„Kann man nicht mal einen Haken dahinter machen und was anderes machen?“ – Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 20. November 2023

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Der erste Zeuge des Tages ist „VS 44“. Er ist Referent für Auswertung Rechts, Reichsbürger und Selbstverwalter, Delegitimierer, für Partei-ungebundenen Rechtsextremismus und rechten Terror im Landesverfassungsschutz, er vertrat auch den Referatsleiter bei der organisatorischen Begleitung des Untersuchungsausschusses. Er sagt zur NSU/NSDAP-CD/DVD aus und zu einer Festplatte eines Mitgliedes des Reservistenverbandes, auf der möglicherweise extrem rechte Dateien gefunden worden. Der zweite Zeuge des Tages ist „VS 52“. Er stellt für den Untersuchungsausschuss nach deren Beweisbeschlüssen die Akten und Antworten im Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern zusammen.

Der erste Zeuge des Tages, VS 44“, erscheint mit seinem Rechtsbeistand Rechtsanwalt Dr. Butz Peters. In ihrer begrüßenden Einleitung sagt die Untersuchungsausschussvorsitzende Martina Tegtmeier (SPD), dass der Zeuge laut Unterlagen nach der Enttarnung des NSU beim Landesamt für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern mit verschiedene Aspekten zum NSU befasst gewesen sei. Zu seiner Vorbereitung sagt der Zeuge, er habe sich aktiv diese Zeit in Erinnerung gerufen, er habe den Beweisbeschluss gelesen, mit seinem Rechtsbeistand gesprochen und Akteneinsicht genommen. Seine Aussagegenehmigung habe er mit dem Vertreter des Innenministeriums im Untersuchungsausschuss besprochen.

Der Zeuge sagt in seinem Eingangsstatement, dass er vor zehn Jahren, im Oktober 2013, Referent für Auswertung Rechts, Reichsbürger und Selbstverwalter, Delegitimierer, für Partei-ungebundenen Rechtsextremismus und rechten Terror im Landesamt für Verfassungsschutz geworden sei. Er habe keine eigenen Kenntnisse zum sogenannten NSU-Komplex vor und direkt nach Enttarnung. Auch nach seinem Eintritt in den Themenbereich seien diese eher rudimentär geblieben. Er sei der Vertreter des Abteilungsleiters Fl. gewesen. Im Beweisbeschluss sei das Thema NSU/NSDAP-CD/DVD genannt. Der Verfassungsschutz habe dazu kein eigenes Erkenntnisaufkommen, die CD habe nie vorgelegen. Man sei ein bis zwei Tage nach dem Fund durch die Polizei informiert worden. Das LKA habe im Anschluss an die mündliche Information einen Bericht und Fotos der Auffindesituation geschickt. Nähere Informationen zum Bericht seien eingestuft, dazu könne er nur im nichtöffentlichen Teil sprechen. Er habe das LKA kontaktiert, um eine Zusammenarbeit anzubieten, aber darauf sei es nie zurückgekommen. Sie hätten den Beschuldigten im nachrichtendienstlichen Informationssystem, in den Akten und über nachrichtendienstliche Zugänge, im Nadis Aktenbestand geprüft und auch, ob er in der Szene bekannt sei. Alles sei negativ gewesen. Damit sei der Vorgang für sie erledigt gewesen.

