Der erste Zeuge des Tages, Reinhard Müller, war von April 2009 bis zum 13. Januar 2021 Chef der Abteilung für Verfassungsschutz im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern. In seine Amtszeit fiel also die Selbstenttarnung des NSU und die Aufarbeitung des NSU-Komplexes in Mecklenburg-Vorpommern. Müller zieht sich darauf zurück, dass der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern alles zur Aufklärung beitrage, man arbeite „intensiv“ und „akribisch“ daran. Müller nennt trotzdem nur sattsam Bekanntes zu NSU und Mecklenburg-Vorpommern, auf konkrete Fragen zu den Verbindungen des NSU antwortet Müller mit Ausführungen zur Gesetzeslage. Diese hindere den Verfassungsschutz auch daran, so zu arbeiten wie Medien und Zivilgesellschaft. Beim noch konkreteren Nachhaken zieht sich Müller auf seine Rolle als Leiter des VS zurück, er sei nicht mit allen Vorgängen befasst gewesen. In einem Punkt ist er sich allerdings sicher: Die Ausgabe 18 vom „Weissen Wolf“, in der der NSU gegrüßt wurde, lag in Mecklenburg-Vorpommern nicht vor. Aber selbst wenn sie sie ausgewertet hätten, geht Müller davon aus, dass man das Kürzel NSU nicht hätte zuordnen können. Der zweite Zeuge war 1999-2000 und 2002 Leiter der Koordinierungsstelle MAEX, Detlev Schröder. Er baute die MAEX-Gruppen auf, überprüfte, ob ihre Arbeit zur Aufgabe passt. Er verteidigte die MAEX vehement gegen den bekannten NDR-Beitrag. Die Aufgabe der MAEX sei nicht gewesen „mit dem Schlagstock die Szene zu stürmen“, sondern präventiv zu arbeiten und Kommunikation aufzubauen. Befragt nach seiner Einschätzung sagt Schröder, die Leute waren „nicht alle Neonazis“, sondern hatten „Nationalstolz“. Der dritte Zeuge, Andreas Wenzel, war 2011/2012 bei der MAEX/Neubrandenburg. Auf Fragen berichtet er von der Aussage einer Frau, die angab, dass ihr Mann, Ronny Me., Kontakt zu Tino Brandt hatte und mit ihm über den NSU sprach. Was mit dieser Erkenntnis geschah, weiß er nicht.
Den Vorsitz den NSU-Untersuchungsausschusses übernimmt heute Matthias Manthei von der CDU. Der erste Zeuge des Tages, Reinhard Müller, war seit April 2009 Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Ministerium für Inneres und leitete diese bis zwei Tage vor der Sitzung. Er wurde dann in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er erscheint mit dem Zeugenbeistand RA Butz Peters. Zu seiner Vorbereitung gibt der Zeuge an, er habe in seiner Funktion als Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz intensiv mit den beteiligten Kollegen gesprochen und Akteneinsicht genommen. Müller beginnt sein Statement mit ein paar Angaben zu seiner Person: Er sei vor 44 Jahren in den gehobenen Polizeidienst von NRW in Düsseldorf gekommen, er habe dort die Spezialdienste koordiniert. Ende 1995 sei er stellvertretender Direktor des LKA Mecklenburg-Vorpommern geworden, dann sei er zur Abteilung für Verfassungsschutz gekommen. Müller: „Das Bekanntwerden der beispiellosen Verbrechensserie und die Folgen haben die deutschen Behörden, allen voran den Verfassungsschutz tief erschüttert“, da es nicht gelungen sei, sie zu verhindern. Heinz Fromm habe dies als Niederlage der Sicherheitsbehörden bezeichnet. Müller fügt hinzu, das „berührt die Berufsehre von uns allen“. Die Kritik habe gelautet, dass die Behörden das Vertrauen verspielt haben, „das gilt es zurückzugewinnen, in meine Amtszeit fiel die Selbstenttarnung“.
Müller: „Ich kann zur Zeit vor 2009 aus Sicht der Abteilung für Verfassungsschutz nichts sagen.“ In der Phase bis zur Selbstenttarnung hätten beim LfV Mecklenburg-Vorpommern keinerlei Hinweise auf das „sogenannte NSU-Trio“ vorgelegen. Im Rahmen der Aufklärungsarbeit nach 2011 habe sich herausgestellt, dass beim Verfassungsschutz keine Hinweise auf Kontakte des Trios nach Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen hätten. Außerdem habe sich gezeigt, dass es außer dem Mord und den Banküberfällen keine strafrechtlichen Beziehungen nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben habe. Daher sei zu fragen, ob es Kontakte gegeben habe und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen seien. Müller geht nun auf vier Themenkomplexe näher ein: die Observation des Treffens von Ralf Wohlleben und Carsten Schultze mit RA Hans Günter Eisenecker, den 2012 bekannt gewordenen „Dank an NSU“, die „Behauptung, der Verfassungsschutz habe die Ermittlungsrichtung vorgegeben“ und die Tatortauswahl.
Die Observation des Treffens zwischen Wohlleben, Schultze und Eisenecker sei auf kurzfristigen Antrag des LfV Thüringen erfolgt: „Der Kontakt wurde festgestellt, ob die Hintergründe in Mecklenburg-Vorpommern bekannt waren, weiß ich nicht.“ Müller sagt, „Zschäpe sollte vertreten werden“, aber Zschäpe sei nicht festgestellt worden. Zum „Gruß an den NSU“ sagt der Zeuge, dieser sei ihm durch Medienberichterstattung bekannt worden. Das BfV habe dem LfV die Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ sowie den sog. NSU-Brief übersandt. Weder die Ausgabe 18 noch der Spendenbrief seien bis dahin in Mecklenburg-Vorpommern bekannt gewesen. Es habe dann der Abgleich mit einer Deckblattmeldung stattgefunden, so sei herausgefunden worden, dass der Dank sich auf eine Spende bezogen habe. 2013 habe bei David Petereit ein Exemplar des Briefs sichergestellt werden können. Der Zeuge sagt, auch wenn alles vor 2011 vorgelegen hätte, hätten sie daraus keine Erkenntnisse zum NSU ziehen können. Es sei immer wieder in Frage gestellt worden, was für Hefte des „Weissen Wolfs“ in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen hätten. In den Akten habe er festgestellt, „man hat versucht, das Heft 18 zu bekommen, ohne Erfolg. Es gab keinen Auftrag, alle zu besorgen“. Müller sagt, er sei aber heute der Überzeugung, dass man daraus keine Erkenntnisse zum NSU hätte ziehen können. Es habe keinen Austausch dazu gegeben, die Deckblattmeldung zur Spende hätte Mecklenburg-Vorpommern 2002 nur an die LfV Brandenburg und Berlin geschickt. Ob eine zusätzliche Zusendung an das BfV Erkenntnisse erbracht hätte, sei unklar, „weil den NSU kannte niemand vor 2011.“ Der Dank im „Weissen Wolf“ enthalte keinen Hinweis auf Geldspende.
Müller geht auch auf die in Mecklenburg-Vorpommern gefundene CD mit der Aufschrift „NSU“ ein. Diese sei ein Zufallsfund gewesen, der bei einer Durchsuchung wegen Drogendelikten angefallen sei. Wie die CD dorthin gekommen sei, sei noch ungeklärt. Der Wohnungsinhaber habe angegeben, er wisse nicht, wie er sie bekommen habe. Er habe zwei Mitbewohner aus Norwegen gehabt, diese hätten aber keinen Kontakt zum NSU gehabt. Zu dem CD-Fund habe es auch einen Austausch mit dem BfV gegeben, da es dort auch eine „NSU/NSDAP-CD“ gegeben habe. Diese habe aber in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgelegen, daher habe es keinen Austausch dazu gegeben.
Müller spricht dann über die „Rauschgiftspur“ nach dem Mord an Mehmet Turgut. Soweit ihm bekannt sei, sei das LfV Mecklenburg-Vorpommern nicht in die Ermittlungen einbezogen gewesen. Allerdings werde dem LfV vorgeworfen, sie hätten durch diese Information die Polizei gelenkt. Müller: „Das haben wir nicht getan.“ Das LfV hätte von einer Quelle eine Information erhalten, die im Sommer 2004 vorgelegen habe. Die sei an den Ermittlungsleiter bei der KPI Rostock, Scharen, weitergegeben worden. Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern habe nichts in die falsche Richtung gelenkt, sondern das getan, was gefordert sei, nämlich solche Hinweise weiterzugeben. Aus diesem Handeln den Vorwurf eines Einflusses auf die Ermittlungen abzuleiten, „geht fehl und verwundert mich auch“.
