„Selbst wenn Ausgabe 18 vorgelegene hätte, wäre das kein Hinweis auf ein Trio gewesen, das terroristisch tätig ist.“ Die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Februar 2021

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2002 hätte der NSU gefasst werden können: Er wandte sich mit Briefen und Spenden an die Szene. Die Verfassungsschutzämter führten ihre Teilinformationen wohl nie zusammen. Der erste Zeuge, „VS 12″, war Auswerter beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern und u.a. für die Kameradschaftsszene im Osten von Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Da das Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ ab 2000 von David Petereit aus Neustrelitz herausgegeben wurde, gab „VS 12″ ab 2001 in Auftrag, alle Hefte zu besorgen. „VS 12″ sagt, die Meldung zu der Spende sei eine Besonderheit gewesen und dass es wichtig gewesen wäre, den Spender ausfindig zu machen. Die Ausgabe 18 und den Brief habe er vor 2012 jedoch nie gesehen. Die Beschaffung des VS Mecklenburg-Vorpommern habe beides nicht besorgen können. „VS 12″ betont, dass er nicht glaube, dass man den NSU anhand von Spende, Brief und Heft hätte fassen können, da allein das Kürzel NSU nicht den Hinweis auf Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gegeben hätte. Der zweite Zeuge, „VS 5″, war von 2000 bis 2008 Leiter der Beschaffung des LfV Mecklenburg-Vorpommern, war also u.a. zuständig, die Führung von V-Leuten zu koordinieren. Er sagt, die Beschaffung sei nur auf Anweisung der Auswertungsabteilung aktiv geworden. Dazu, warum man Ausgabe 18 des „Weissen Wolf“ nicht beschaffen konnte, sagt „VS 5″, man habe wohl keine Quelle gehabt. Wozu eine Quelle? Um den „Weissen Wolf“ zu beziehen, musste man lediglich einen Umschlag mit Kaufpreis und Rückporto an ein Postfach schicken.

Bevor die Zeugenvernehmung am 26. Februar, einen Tag nach dem Jahrestag der Ermordung von Mehmet Turgut durch den NSU, beginnt, sagt die Vorsitzende des Ausschusses, man habe gestern in einer eingestuften Sitzung schon eine Schweigeminute „eingelegt“. Daher werde man keine weitere „abhalten“, aber die Öffentlichkeit solle wissen, dass man dies nicht vergessen habe. Der erste Zeuge des Tages, VS 12“, ist für die Öffentlichkeit nur akustisch im Café Niklot zu hören. Der Zeuge wurde durch den Verfassungsschutz benannt. Er sei mit dem Fanzine „Der Weisse Wolf“ und mit der Meldung zur Spende betraut gewesen, außerdem sei er 1999-2006 Sachbearbeiter zur „Region Ost“ gewesen. Zu seiner Vorbereitung sagt er, er habe Akten gelesen, insbesondere diejenigen, die er selbst bearbeitet und in dem Zeitraum angesehen habe. Er habe sich vorbereitet, sich Notizen gemacht, aber mit niemanden gesprochen.

Der Zeuge kommt zum Beweisthema und sagt, er habe damals aus der Publikation „Fahnenträger“ erfahren, dass es ein neues Heft des „Weissen Wolfs“ gebe. Er habe dann das Beschaffungsreferat gebeten, alle Ausgaben des „Weissen Wolfes“ zu beschaffen und zu speichern. Der Zeuge sagt, vor 1999 sei er in einem anderen Bereich gewesen, daher habe er sich alles erschließen müssen. Ob er Kenntnis von Ausgaben davor hatte, wisse er nicht mehr. Ab 2001 habe der „Weisse Wolf“ eine Postfachadresse in Neustrelitz gehabt. Seiner Erinnerung nach habe der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern – im Gegensatz zum Bundesamt – keinen Zugang zum Rundbrief vom Herausgeber David Petereit gehabt, worin dieser immer neue Ausgaben angekündigt habe. Er habe also nur über diesen Umweg erfahren, dass es eine neue Ausgabe gebe. Die ideologische Ausrichtung des Heftes und des Herausgebers seien offensichtlich gewesen, „die neonazistische Linie gab er vor“. Das Heft sei nur jedes halbe Jahr erschienen und er habe der Publikation eine höhere Bedeutung für die Szene beigemessen, so der Zeuge weiter. Inhaltlich habe ein „Rückgriff auf die Erfolge zwischen 1933 bis 1945“ stattgefunden. Den Lesern sei der Nationalsozialismus vermittelt worden.

