Am 5. Prozesstag gegen den mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco Albrecht räumte Albrecht den Besitz von mehreren illegalen Schusswaffen ein, wollte jedoch nicht sagen, woher er diese hatte und wo sie nun sind. Er versuchte zugleich, die gerichtliche Bühne für seine extrem rechte Gedankenwelt und Bürgerkriegsphantasien zu nutzen.
Zu Beginn der Sitzung gab Franco Albrecht auf Nachfrage des Gerichts an, eine erneute Einlassung vorbereitet zu haben. Darin äußerte er, die Dauer seines Asylverfahrens sei ein Beleg dafür, dass er keinen Anschlag geplant habe. Er versuchte zunächst zu erklären, warum er auch nach seiner Anerkennung als Geflüchteter im Januar 2017 die falsche Tarnung aufrecht gehalten habe. Dies habe er getan, um nach der Anerkennung als Geflüchteter auf dem Arbeitsmarkt zu „recherchieren“. Bereits zu der Zeit seines Abiturs hätte er bei McDonalds gearbeitet, weil ihn der Niedriglohnsektor interessiere. Er hätte folglich als Geflüchteter auf dem Arbeitsmarkt „recherchiert“ und gleichzeitig sein „tatsächliches Leben“ geführt. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, mit einem Geflüchteten aus der Unterkunft, der für ihn die Post hätte annehmen können, zusammen in eine Wohnung in München zu ziehen und einen Job als Übersetzer anzunehmen. „Das war ein Plan“, so Albrecht.
Anschließend äußerte sich Albrecht zu den, in vorherigen Sitzungen gezeigten, Videos auf seinem Handy. Die Videos, in denen er selbst in die Kamera redete, hätte er auf Französisch verfasst, damit die Videos bei einer Prüfung durch Behörden nicht auffallen. Als er merkte, dass sein Handy nicht überprüft werde, hätte er zunehmend Deutsch gesprochen. Die Videos zeigten, dass er das Asylverfahren ergründen und keine Terroranschläge vorbereiten wollte. Dies bestätigten auch die von ihm zitierten Zeugenaussagen, so Albrecht.
Vorbereitungen auf Bürgerkriege und 3. Weltkrieg
Albrecht räumte den Besitz von Munition und Sprengkörpern ein. Diese habe er im Keller des Wohnhauses seiner Mutter gelagert. Der Keller diente ihm als Ablage für seine Bundeswehrmaterialien, hierfür räumte er ihn frei. Beim Ausräumen des Kellers habe er neben vielen unbrauchbaren Dingen der Vormieter auch das Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler gefunden. Dieses habe er nicht gelesen „um nicht beeinflusst zu werden“, fand es aber „erhaltenswert“ und habe es dort gelagert, führt Albrecht aus.
Der Zweck des Kellers habe sich mit der Zeit geändert: Aufgrund des „Säbelrasselns“ zwischen Ost und West habe er einen Dritten Weltkrieg zwischen Russland und dem Westen befürchtet. Er habe sich viel damit beschäftigt und überall Anzeichen hierfür gesehen, so Albrecht. Außerdem sprach er von durch Migration verursachten Kriegen oder Bürgerkriegen. Albrecht zitierte hierzu Meldungen verschiedener Medien, die dies seiner Ansicht nach vorhersagten und nach denen mit der Flucht von Menschen aus Bürgerkriegsländern nach Europa angeblich auch IS-Terroristen kämen.
Aus diesen Gründen begann er 2016 Vorbereitungen für einen möglichen Bürgerkrieg zu treffen und hortete im Keller des Wohnhauses seiner Mutter Stromgeneratoren, Benzin, Diesel, Alkohol und Zigaretten als Tauschmittel, Essensrationen, Wasser, aber auch „vier bis fünf Macheten als Selbstverteidigungswerkzeuge“. Albrecht betonte dabei seine vermeintliche Schutz- und Verteidigungsabsicht.