Müller geht nun auf die NSU-Tatorte in Rostock und Stralsund ein: „Warum es einen NSU-Mord in Rostock gab, ließ sich nicht klären, die Frage nach Unterstützerstrukturen hat uns intensiv beschäftigt. Täter handeln oft an Orten, die ihnen vertraut sind.“ Es sei bekannt, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in 1990er Jahren in Rostock gewesen seien, es sei davon auszugehen, dass es Kontakt zu den Personen gegeben habe, die auf auf der Garagenliste stünden. Diese Übersicht sei seit 2012 bekannt. Es sei ihnen ein Kopie vom BfV übermittelt worden. Es habe außerdem Camping-Kontakte in Krakow am See gegeben. Außerdem habe Böhnhardt eine Tante in Rostock, diese habe er zuletzt 1986 besucht. Das sei erst nach 2011 bekannt geworden, die Kontakte hätten „weit vor deren Abtauchen“ stattgefunden. Auch durch intensive Ermittlungen habe kein Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt des Trios in Rostock und der Tat gefunden werden können, keine Hinweise auf Unterstützungsstrukturen, zur Opferauswahl oder zu Ausspähungen.
Der Zeuge führt aus, Mundlos habe in einem Brief über einen Rostocker Waffenladen geschrieben. Es gäbe aber keine bestätigenden Hinweise und auch keine Erkenntnisse, dass das Trio da Waffen gekauft habe. Es gäbe auch keine Erkenntnisse zu einer gemeinsamen Reise von Thüringischen und Rostocker Neonazis nach Tschechien. Das gleiche gelte für die gemutmaßte Unterstützung des NSU durch Combat 18 und Blood&Honour. Richtig sei, dass es „Szenen mit dem Schwerpunkt Rostock“ gegeben habe, die Kontakte nach Berlin gepflegt hätten. Er könne nicht ausschließen, dass es in den 90er Jahren Kontakte des späteren NSU nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben habe, aber es gebe keine Hinweise auf eine Unterstützung durch Blood&Honour mehr als 10 Jahre später. Es gäbe keine Erkenntnisse zu Verbindungen des NSU zu Nazis in Stralsund. Warum es die Banküberfälle in Stralsund gegeben habe „konnte nicht beantwortet werden“.
Müller geht nun auf die im NSU-Prozess verurteilten Personen und deren jeweilige Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern ein. Er beginnt mit Beate Zschäpe. Es gäbe keine eigenen Erkenntnisse außer den Kontakten zu Eisenecker, das gelte auch für Böhnhardt und Mundlos. Zu André Eminger sei dem LfV Mecklenburg-Vorpommern vor der Selbstenttarnung bekannt geworden, dass er Teilnehmer bei einem Konzert in Salchow gewesen sei. Dem LfV sei mitgeteilt worden, dass Eminger eine Kontaktperson in Mecklenburg-Vorpommern in seinem Handy gespeichert habe. Zu Ralf Wohlleben lägen nur die Erkenntnisse zum Treffen mit Eisenecker vor, das gleiche gelte für Carsten Schultze. Zu Holger Gerlach wisse man, dass er 1999 auf einer Demonstration in Pasewalk gewesen sei. Gerlach habe im Prozess ausgesagt, er habe auf Usedom Ferien mit dem NSU und einen Rundflug gemacht. Das seien keine Erkenntnisse des LfV Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Im NSU-Komplex gäbe es keine Strafverfahren gegen Leute aus Mecklenburg-Vorpommern. Müller kommt nun zu den Unterstützern: „Was sind Unterstützer?“ In seinem Verständnis seien das die Leute, die am Straftatgeschehen mitwirkten und denen das bewusst war. Wer der Personenkreis der Unterstützer sei, sei in Listen zusammengefasst worden. Diese „41er-Liste“ sei schon Ende 2011 übersandt worden, darin habe es keinen Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Die „100er-“ und die „129er-Liste“ seien ihnen im Zuge der Ermittlungen zugestellt worden. Beide enthielten vier Namen aus Mecklenburg-Vorpommern, Hans Günter Eisenecker, Markus H., Lars R., David Petereit. „Erkenntnisse lagen nur zu Petereit und Eisenecker vor, keine der Personen war innerhalb des Untersuchungszeitraums [des UA]als Quelle tätig.“
Der Zeuge wendet sich der strukturellen Aufarbeitung des NSU-Komplexes bei der Innenministerkonferenz (IMK) zu. Mecklenburg-Vorpommern hatte zum Zeitpunkt der Selbstenttarnung den Vorsitz der IMK inne und sei daher intensiv eingebunden gewesen. Die IMK habe den Auftrag gegeben, eine Kommission zur Überprüfung der Sicherheitsarchitektur einzusetzen. Die gesetzliche Grundlagen zum Informationsaustausch, für die Führung von Quellen und für den Geheimschutz sollten überprüft werden. Es habe einen Grundsatzbeschluss der IMK zu einer Neuausrichtung des Verfassungsschutzes gegeben. Die IMK habe die Wichtigkeit von einem eigenständigen Verfassungsschutz betont, aber der Einsatz von V-Personen müsse differenzierter erfolgen und es müsse eine Datenbank über V-Leute eingerichtet werden. In Mecklenburg-Vorpommern habe es dazu ergänzende Maßnahmen gegeben. So habe es eine Arbeitsgruppe gegeben, in der das LKA, die Polizei Rostock und der Verfassungsschutz zusammen gekommen seien. Diese sollte den Informationsaustausch überarbeiten. Es habe eine Änderung des Landes-Verfassungsschutzgesetzes gegeben, darin sei ein verpflichtender Standard zur Gewinnung und Führung von V-Leuten eingeführt worden. Außerdem müsse man einmal im Jahr über den Einsatz von V-Leuten berichten. Der Umgang mit elektronischen Akten und mit personenbezogenen Daten sei präzisiert worden. Müller sagt, er wolle zum Schluss betonen, eine personelle, organisatorische Verflechtung von rechten Strukturen habe nicht festgestellt werden können – „im Gegensatz zu Behauptungen im politischen Raum und Medien“. Dies hätten auch der Prozess in München und die Untersuchungsausschüsse nicht ergeben. Es gäbe außerdem keine Anhaltspunkte zur Opferauswahl und zu den Banküberfallen, trotz intensiver Ermittlungen und Recherchen durch Medien und Zivilgesellschaft.
Der Ausschuss-Vorsitzende Manthei fragt, ob Müller schon in der Zeit vor der Übernahme der Leitung der Abteilung für Verfassungsschutz mit dem Mord an Mehmet Turgut befasst gewesen sei. Müller: „Mittelbar.“ Er sei zuvor in der Polizeiabteilung des Innenministeriums tätig gewesen, „aus dieser Funktion haben wir als Innenministerium das Geschehen um den Mord beobachtet und aus Sicht des Ministeriums Maßnahmen ergriffen“. Manthei hakt zu den Maßnahmen nach und der Zeuge sagt, damit habe er sich wegen des ihm zugesandten Beweisbeschlusses nicht beschäftigt, da dies darin nicht aufgeführt gewesen sei. Er habe in Erinnerung, dass der Fall Sache der Staatsanwaltschaft geblieben sei. Allgemein schafften die Aufsichtsbehörden die Voraussetzung für die Arbeit, man schaue also beispielsweise, dass die personelle Ausstattung der Soko gewährleistet sei. Ausgehend von Bayern wurde eine Summe ausgelobt um Zeugen zu gewinnen, das sei vom Justizministerium entschieden worden. Sie hätten außerdem die Ermittlungen zur Ceska unterstützt.
Der Vorsitzende fragt, wie Müller von der Selbstenttarnung des NSU erfahren habe. Müller: „Ich weiß es nicht mehr ganz genau“, wahrscheinlich aus den Medien, „ich kann nicht mehr genau sagen“. Er habe es wohl im Fernsehen gesehen, „auf dem Fernseher im Büro“. Er wisse nicht, ob vorher ein Mitarbeiter zu ihm gekommen sei und dazu Bescheid gesagt habe. Er habe schnell davon Kenntnis erhalten. Manthei fragt nach, wie der Verfassungsschutz dazu tätig geworden sei, ob selbstständig oder ob es Anfragen oder Aufforderungen gegeben habe. Der Zeuge antwortet, im gesamten Zeitraum bis heute habe es „Unmengen an Fragen“ gegeben. „In der ersten Zeit war nicht erkennbar, dass unser Land in eine Form beteiligt war, es stellten sich ja viele Fragen“, zum Beispiel zur Auffindesituation. „Die Lagemeldungen kommen über das Lagezentrum des Innenministeriums“, es gäbe Berichte des Verfassungsschutz-Verbundes. „Bei solchen Delikten muss man abwarten, was die Ermittlungen ergeben“, um tätig zu werden. Manthei sagt, die Listen, von denen Müller sprach, lägen dem Ausschuss nicht vor. Müller: „Mir wurde mitgeteilt, sie liegen vor.“ Er wisse nicht, warum diese Namen auf die Listen gesetzt wurden. Da man nicht wahllos ermitteln wollte, seien diese Listen Ausgangspunkte gewesen. Man habe geguckt, ob man mehr Erkenntnisse zu den Personen habe. Die Erkenntnisse seien dann allen Verfassungsschutzämtern zugeleitet worden.