Der Zeuge sagt, er habe in unterschiedlichen Bereichen mit Deckblattberichten zu tun gehabt, mit einer fast fünfstelligen Zahl bisher, doch der Hinweis auf die Spende sei ihm besonders in Erinnerung geblieben: „Ich habe die Meldung wiedererkannt, als ich sie im Januar 2021 wieder in den Händen hielt“. Die Meldung habe besonders gemacht, dass man zwar aus der Bearbeitung des „Weissen Wolfes“ Anhaltspunkte zur Struktur der Neonaziszene im Land habe gewinnen können, aber zu Finanzierung habe es außer dem Verkaufspreis keine Informationen gegeben. Dann sei die Meldung zur Spende von 2500€ mit dem Hinweis auf anonyme Spender gekommen. Eine Spende in dieser Höhe sei ein Novum in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Daraus hätten sich Fragen ergeben: wer ist der Spender, eine Einzelperson oder eine Organisation, wann kam die Spende und war dies eine einmalige Spende. Es habe sich auch die Frage gestellt, ob mit der Spende Einfluss auf die Inhalte des Heftes genommen werden sollte. Der Inhalt der Quellenmeldung habe dazu geführt, dass man Verfassungsschutzbehörden anderer Länder informiert und mit ihnen zusammengearbeitet habe. Wenn der Brief vorgelegen hätte, dann wäre dieser dem BfV „ganz sicher“ übermittelt worden. Der wäre dort und in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Kürzel „NSU“ gespeichert worden. „VS 12“ sagt, seiner Ansicht nach hätte es durch den Brief keine Aufklärung gegeben, auch wenn intensiv nach Personen hinter dem Kürzel gefahndet worden wäre, man hätte keinen Anfasser finden können.

Für ihn habe 2002 nur festgestanden, es handele sich um eine Einzelperson oder Gruppe, die mit den Inhalten des „Weissen Wolfes“ einverstanden seien und diesem daher eine Spende hätten zukommen lassen. Man habe gedacht, eventuell komme noch eine Spende und habe damit die Hoffnung verbunden, den Spender zu finden. Man habe es aber trotz Aufklärungswillen nicht geschafft, das gelte auch für andere anonyme Spender, fügt der Zeuge hinzu. Nach der Einzelmeldung habe es keine weiteren Informationen zum Spendenkomplex gegeben, auch keine Informationen dazu, welche Maßnahmen die Beschaffung gemacht habe, um den Sachverhalt aufzuhellen.

VS 12“ geht auf die Entscheidung ein, diese Meldung nicht an das BfV weitergegeben zu haben. Dieses „hätte wahrscheinlich den Ball dann zurückgespielt“ und gesagt, Mecklenburg-Vorpommern solle sich wieder melden, wenn man weitere Informationen habe: „Aber das wurde ja sowieso in die Wege geleitet, wenn man den Brief gehabt hätte, hätte man das weitergeleitet.“ Das habe sein Vorgesetzter auch so gesehen. Er könne sich wegen der Ausgabe 18 dem Zeugen Egerton [siehe Sitzung vom 4. Dezember 2020]anschließen, der 2013 vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss ausgesagt habe, man hätte aus dem Satz im Editorial keine inhaltliche Relevanz herauslesen können. Aus seiner Sicht sei es so: „Selbst wenn Ausgabe 18 vorgelegen hätte, wäre das kein Hinweis auf ein Trio gewesen, das terroristisch tätig ist.“

Damals sei die Anforderung von Ausgaben bei anderen Ämtern nicht üblich gewesen, „weil nicht eingescannt werden konnte“, sondern nur kopiert. Es habe eine Vielzahl von Publikationen gegeben, der „Weisse Wolf“ sei nur „eine von vielen“ gewesen, daher habe man sie nicht angefordert. Er habe gedacht, dass die Ausgaben 18 und 19 bei der nächsten Lieferung der Beschaffung dabei sein würden. Der Zeuge kommt auf den unterlassenen Kontakt zwischen dem LfV Mecklenburg-Vorpommern und dem BfV zurück und sagt, es wäre anders gelaufen, wenn der Spendenbrief abgedruckt worden wäre, „wie offenbar vom Sender beabsichtigt“. Dann hätte sicher Herr Egerton Kontakt mit Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen. Der Zeuge sagt, er frage sich: „Warum kam es nicht zum Abdruck, ich lese die Intention aus dem Brief heraus. Keine Ahnung, ich gehe davon aus, er dachte, ein Abdruck wird die Behörden auf ihn ansetzen. So, seht her: ich lasse mich von potenter nicht bekannter Organisation co-finanzieren.“ Zusammenfassend sagt der Zeuge, ein Rückschluss auf das Trio wäre durch den Hinweis auf die Spende nicht möglich gewesen. Auch der „Dreiklang: Spende, Danksagung und Brief wäre nicht geeignet gewesen, da der Begriff NSU der Szene nicht bekannt war. Die Gleichung kann nur aufgelöst werden, wenn man die Namen hat.“ Die Nicht-Aufklärung habe zu einem Imageverlust geführt, das gelte auch für die Nicht-Aufklärung der Spende, „das geht in meine Richtung“. „Wenn man den Spendenbrief gehabt hätte, dann hätte man einen Anfasser gehabt, aber ob das zur Erfassung des Trios geführt hätte, muss offen bleiben.“