Als er von der Chatgruppe „Süd“ erfuhr, einer Gruppe von rechten Preppern aus dem Chatgruppen-Netzwerk des damaligen KSK-Soldaten Andre S. alias „Hannibal“, sei das „interessant für ihn“ gewesen, so Albrecht. In diese Gruppen sei er durch einen Bundeswehr Kameraden gekommen, mit dem er gemeinsam Ende 2015/Anfang 2016 einen Sportlehrgang absolvierte. Den Namen wollte Albrecht in Anwesenheit der Medien nicht sagen. In der Chatgruppe fand eine regelmäßige Vernetzung, Informationsaustausch und „Lageberichte“ über eine anstehende „Destabilisierung der öffentlichen Ordnung“ und mögliche Vorbereitungen darauf statt. Auf die Nachfrage des Vorsitzenden Richters, ob er heute denn noch immer so über die Gefahr von Bürgerkriegen oder einem Weltkrieg denke, antwortete Albrecht: Er habe heute „mehr Abstand“ dazu gewonnen, weil es sich nicht bestätigt hat. Er könne aber nicht sagen, dass das potenzielle Risiko nicht besteht. Er sei in der Sache „nicht mehr so drin“, sehe es aber auch nicht ganz anders.
Der Vorsitzende Richter Dr. Koller bat Franco A mehrmals darum, sich zum Tatvorwurf des illegalen Waffenbesitzes zu äußern, anstatt umfassende Ausführungen zur politischen Lage in Deutschland sowie zu seinen „Prepping“-Motiven zu verlautbaren. Albrecht lies sich davon jedoch wenig beirren und zitierte reihenweise Artikel, welche die vermeintliche Terrorgefahr in Europa und Deutschland durch die deutsche Migrationspolitik belegen sollten.
Noch immer verschwundene Waffen
Koller reagierte darauf zunehmend entnervt und forderte Albrecht mehrfach auf, sich zum objektiven Tatvorwurf anstatt zu seinen Motiven zu äußern. Doch Albrecht führte zuerst weiter aus, dass auch eine Gefahr von Anschlägen auf Soldaten bestünden hätte. So sollten Soldaten und Fahrzeuge während seiner Zeit als Soldat nahe Straßburg außerhalb der Kaserne nicht als Bundeswehr zu erkennen sein. Dies sei auch bei der Kaserne in Calw so gewesen erklärte Albrecht (in Calw ist das KSK stationiert, zu dem ebenfalls der Admin des Prepper-Netzwerks Andre S. gehörte).
Seine Befürchtungen vor einem Bürgerkrieg oder Dritten Weltkrieg haben ihn zur Hortung von Munition veranlasst, so Albrecht. Dabei habe es sich überwiegend um Platzpatronen, Knallkörper und Nebeltöpfe, Rauchgranaten sowie Signalpistolen gehandelt, die niemandem Schaden zufügen würden. Nun hakte Koller genauer nach und wollte wissen, seit wann die Waffen, die in der Anklage genannt werden, im Keller von Albrecht gelagert wurden und woher er diese hatte. Darauf reagierte Albrecht ausweichend. Er gab lediglich an, dass sich seit Mitte 2016 die Gegenstände teilweise im Keller befanden. Auf die Nachfrage, woher diese stammen, sagte er nichts.
Albrecht räumte den „zeitlich begrenzten Besitz“ eines Sturmgewehrs Heckler&Koch G3, eines Gewehrs des Herstellers Landmann-Preetz und einer weiteren Pistole vom Kaliber 7,65mm Browning ein, wie es ihm die Anklage vorwirft. Die Pistole und das G3 sind bis heute nicht gefunden worden. Albrecht wollte jedoch nicht sagen, woher er die Waffen hatte, wie er sich dieser Waffen entledigte und wo sie derzeit sind. Er sagte lediglich, dass das Gewehr von Landmann Preetz und die Browning-Pistole auch im Keller gelagert waren. Auf die Frage ob Munition und Waffen zusammen gelagert wurden, antworte er nur, dass Teile zusammen gelagert wurden. Ob das G3 auch dort gelagert wurde wollte er nicht sagen. Die Waffen, die nicht bei ihm gefunden wurden, habe er sich teilweise vor seiner Festnahme in Wien entledigt, teilweise danach.
Albrecht gab lediglich an, mit den Waffen auf einem öffentlichen Schießstand geschossen zu haben und dass er diese nicht von Rainer He. erworben hat. Von He., sagte Albrecht, habe er ein Zielfernrohr gekauft, das normalerweise für Softair-Waffen benutzt werde. Hierfür habe er 200€ bezahlt. Dieses Zielfernrohr sei laut Albrecht aufgrund der Qualität nicht für einen Anschlag zu gebrauchen. Ebenso gegen die Anklage einer Anschlagsvorbereitung spreche, dass er mit seinen Waffen an einem öffentlichen Schießstand trainiert habe, so Albrecht.