Friedriszik von der SPD fragt, welche Maßnahmen der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern am 4.11.2011 ergriffen habe, nachdem die Situation bekannt geworden sei. Der Zeuge sagt, dazu könne er nicht viel sagen, außer, dass sie sich auch aufgrund der Bilder Fragen gestellt hätten. Die Bilder seien dramatisch gewesen, aber ohne einen Zusammenhang zu den Verbrechen: „Wir haben uns gefragt, was ist passiert? Um was geht es? Man stellt sich immer die Frage, gibt es Bezüge ins eigene Land? Aber es macht ja keinen Sinn, wahllos Sachen zu veranlassen.“ Die Information werde gesteuert und Beamte würden in Bereitschaft versetzt, es würden Erreichbarkeiten organisieren, dadurch würden kurzfristige Maßnahmen möglich, „man bereitet vor“. Aber es habe keine eigenen Maßnahmen gegeben, „man wartet auf Informationen“. Es habe damals zunächst keinen Mecklenburg-Vorpommern-Bezug gegeben. Er können nicht sagen, wann es die erste Meldung dazu gegeben habe. Friedriszik fragt, wann es Erkenntnisse zu den im Wohnmobil aufgefundenen Waffen gegeben habe. Müller: „In dieser Phase auch.“ Es habe unterschiedliche Informationen gegeben, „dass Waffen ein Rolle spielten und Leichen gefunden wurden, war klar, in den ersten ein bis zwei Tagen war das die Erkenntnis, die wir hatten“. Sie hätten dies aufmerksam beobachtet.
Friedriszik kommt auf die Ermittlungen in Richtung „Organisierte Kriminalität“ nach dem Mord an Mehmet Turgut zu sprechen: „Wir mussten schon den Eindruck gewinnen, dass durch den Verfassungsschutz das Verfahren in die Richtung gelenkt wurde, ein Stück weit gesteuert.“ Er fragt, wie der Zeuge das erklären könne. Müller: „Gar nicht, das entspricht nicht den Tatsachen.“ Es gäbe eine klare Gesetzeslage zur Informationsweitergabe, da gehe es um die Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte vorlägen. Auf dieser Grundlage übermittele man Informationen. In diesem Fall habe die Quelle eine Information gegeben, das sei nicht die Spur zum Gesamtgeschehen gewesen, aber vom Ende her könne man nicht über die Gesetzeslage zur Informationsübermittlung sprechen. Der Zeuge wechselt plötzlich das Thema und spricht über die Informationen zum Breitscheid-Platz-Attentäter, die aus Mecklenburg-Vorpommern nicht übermittelt wurden. Er, Müller, habe damals entschieden, diese Information sei „Fake News“ gewesen. Der Vorsitzende unterbricht den Zeugen, dies sei hier kein Beweisthema. Müller: „Je nach Untersuchungsauftrag werden andere Maßstäbe angelegt, aber es müssen immer gleiche Standards sein.“ Friedriszik fragt erneut nach der Informationsweitergabe an Scharen. Müller: „Hier ist das passiert, was regelmäßig der Fall ist.“ Sie hätten immer wieder die Frage diskutiert, inwieweit das Trennungsgebot verändert werden müsse, daher gebe es klare Voraussetzungen, wie Informationen weitergegeben werden. Hier hätten sie eine Information gehabt, sie sei rechtmäßig erworben worden: „Wir mussten die Information weitergeben, ob die Information richtig ist, das kann man in der Phase nicht machen.“ Sie hätten sie weitergegeben, aber wenn man zu dem Schluss gekommen wäre, die Information ist „Fake News“, dann hätte man sie nicht weitergegeben.
Auf Frage, ob er an den Strukturen der Abteilung für Verfassungsschutz etwas geändert habe, sagt der Zeuge, es gäbe da keine großen Spielräume. Als Abteilungsleiter habe er nur ein Vorschlagsrecht. Die Abteilung sei verstärkt worden, der Bereich Rechtsextremismus ebenso. Man wolle „immer mehr als man bekommt“, fährt der Zeuge fort. Er habe sich zum Beispiel gewünscht, dass man auch Sozialwissenschaftler einstellt. Aber allgemein sei das für ein kleines Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern schwierig, er habe versucht, das bei den Haushaltsverhandlungen darzustellen. Parallel sei das NPD-Verbotsverfahren gelaufen, das habe viele Ressourcen gebraucht. Zum Treffen zwischen Carsten Schultze, Ralf Wohlleben und Hans Günter Eisenecker sagt der Zeuge, sie seien „kurzfristig eingebunden“ worden. Es gab die Information in Thüringen und dann seien sie angefragt worden. Es ging um die mögliche anwaltliche Vertretung von Beate Zschäpe. Die Observation sei auf ein Amtshilfeverfahren aus Thüringen hin zustanden gekommen. Auf Frage nach Ermittlungen nach 2011 sagt Müller: „Wir führen ja als Verfassungsschutz keine Ermittlungen“, sie würden aufgrund von Anfragen und Beweisbeschlüssen tätig. „Wir haben den Aktenbestand durchgesehen und uns die Frage gestellt, ob und wie weit rückblickend zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, wir haben uns mit der Aufhellung der Szene beschäftigt.“
Ritter von der Linksfraktion fragt nach der öffentlichen Kritik am Verfassungsschutz und wie die Sicht des Zeugen auf die Dinge heute sei, was seien berechtigte, was unberechtigte Vorwürfe? Müller: „Also es gibt häufig Mutmaßungen und Unterstellungen“: Warum habe der Verfassungsschutz nichts gewusst und nichts getan? Er könne die Fragen verstehen, „aber man hat halt nur die Möglichkeiten“, man habe keinen Auftrag, die Bevölkerung zu scannen. Man habe Erkenntnisse auf Lager, „um dann am Tag X die Erkenntnisse zu nutzen“. Aber wenn man die Informationen nicht nutze, dann seien die Erkenntnisse weg. Es gäbe da ein Missverhältnis, die Erkenntnisse von Medien und andere zivilgesellschaftlichen Akteuren würden ihnen „vorgehalten“. „Das ist unfair, wir müssen ja unser Gedächtnis löschen!“ Ritter fragt nach, ob dies also keine gerechte Kritik sei, weil der Verfassungsschutz an den Rahmen des Gesetzes gebunden sei. Der Zeuge wiederholt, „wenn wir Akten löschen müssen und dann sagt man, der Verfassungsschutz weiß nichts, das ist unfair“. Sie seien von der Ereignissen getroffen worden, „Dinge passieren, die man nicht absehen kann“. Man könne im Nachhinein die Frage stellen, ob man andere Überlegungen hätte mit einbringen können.
Ritter hakt nach, was nach der Selbstenttarnung des NSU in der Behörde passiert sei, „da wurde hier mitgeteilt, ihr steht auf Listen des NSU, was ist mit der Erkenntnislage gemacht worden?“ Er fragt, was nach der Information gemacht wurde, um Zusammenhänge festzustellen, warum Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern auf Listen des NSU stehen. Der Zeuge antwortet, es gehe in so einem Fall um Gefahrenabwehr. Man stelle fest, ob Personen gefährdet seien. Aber das sei ja eine Frage, die die Polizei betreffe. Alle diese Fragen seien intensiv erörtert worden, aber er wisse es nicht mehr im Detail. Aber die Polizei mache alles, um Gefährdung in den Blick zu nehmen. Es gäbe Ansprachen der gefährdeten Personen, wenn es sich um Bezüge in den politischen Raum handele, „dann liefern wir Erkenntnisse“. Ritter fordert den Zeugen auf, seine Antwort zu präzisieren. „Was hat ihre Behörde gemacht?“ Müller sagt, sie hätten auf der „Grundlage der Informationen, die wir hatten, geprüft, welche Bezüge können der Polizei mitgeteilt werden, aber wir haben keine zusätzlichen Gefährdungsmomente feststellen können“. Sie hätten „alles gemacht“, Erkenntnisse und Überlegungen geteilt, so der Zeuge auf weiteres Nachhaken durch Ritter.