Der Zeuge hatte zu Beginn seiner Aussage angekündigt, er könne Ausführungen zu einer zweiten bzw. doppelten Deckblattmeldung machen, diese fordert die SPD nun ein. Der Zeuge sagt, von der „Deckblattmeldung 402“, also jener zu Spende, gäbe es zwei Ausdrucke, einen vom 9. April, einen vom 12. April, mit unterschiedlichen Anmerkungen von unterschiedlichen Personen und Anmerkungen oder Arbeitsschritten. Er wolle vorausschicken, was auf einer Deckblattmeldung stehe. Dort sei vermerkt, wann und wo die Information erhoben worden sei, wer sie erhoben habe. Dann gebe es einen inhaltlichen Teil. An der Passage zur Spende sei „VRO erledigt“ notiert worden. Er selbst habe auf dem ihm vorliegenden Dokument vermerkt, dass dies ein „Doppel“ sei. Es sei hin und wieder vorgekommen, dass es Deckblattmeldungen in unterschiedlichen Ausführungen gegeben habe. Auch auf dem Vorblatt zur Deckblattmeldung habe es die Anmerkung „die haben wir doch schon“ gegeben. Auf die Frage, auf welches Vorblatt sich der Zeuge beziehe, wird deutlich, dass diese Dokumente dem Ausschuss nicht vorgelegt wurden. Der Regierungsvertreter sagt, er habe das Dokument bei der letzten Sitzung in der Tasche gehabt, aber niemand habe es sehen wollen. Auf dem ersten Ausdruck der Deckblattmeldung sei u.a. vermerkt, dass die Meldung nach Brandenburg weitergeschickt werden sollte, wegen einer Veranstaltung zu der die Quelle neben der Spende auch Informationen geliefert habe.

VS 12“ sagt, ihm sei bei seiner Vorbereitung aufgefallen, dass die Version, die dem Ausschuss vorliege, nicht die einzige sei. Er habe sich um die andere Version gekümmert, er habe gesagt, „ich will beide Versionen mitnehmen, weil sich da ablesen lässt, was ich gemacht habe und was nicht, es könnte ja eine Vorwurfslage geben.“ Zum angesprochenen Vorblatt zur Deckblattmeldung sagt der Zeuge, dieses komme vom Beschaffungsreferat, darauf sei ein Aktenzeichen, das Datum, wann die Information erhoben wurde und es stehe darauf, wer die Deckblattmeldung geschrieben habe. Außerdem stehe darauf der Deckname der Quelle und eine Ziffer, „so kommt es dann in die Auswertung, damals auf Papier, da hat man aufs Vorblatt drauf geschrieben, was damit zu tun ist“. Die Meldung vom 4. April sei am 9. April in der Auswertung angekommen. „Und am 12. April kam das nochmal von Seiten der Beschaffung, das hat die Referatsleitung gleich gemerkt“. Diese habe drauf geschrieben, das sei ein Doppel und habe auf das von ihm bearbeitete Stück hingewiesen. „Das Wort Doppel zeigt, es gab den Fehler nicht regelmäßig, aber es kam immer mal vor, das hängt auch damit zusammen, wie und warum die Beschaffung diese Information ins Haus gebracht hat.“ Diese Deckblattmeldung sei zweimal ausgedruckt worden.

Das Fragerecht geht an die Linksfraktion und der Abgeordnete Ritter merkt zunächst an, dass es egal sei, was der Regierungsvertreter in der Tasche habe. Es gäbe Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses und „die Dokumente sind vorzulegen“. Ritter fragt den Zeugen nach dem Zusammenhang zwischen dem NSU und dem „Weissen Wolf“ und ob der „Gruß an den NSU“ nicht hätte zum Ermittlungserfolg führen können. Der Zeuge sagt, er habe das Kürzel NSU und den „Weissen Wolf“ nie zusammen sehen können, weil die Ausgabe 18 nicht da gewesen sei. Er kenne das Kürzel NSU erst nach 2011. „Hätte ich die Ausgabe gehabt, hätte ich es gesehen, hätte man den Spendenzusammenhang vielleicht hergestellt“, er habe Ausgabe 18 aber nie gehabt. Da könne man fragen, warum nicht, warum wurde die nicht angefordert. Die Veranlassung wäre im Nachhinein richtig gewesen. Das sei aber damals „unüblich“ gewesen, „weil man hätte alles kopieren müssen“. Das hätte nicht funktioniert, „wenn alle gesagt hätten, das und das will ich auch“, so der Zeuge weiter. Er erklärt, eine Anforderung sei nur möglich gewesen, wenn Ämter explizit vermerkt hätten, dass etwas angefordert werden könne, wenn etwas doppelt vorgelegen hätte, „dann hätte man sie eingetütet und weggeschickt“. „Es war unabgesprochen so, dass man nicht angefragt hat.“

