer noch in meinem Ermessen.“ Die Vorsitzende Richterin hakt nach, fragt u.a. nach der Scheidung der Eltern, ob diese belastend gewesen sei. Der Angeklagte antwortet einsilbig, sagt, die Tat habe keinen Bezug zu seiner Familie. Auf erneutes Nachhaken erwidert der Angeklagte, natürlich interessiere es die Richterin, wie man solche Taten verhindern könne, daran habe er aber natürlich kein Interesse. Mertens besteht darauf, nach den Hintergründen der Tat zu fragen. Der Angeklagte sagt zwar, seine Kindheit habe keinen Einfluss darauf gehabt, antwortet dann aber trotzdem auf Fragen zu seiner Schwester und zu seinen Eltern. Zu diesen habe er auch während der Untersuchungshaft Kontakt. Die Vorsitzende Richterin befragt den Angeklagten zu seiner Schullaufbahn, die sie als unauffällig bezeichnet: Der Angeklagte bestätigt das. Er habe keine guten Freunde gehabt, sei nicht sportlich gewesen und sein Interesse sei „Internet“ gewesen, antwortet er auf weitere Fragen. An dieser Stelle zeigt sich der Angeklagte erneut für einen Moment unwillig, die Fragen der Vorsitzenden zu beantworten: er wolle nicht über seine Privatsachen reden. Auf Frage sagt er, ihn habe am Internet die Möglichkeit, sich frei zu unterhalten, fasziniert, in Deutschland gebe es diese Möglichkeit nicht, behauptet der Angeklagte. Auf Frage sagt er, er habe selten Leute getroffen, seine Schwester habe ihn immer mal in ihren Freundeskreis mitgenommen.

Die Vorsitzende Richterin fragt nach dem Wehrdienst des Angeklagten. Der antwortet, er habe im Panzergrenadierbataillon 401 in Hagenow gedient. Er sei an den Wochenenden nach Hause gefahren, die Bundeswehrzeit sei sehr anstrengend gewesen und fügt hinzu, die Bundeswehr sei ohnehin keine richtige Armee. Er habe aber niemals überlegt zu verweigern, sagt er auf Frage. Mertens fragt nach dem Studium der Molekularen und Strukturellen Produktgestaltung, das der Angeklagte in Magdeburg angefangen habe. Er habe währenddessen in einer Einzimmerwohnung gewohnt, erzählt der Angeklagte und äußert sich abfällig über andere Mieter des Hauses. Er sei dann nach Halle gewechselt, um Chemie zu studieren. Die Richterin fragt nach der Krankheit, die schnell gefolgt sei. Der Angeklagte sagt, er spreche darüber ungern, die Richterin habe die Akten. Er beschreibt seine Genesung und bejaht, dass er seitdem wieder bei seiner Mutter gewohnt habe.

Mertens fragt, was der Angeklagte für Pläne gehabt habe. Der Angeklagte lacht überbetont und sagt, er habe keine mehr gehabt, er habe Reha und Kur abgelehnt. Die Vorsitzende Richterin fragt nach dem „Leidensdruck im Kinderzimmer“ und warum der Angeklagte nicht aktiv geworden sei. Dieser sagt erneut, das sei unwichtig. Auf Frage sagt er, er sei im Internet gewesen und habe Sport gemacht. Mertens sagt, er hätte ja überlegen können, das Interesse an einer beruflichen Aktivität wieder zu aktivieren. Nach 2015 habe er beschlossen, nichts mehr für diese Gesellschaft zu tun, die ihn ersetzen wolle, entgegnet der Angeklagte. In Bezug darauf, durch wen er angeblich ersetzt werden solle, verwendet der Angeklagte auch eine rassistische Bezeichnung. Mertens entgegnet, sie wolle an dieser Stelle sagen, sie dulde keine Beschimpfungen von Bevölkerungsgruppen und bestimmten Menschen, wenn der Angeklagte so etwas sagen wolle, werde er ausgeschlossen. Auf Widerworte des Angeklagten sagt die Richterin, es gehe um den beleidigenden, den menschenverachtenden Kontext: „Diese menschenverachtenden Äußerungen möchte ich von Ihnen nicht hören. Wenn Sie sie tätigen wollen oder Sie sich nicht zusammenreißen können, dann müssen wir überlegen, ob wir Sie ausschließen.“ Mertens fährt mit der Befragung fort und sagt, nicht nur habe der Angeklagte nichts für die Gesellschaft tun wollen, sondern auch nichts für sich. Dem widerspricht der Angeklagte. Mertens sagt, für Außenstehende sehe es so aus, „ein junger Mann im Kinderzimmer legt nicht viel Wert auf Lebensqualität.“ Der Angeklagte lacht wieder.