Der Vorsitzende fragt, welche Erkenntnisse der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern zum Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ und zu David Petereit hat. Müller sagt, Petereit sei ihm bekannt und habe ihn beschäftigt, die „Mecklenburgische Aktionsfront“ sei kurz nach seinem Amtsantritt verboten worden, „da spielte Petereit eine große Rolle“. „Der Weisse Wolf“ sei ein Szeneblatt, das Mitte der 90er in Brandenburg entstanden sei. Manthei sagt, der ehemalige Chef des BfV habe vor dem Untersuchungsausschuss angegeben, dass nach seiner Information die Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen habe. Der Zeuge sagt, dass der ehemalige Präsident des BfV diese Aussage gemacht habe, sei bekannt, das sei aber nicht zutreffend, „wir hatten die Ausgabe nicht, die Ausgabe 18 hatte das BfV“. Daher habe man sich 2012 ein Exemplar schicken lassen, „dann erst konnten wir den Abgleich mit der Geldspende machen“. Dann habe man feststellen können, dass sich der Dank auf die Spende bezogen habe, „und nichts anderes“. Manthei sagt, das sei ihm nicht ganz klar, er hakt nach, ob man nachgefragt habe, ob die anderen Ämter die Ausgabe haben. Müller: „Es gab keinen Auftrag, alle Ausgaben zu sammeln und auszuwerten.“ Sie hätten insgesamt acht Exemplare gehabt, Ausgabe 18 nicht. Es sei „spekulativ“, ob man einen Zusammenhang gesehen hätte. „Ich habe mir auch die Frage gestellt, ob ich, wenn ich ein Exemplar bekommen hätte, hätte ich mir die Frage gestellt, was ist gemeint?“ Das sei denkbar, „hätte aber zu nichts geführt“, denn es hätte ja niemand etwas damit anfangen können.
Manthei sagt, es liege ein Auftrag vom 26. September 2003 vor, die Ausgabe 18 sei zu beschaffen, dann folge ein Vermerk, es gebe keinen Zugang zu der Ausgabe. Allerdings liege dem Ausschuss auch ein vertrauliches Schreiben aus Brandenburg aus dem Juli 2003 vor, wonach es einen Zugang gegeben hätte. Der Zeuge sagt, es sei versucht worden, die Ausgabe zu bekommen: „Ich weiß nur aus der Aktenlage, es ist versucht worden.“ „Diese Postillen sind über Quellen beschafft worden, wenn eine Quelle die Ausgabe nicht hatte und nicht beschaffen konnte, dann ist sie nicht angekommen.“ Dem Zeugen wird das vertrauliche Schreiben vorgelegt. Müller: „Das Problem ist klar, richtig ist, das hier angesprochene Bundesland hatte die Ausgabe.“ „Unterm Strich“ sei es so, so der Zeuge weiter, unabhängig von der Frage, ob die Ausgabe angekommen sei oder nicht, es habe keine Auswertung stattgefunden, es stünden in dem Dokument keine Erörterungen ob bezüglich des Kürzels NSU Folgemaßnahmen angeordnet wurden, „niemand wusste, dahinter befindet sich die Struktur“.
Barlen von der SPD erinnert an die Aussagen von Heinz Fromm und Sebastian Egerton, diese habe man nochmal sehr genau befragt, und sie hätten „völlige Klarheit“ geliefert, die Beschaffung von Fanzines lag in der Verantwortung der Landesämter. „Wir haben gefragt, war Mecklenburg-Vorpommern unzuverlässig“, dies sei verneint worden. „Die Aussagen waren eindeutig“, Mecklenburg-Vorpommern sei zuverlässig bei der Beschaffung und Auswertung gewesen. Er frage sich, warum ausgerechnet bei dieser Ausgabe dies nicht zutreffe. Barlen fragt den Zeugen, ob er daran festhalte, dass es nicht ganz klar sei, ob sie doch beschafft worden sei, es aber keine Auswertung gegeben habe. Müller: „Wir haben die Ausgabe nicht gehabt“, sie hätten acht von 20 Ausgaben gehabt. Aus heutiger Sicht sei es schwer nachvollziehbar, warum nicht alle Ausgaben beschafft wurden. Barlen hakt nach, wie das genau gemacht worden sei, wie festgestellt worden sei, ob die Beschaffung und Auswertung im Gegensatz zur Absprache lückenhaft gewesen sei. Der Zeuge sagt, sie hätten das im März 2012 festgestellt, dass Kürzel sei aus der Aktenlage nicht zu entnehmen gewesen. Das apabiz in Berlin habe das veröffentlicht, „dann waren alle alarmiert“. Sie hätten dann festgestellt, dass sie nur „eine Teilmenge“ hatten. Es habe dann auch eine Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission gegeben, auf der das LfV die Abgeordneten dazu informiert habe. Man habe sich gefragt, „wie kann das sein?“ Auch bei allen anderen hätte es Überlegungen gegeben, wie man die Auswertesituation verbessern könne. Inzwischen habe man ganz andere Möglichkeiten.
Barlen fragt, ob Müller kontrolliert habe, ob alle anderen Fanzines vollständig gewesen seien. Müller: „Es gab ja nicht so viele Fanzines“, die Vollständigkeit sei schwierig herzustellen gewesen, „manchmal gibt es das dann nicht mehr“. Man müsse klären, ob sie noch auf dem Markt seien, wenn man dann feststelle, es gibt sie noch, dann bemühe man sich, des betreffende Fanzine zu beschaffen, „aber es kann sein, es gelingt nicht“. Barlen fragt, „hätte es Klick machen müssen?“ Es habe die Meldung zu einer hohen Spende an den „Weissen Wolf“ gegeben, dieser bedanke sich in der nächsten Ausgabe. Hätte man da nicht „eins und eins“ zusammenzählen müssen. Müller sagt, der Verfassungsschutz arbeite anders als die Polizei, die ja zielgerichtet arbeite. „Oft hat man ja keine Anhaltspunkte, was muss ich auswerten?“ Das könne man in der Vorbereitung und dann in der Auswertung entsprechend gestalten, „im ‚Weissen Wolf‘ stand nichts von einer Geldspende“.