Auf die Frage, welche Ausgabe des „Weissen Wolfs“ er ausgewertet habe, sagt der Zeuge, die 16, 17 und eventuell die 19. Definitiv könne er sagen, dass er die Ausgaben vor 1999, bei denen Brandenburg zuständig gewesen sei, „weder angeguckt noch zur Kenntnis genommen“ habe, er sei erst 1999 ins Referat gekommen. Ritter fragt, wie der Ablauf der Auswertung gewesen sei. „VS 12“ antwortet, die Auswertung habe sich auf Sachgebiete bezogen, denen man zugeordnet war. Er selbst habe zu Kameradschaften ausgewertet, wenn es aber beispielsweise um Blood & Honour gegangen sei, habe er gar nicht richtig gelesen, da sei jemand anderes für zuständig gewesen: „Die Zeitschrift ging von Hand zu Hand und jeder hat sich das rausgepickt, für was er denkt, zuständig zu sein.“ Ritter hakt nach, ob es danach eine zusammenfassende Bewertung oder Besprechung der Kollegen gegeben habe. „VS 12“ sagt, der ‚Weisse Wolf‘ oder auch andere Publikationen seien in Zuständigkeiten unterteilt worden, jeder habe das Heft entsprechend des eigenen Bereiches bearbeitet, habe also in elektronischen Systemen gespeichert. „Eine Zusammenfassung, was ist unser Resümee zur Ausgabe, das hat es nicht gegeben, das hätte wohl in der Kopfstelle stattgefunden. Aber wenn was wichtig war, wurde die Hausleitung unterrichtet. Eine Gesamtschau hat stattgefunden, aber das einzelne Sitzungen dazu stattgefunden haben, nein.“

Ritter merkt an, der Zeuge habe selbst gesagt, dass die Spende herausragend gewesen sei, „da hätte es ja den Bedarf gegeben, weiter zu arbeiten.“ Der Zeuge bestätigt dies, das sei auch erfolgt, aber dazu könne er nur mehr in der eingestuften Sitzung sagen. Es sei aber erkannt worden, dass es die Notwendigkeit gebe, warum das dann erfolglos gewesen sei, könne er nur zum Teil sagen. „Das müssen die Kollegen sagen, die beauftragt wurden“. Ritter hakt erneut nach, warum das Heft nicht angefordert worden sei. „VS 12“ sagt, „retrograd gesehen“ könne er da nicht widersprechen. In der heutigen Zeit sei das mit einem Klick erledigt, die Möglichkeit habe es damals nicht gegeben. Er habe immer die Hoffnung gehabt, dass das Heft irgendwann von der Beschaffung geliefert würde. „Dass es am Ende nicht dazu kam, dem NSU die Spende zuzuordnen und dass dem NSU die Aufmerksamkeit nicht geschenkt wurde, lag nicht nicht an der Spende, sondern weil man den Spendenbrief nicht kannte.“ Aber das mache auch keinen Unterschied, weil man ja auch noch die Personen hätte finden müssen.

Barlen fragt, ob die Decktblattmeldung auch den Treffbericht enthalten habe. Der Zeuge verneint, Treffberichte kenne er nicht, „ich weiß es gibt sie“, aber diese würden nur in der Beschaffung aufbewahrt. Darin stehe ein Datum zum Treffen, die Umstände würden beschrieben und Informationen zur Quelle seien enthalten. Der Abgeordnete hakt nach, ob er sich darauf habe verlassen können, dass alle Informationen aus dem Treffbericht inhaltlich in der Deckblattmeldung gestanden hätten. „VS 12“ antwortet, ein Treffbericht habe mit den Inhalten nichts zu tun, die später im Deckblatt stehen. Das Deckblatt sei kein Auszug aus dem Treffbericht, er umfasse andere Sachen, z.B. die technischen Informationen zur Quellenführung. Also wann man sich getroffen habe, ob die Quelle Geld bekommen habe, „mehr ist da nicht“, der wesentliche Inhalt sei in den Deckblattberichten. Barlen sagt, er sei der Auffassung, Treffberichte gehören zur Vollständigkeit dazu. Er wolle wissen, ob die Quelle ausgequetscht wurde, woher das Geld der Spende gekommen sei. Der Zeuge sagt, dazu möchte er nichts sagen, das könne er nur in der eingestuften Sitzung.

