Im Prozess zum Mord an Walter Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I. plädierte an diesem Verhandlungstag die Verteidigung von Markus Hartmann. Sie wartete dabei mit rechter Propaganda von „Meinungsfreiheit“ bis „Umvolkung“ auf und forderte wenig überraschend Freispruch. Die Verteidigung von Hartmann gab sich nicht damit zufrieden, dass der Senat den Teilfreispruch ihres Mandanten bereits angekündigt hatte, sondern nutzte den Tag für stundenlange politische „Richtigstellungen“, also rechte Phrasen beispielsweise vom mangelnden Kampf gegen „Linksextremismus“. Die Verteidigung von Markus Hartmann stellte ihren Mandanten als einen fest in der Legalität lebenden Menschen dar. Dass die Nebenklage Lübcke dem Angeklagten Ernst glaubt, Hartmann sei am Tatort gewesen, führten sie perfiderweise auf eine Art „Stockholm-Syndrom“ zurück. Die Verteidigung von Markus Hartmann beantragte einen Freispruch in allen Anklagepunkten für ihren Mandanten – er habe mit dem Mord an Walter Lübcke nichts zu tun – sowie eine Entschädigung für die Untersuchungshaft. Beide Angeklagten hatten am letzten Tag vor dem Urteil die Gelegenheit für letzte Worte. Ernst wiederholte bisherige Äußerungen des Bereuens und beteuerte, die Wahrheit gesagt zu haben. Hartmann schloss sich seiner Verteidigung an.
RA Björn Clemens begann das Plädoyer mit der Vorbemerkung, man werde keine Bitten oder Dank formulieren, sondern Ansprüche, denn ihr Mandant habe den Anspruch auf ein „ordnungsgemäßes Verfahren und eine kunstfertige Verteidigung“. Ihr Mandant habe keine Reue, „denn er hat nichts zu bereuen“, da er nicht beteiligt gewesen sei. Clemens kritisierte das „politische Aufladen“ des Prozesses in den vorangegangen Plädoyers. Er wolle dem nicht eine eigene „selektive Wahrnehmung“ entgegenstellen, sondern Dinge „richtigstellen“. Es folgten lange Ausführungen dazu, ob der Staat „auf dem rechten Auge blind“ sei, was RA Clemens abstritt. Er behauptete, Ausstiegsprogramme aus dem „Linksextremismus“ gebe es nicht und verharmloste die extreme Rechte.
Clemens sprach auch zum Vorwurf der Bundesanwaltschaft, Hartmann habe sich auf Demonstrationen der extremen Rechten radikalisiert und kritisierte, dass dies nicht Teil der Beweisaufnahme im Prozess gewesen sei. Dass Hartmann das Video von der Rede von Walter Lübcke bei der Veranstaltung in Lohfelden online gestellt hatte, sei die Kontrolle eines Repräsentanten durch das Volk gewesen, nach dem Motto: „alle Macht geht vom Volke aus“. Clemens machte immer wieder Ausführungen dazu, dass sein Mandant in der Presse vorverurteilt worden sei, wodurch der Senat „unterschwellig“ beeinflusst worden sein könnte. Dieser Umstand und die „prominent besetzte“ Nebenklage seien eine „geballte Macht“, die seinem Mandanten entgegenschlage; dabei sei dieser seit 2009 nicht mehr politisch aktiv. Im Gegenteil: Hartmann sei ein „Musterbeispiel legaler Lebensführung“.
RA Clemens führte danach weiter aus, dass Ernst Hartmann gar nicht für einen „Wiedereinstieg“ und eine Radikalisierung hin zum Mord an Walter Lübcke gebraucht hätte. Ernst sei nie ausgestiegen, er sei vielmehr selbst eine treibende politische Kraft, zum Beispiel im Kollegenkreis, gewesen. Bei der Veranstaltung in Lohfelden sei Ernst auch selbst anwesend gewesen. Zum Schluss seiner Ausführungen stellte Clemens den Antrag, Hartmann freizusprechen und ihn für die Untersuchungshaft zu entschädigen.
Nun verlas RAin Schneiders ihren Teil des Plädoyers. Sie verwendete viel Zeit darauf, darzustellen, dass die extrem rechte Erzählung vom „Volkstod“ gar nicht „aus der rechten Ecke“ komme, sondern eine Entwicklung der Weltbevölkerung sei, die auch von der UN anerkannt und die beispielsweise in der FAZ beschrieben werde. Sie ging auch kleinteiliger auf die Beweisaufnahme ein und bewertete diese erwartbar zum Vorteil von Hartmann. Auch sie beantragte den Freispruch und die Entschädigung von Hartmann.
Beide Angeklagten hatten am letzten Tag vor dem Urteil die Gelegenheit für letzte Worte. Ernst sagte erneut seine üblichen Phrasen des Bereuens auf und beteuerte, die Wahrheit gesagt zu haben. Hartmann schloss sich seiner Verteidigung an.