Barlen fragt, wie das aufgearbeitet worden sei. Wenn es eine so hohe Geldspende gäbe, welche Hebel könnten dann in Bewegung gesetzt werden, um herauszufinden, woher kommt das Geld. „Dadurch hätte man Taten verhindern können“, betont der Abgeordnete. Der Zeuge sagt, 2012 seien ihnen der Spendenbrief mitgeteilt worden. Sie hätten dann festgestellt: „wir haben diese Meldung, die dazu passte“. Daher habe sich der Dank im „Weissen Wolf“ auf die Geldspende bezogen. Die Information sei ausgetauscht worden, auch um festzustellen, ob es eventuell parallele Ereignisse gegeben habe. Barlen fragt nach, was 2002 aus der Meldung erfolgt sei. Müller sagt, er könne nicht sagen, was da im Detail gemacht worden sei. Er sei nicht dabei gewesen. Barlen hakt nach, ob Müller also während seiner Zeit nicht bekannt geworden sei, was aus der Meldung für Maßnahmen abgeleitet wurden: „Sie als Aufklärer“. Müller: „Ich war nicht dabei.“ Barlen fragt erneut nach, ob der Zeuge also seit 2012 nicht auf Informationen gestoßen sei, was gemacht wurde. Müller sagt die „Aufklärungsleistung 2012“ sei der Fund der Deckblattmeldung gewesen. Barlen bohrt nach, ob das also die Information des Zeugen sei, die Spende sei zur Kenntnis genommen worden und es sei nichts gemacht worden. Müller: „Den Schluss kann ich nicht ziehen.“ Es habe nach 2012 die Durchsuchung bei Petereit gegeben, dazu habe der Verfassungsschutz als Vorleistung den Spendenbrief gefunden. Barlen fragt noch einmal allgemeiner, was es für operative Maßnahmen gäbe, wenn ein V-Mann eine Meldung zu einer großen Spende mache. Der Zeuge antwortet, man schaue zunächst, ob die Summe aus den Gesamtumständen herausrage. 2500€ sei natürlich eine Summe, die auffallen kann, sie sei „per se nicht auffällig“. Man müsse das „Gesamtszenario“ betrachten, sonst „kann es sein, dass es übersehen wird, aus meiner Sicht“. „Ich bekomme nicht alles auf den Tisch, sonst gucke ich, ob ausreichend was gemacht wurde.“ Prinzipiell könne er aber für seine Mitarbeiter sprechen: „sie wissen, man fragt akribisch nach“ und es gebe ja auch den Mechanismus von Beschaffung, Auswertung und weiterführenden Maßnahmen. Man habe da eine Vielzahl von Möglichkeiten. „Wenn ich die Information auf dem Tisch gehabt hätte, wäre es ein Fehler gewesen, wenn nicht Fragen gestellt wurden.“
Auf Frage, ob analysiert worden sei, warum der NSU so oft in Mecklenburg-Vorpommern gewesen sei, sagt Müller, er glaube nicht, dass die Gesamtaktivität im besonderen Maße in Mecklenburg-Vorpommern gewesen sei. Ja, da seien die Urlaube in Mecklenburg-Vorpommern vor dem Abtauchen, aber die seien kein Grund gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, es brauche immer Erkenntnisse und Anfasser, „bis zum Abtauchen lag nicht viel zu den Personen vor. Der Verfassungsschutz kann nicht beliebig Personen in den Blick nehmen, es braucht einen Gewaltbezug.“ Wenn der nicht gegeben sei, dann gäbe es keine Maßnahmen, „das ist dann in solchen Fällen misslich“. Bis zum Abtauchen habe es keine Erkenntnisse zu Verbindungen nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Auf die Frage, ob im Nachgang beleuchtet worden sei, warum sie so oft in Mecklenburg-Vorpommern gewesen seien und ob es Kontaktpersonen gegeben habe, sagt Müller: „Ja natürlich, das sind ja die Fragen, die sich stellen. Es gibt keine belastbaren Antworten auf die Fragen. Richtig ist, es gibt allgemeine Bezüge nach Rostock.“ Es sei ein Rätsel, warum die Bank in Stralsund zwei Mal überfallen worden sei. „Das sind berechtigte Fragen, es gibt dazu bislang keine belastbaren Erkenntnisse.“ Bei den Ermittlungen habe man festgestellt, dass der NSU viel selbst gemacht habe, so der Zeuge weiter, sie hätten die Ausspähungen selbst gemacht. Seine persönliche Bewertung sei, man habe auf einen größeren Personenkreis verzichtet, das schließe nicht aus, dass Personen bewusst oder unbewusst geholfen hätten. Auf Nachfrage, ob diese Strategie es den Behörden schwer machen würde, sagt Müller, im Grunde sei jeder Wissensträger ein Risiko. Wenn man sich das ansehe, dann gäbe es „keinen Sachbeweis“, dass die Personen die Taten begangen hätten. Es gäbe keine DNA und Fingerabdrücke, es handele sich um Personen, die überlegt haben, wie man handeln könne, ohne aufzufallen. „Es gab keine Spuren, keine konkreten Anfasser.“ Von Seiten des Trios gab es die Überlegung, man müsse das alleine machen, es gäbe keine Zeugenaussagen zur Teilnahme weiterer Personen an den Diskussionen. Richtig sei, dass Rostock und Stralsund eine rechte Szene hätten, die gäbe es „aber auch überall“, also es gäbe keinen Grund, dort speziell zu handeln.
Ritter merkt an, ihm scheine es so, dass es in der Auseinandersetzung um den „Weissen Wolf“ eine „berechtigte Vorwurfslage“ gäbe. Egerton habe gesagt, Mecklenburg-Vorpommern sei für das Fanzine zuständig gewesen und sei auch quellenmäßig gut vertreten gewesen. Ritter bedankt sich bei der „außerparlamentarische Recherche“, ohne diese läge das nicht vor. Ritter schließt die Frage an, ob dem Zeugen der Name Jan Werner etwas sage. Müller: „Ja und eine Bemerkung“, er bleibe dabei, er sei der festen Überzeugung, „wir hatten Ausgabe 18 nicht“. „Jan Werner habe ich schon mal gehört“, aus dem Stegreif könne er zu ihm aber keine Details nennen. Ritter geht auf den Abschlussbericht des zweiten Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses ein und hält vor, „dass Jan Werner den Auftrag habe, ‚die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen‘, und die dafür benötigten Gelder von der ‚Blood & Honour‘-Sektion Sachsen bereitgestellt würden. Das Geld stamme aus Einnahmen von Konzerten und dem CD-Verkauf. Über Jan Werner bestand bereits schon seit den 90er-Jahren Kontakt nach Mecklenburg-Vorpommern zur dortigen ‚Blood & Honour‘-Sektion Mecklenburg und den Führungspersonen An. Za. und Ol. Do., die wiederum mit mehreren als Unterstützer des NSU geltenden Personen enge Kontakte pflegten.“ Ritter fragt, ob dem Zeugen solche Zusammenhänge bekannt seien und ob diese geprüft worden seien. Müller: „Aus dem Stegreif nein“, diese Anhörung in Thüringen sei ihm nicht bekannt, das müsste er überprüfen. „Dass es natürlich Szenekontakte gegeben hat, vor dem Abtauchen, ist so, Konzerte auch. Wir sind mit allen Möglichkeiten dagegen vorgegangen, das ist allgemein bekannt.“ Es habe auch Überlegungen gegeben, ob Geld in der Szene fließt, das sei bekannt, aber Jan Werner, das müsste er prüfen.
Ritter sagt, die Akten zu Blood&Honour lägen dem Untersuchungsausschuss immer noch nicht vor, ein Beweisbeschluss von 2018 sei damit bislang unbeantwortet geblieben. „Sie kennen ja den Zeitplan, da hätte ich mir schon mehr Engagement gewünscht bei der Unterstützung der Arbeit.“ Da sehe er beim LfV Mecklenburg-Vorpommern aber keinen Drang. Müller sagt, Ritter insinuiere, dass das LfV die Aufarbeitung absichtsvoll verschleppe, dem wolle er „entschieden widersprechen“, sie hätten „alles getan“, um den Anfragen Folge zu leisten. Der Wunsch sei berechtigt, aber das sei mit den vorhandenen Möglichkeiten nicht möglich. Sie würden „alles daransetzen“, in der verbliebenen Zeit den Ausschuss die Informationen zukommen zu lassen. Was Jan Werner angehe, „ als Leiter sehe ich nicht jeden Auswerte-Aspekt“, sondern nur Signifikantes. Ritter hakt erneut nach. Müller sagt, man habe der Parlamentarische Kontrollkommission berichtet, „wir sind tagtäglich primär mit der Aufarbeitung des NSU befasst.“ Die Anschuldigung, sie hätten irgendetwas, was möglich gewesen wäre, nicht getan, „möchte ich zurückweisen“.
Ritter fragt nach Thomas Dü. Auch hier sagt Müller, er könne dazu aus der Erinnerung „nichts Substantiiertes sagen“. Ritter sagt, nach Aktenlage sei er Mitarbeiter der NPD gewesen und zitiert weitere Erkenntnisse von „Endstation Rechts“ und aus dem „Antifaschistischen Infoblatt“. „Hess-Marsch, Partnerschaft mit Anke Za. sagt Ihnen ja sicher was.“ Dü. habe in Sichtweite des Tatorts in Rostock gewohnt. Ritter fragt, was die Behörde über Thomas Dü. wisse und zu Querverbindungen zum NSU. Müller: „Sie zitieren aus der Zivilgesellschaft und unterstellen, es ist die Wahrheit, ich kann nicht sagen, ob wir korrespondierende Informationen haben. Sie können davon ausgehen, wir haben alles akribisch aufgearbeitet.“ Auf die Frage, ob der Verfassungsschutz das „Antifaschistische Infoblatt“ nicht kenne und daraus Schlussfolgerungen ziehe, sagt der Zeuge, „die Zivilgesellschaft hat mehr Möglichkeiten als der Staat“, das sei eine „Fehlentwicklung“. Die Behörden seien in ein enges staatliches Korsett eingeschnürt. Der Personalkörper beim LfV Mecklenburg-Vorpommern zu Rechtsextremismus sei größer als der zur „Linksextremismus“. Es gäbe Kollegen, die ausschließlich an der Aufarbeitung des NSU arbeiten würden. Es werde auch in Zukunft Ereignisse geben, nach denen man sagen werde, man hätte mehr machen müssen. Aber die falsche Vorstellung, das Problem bestehe in mangelndem Verantwortungsgefühl und Führung, „das weise ich entschieden zurück“.