Ritter fragt, wer vor dem Zeugen für den „Weissen Wolf“ zuständig gewesen sei. Dieser sagt, er haben den Bereich „rechtsextreme Kameradschaftsszene Ost“ von einer Kollegin „geerbt“, aber der „Weisse Wolf“ sei darin nicht aufgeführt gewesen, er nehme nicht an, dass er darin enthalten gewesen sei: „Die Kollegin vorher hat den Staffelstab übergeben, formlos.“ Aber vor 1999 habe es keine Zuständigkeit in Mecklenburg-Vorpommern für den „Weissen Wolf“ gegeben, erst ab 2001, da habe es auch die erste Speicherung gegeben. „Vorher war niemand in Mecklenburg-Vorpommern zuständig für den ‚Weissen Wolf‘, war alles bisschen rudimentär vielleicht.“ Ritter fragt, ob jemand auch für die Auswertung der Grußbotschaften im „Weissen Wolf“ und anderen Fanzines zuständig gewesen sei. In der 9. Ausgabe gingen beispielsweise Grüße aus Rostock an Chemnitzer Strukturen. „VS 12“ antwortet, innerhalb des „Weissen Wolfes“ habe es Aufgaben dazu gegeben. Wenn es um Blood&Honour gegangen wäre, hätte es sich also die entsprechende Kollegin angesehen.

Ritter fragt nach der Rolle von David Petereit und ob hinterfragt worden sei, warum die Zuständigkeit für das Heft an ihn gegangen sei und wie dies bewertet worden sei. „VS 12“ sagt, die Auswirkungen von der Verantwortungsübergabe an Petereit und nach Neustrelitz auf die Kameradschaftsszene sei nicht gesondert diskutiert worden. Aber es habe gezeigt, dass Petereit ein Schwergewicht und sehr umtriebig gewesen sei. Ritter erinnert an die Sachverständigenanhörung von Antonia von der Behrens [siehe Sitzung vom 14. Juni 2019], dort habe diese gesagt, dass der „Weisse Wolf“ dem NSU von der ganzen Art und Inhalt her entgegenkomme. Ritter fragt den Zeugen, ob er diese Bewertung teile. Ritter fragt außerdem, ob man sich nach der Selbstenttarnung des NSU noch einmal zusammengesetzt habe, um diese Zusammenhänge mit dem Blick von heute nochmal zu bewerten. „VS 12“ sagt, die inhaltliche Nähe zum NSU sehe er auch, der „Weisse Wolf“ stehe für Nationalsozialismus, da liege dies nahe. Nach 2011 habe man nicht mit ihm gesprochen, so der Zeuge weiter, das sei vielleicht nicht notwendig gewesen. Er habe am Rande mitbekommen, dass es zur Aufarbeitung sehr umfangreiche Recherchen im Haus gegeben habe, es sei alles nochmal durchgesehen worden. Nach gezogenen Konsequenzen müsse man seine Kollegen fragen.

Die Abgeordnete Tegtmeier von der SPD fragt, ob es einen Beschaffungsauftrag für den „Weissen Wolf“ gegeben habe, als er 1999 das Ressort übernommen habe. „VS 12“ sagt, die Zuständigkeit habe er erst 2001 begründet, er sehe die Zuständigkeit von Mecklenburg-Vorpommern ab 2001. Er habe dann auch einen Beschaffungsantrag gestellt, so der Zeuge auf Nachfrage. Der „Weisse Wolf“ sei zuvor kein Beobachtungsobjekt in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Ab 2001 habe die Beschaffung auch die Ausgaben des „Weissen Wolfes“ zur Verfügung gestellt, so der Zeuge auf weitere Nachfrage. Die SPD fragt, wie er darauf reagiert habe, als er die Ausgabe 18 nicht bekommen habe. Dieser sagt, es sei zeitlich so gewesen, der Spendenhinweis sei am 4. April 2002 gegeben worden, dann sei er innerhalb von zehn Tage zu ihm gekommen. Er habe darauf reagiert, mit Kollegen gesprochen. Er wisse nicht, wann die Ausgabe 18 gekommen sei, erst ein halbes Jahr später ungefähr. Nachdem er die Ausgabe 18 nicht vorliegen gehabt habe, habe er nicht gesehen, dass es darin um einen „NSU“ gegangen sei. 2002 sei ihm also nur bekannt gewesen, dass dem „Weissen Wolf“ eine Spende gemacht wurde, den Rückschluss, dass es später im „Weissen Wolf“ gestanden habe, habe er nicht machen können. Vielleicht hätte er „eins und eins“ zusammengezählt, aber er habe die Ausgabe nicht gehabt. Er habe auch keine Erinnerung, dass Egerton angerufen und gesagt habe, „Petereit hat einen Dank ausgesprochen, kennt ihr die?“ Egerton habe in seinen Aussagen auch angegeben, dass ihm die Stelle nicht so ins Bewusstsein gedrungen sei.