Die Vorsitzende Richterin fragt nach den Internetaktivitäten des Angeklagten. Dieser gibt an, mit Menschen kommuniziert, diese aber nicht gekannt zu haben. Es habe keinen Kontakt, keinen Telefonnummernaustausch gegeben. Mertens fragt wieder nach der Familie des Angeklagten, dieser bestätigt dabei u.a., dass es Streit wegen seiner Lebensverhältnisse gegeben habe, seine Eltern ihn aber trotzdem finanziell unterstützt hätten; er habe auch nicht viel verbraucht. Mertens fragt nach etwas Außergewöhnlichem, nach etwas, was ein Cut im Leben des Angeklagten gewesen sei. Der Angeklagte verweist auf das Jahr 2015 und äußert sich rassistisch zu der von ihm als „Flüchtlingskrise“ bezeichneten Situation. Der Angeklagte verwendet das rassistische Bild von „Millionen Arabern“, die ins Land „geströmt“ seien. Mertens unterbricht und fragt – eher rhetorisch – , wieviele Geflüchtete bei ihm im Ort gewesen seien, und wie das sein Leben beeinflusst habe.

Die Richterin fragt nun wieder nach der Schulzeit. Es geht u.a. darum, dass der Angeklagte nicht viele Freunde gehabt habe. Danach fragt Mertens wieder nach dem Jahr 2015, das der Angeklagte angeführt hatte, und sagt, sie verstehe immer noch nicht, wie Menschen aus anderen Ländern den Angeklagten in seinem Heimatort beeinträchtigt hätten. Der Angeklagte äußert sich erneut mit überdeutlicher Aussprache rassistisch, spricht u.a. von „Eroberern aus dem muslimischen Kulturkreis“. Früher sei es üblich gewesen, sein Land zu verteidigen. Die Richterin unterbricht die Ausführungen und fragt, woher der Familienname des Angeklagten komme, dieser habe doch sicher einen Hugenotten-Hintergrund. Bei vielen Menschen sehe man ja so ein Flüchtlingsschicksal, wenn man zurückschaue. Der Angeklagte antwortet hierzu eher einsilbig.

Mertens fragt, ob der Angeklagte mal überlegt habe, Parteimitglied zu werden oder auf Demonstrationen zu gehen. Der Angeklagte verneint vehement: In Deutschland dürfe man seine Meinung nicht frei sagen. Die Vorsitzende und der Angeklagte diskutieren über 2015 und die Konsequenzen für den Angeklagten, die die Richterin nicht sieht. Der Angeklagte spricht von „Dreistigkeit“ der Richterin. Er sagt, er habe 2015 aus Selbstschutzgründen angefangen, sich zu bewaffnen. Auf Fragen sagt der Angeklagte, nach 2015 habe er alles verkauft, was er besessen habe, um ein Gewehr zu bekommen. Er habe es niemanden gezeigt, es habe unter dem Bett gelegen, das Zimmer sei immer abgeschlossen gewesen. Er habe auch einen Raum im Haus des Vaters gehabt, der habe keinen Schlüssel, aber sein Vater gehe nicht in diesen Raum hinein. Dort habe auch der 3-D-Drucker gestanden [u.a. mit diesem Gerät hat der Angeklagte Waffenteile hergestellt]. Diesen Drucker habe sein Vater für Spielzeug gehalten habe, so der Angeklagte. Der Angeklagte erzählt auf Nachfrage, dass das Gewehr nicht gereicht habe. Auf die Frage, gegen wen er sich habe verteidigen wollen, sagt er: „Muslime und Schwarze“. Er verzichtet hier auf auf von der Richterin als menschverachtend benannte N-Wort und lacht darüber. Mertens fragt, woher der Angeklagte Waffen beziehen wollte. Er sagt, er habe keine Kontakte zu Kriminellen, das Internet sei auch keine Möglichkeit, dort gebe es oft Betrügereien oder es sei teuer. Darüber habe er im Herbst 2015 nachgedacht, nach den Aufnahmen in der Tagesschau [gemeint sind vermutlich Bilder von in Deutschland eintreffenden Geflüchteten]. Er habe 2016 dann angefangen, Waffen selber im Haus seines Vaters herzustellen. Er habe sich darüber anonym mit Leuten unterhalten, sowohl im Internet als auch im sogenannten Darknet. Er habe drei Jahre daran gearbeitet. Er habe sie getestet, aber nicht oder selten geschossen, das sei zu laut, daher habe er sie nicht so oft getestet, wie er gewollt hätte. Die Munition habe er auch selbst hergestellt. Die Richterin fragt nach anderen Teilen der Bewaffnung und Ausrüstung. Der Angeklagte legt immer, wenn es um die Waffen geht, besonderen Wert auf Exaktheit und verliert sich bisweilen in weitschweifigen Erklärungen und Beschreibungen.