Der Vorsitzende fragt nach bundesweiten Verbindungen und nach einzelnen Akteuren der extremen Rechten und warum diese nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen seien. Müller: „Der Behördenleiter hat keine Kenntnisse wie die Sachbearbeiter. Es heißt nicht, wenn man Dingen intensiv nachgeht, dass es die entsprechenden Erkenntnisse gibt.“ Barlen fragt zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes beim LfV Mecklenburg-Vorpommern nach. Der Zeuge versichert, „wir haben alles gemacht“, es sei allerdings arbeitsintensiv, der Aktenbestand müsse gelesen werden, die Sachakten seien zum Teil nicht mehr verfügbar. Barlen fragt, ob das systematisch gemacht worden sei und ob er, Müller, dies verfügt habe. Dieser antwortet, er habe verfügt, Anfragen und eigene Erkenntnisse zu prüfen. Barlen sagt, also seien „im Grunde“ die ganzen Sachen, über die wir heute sprechen, überprüft worden. Der Zeuge sagt, es habe ja den Bundesausschuss gegeben, dessen Beweisbeschlüsse habe man abgearbeitet, „wir haben tagtäglich mit Anfragen zu tun“. Zur allgemeinem Aufarbeitung des NSU-Komplexes beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern sagt Müller: „Man muss Anfasser haben, Kriterien, es macht keinen Sinn, einfach nur Akten anzufassen, ohne das man weiß, was man sucht.“ Barlen sagt, das sei „ja eigentlich die perfekte Vorlage“, um dem Ausschuss Akten zu liefern: „Aber es fehlt ja noch die Hälfte“, obwohl es sich doch alles um die selben Sachverhalte handele. Müller: „Die Beweisanträge sind nicht überall gleich, es sind andere Fragen in Mecklenburg-Vorpommern.“ Sie müssten anfragen, auf Ergebnisse warten. Das sei aber mit dem Personalkörper nicht möglich. „Aber der Eindruck, den Sie vermitteln, dass wir Aufträge nicht bearbeitet haben…“. Es gäbe auch andere Ausschüsse, das laufe parallel, es ist nicht alles gelungen. „Aber ich sage zu, mein Nachfolger ist sicher bestrebt, offene Beweisanträge zu bearbeiten. Ob das in Gänze gelingt? Eher nicht.“ Barlen fragt nach Erkenntnissen zur NSU/NSDAP-CD. Der Zeuge sagt erneut, dass er dies im Detail nicht beantworten könne. Diesen Sachverhalt hätten die Ermittlungsbehörden bearbeitet. Er sei mit dem Leiter des LfV Hamburg im Bundesinnenministerium gewesen. Die CD sei identisch mit anderen DVDs, aber es gäbe keine absolute Identität, 90 % seien auch auf dieser CD. Es handele sich um 20.000 Bilder und „sonstige Dinge“, die auch „Aspekte aus dem 3. Reich beinhalten, aber keinen direkten Bezug zum NSU“, außer auf dem CD-Cover. Es gäbe keinen Bezug zum eigentlichen NSU-Geschehen. Wie die CD dorthin gekommen sei, sei nicht erklärbar.
Ritter fragt ob Müller den Bericht des Innenministeriums zum NSU-Komplex in Mecklenburg-Vorpommern mitgeschrieben habe. Müller: „Natürlich.“ Ritter sagt, darin ginge es auch um Jan Werner, darin heiße es, dass es Datenrecherchen, Befragung von V-Leuten und Aktensichtungen gegeben habe, um Informationen zu ihm zu erhalten. Ritter fragt, welche Informationen erhalten wurden. Der Zeuge sagt, er wisse nicht jedes Detail. „Schön, dass das eine gute Grundlage ist, das war ja auch unser Ansinnen, die Öffentlichkeit sollte sehen, die Behörden haben sich akribisch befasst.“ Ritter: „Wenn man geladen wird, befasst man sich ja vielleicht damit…“. Ritter fragt nach der Störung der Gedenkveranstaltung an Mehmet Turgut 2012. Müller: „Finden Sie das angemessen und fair, dass sie mich als Behördenleiter mit Einzelheiten konfrontieren? Der Eindruck, den sie vermitteln, wir hätten das nicht gemacht, stimmt nicht. Sehen Sie mir nach, dass ich keine differenzierte Antwort geben kann. Ich bin aber gern bereit, auf meine Ex-Mitarbeiter einzuwirken, sie sollen im Detail Rede und Antwort stehen.“ Ritter entgegnet, die „Ausreden“ könne er nicht akzeptieren, es handele sich hier nicht um Alltagskriminalität: „Wir haben das zu untersuchen und auch das Behördenhandeln, ich hätte erwartet, dass Sie umfassender vorbereitet sind“. Ritter sagt, er könne erwarten, dass Müller vor dem Ausschuss Detailwissen zeige. Müller: „Der Angriff auf das Denkmal ist ein Aspekt, dem wir intensiv nachgegangen sind.“ Er könne dazu aber keine Angaben aus dem Stegreif machen. „Wenn ich einzelne Sachen nicht sagen kann, heißt das nicht, dass ich mich nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorbereitet.“
Die Abgeordnete Bernhardt von der Linksfraktion fragt nach dem Neonazikonzert in Anklam und ob dort noch weitere NSU-relevante Personen anwesend gewesen seien. Sie fragt, welche Schlüsse der Verfassungsschutz aufgrund dieses Personenkreises gezogen habe. Müller sagt, es habe immer wieder rechtsextreme Konzerte gegeben, die gäbe es auch in Thüringen. „Da kann man sich die Frage stellen, warum Thüringen?“ Diese Konzerte seien ein Bindeglied der rechtsextremen Szene, „da versammelt man sich, trifft sich, bespricht sich, Alkohol spielt eine Rolle. Wenn wir die rechtlichen Voraussetzungen haben, Konzerte in den Blick zu nehmen, dann passiert Folgendes“: die Teilnehmer würden systematisch erfasst, die Fahrzeuge kontrolliert. Dann bemühe man sich, Personenzusammenhänge und Beziehungsstrukturen zu erarbeiten. Aus der Erkenntnis, eine Person sei bei einem Konzert, kann man nicht den Schluss ziehen, dass die Person auch in etwas anderes, zum Beispiel in den NSU, eingebunden sei. „Das wird geprüft.“ Man teile die Erkenntnisse dann mit. Bernhardt hakt nach, was dabei raus gekommen sei. Müller: „Eminger war da und andere“, aber es seien keine Erkenntnisse entstanden, die in der Frage der NSU-Unterstützung über Eminger hinaus weitergeholfen hätten.
Friedriszik fragt nach Quellen des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern, aber der Zeuge entgegnet, dazu könne er in öffentlicher Sitzung nichts sagen. Friedriszik sagt, es gehe ihm nicht um Personen, sondern ob zur Aufklärung des NSU Quellen eingesetzt worden seien. Müller wiederholt, zu Personen könne er nichts sagen. Sein Zeugenbeistand RA Peters verweist auf die Aussagegenehmigung, „Quellen genießen absoluten Schutz“. Der Vorsitzende beruft eine Beratung der Ob-Leute ein, die in einem anderen Raum stattfindet. Danach sagt RA Peters, letztlich müssten die Vertreter Landesregierung im Ausschuss entscheiden, ob die Aussage von der Genehmigung gedeckt sei. Der Vertreter der Regierung sagt, wie immer käme es darauf an, wie die Frage konkret gestellt werde. Es folgt eine weitere Beratung der Ob-Leute. Danach fragt Friedriszik, ob im Zusammenhang mit der Nachbereitung des NSU V-Leute eingesetzt worden seien. Müller: „Sie können davon ausgehen, dass der Verfassungsschutz im Rahmen der Gesetze offene und verdeckte Möglichkeiten nutzt und das gehört dazu.“ Danach wird der Zeuge in Nicht-öffentlicher Sitzung befragt.
Als zweiter Zeuge ist Polizeihauptkommissar Detlev Schröder geladen, auch er bringt RA Butz Peters als seinen Rechtsbeistand mit. Schröder war 1999 bis 2000 und erneut 2002 Leiter der „Mobilen Aufklärung Extremismus“ (MAEX) im LKA Mecklenburg-Vorpommern. Zu seiner damaligen Aufgabe sagt der Zeuge, er sollte die MAEX-Gruppen aufbauen, begleiten und gucken, ob sie im Rahmen des Erlasses handeln. „Am Anfang war das nicht so, dass sie im Rahmen des Erlasses gehandelt haben.“ Auf Nachfrage des Vorsitzenden führt der Zeuge seine Aufgaben näher aus. Er sagt, seine Aufgaben seien bei der Koordinierungsstelle der MAEX angesiedelt gewesen. Es sei um den Aufbau gegangen, man habe die Erkenntnisse der MAEX ausgewertet, die Erkenntnisse zurück an die MAEX geleitet. Außerdem habe er Lageberichte erstellt und die Einsätze der MAEX-Einheiten koordiniert. Man habe sich das Prinzip von der Mobile Einsatzeinheit gegen Gewalt (MEGA) in Brandenburg abgeguckt und von denen gelernt, denn eine solche Einheit habe es in Mecklenburg-Vorpommern ja nicht gegeben. Die Koordinierungsstelle der MAEX sei dabei eine Fachaufsicht, keine Dienstaufsicht gewesen. Es sei um die offene Aufklärung von Szenetreffpunkten gegangen, um Informationsgewinnung, beispielsweise zu Konzerten größerer Gruppen. Man habe sich auf Stadtfesten umgesehen, „das war damals eine Besonderheit“, es seien immer rechte Gruppen bei Dorffesten gewesen. Die Aufgabe der MAEX sei gewesen, herauszufinden, wer das sei. Sie hätten mit Aktionsbündnissen und Sozialarbeiter*innen zusammen gearbeitet, sie hätten sich mit ihnen „kurzgeschlossen“, wo man sie unterstützen könne.
