„Freundlich, aber nicht nützlich.“ – 9. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (9. Dezember 2022)

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Als Sachverständige wurde in der 9. Sitzung des „1. Untersuchungsausschusses (‚Neukölln‘)“ im Berliner Abgeordnetenhaus Kati Becker gehört. Becker koordiniert heute die Berliner Register, zuvor hat sie die Registerstelle in Treptow-Köpenick aufgebaut und jahrelang betreut.

Die Berliner Register dokumentieren rassistische, antisemitische, LGBTIQ*-feindliche, antiziganistische, extrem rechte, sozialchauvinistische, behindertenfeindliche oder antifeministische Vorfälle in Berlin. Registerstellen gibt es in jedem Bezirk. Sie dokumentieren Gewalttaten, Beleidigungen und Bedrohungen, Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Veranstaltungen, Aufkleber, Sprühereien oder diskriminierende Sprüche. Dokumentiert werden nicht nur Fälle, die zur Anzeige gebracht wurden, sondern auch solche, die keinen Straftatbestand erfüllen oder die nicht angezeigt wurden. Die Register bedienen sich dabei aus unterschiedlichen Quellen: Bürger*innen melden Vorfälle in den mehr als 150 Anlaufstellen in der Stadt, über soziale Netzwerke, E-Mail, Telefon, App oder ein Meldeformular auf der Webseite. Die Register tauschen sich außerdem mit anderen Beratungs- und Dokumentationsstellen aus und betreiben Monitoring von Presse, Polizeimeldungen und im Internet. Alle Vorfälle, die in der Datenbank erfasst werden, werden überprüft, um Falschmeldungen auszuschließen, und die Erfassung erfolgt in allen Bezirken nach gleichen Kriterien.

Insgesamt ergibt sich auf diese Weise ein dichtes Bild über Diskriminierung und Ausgrenzung, rassistische und antisemitische Vorfälle oder Aktivitäten der extremen Rechten. Eine derart genaue Dokumentation ist bundesweit einzigartig. Selbstverständlich gibt es auch bei dieser Erfassung ein Dunkelfeld, das aber deutlich kleiner ist als etwa bei der polizeilichen Kriminalstatistik. Für politische Akteur*innen lassen sich aus den Daten durch die auf Vergleichbarkeit ausgerichtete Erfassung zum Beispiel frühzeitig Tendenzen erkennen, etwa ob sich ein regionaler Schwerpunkt der extremen Rechten entwickelt oder ob in einem Stadtteil rassistische Stimmungen oder Diskurse an Fahrt gewinnen.

Kati Becker gab ihr Gutachten zunächst weitgehend im Wortlaut wieder. Der Text des Gutachtens mit einigen Tabellen und Grafiken sowie die Anlagen finden sich zum Download auf der Webseite der Berliner Register.

Gutachten

Die wesentliche Fragestellung des Gutachtens zielt auf die Einordnung der Neuköllner Anschlagsserien in einen Gesamt-Berliner Kontext ab. So wird die Gutachterin zum Beispiel gefragt, in welchen weiteren Berliner Bezirken im Untersuchungszeitraum 2009 bis 2021 Anschläge stattgefunden haben, die der Serie zuzuordnen sind oder als Verdachtsfälle gelten. Außerdem wird nach Annahmen bzgl. der Täter*innenstrukturen und konkreten Täter*innen gefragt und worauf sich diese stützen. Gefragt wird zudem nach extrem rechten Strukturen und Parteien, in denen die Tatverdächtigen und ihr Umfeld aktiv waren sowie nach Trefforten.