Mertens fragt erneut nach dem Alltag des Angeklagten vor dem Anschlag und danach, dass er keinen Kontakt zu anderen Menschen gehabt habe. Auf diese Fragen sagt er, er hätte sich auf gar keinen Fall einer Gruppierung anschließen wollen, das seien alles Leute des Verfassungsschutzes, jede Gruppierung werde vom Verfassungsschutz unterwandert und zerschlagen. Seine Pläne für die Tat seien nach dem Anschlag von Christchurch gereift. Der Angeklagte schwärmt von dem rassistischen Anschlag auf zwei Moscheen im März 2019, bis die Richterin ihn unterbricht. Die Waffen seien zu dem Zeitpunkt schon fertig gewesen, bestätigt er dann. Der Angeklagte beschreibt, wie er dann die Synagoge von Halle ausgespäht habe. Auf die Frage, warum er sich eine Synagoge als Anschlagsziel ausgesucht habe, macht der Angeklagte antisemitische Ausführungen. Er spricht u.a. davon, dass Juden „die Hauptursache am weißen Genozid“ seien und verbreitet das antisemitische Phantasma, dass Juden eine „Neue Weltordnung“ wollten. Die Richterin hakt nach und der Angeklagte macht weitere antisemitische Ausführungen. Er spricht davon, dass er die „Ursache“ und nicht das „Symptom“ habe bekämpfen wollen. Er habe mit niemanden darüber gesprochen, habe Jom Kippur gezielt ausgewählt. Auch zu diesem Feiertag macht der Angeklagte antisemitische Ausführungen.

Der Angeklagte beschreibt auf Fragen, wie er sich konkret auf den Anschlag vorbereitet habe. Dann geht Mertens mit dem Angeklagten detailliert den Anschlag durch. Der Angeklagte sagt dabei, die Übertragung der Aufnahme ins Internet sei wichtiger als die Tat an sich. Er habe andere motivieren wollen. Auf Nachfragen rechtfertigt er den Mord an Jana L. kalt als „Kurzschlussreaktion“. Er stellt einen Bezug zu einem „weißen Krieger“ in Norwegen her [vermutlich der Attentäter von Bærum], der bei seinem Anschlag gestoppt worden sei. Er bereue aber, weiße Menschen an dem Tag erschossen zu haben. Im Verlaufe der Beschreibung der Tat sagt der Angeklagte immer wieder, dass er während des Anschlags jederzeit bereit gewesen wäre und es sich gewünscht hätte, Menschen aus antisemitischen und rassistischen Gründen zu ermorden. Er bezeichnet sie immer wieder als seine Feinde.

Der Angeklagte behauptet, dass er nicht gewusst habe, ob sich überhaupt Personen in der Synagoge befunden hätten, sie hätte auch ein Denkmal sein können. Die Richterin sagt, es sei schade, dass er die Synagoge nicht mal an einem Tag des offenen Denkmals besucht habe , dann hätte er sich vielleicht damit beschäftigen können und nicht damit, wie man Menschen umbringt. Mertens: „Da kommen wir wohl nicht zueinander.“ Der Angeklagte sagt: „Ich denke nicht.“. Mertens geht mit dem Angeklagten weiter den Anschlagstag durch, sie besprechen nun den Angriff auf den Kiez-Döner. Dabei äußert sich der Angeklagte wiederholt rassistisch, unter anderem, als er seine Opferauswahl beschreibt. Kalt beschreibt er auch den Mord an Kevin S. Die Richterin unterbricht ihn in weiteren Ausführungen.

Der Angeklagte führt auf Frage aus, es gebe für ihn keinen friedlichen Weg. Die Identitäre Bewegung sei gleich als verfassungsfeindlich benannt worden. Als die Richterin auf die Ankunft der Polizei zu sprechen kommt, sagt er, sein Plan sei gewesen, entweder zu gewinnen oder zu sterben. Er habe aber weiterkämpfen wollen, betont der Angeklagte mehrfach. Auf seiner Flucht vor der Polizei sei er dann noch einmal unabsichtlich an der Synagoge vorbeigefahren. Auf Nachfrage berichtet der Angeklagte abfällig, wie er auf seiner Flucht eine Schwarze Person angefahren habe. Er hätte diese Person eigentlich angreifen wollen, aber er sei auf der Flucht gewesen. Danach beschreibt der Angeklagte auf Nachfragen, wie er versuchte in Wiedersdorf ein Auto zu bekommen. Er beschreibt, wie er zwei Personen anschoss, dass er dies aber bereue, weil es weiße Menschen gewesen seien. Er beschreibt seine Flucht aus Wiedersdorf. Er habe fliehen wollen, um weiter zu kämpfen. Danach macht er rassistische und antisemitische Ausführungen, wofür und wogegen er kämpfe.

Die Richterin beendet ihre Befragung und sagt, ein bisschen könne man den Tag noch fortsetzen. Andere Richter des Senats fragen den Angeklagten nach seiner Bewerbung bei der Bundeswehr und nach seiner Krankheit. Die übrigen Verfahrensbeteiligte wollen erst nach in Inaugenscheinnahme des Videos Fragen stellen, daher beendet die Vorsitzende Richterin den 1. Verhandlungstag.