Manthei fragt, mit welchem Einsatzauftrag die Mitglieder der MAEX zu ihren Einsätzen geschickt worden seien. Schröder sagt, die Beamten seien „zum Einsatz rausgefahren“, zu Szenetreffpunkten, sie hätten sich als MAEX vorgestellt und „Personalien bezogen“. „Sie mussten gucken, ob sie ins Gespräch kamen“, die Möglichkeit sei vom Alkoholpegel abhängig gewesen. Daraus sei dann eine Datei für alle rechten Personen und Gruppierungen entstanden, „dann konnte man sehen, wer gehört zu welcher Gruppe“. Es habe habe aber keine festen Strukturen gegeben, von denen sie etwas gewusst hätten. Der Vorsitzende fragt nach den Kriterien für die Einstellung vom Beamten. Schröder: „Wir hatten nur die Fachaufsicht, die KPI habe die Leute angefragt. Am Anfang habe es eine große Fluktuation gegeben, viele hätten nach einem halben Jahr gesehen, dass dies nicht das sei, was sie wollten. Manthei fragt, woher die Frustration gekommen sei. Schröder: „Wenn ich das wüsste.“ Sie hätten am Anfang große Schwierigkeiten gehabt, akzeptiert zu werden, auch von den Behörden. Das sei politisch schwierig gewesen. „Unsere Aufgabe wurde missverstanden, unsere Aufgabe war es nicht, mit Schlagstock die Szene zu stürmen, sondern offene, präventive Arbeit.“ Die Aufgabe der MAEX sei ein Kommunikationsangebot gewesen.
Friedriszik spricht den Fernsehbeitrag „Grölende Nazis, hilflose Polizisten – Kapitulation am Ostseestrand“ an. Schröder sagt, der Beitrag habe die Aufgaben der MAEX nicht richtig dargestellt, „sie haben mich falsch dargestellt“. Es habe nicht gestimmt, dass man sich aus Angst zurückgezogen habe. Es habe Absprachen mit Rostock gegeben, ob Maßnahmen zu treffen sind, „aber es gab keine Einsatzkräfte, es gab auch keine Hinweise auf Straftaten in dem Moment“. Friedriszik fragt, ob er bei der Aufstellung der MAEX mitgewirkt habe. Der Zeuge sagt, es habe den Erlass gegeben, dass eine solche Einheit gegründet werden solle, er habe in Anlehnung an diesen Erlass den Rahmen dafür geschrieben. „Ich hatte die Aufgabe, den Polizeidirektionen einen Vorschlag zu machen, das habe ich dann gemacht. Es sei um die Gruppenstärke gegangen, wie die Einheiten anzubinden seien, was die Aufgaben der Gruppen sein sollte. Friedriszik: „Sie stecken ja tief im Detail, wie würden Sie rückblickend die Tätigkeit der MAEX bewerten?“ Schröder: „20 Jahre später ist das schwierig zu beantworten, die Idee war sehr gut. Die Idee, rechtes Klientel aufzuklären, wer ist wer.“ In den Medien hätten Schlagworte wie „brauner Osten“ rumgegeistert. Da habe man aufklären wollen wer ist wer, „nicht jeder mit Springerstiefeln und Thor Steinar ist gleich ein Neonazi“, das hätten sie damals nicht gewusst, deswegen seien sie da rangegangen. Schröder bezieht sich erneut auf den Fernsehbeitrag und die Personen in der Wohnung, „da standen halbe Kinder vor mir“, die meisten CDs seien nicht indiziert gewesen. Wie seine Rahmung aber umgesetzt worden sei, kommt der Zeuge auf die Frage zurück, „ich will hier niemanden in die Pfanne hauen…“. Friedriszik sagt, das gehöre zu ihrem Untersuchungsauftrag. Schröder: „Für mein Dafürhalten wurde damals blockiert, wir hatten keinen Einfluss auf die Dienstaufsicht.“ Im Rahmenbefehl und im Erlass stehe, die MAEX solle zum Beispiel Erkenntnisse zu Konzerten sammeln.
Auf erneute Frage nach den Aufgaben der MAEX sagt Schröder, es sei um offene und präventive Aufklärung gegangen. Am Anfang sei dies „sehr holprig“ gewesen, nach einem halben Jahr sei es schon besser gelaufen. Friedriszik fasst nachfragend zusammen, wenn man Beobachtungen gemacht habe zum Beispiel bei einem Dorffest und dort Nazis gesehen habe, ob man dann Personenfeststellungen gemacht habe. Schröder: „Genauso.“ Er sei einmal in Güstrow gewesen, sechs Mitarbeiter wären auf 60 Skinheads getroffen, „noch keine Neonazis“. „Da haben wir verloren, da gab es Ausschreitungen. Wir haben uns zwei rausgepickt, wollten die Personalien, das haben die anderen mitbekommen.“ Dann seien es plötzlich 60 gewesen, es habe eine Gefangenenbefreiung gegeben. „Die Rostocker haben uns rausgeholt“, sonst hätte es „richtig blaue Augen“ gegeben. Allgemein hätten sie geschaut „wie sah die Person aus“, bei Skinheads hätten sie sich namentlich bekannt gemacht. Nach dem Einsatz seien Einsatzberichte geschrieben worden. Friedriszik fragt nach der Schulung der MAEX, szenetypische Kleidung und Musik müsse man ja erkennen können. Der Zeuge sagt, es habe keine spezielle Schulung gegeben. Sie hätten im LKA einen Beamten gehabt, der sei nur für die Auswertung von Musik zuständig gewesen. Sie seien auf einem Flur gewesen, „immer wenn ich Fragen hatte, habe ich nachgefragt“.
Lenz von der CDU fragt, ob ihm bekannt sei, dass im Jugendclub „MAX“ rechte Musik gespielt worden sei. Schröder: „Nein, ich kenne die Situation nur aus den Berichten, ich war nie vor Ort.“ Er habe das jetzt gesehen, er wisse nicht, ob damals „MAX“ als Wort gefallen sei. Auf Nachfrage der Abgeordneten Bernhardt bestätigt der Zeuge, er kenne den Club „MAX“ nur aus zweiter Hand. Bernhardt fragt, ob es regelmäßige Evaluierungen gegeben habe. Schröder: „Ja, ich bin selbst mit rausgefahren mit den Gruppen, habe mich selbst überzeugt, ob es so gemacht wird, wie wir das vorgeschlagen haben“. Am Anfang habe es wöchentliche Berichte an ihn gegeben, da habe er auf die Befolgung des Rahmenbefehls geachtet. Bernhardt fragt, ob dies nochmal insgesamt bewertet worden sei. Schröder: „Nicht auf meiner Ebene, ich habe nur vom Abteilungsleiter gehört: ‚war gut, geht gar nicht‘.“ Bernhardt fragt nach Schwerpunkten der Arbeit. Der Zeuge sagt, im Bereich Rostock sei mehr zu tun gewesen und in Anklam habe es eins, zwei Sachen gegeben, bei denen er mit vor Ort gewesen sei: „Es gab ein Konzert, ich habe selbst Kräfte angefordert, um das Konzert aufzulösen, ich bin abgeblitzt“, weil das Konzert für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar gewesen sei. „Wir waren ja keine Öffentlichkeit“, sagt der Zeuge und macht Anführungszeichen in die Luft. „Wir konnten nur Kennzeichen notieren und Fahrzeughalter ermitteln.“
Bernhardt zitiert aus dem Beitrag des NDR, dass sich die Einheit häufig hätte zurückziehen müssen. Der Zeuge verneint dies, „wir haben ja aus dem ersten halben Jahr gelernt“. Sie hätten dann Einsätze an Tageszeiten gewählt, zu denen die Neonazis gerade „aufgestanden oder kurz vorm ersten Bier“ gewesen seien. Schröder kommt auf den Fernsehbeitrag zurück, „das ist das was hängengeblieben ist, das wurde falsch dargestellt, ich hatte Angst um das Kamerateam“. Ihm seien „provokante Fragen“ gestellt worden, die er heute anders beantworten würde. Er finde die Darstellung, die MAEX hat Angst und zieht sich zurück „nach wie vor schade“. „Unsere Aufgabe war sehr schwer und wir haben alles getan, was uns möglich war.“ Bernhardt fragt nach der Einschätzung der Personen, die laut Beitrag den Geburtstag Adolf Hitlers gefeiert hätten. Schröder: „Das ist eine schwierige Frage, die waren naiv.“ Die Frau im Beitrag auf dem Balkon „weiß ja nicht wovon sie spricht, sie wollte sich groß machen, das war unreflektiert, das hat man gemerkt“. Wenn man nachgefragt habe, hätten die Personen nicht gewusst, „was was war“. „Das waren nicht alle Neonazis, sie hatten ihren Nationalstolz, wie der Franzose auch, einige waren stolz, Deutsche zu sein.“ Bernhardt fragt den Zeugen, wie er Neonazis definieren würde. Der Zeuge spricht davon, dass ein strenges Gedankengut, orientiert am Dritten Reich, vorliegen müsse, ein Neonazi sei jemand, der „unbelehrbar gegen die Demokratie arbeitet, so wie Eisenecker oder Pastörs“. Auf Nachfrage sagt Schröder, die Jugendlichen, die er kennengelernt habe, würde er nicht so einordnen.