Smileys als Reaktion auf das Bild des Waffenverstecks
Anschließend äußerte sich Franco A. zu der versteckten Pistole auf der Toilette am Wiener Flughafen. Er habe Bilder von der Toilette in die Whats App Gruppe „Ball der Offiziere“ gestellt, damit er den Ort wiederfinde. Das hielt der Senat jedoch für wenig glaubwürdig und nahm gemeinsam die Inhalte der Whats App Gruppe in Augenschein.
In dieser waren neben Franco Albrecht der Oberleutnant Maximilian Tischer, der Soldat Dominik Pe., der jedoch nicht mit zum Ball gefahren ist, und der ehemalige Bundeswehrsoldat und Reservist Maurice Re., der in Wien wohnt. Der Name der Gruppe, „Ball der Offiziere“, steht in Zusammenhang mit dem gemeinsamen Besuch des Balls der Gruppe (Pe. ausgenommen). Auf den ersten Bildern sind Fotos des Ballabends zu sehen: Maurice Re. neben einer Frau, Albrecht mit seiner Lebensgefährtin Sophia Ti., weitere Personen auf dem Ballabend. Das vierte Bild zeigt die Toilettenkabine auf dem Wiener Flughafen mit einem Schacht direkt daneben, wo Albrecht eine Pistole versteckt hatte. Als einzige Reaktion in der Whats App Gruppe kommentierte Maurice Re. zwei Smileys nach dem Bild.
Der Senat äußerte deutliche Zweifel daran, da man über das Toilettenbild diese kaum wiederfinden könne und in der Gruppe ansonsten völlig andere Inhalte gepostet wurden. Wie er an die Pistole kam und ob es, wie es in den Akten heiße, stimme, dass er sie betrunken bei einem Ball im Gebüsch gefunden habe, lies Franco Albrecht unbeantwortet, sodass Dr. Koller erneut seine Zweifel äußerte, ihm dies zu glauben. Er verdeutlichte Albrecht den Ernst der Lage, dass bei einer staatsgefährdenden Gewalttat eine umfassende Beweiswürdigung nötig sei und diese auch den Aspekt, wie Albrecht an die Waffen gelangt sei, umfasse. Dadurch, dass Albrecht scheinbar Personen decke und keine Information über diese sowie über den Erwerb, die Lagerung und den Verbleib der Waffen herausgebe, belaste er sich selbst und nutze das Gericht als Bühne für seine politischen Äußerungen. Albrecht entgegnete darauf lediglich, dass er nichts genaues hierzu sage und er wie bei einem Verfahren wegen Drogenbesitzes seinen Dealer nicht verraten würde.
Ausspähung der Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung
Zum Schluss äußerte sich Albrecht zu der Ausspähung der Amadeu Antonio Stiftung am 22.7.2016. Die Notizen, die bei ihm gefunden worden seien, stellen ihm zufolge keine Todeslisten oder Anschlagspläne dar. Die Personen, die darauf gelistet seien, seien lediglich Personen, mit denen er vor hatte sich zu unterhalten, so auch bei der Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung Frau Kahane. Mit ihr suchte er das Gespräch, weil er auf eine Aussage von ihr gestoßen sei, die er als rassistisch gegen Weiße empfand.
Er habe eine Skizze vom Weg zur Stiftung in Berlin gemacht, damit er diesen auch finden werde. Dass sei normal für einen Infanteristen. Als er dort ankam, habe er geklingelt und oben im Büro gefragt, ob Frau Kahane anwesend sei. Als dies verneint wurde, sei er durch das Treppenhaus in die Tiefgarage gegangen, um dort nach ihr zu schauen. Dort sei er ein paar Minuten gewesen und habe Bilder von verschiedenen Autos gemacht. Albrecht behauptete er hätte dort mit ihr sprechen wollen, falls sie genau in diesem Moment eintrifft.
