NSU-Watch: „Was der NSU-Komplex ist, wird nicht im Gerichtssaal entschieden!“ Statement vom 2. Dezember 2021

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Heute beginnt beim Bundesgerichtshof die Verhandlung zu den Revisionen gegen das Urteil im NSU-Prozess gegen André Eminger. Wichtig ist hier insbesondere, dass die Bundesanwaltschaft Revision gegen das sehr milde Urteil und den Freispruch Emingers wegen der Beihilfe zum Mord eingelegt hat. Dabei hat die Bundesanwaltschaft das Problem durch ihre frühe Festlegung auf ihre Trio-These mit erschaffen. NSU-Watch: „Die Bundesanwaltschaft hat sich schon in den ersten Wochen nach der Selbstenttarnung auf die These eines isolierten Trios festgelegt. Damit hat sie wichtige Ermittlungen zum Neonazinetzwerk des NSU verhindert. Ihre Darstellung des NSU geht völlig an dem vorbei, was die Nebenklage im Prozess, was Untersuchungsausschüsse und Recherchen zum NSU-Komplex belegen konnten. Der Bundesanwaltschaft steht die Deutungshoheit über rechten Terror nicht zu.“

Die Verhandlung heute findet zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU und drei Jahre nach Ende des NSU-Prozesses statt. In den Verfahren gegen neun Unterstützer*innen des NSU und im Strukturermittlungsverfahren entscheidet sich die Bundesanwaltschaft weder zu einer Anklage noch zu einer Einstellung – sie dienen lediglich als Feigenblätter. NSU-Watch: „Die Aufklärung des NSU-Komplexes wird durch die Behörden und die Justiz verschleppt, die Fragen der Angehörigen und Überlebenden werden nicht beantwortet und es sind auch keine Bemühungen erkennbar, dies zu ändern. So wird der Druck von anderen Verantwortlichen genommen, die beispielsweise durch Untersuchungsausschüsse für Aufklärung sorgen könnten. Durch dieses Handeln entsteht der Eindruck, die Aufklärung sei einfach nicht wichtig. Währenddessen steigt die Gefahr rechten Terrors, der nur durch vollständige Aufklärung und Konsequenzen gegen die Verantwortlichen entgegengetreten werden kann.“

„Wir erwarten, dass der BGH die Konsequenzlosigkeit gegenüber André Eminger beendet und einen neuen Prozess anordnet. Wir fordern, dass zu den anderen Ermittlungsverfahren Anklagen erhoben werden und das NSU-Netzwerk zur Verantwortung gezogen wird. Wir wissen aber auch: Das Urteil des Bundesgerichtshofs kann keine Gerechtigkeit mehr bringen. Wir können uns bei der Aufklärung des NSU-Komplexes nicht auf die Justiz verlassen, das muss die Gesellschaft selbst in die Hand nehmen. Wir und viele andere hören nicht auf damit, zu versuchen, noch möglichst viel über den NSU-Komplex herauszufinden. Wir können zumindest unser Möglichstes tun, damit die Verantwortlichen nicht ungestraft davon kommen.“