Kati Becker stellt zunächst fest, dass sich im Untersuchungszeitraum 2.560 registrierte Vorfälle gegen politische Gegner*innen richteten: „Um eine Auswahl vergleichbarer Taten auszuwerten, muss geklärt werden, was die Neuköllner Anschlagserie aus Perspektive der Koordinierung der Berliner Register auszeichnet. Die Kriterien, die dabei betrachtet werden, sind a) Auswahl der Ziele, b) Tatorte, c) potenzieller Täter*innenkreis und d) Art der Tatbegehung.“ In der Auswertung berücksichtigt würden entsprechend nur Angriffe (Brandstiftungen und Körperverletzungen), Sachbeschädigungen und Bedrohungen/ Beleidigungen/ Pöbeleien für den Zeitraum 2009 bis 2021, die zusätzlich den Taten der Tatverdächtigen der Anschlagsserie ähnlich sind und die sich gegen Menschen richteten, die sich erkennbar gegen die extreme Rechte engagierten. Nach der Durchsicht aller Vorfälle im genannten Zeitraum komme man dann auf berlinweit 673 Vorfälle. Aus den Daten der Registerstellen gehe außerdem hervor, dass es 18 Nächte gab, in denen mehrere Anschläge verübt wurden: „Aus einigen dieser Beschreibungen von Vorfällen geht hervor, dass die gleichen Täter*innen von Tatort zu Tatort ziehen konnten.“ Eine Erkenntnis aus dem Gutachten formuliert Kati Becker folgendermaßen: „Vergleichbare Anschläge wurden über mehrere Jahre in unterschiedlichen Bezirken dokumentiert. Die Taten in Neukölln unterscheiden sich von denen in anderen Bezirken dadurch, dass sie zum einen in Neukölln stattfanden und dass es relativ viele Taten in kurzen Zeiträumen waren.“

Ein wichtiger Aspekt der von Kati Becker vorgestellten Daten ist die Tatsache, dass sich mit der Eröffnung der ersten Unterkunft für Geflüchtete Angriffe zusätzlich gegen Menschen gerichtet haben, die die Aufnahme von geflüchteten Menschen in einzelnen Ortsteilen der Stadt unterstützten. Auf einer bildlichen Darstellung im Gutachten ist zu sehen, dass ein Graph, nämlich der für Marzahn-Hellersdorf, in der Zeit von 2014 bis etwa 2016/17 deutlich nach oben ausschlägt. Dieser Ausschlag habe, so Becker, „seine Ursache in den Aktivitäten der organisierten extrem rechten Szene (z.B. NPD), die sich stark gegen den Zuzug von Geflüchteten im Bezirk richteten.“ Der Ausschlag nach oben korrespondiert zeitlich mit dem Beginn der ersten „Nein zum Heim“-Kampagnen ab 2013, bei denen in Berlin besonders Marzahn im Fokus stand und an denen sich auch das Umfeld der Tatverdächtigen im Neukölln-Komplex maßgeblich beteiligte. Diese Kampagnen gingen der großen rassistischen Mobilisierung ab 2015 voraus. (Siehe auch: „Das Bild bleibt unvollständig. Die Zahlen von rassistischen Anschlägen und Demonstrationen unterscheiden sich erheblich“ von Kilian Behrens beim apabiz.) Mit dem Abebben dieser Mobilisierung zeigt ab 2016 auch der Graph für Marzahn-Hellersdorf nach unten.

Anschläge wie die der Neuköllner Anschlagsserie seien, so die Sachverständige, Teil einer politischen Strategie, die von Neonazis selbst als „Anti-Antifa-Arbeit“ bezeichnet wird: „Ziel ist es politische Gegner*innen auszuschalten, entweder durch Einschüchterung oder durch Gewalt. Die ‚Anti-Antifa-Arbeit‘ umfasst neben Anschlägen auch das Erfassen und Auskundschaften potenzieller Ziele.“ Die Neuköllner Anschlagsserie zeige beispielhaft, mit welchen Mitteln die extreme Rechte ihre Gegner*innen einschüchtern will, so Becker. Sie „bestand aus einem Repertoire an Aktionsformen wie Brandanschlägen, Sprühereien, Sachbeschädigungen und Straßengewalt.“ Dabei seien die Anschläge in Neukölln nicht von isolierten „Einzeltätern“ verübt worden, sondern von „gut vernetzten Aktivisten der extremen Rechten, die sich Aufgaben aufteilen konnten und die auf eine gemeinsame Geschichte von mehreren Jahren zurückblickten“.