Tegtmeier: „Mich hätte das schon interessiert, ob sich nach der Spende was ändert.“ „VS 12“: „Das würde ich retrograd auch so sehen, aber darauf reflektiert habe ich 2002 in dieser Form nicht.“ Er habe auch nicht gesagt, dass er gedacht habe, er werde die Ausgabe nicht bekommen, er habe gedacht, er kriege sie noch. „Es gab die Information durch den Rundbrief, dass es Ausgabe 18 gibt.“ Er habe nicht nochmal mit Nachdruck die Ausgabe gefordert, er habe gedacht, „wird schon irgendwann kommen“. Das BfV und Brandenburg hätten die Ausgabe im Juli 2003 bekommen, „15 Monate später, so waren die Zeiträume damals“. Daher habe er eine eher abwartende Haltung gehabt, „aber es war einem nicht egal“. Barlen fragt den Zeugen, ob er gewusst habe, dass die Ausgabe anderen Ämtern vorgelegen habe. Dies bejaht „VS 12“, er habe es aus einer Meldung des LfV Brandenburg erfahren. Dieses hätte eine Auflistung geschickt, dass sie für das Jahr 2002 15 Anlagen an das BfV verschickt hätten, davon zehn Hefte und CDs, darunter sei die Ausgabe 18 gewesen. „Da habe ich das sicherlich zur Kenntnis genommen, aber es war nicht üblich, die darum zu bitten, dass sie das schicken.“ Er hätte sie nur angefordert, „wenn dran gestanden hätte, kann angefordert werden, das stand da aber nicht“. Wenn es nicht dran stand, wäre es möglich gewesen, ein Heft anzufordern, es sei aber nicht üblich gewesen. Er habe die Ausgabe 18 letztlich nie in der Hand gehabt. Er habe auch andere Arbeit gehabt und habe nicht zurückgeschaut, „was fehlt mir noch“. Er wolle nicht widersprechen, letztlich sei es im Sande verlaufen. Aber es wäre sicher anders verlaufen, wenn es den Hinweis gegeben habe, dass da etwas wichtiges drin sei. „Es wäre sicher auch anders gewesen, wenn die Beschaffung nicht mit konspirativen Umständen verbunden wäre“, wann das Heft zugeschickt oder am Kiosk verkauft worden wäre, „das hätte ich auf jeden Fall auch gemacht, aber ich war drauf angewiesen, dass Dritte das machen“, so der Zeuge auf weitere Fragen. Auf Frage des Abgeordneten Ritter zu der Thematik sagt der Zeuge: „Ich widerspreche nicht, Nummer 18 hätte man besorgen können oder sollen, solche Sachen sollte man vollständig haben.“

Ritter sagt, kurz nach Erscheinen der 16. Ausgabe des „Weissen Wolfs“ sei Süleyman Taşköprü in Hamburg ermordet worden. In dieser Ausgabe habe sich ein rassistischer Artikel über Hamburg befunden. Dazu habe der NSU in seinem Spendenbrief selbst ausgeführt, dass Fanzines gute Informationsquellen für ihn seien. Der Zeuge antwortete, dass es diesbezüglich keinen Kontakt zum Hamburger Verfassungsschutz gegeben habe. Er habe weder von den Morden noch von den Banküberfällen dienstlich erfahren. Ob möglichen Verbindungen nach der Selbstenttarnung des NSU nachgegangen worden sei, könne er nicht sagen, da er inzwischen in ein anderes Sachgebiet gewechselt sei.