Der Vorsitzende fragt, ob Blood&Honour in der Arbeit der MAEX eine Rolle gespielt habe. Schröder bejaht dies, es habe eine Person gegeben, „die sich da zugeordnet hat“. Das sei sicherlich Aufgabe der MAEX gewesen, danach zu gucken. „Sie waren gut zu erkennen, sie wurden kontaktiert“, auf das Verbot aufmerksam gemacht und hätten die Jacke ausziehen müssen, „da gab es einige solche Maßnahmen, es gab Anzeigen“. Die Ermittlungen seien von Staatsschutz geführt worden.
Ritter fragt erneut grundsätzlicher nach der Arbeit der MAEX, was der Zeuge zu Personalauswahl und Weiterbildungen sagen könne. „Wie hat Aufklärung funktioniert, was ist mit den Aufklärungsergebnissen passiert?“ Welche Reaktionen und Schlussfolgerungen habe es gegeben. Der Zeuge sagt, die Personendatensätze seien an die Koordinationsstelle der MAEX gesandt worden. Daraus haben man rauslesen können, „wo was los war“. Es habe eine Vorsichtung, Vorsortierung gegeben und das sei dann speziell ausgewertet worden. Es habe eine Datenbank gegeben. „Spätestens nachdem Wulff seine Hassrede auf die MAEX gehalten hat“, sei weniger mit den Beamten gesprochen worden, „sie haben verstanden, die reden mit uns, aber horchen uns aus“. Wenn Akteure Strukturen gewechselt hätten, hätten sie versucht rauszubekommen, „wer ist wo mit wem“. Das sei an das FK4 gegangen „und damit sollten die MAEX-Gruppen gefüttert werden“. Es sei um die Aufklärung „wer ist wer“ gegangen, aber auch um die Aufklärung der Jugendlichen, sie hätten gefragt, „was erzählst du für einen Scheiß“ und was da zurückgekommen sei, sei „nur Quatsch“ gewesen. Auf Nachfragen sagt Schröder: „Ich denke schon, dass wir aufgeklärt und nicht nur beobachtet haben“, sie hätten Namen festgestellt. Es mache polizeilich schon Sinn, einfach nur den Namen zu erfahren. Es sei nicht Aufgabe der MAEX, zu ermitteln. Das sei schwierig gewesen, sie hätten als die „Labergruppe“ gegolten.
Der letzte Zeuge des Tages ist Polizeihauptmeister Andreas Wenzel, auch er erscheint mit RA Butz Peters. Wenzel war von März 2011 bis 2012 bei der MAEX Neubrandenburg. Auf Frage von Friedriszik sagt er, der Auftrag der MAEX sei die offene Aufklärung von Extremismus. Sie sollten Bewegungsprofile erstellen, Personen bekannt machen, „rechts und links“. Sie sollten Informationen zu Konzerten und Demonstrationen sammeln, rausbekommen, wer für Schlägereien und Plakatierungen verantwortlich ist. Dies sei personenbezogen gewesen, die Informationen seien an das FK4 und den zuständigen KPI-Leiter gegangen. Friedriszik fragt nach den Personenfestellungen und der Zeuge sagt: „Man kannte sich“, wenn jemand unbekannt gewesen sei, dann habe man das Kennzeichen aufgenommen oder Personen direkt angesprochen. In Neustrelitz hätten sich die Rechten meistens an Garagenkomplexen oder Gartenlauben getroffen. Friedriszik fragt, ob er geschult worden sei. Wenzel sagt, ihm sei ein Kollege zur Seite gestellt worden, der schon länger dabei gewesen sei. Einmal im Jahr habe es eine Weiterbildung gegeben, „da wurde skizziert, wie die Szene ist“, Es seien keine speziellen Schulungen gewesen. Auf Frage sagt er, er selbst sei nicht bei Konzerten eingesetzt gewesen, er sein einmal in Wittstock bei einer Demonstration gewesen, „um zu gucken, ob Sympathisanten aus unserem Bereich“ dabei waren.
Bernhardt fragt nach einem Kontaktgespräch mit Co. Me. am 18. Oktober 2011. Wenzel: „Als ich zur MAEX gekommen bin, habe ich mich informiert“, welche Personen wichtig seien, wer wo aufhältig sei. Da sei ihm aufgefallen, in einem Bereich sei nicht viel bekannt gewesen, er sei dann auf den Namen Me. gestoßen, da habe es in der Beziehung „Unstimmigkeiten, diverse Anzeigen“ gegeben. Er habe Kontakt aufgenommen, ob sie Sachen mitteilen könnte. Bernhardt fragt, ob sich etwas zum NSU ergeben habe. Der Zeuge sagt, der Ehemann von Me. sei Ronny Me. gewesen, er stamme aus Thüringen, aus dem Bereich Bereich Saalfeld/Rudolstadt. 1999 sei er nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen, er besuche aber nach wie vor Treffen, Konzerte und Demonstrationen in Thüringen. Die Konzerte würden meist in Pößneck und Rudolstadt stattfinden. CDs und Bekleidung der rechten Szene würde Ronny Me. von einem „Max aus Thüringen“ erhalten. Zudem besitze er ein T-Shirt mit der Aufschrift „Anti-Antifa Saalfeld“. Ein Mitglied des Thüringer Heimatschutz habe ihn besucht. Er, Wenzel, habe mal versucht, Herrn Me. aufzusuchen, das habe aber nicht geklappt. Er habe das, was Frau Me. angegeben habe, festgehalten und weitergeleitet. Auf Frage sagt der Zeuge, Ronny Me. sei nicht allgemein bekannt gewesen, er sei ihm erst durch Frau Me. bekannt geworden.
Ritter fragt nach den Angaben von Co. Me. vom 5. Januar 2012, nach denen sie schon vom NSU gehört habe. Wenzel: „Ja, weil sich Ronny Me. mit Tino Brandt am Telefon unterhalten hat, es ging um Propaganda-Material. Ich weiß nicht, ob Tino Brandt oder Holger Gerlach Mitglieder des NSU sind.“ Ritter fragt, ob sich daraus Nachfragen ergeben hätten. Wenzel sagt, er sei bei keiner Vernehmung von Frau Me. zugegen gewesen. „Ich habe Kontakt hergestellt, ich war im Nebenzimmer, es gab Wahllichtbildvorlagen“. Er sei seit 2012 woanders tätig und seitdem habe sich niemand mehr bei ihm gemeldet.
Friedriszik fragt erneut nach den Erkenntnissen von Treffen zwischen Tino Brandt und der Familie Me. Wenzel sagt, Frau Me. habe gesagt, Brandt habe ihren Mann besucht und wenn ihr Mann in Thüringen war, „soll er dort gewesen sein“, das sei aber Hörensagen von Frau Me. Friedriszik fragt, ob Brandt in Mecklenburg-Vorpommern auf die Schießstand gewesen sei. Der Zeuge sagt, dazu habe er keine Erkenntnisse.