Das Gutachten geht auch auf die Fragen ein, in welchen Parteien, Gruppen oder Strukturen sich die betreffenden Neonazis organisierten, und wo sich Treffpunkte der Szene befanden. Für den Zeitraum vor 2009 nennt die Sachverständige als Organisationen die 2005 verbotene „Kameradschaft Tor“, die ebenfalls 2005 verbotene „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO), den 2006 aufgelösten „Märkischen Heimatschutz“, die „Deutsche Gemeinschaft Süd“ und die „Aktionsgruppe Rudow“. Noch bis in den Untersuchungszeitraum hinein gab es dann den „Nationalen Widerstand Berlin“, die „Autonomen Nationalisten Berlin“, die „Freien Kräfte“ bzw. „Freien Kräfte Berlin-Neukölln“, und man begann sich in der NPD zu organisieren, ab 2014 bis heute dann in der Partei „Der III. Weg“. Der größere Teil der genannten Neonazi-Strukturen beschränkte sich nicht auf den Bezirk Neukölln, einige hatten im Gegenteil Schwerpunkte in anderen Bezirken – die „Kameradschaft Tor“ etwa war insbesondere in Lichtenberg aktiv, die BASO in Treptow. Als durchgehend genutzten Treffpunkt der Neuköllner Szene nennt Becker die „Rudower Spinne“, einen zentralen Platz im Neuköllner Ortsteil Rudow. Als weitere Trefforte nennt das Gutachten die NPD-Bundeszentrale in Köpenick und von 2009 bis 2014 die Kneipe „Zum Henker“ in Schöneweide. Außerdem führt es für die Zeit von 2011 bis 2014 den Treffpunkt „L58“ in der Lichtenberger Lückstraße an. Dieses Ladenlokal wurde von einem Verein angemietet, dessen Vorsitzender der Hauptverdächtige Sebastian T. war. Insgesamt ergibt sich also ein Bild einer eng vernetzten Szene, die sich nur in beschränktem Maße für Bezirksgrenzen interessiert.

Zusammenfassend stellt die Sachverständige fest: „Die Anschläge in Neukölln unterscheiden sich von denen in anderen Bezirken dadurch, dass häufig mehrere Anschläge pro Nacht durchgeführt wurden. Hinzu kommt, dass es ebenso Brandstiftungen in anderen Bezirken gab, aber deutlich seltener als in Neukölln. Aktivitäten, die der Einschüchterung politischer Gegner*innen dienten, fanden phasenweise sehr konzentriert statt, wie man in Schöneweide und Johannisthal beobachten konnte, aber die Aktivitäten bestanden aus einem Repertoire an Taten. In Neukölln gab es die meisten Brandanschläge. Die ‚Neuköllner Anschlagsserie‘ wurde nicht von Einzeltätern verübt, sondern von Personen die einem bestimmten Zusammenhang von Personen angehör(t)en, die aktionsorientiert und gewaltbereit waren. ‚Anti-Antifa‘-Arbeit, zu der das Ausspähen von Gegner*innen, das Veröffentlichen von Feindeslisten und die Durchführung von Anschlägen gehörten, war nur eines der Aktionsfelder dieser Szene. Die Personen dieser Szene organisierten sich über die zwölf Jahre des Untersuchungszeitraums in unterschiedlichen Gruppen und Strukturen, mittlerweile ist es die Partei ‚Der III. Weg‘. Die Ortsteile, in denen besonders viele Aktivitäten gegen politische Gegner*innen stattfanden, zeichneten sich dadurch aus, dass dort Teile dieser rechten Szene lebten und Treffpunkte existierten.“

Fragerunde

Nach einer Pause beginnt dann die Fragerunde. Ausschussvorsitzender Florian Dörstelmann (SPD) fragt, ob es eine Wanderungsbewegung der Neonazi-Szene aus Neukölln in Richtung Treptow-Köpenick gegeben habe. Die Sachverständige bestätigt, dass es einen Zuzug von Neonazis aus Neukölln, aber auch aus anderen Bundesländern in Wohngemeinschaften in Treptow-Köpenick gegeben habe. Im Bezirk habe es für die Neonazis Arbeitsplätze, Treffpunkte und Kneipen gegeben, eine Art „nationale Volksgemeinschaft“.