Die Vorsitzende sagt, es habe das Schreiben aus Brandenburg gegeben, dass die Ausgabe 18 dort vorliege und trotzdem sei auf dem Beschaffungsantrag von „VS 10“ vermerkt, „‚kein Zugang zu Publikation.‘ Zeitgleich war Ihnen ja bekannt, sie liegt in Brandenburg“. Der Beschaffungsantrag sei vom 26. September 2003. „Was genau bedeutet kein Zugang?“ Der Zeuge sagt, die Zuständigkeit habe dem Beschaffungsreferat oblegen. Wahrscheinlich habe dann die Kollegin angerufen und die haben gesagt, „da kommen wir nicht dran“. Er kenne den Beschaffungsauftrag nicht, so der Zeuge weiter, den habe sie nicht rückgekoppelt. Aber das habe er ja auch nicht gemacht, „sie wusste wohl nicht, dass ich einen Generalauftrag gemacht habe, der Auftrag war ja doppelt“, so der Zeuge weiter. Er habe seinen Auftrag 2001 erteilt, nachdem der „Weisse Wolf“ mit Neustrelitzer Postfach erschienen sei. Danach hatte die Beschaffung den Auftrag, den „Weissen Wolf“ in Zukunft zu beschaffen. Von Allwörden: „Warum wurde das nicht einfach aus Brandenburg beschafft, das will uns nicht in die Köpfe. Das liegt da, Mecklenburg-Vorpommern ist zuständig und besorgt die Ausgabe nicht, das können wir nicht nachvollziehen, aber das lässt sich nicht aufklären.“ Der Zeuge sagt, es wäre ihm schon wichtig, darauf hinzuweisen, „retrograd wäre es richtig gewesen“. Wenn er nur für den „Weissen Wolf“ zuständig gewesen wäre, „klar“, aber er habe nicht Tag und Nacht gedacht, „die 18 fehlt noch“. Auch bei anderen Sachen hätte man nicht gesagt, „schickt uns mal eine Kopie“. „Aber man muss es vollständig haben, sonst ist es nichts wert, der Auftrag hat bestanden. Die Rückmeldung ‚kein Zugang‘ war mir nicht bekannt, damit muss man sich auseinandersetzen. Man hätte es bestellen können, warum sagt das die Beschaffung das so, ist doch einfach, also muss was passiert sein, dass das nicht ging“. Vielleicht habe es keinen Weg zu einem Postfach gegeben, „das weiß ich alles nicht, die endgültige Aussage bekommen wir nicht mehr“.

Auch der zweite Zeuge des Tages ist nur im Café Niklot zu hören und tritt unter dem Namen „VS 5“ auf. Der Zeuge ist seit 2008 im Ruhestand und daher Beamter a.D. Zu seiner Vorbereitung sagt er, er sei geschockt gewesen, als er den Brief bekommen habe, dass er als Zeuge geladen ist. Es habe dann für ihn die Möglichkeit gegeben, Akten einzusehen, das habe er zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Peters gemacht. Er habe außerdem gestern nochmal mit dem Geheimschutzbeauftragten über die Aussagegenehmigung gesprochen. Der Zeuge sagt, er sei vor 20 Jahren, vom Juli 2000 bis zum 12. Dezember 2008 der Beschaffungsleiter des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern gewesen: „Das von mir geleitete Referat operative Beschaffung hatte die Aufgabe, durch Ermittlungen und V-Leute im Rechtsextremismus, Linksextremismus und Ausländerextremismus Informationen zu beschaffen.“ Seine Aufgabe sei gewesen, den V-Mannführern Aufgaben zuzuweisen, die V-Mannführung zu koordinieren. „Die Auswertung steuert die Beschaffung, das heißt, die Auswertungsreferate haben Aufträge übermittelt.“ „VS 5“ sagt, zum Beweisthema könne er sagen, er sei vor über einem Jahrzehnt ausgeschieden. Zu den „Aktivitäten des NSU und eventueller Unterstützung in Mecklenburg-Vorpommern während meiner Amtszeit“ sagt der Zeuge, er habe den Namen NSU nie im Zusammenhang mit rechtem Terror gehört, „ich kannte das nur früher als Automarke, mein Vater hatte ein Motorrad“. Im politischen Bereich sei ihm das gar nicht bekannt gewesen, die Namen des Tätertrios hätte er in seiner Zeit nie gehört, „geschweige denn von Aktivitäten Kenntnisse erhalten, in meinem Tätigkeitsbereich hat es keinerlei Hinweise auf Aktivitäten oder Unterstützung gegeben, ich kann also nichts weiter dazu sagen“. Zu den Banküberfällen sagt der Zeuge, nach seiner Erinnerung habe er keine Kenntnisse von Banküberfällen, „es war auch nicht mein Aufgabenbereich, mich mit Banküberfällen zu befassen“.