Dr. Koller stellte Albrecht daraufhin die Frage, ob er meine, es wäre für Frau Kahane angenehm gewesen auf einen fremden Mann in einer Tiefgarage zu treffen. Er stellte auch in Zweifel, dass es glaubhaft sei, in einer Tiefgarage auf Frau Kahane für ein politisches Gespräch zu warten. Schließlich werde sie im Internet angefeindet. Er hätte auch schriftlich ein Termin anfragen können. Franco A. entgegnete darauf lediglich, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass sie angefeindet wird, es für ihn üblich sei, Personen unvermittelt zu konfrontieren und sie nicht vorher angekündigt um ein Gesprächstermin zu bitten, damit er nicht abgewimmelt werden könne, wie es auch bei Journalisten üblich sei. Dies habe er auch bei David Icke so gemacht und sei erfolgreich damit gewesen. Auf die Nachfrage, warum er die Autos fotografiert habe, meinte Albrecht, dass er „Indizien“ sammle und üblicherweise die möglichen Autos der Personen fotografiere, mit denen er sprechen wolle, da er so möglicherweise das Auto im öffentlichen Verkehr der Stadt wiederfinden könne. Was er mit den „Indizien“ meinte, lies er offen.
Die Liste und seine Notizen bezeichnete er als eine „To-do-Liste“, auf der auch Bankbesuche genauso wie Informationen über Personen ständen. Koller äußerte daraufhin lediglich, dass viele Sachen, die Albrecht behaupte, für ihn und seine Kolleg*innen nicht schlüssig klängen. So sei es verwunderlich, dass er für eine Person wie Frau Kahane, die sich politisch gegensätzlich zu ihm äußere, so viel Aufwand betreibe, nur um mit ihr zu sprechen. Für rechte Personen wie David Icke, mit dem Albrecht gesprochen und den er auch vorher beobachtet habe, könne das Sinn ergeben, aber für jemand dem er politisch nicht nahe stehe, auf die er in der Tiefgarage warten würde, klinge das nicht ganz logisch. Zumal Albrecht an der Waffe ausgebildet sei und zu dem Zeitpunkt Waffen besessen habe. Albrecht antwortete auf Nachfrage, dass er die Waffen nicht dabei gehabt habe.
„Und da kommt Xavier ins Spiel“
Im Folgenden wurden einige Notizen von Franco Albrecht vom Senat in Augenschein genommen. Hierunter fand sich auf einem Zettel neben Notizen wie „Schloss ausmessen“ und „Schlüssel Honda nachmachen lassen“ und einigen un- oder schlecht leserlichen Notizen auch ein Ablaufdiagramm: „Susi klein → Offenbach → Schrotflinte Zug Berlin → Motorrad Berlin → Motorrad Straßburg → Auto Bayreuth → Erding“. Daneben stehen die Sätze „die Wahrheit ist ja da, sie muss nicht erst gemacht werden, nur begreifbar gemacht werden muss sie, in Worte gefasst werden“ und „Leute kriegst du heute nur auf die Straße durch Musik. Und da kommt Xavier ins Spiel“.
Des Weiteren fanden sich detaillierte Waffen- und Munitionsbeschreibungen zu „Gartenflinten“ und „Flobertgewehren“ in den Notizen: Albrecht sagte hierzu aus, er habe solch ein Flobert-Gewehr mal auf dem Flohmarkt zu einem hohen Preis gesehen und habe im Internet die Preise verglichen. Die in den Notizen genannte Gartenflinte sei zum Erschießen von Ratten gedacht, so Albrechts Erklärung.
Außerdem fanden sich in den gezeigten Notizen detaillierte Informationen (aus öffentlich zugänglichen Quellen) zu Anetta Kahane und Heiko Maas, inklusive Adressen ihrer jeweiligen Büros. Die Informationen zu Kahane stammten von Wikipedia, so Albrecht. Zu Maas habe er irgendwann mal etwas gelesen und sich das dann notiert. Koller fragte nach, warum er sich auf die gleichen Zettel detaillierte Informationen zu Kahane und Maas notierte sowie Infos zu unterschiedlichen Waffen und Munition. Albrecht entgegnete, dass die unterschiedlichen verwendeten Tinten und die unterschiedliche Ausrichtung der Texte zeige, dass die Notizen nicht zum gleichen Zeitpunkt und nicht in Verbindung miteinander notiert wurden.
An dieser Stelle beendete der Vorsitzende Richter den Prozesstag und kündigte an, dass die weiteren Ausführungen am nächsten Sitzungstag gehört werden würden. Damit endete ein Prozesstag in dem Franco A. wenig zu den konkreten Tatvorwürfen beitrug, aber sich dennoch regelmäßig durch seine unklaren Angaben belastete. Es fiel auf, dass seine Verteidigung fast gar nicht einschritt und die Generalbundesanwaltschaft keinerlei Nachfragen zu Albrechts Ausführungen stellte.
Der Bericht zum 5. Prozesstag bei NSU-Watch Hessen