Gleich mit Beginn der Befragung durch den SPD-Abgeordneten Orkan Özdemir zeigte sich wie schon bei den anderen Sachverständigen das Phänomen, dass sich Abgeordnete zunächst einmal ausführlich die Arbeitsweise der Sachverständigen erklären lassen. Sollte man nicht davon ausgehen können, dass sich die Abgeordneten dieses Wissen vor der Sitzung selbst verschaffen? Jedenfalls geht so Zeit verloren für die Fragen, die der Ausschuss eigentlich zu klären hat. Auf die später folgende Frage Özdemirs, warum Anschläge in Wohnortnähe gegeben habe, sagt Becker, dass es einen Lokalpatriotismus gebe, aber es gehe immer um die Aktivisten, die sich gegen Rechts engagieren, die sichtbar sind. In Neukölln seien dies nach ihrer Ansicht auch mehr Personen als in anderen Stadtteilen.

Auch in der Befragung durch den CDU-Abgeordneten Stephan Standfuß geht es zunächst wieder um allgemeine Fragen zur Datenerfassung durch die Registerstellen. Die Gutachterin muss erklären, dass manche Menschen keine Strafanzeige erstatten wollen, etwa weil sie befürchten, dass ihre Daten in den Händen von Neonazis landen. Auf weitere Fragen von Standfuß erläutert Becker, dass es von Seiten der Polizei in den seltensten Fällen um den Schutz von Betroffenen gegangen sei. Sie berichtet dabei auch von Erfahrungen, die sie selber machen musste. Als eine Scheibe in dem Treffpunkt der Treptow-Köpenicker Jusos, der „Anprechbar“, eingeschlagen wurde, sei sie gefragt worden, woher sie denn wissen, dass die NPD eine rechte Partei sei. Es sei auch mal die Rede davon gewesen, dass man mit einem Neonazi ein Bier trinken gehen solle, das sei ein „total netter Mann“. Nach Brandstiftungen hätten Beamte den Betroffenen geraten, sich nicht mehr politisch zu betätigen, um weitere Drohungen zu vermeiden.

Sie berichtet von einem sogenannten Putzspaziergang im Ortsteil Johannisthal (Bezirk Treptow-Köpenick). Zuvor hatte es vier Angriffe beim Entfernen von Nazipropaganda gegeben. Es gab im Bezirk eine solidarische Reaktion, die auch diesen Spaziergang umfasste, bei dem öffentlichkeitswirksam rechte Propaganda entfernt werden sollte und an dem auch der Bezirksbürgermeister teilnahm. Am Rande des Spaziergangs habe ein Rechter herumgeschrien, der Bezirksbürgermeister sei angegangen worden, der Pressetermin gestört worden. Die Reaktion der eingesetzten Polizeibeamt*innen sei gewesen, dass sie nur für den Putzspaziergang da seien, um zu gucken, dass von den Teilnehmenden des Spaziergangs keine Sachbeschädigungen ausgehen.

Ein einziges Mal sei bei einem solchen Spaziergang ein Beamter eingeschritten, und das sei ausgerechnet der später wegen eines rassistischen Angriffs verurteilte Stefan K. gewesen, ein, so Becker, schwieriger Zeitgenosse“. Einen Hitlergruß aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug hätten die Beamt*innen während der laufenden Anzeigenaufnahme auf der Straße (bei dem Vorfall an der „Ansprechbar“, siehe oben) ignoriert. Als Fazit zum Verhalten der Polizei sagt Becker zusammenfassend: „Freundlich haben die immer gewirkt, aber nicht nützlich.“