Zum Mord an Mehmet Turgut habe es nur einen Hinweis aus dem Bereich „Ausländextremismus“ gegeben, der habe nicht in den rechtsextremen Bereich geführt. Da Mordaufklärung nicht zum Bereich des Verfassungsschutzes gehöre, sei dieser Hinweis an die Polizei gegangen. Er habe mit dem V-Mannführer besprochen, wie man den Hinweis weiterleiten könnte, ohne die Quelle zu beschädigen. Als besten Weg hätten sie überlegt: Der V-Mannführer war vorher Mitarbeiter bei der KPI, er sollte die KPI also aufsuchen, um die Information weiterzugeben. Vom Treffen habe der V-Mannführer berichtet, er habe die Anwesenden unterrichtet, das BKA hatte erklärt, mit der Waffe gab es weitere Morde. „Somit war aus meiner Sicht federführend das BKA zuständig.“ Die Quelle sei dem BKA zur Abschöpfung angeboten worden. Der Zeuge sagt, er sei bei dem Treffen nicht anwesend gewesen, mehr könne er nicht sagen.

Die Vorsitzende sagt, der Schwerpunkt der Sitzung sei der „Weisse Wolf“ und dessen Ausgabe 18. Diese habe in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgelegen, er sei für die Beschaffung zuständig gewesen, daher sei die Frage, warum sie nicht beschafft worden sei. „VS 5“: „Wir hatten keinen Zugang, aber warum weiß ich nicht.“ Die Vorsitzende fragt, was „Zugang“ heiße. „VS 5“ sagt, es habe wohl keine Quelle gegeben. Die Vorsitzende sagt, in Brandenburg habe das Heft ja vorgelegen. Der Zeuge antwortet, sie hätten versucht, es zu besorgen. Dabei seien sie aber nur im eigenen Bundesland tätig geworden, in Brandenburg hätte es die Auswertung bestellen müssen, „so sehe ich das“. Die Abgeordnete Tegtmeier von der SPD fragt, ob der Zeuge bestätigen könne, dass die Beschaffung den Auftrag gehabt hätte, alle Hefte zu beschaffen. Der Zeuge sagt, daran habe er keine Erinnerung, es sei 20 Jahre her und er habe nicht nur zum Thema Rechtsextremismus gearbeitet, aber es wäre von der Logik richtig. Er fügt zum Begriff „Beschaffung“ hinzu, wenn die Auswertung bei einer anderen Verfassungsschutz-Behörde bestelle, „dann sprechen wir nicht von Beschaffung“.

Die Abgeordnete Tegtmeier von der SPD fragt nach der Meldung zu der Spende an den „Weissen Wolf“. „VS 5“ sagt, es könne sein, dass es diese Meldung gegeben habe, aber „ich hab‘s nicht drauf, kann‘s nicht sagen“. Der Abgeordnete Ritter fragt, ob der Untersuchungsausschuss die erste Institution sei, die bei ihm nachfragen würde. Dies bejaht der Zeuge, er sei auch nicht informiert worden, habe nichts bekommen. Ritter entgegnet, ihnen sei immer gesagt worden, es sei alles getan worden, er habe einen anderen Eindruck. Dies nimmt der Zeuge zum Anlass, darzustellen, dass der Verfassungsschutz vor 2011 alles getan habe und nimmt dies ebenfalls zum Anlass, die falschen Informationen, die sie zu Mehmet Turgut an die Polizei weitergaben, zu wiederholen. Ritter unterbricht: „Wir wissen ja, die Spur war falsch, es ist nicht hilfreich, wenn sie wiederholt wird.“ Ritter fragt, was von der Beschaffung beschafft würde. Der Zeuge sagt, in den Beobachtungsfeldern würde grundsätzlich der überwiegende Teil durch offene Materialien gesammelt, Tagespresse, Statements, offen zugängliche Quellen. Wenn die Auswertung feststelle, sie wolle da mehr wissen, dann sagen sie das der Beschaffung. Das sei ein gegenseitiger Kontakt, so der Zeuge auf Frage, „die Beschaffung kann aber nicht alleine losgehen“. Ritter fragt nach der Zusammenarbeit mit anderen Landesämtern und der Zeuge sagt, es gäbe einmal im Jahr eine „Beschaffertagung“. Ritter fragt nach Blood&Honour und was dem Zeugen dazu in Mecklenburg-Vorpommern bekannt sei. Der Zeuge sagt, aus der Erinnerung wisse er, Blood&Honour sei verboten worden, und dass auch noch nach dem Verbot Konzerte stattgefunden hätten, dabei sei der Veranstalter Oliver Do. gewesen. Auf nähere Nachfrage sagt der Zeuge allerdings, dazu wisse er nichts, „der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern war ja auch bei Blood&Honour nie enger vertreten“. Ritter hakt nach, ob es Beschaffungsaufträge zum Jugendclub MAX gegeben habe. Der Zeuge verneint, es habe hier viele Konzerte und Veranstaltungen gegeben, im Vorfeld sei versucht worden herauszufinden, wo etwas stattfindet.