Auf Frage des Grünen-Abgeordneten André Schulze sagt Becker, dass es eine Arbeitsteilung zwischen den Akteuren gegeben habe, auch was Straßengewalt, Recherche, Anschläge etc. angeht. Schulze fragt, ob es in Treptow-Köpenick Sonderermittlungen gegeben habe. Das verneint die Sachverständige: „Solidarität vom Land Berlin musste man sich hart erarbeiten.“ Sie berichtet von wöchentlichen Presseterminen an der Brückenstraße in Schöneweide, an der die Neonazi-Kneipe „Zum Henker“ lag, und drumherum, bei denen auch die Neonazis auftauchten: „Es war ein anschauliches Beispiel für ein Nazidorf innerhalb von Berlin.“ Auf eine Nachfrage von Schulze zur Aufgabenteilung im Netzwerk sagt die Sachverständige, dass nur wenige Neonazis „Anti-Antifa“-Arbeit zum Schwerpunkt gemacht hätten, etwa die „Kameradschaft Tor“ und Sebastian T.

Die Linken-Abgeordnete Anne Helm will u.a. wissen, wie viele Taten dem „NW-Berlin“ zuzuordnen sind. Das sei schwierig zu beantworten, so Becker, denn die Täterkreise hingen zusammen und dazu fehle eine Auswertung. Zu einer Frage des Abgeordneten Holger Krestel (FDP) zur Bedrohungslage aktuell und einer möglichen Veränderung durch Corona sagt Becker, dass der Personenkreis sich verringert habe, während der Corona-Zeit sei nicht viel passiert. Auf Frage des Grünen-Abgeordneten Vasili Franco, ob sie den Zeitraum ab 2009, den sich der Ausschuss als Untersuchungszeitraum gegeben hat, sinnvoll finde, weist die Sachverständige darauf hin, dass die Straftaten sehr viel weiter zurück gingen.

Der Ausschuss bleibt weiter nur an der Oberfläche

Die Daten der Berliner Register und die Expertise der Sachverständigen Kati Becker sind eine wichtige Wissensressource, wenn es um die Einordnung des Neukölln-Komplexes geht. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses hätten sich dieses Wissens nur bedienen müssen. Wie schon bei den vorherigen Sachverständigen blieben die Ausschussmitglieder bei ihrer Befragung aber erneut nur an der Oberfläche. Die Frage nach der zeitlichen Eingrenzung zum Beispiel wäre eine Frage gewesen, die zu Beginn der Befragung hätte gestellt werden können, um von da aus tiefer ins Thema einzusteigen. Statt aber ihre Erkenntnisse zu diskutieren und weiteres Wissen zu erfragen, lässt man sich lieber die Arbeit der Sachverständigen noch ein zweites, drittes oder viertes Mal erklären.

Das Gutachten macht an vielen Stellen deutlich, wie wenig zielführend es ist, bei der Untersuchung des Neukölln-Komplexes nur auf die Zeit ab 2009 zu schauen und nur auf den Bezirk Neukölln. Es macht klar, dass es sich beim Netzwerk, das für die Taten des Neukölln-Komplexes verantwortlich ist, um eine Gesamt-Berliner Struktur handelt. Und dass dieses Netzwerk aus einem relativ überschaubaren, sich über die Jahre im Kern nur wenig ändernden Personenkreis aus weitgehend namentlich bekannten Neonazis besteht, deren Vorgehensweise im Wesentlichen gleich bleibt. Trotz dieses Wissens erzielten die Behörden aber über Jahre – beinahe Jahrzehnte – hinweg keine großen Ermittlungserfolge. Selbst nach der mit großem Tamtam verkündeten Übernahme der Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft gab es als Ergebnis des Strafprozesses gegen Tilo P. einen Freispruch vom Vorwurf der Brandstiftung. Beim Thema des Umgangs der Behörden mit dem Neukölln-Komplex müsste der Ausschuss – schon um seinem Untersuchungsauftrag nachzukommen – genauer hinschauen. Häufig macht der Ausschuss stattdessen den Eindruck, er sei ganz überrascht über Erkenntnisse, die man schon vor zehn Jahren in diversen Antifa-Broschüren nachlesen konnte.

Die nächste Sitzung des Ausschusses findet am Freitag, den 6. Januar 2023, statt. Man will sich dann „Strukturhilfe“ geben lassen von den Sonderermittler*innen Herbert Diemer und Uta Leichsenring.