„Sieben Jahre später sollte die CD eine neue Rolle spielen.“ 2014 verdächtigte der Reservistenverband des Landes einen Herrn K. über umfangreiches rechtsextremes Material in digitaler Form zu verfügen. Nach Aussagen des Vorsitzenden des Landesverbandes habe es sich so zugetragen: Herr K. habe eine Festplatte vom Reservistenverband erhalten, um diese beruflich zu nutzen. Er sollte diese dann zurückgeben, sie sei leer gewesen. Beim Bearbeiten der gelöschten Dateien habe man rechtsextreme Dateien entdeckt, knapp 240.000 Dateien. Herr K. habe dann gesagt, dass das gar nicht die dienstliche Festplatte sei, sondern er aus Versehen eine private übergeben habe. Er habe dann noch eine andere Festplatte übergeben. Der Reservistenverband sei schockiert gewesen und habe die Festplatte an den Bundesverband geschickt, damit dieser Konsequenzen daraus ziehe. Der Bundesverband habe die Festplatte an das Bundesamt für Verfassungsschutz geschickt und das sei der Zeitpunkt gewesen, an dem das Landesamt Mecklenburg-Vorpommern davon Kenntnis erhalten habe. Man habe aber nie auf die Festplatte Zugriff gehabt, um diese zu prüfen. Sie hätten mit dem BfV Kontakt aufgenommen, die hätten gesagt, die Platte sei leer. Des weiteren habe das BfV Herrn K. befragt, dort hätte er alles abgestritten, er wäre auch kein Nazi. Das BfV habe das als glaubwürdig eingestuft und ihnen das so mitgeteilt. K. habe gegen Landesvorsitzenden des Reservistenverbandes eine Verleumdungsklage eingereicht. Die Festplatten seien auch bei der Polizei gewesen, das Ergebnis sei ihm aber nicht erinnerlich, so der Zeuge. 2020 seien beide Sachverhalte zusammengeführt worden, weil der SPD-Abgeordnete Friedriszik mitgeteilt habe, dass auf der Festplatte die NSU/NSDAP-CD gewesen sei, sowie Bilder von K. und Tino Brandt in Zingst beim Schießen. „Wir haben das geprüft“, sie hätten alle Behörden befragt, weil sie als LfV keine eigene Platte hatten. Keine der Behörden habe das so bestätigen können. Mehr zu den Dateien könne er in öffentlicher Sitzung nicht sagen.

Constanze Oehlrich (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach den Tätigkeiten des Zeugen vor seiner Aufgabe beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern. Dieser sagt, er sei der Leiter des Innenministerbüros gewesen. Zu seiner Ausbildung sagt er, er sei schon seit 2013 beim Verfassungsschutz, habe eine zusätzliche Ausbildung für angehende VS-Mitarbeiter und seine Zusatzausbildung absolviert und habe über die Jahre Führungskräfteseminare und phänomenspezifische Fortbildungen besucht. Zu seinen Funktionen möchte er nicht öffentlich aussagen. Oehlrich fragt, inwiefern der Zeuge in die Aufarbeitung des NSU-Komplexes eingebunden gewesen sei. „VS 44“: „gar nicht so wirklich“, er sei weit nach der Phase des „ersten Angriffs“ dazugekommen. Er habe dabei auch die Leitung des Referats vertreten, beispielsweise bei Urlaub, er habe Freigaben geprüft, allerdings niemals inhaltlich. Auf Nachfrage sagt er, er habe im Vertretungsfall Dinge erledigt, die unabweichlich gewesen seien. Er habe die Beantwortung der Beweisbeschlüsse vorbereitet, er habe aber keine Dokumente zusammengetragen oder bewertet.

Oehlrich fragt zur Rolle des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern im Kontext der NSU/NSDAP-CD/DVD. Der Zeuge sagt, die CD habe ihnen nicht vorgelegen, dementsprechend sei die Rolle nicht führender Natur gewesen, denn man habe keinen Einblick in die Inhalte gehabt. Die Abgeordnete fragt nach der Zusammenarbeit mit dem LKA zur NSU/NSDAP-CD/DVD. Der Zeuge antwortet, das LKA habe sie zeitnah informiert und habe ihnen den Auswertebericht zukommen lassen. Es habe einen engen Kontakt gegeben, bis die CD an den GBA übergeben worden sei. „VS 44“ sagt, er könne sich nicht über die Zusammenarbeit beschweren. Das LKA sei von allein auf sie zugekommen, von ihnen als LfV sei nicht so viel gekommen, sie hätten nicht so viel beizutragen gehabt. Auf Nachfrage macht der Zeuge klar, dass sie natürlich ein eigenes Interesse gehabt hätten: „was ist das für ein Mensch“, bei dem die CD gefunden wurde, was sei seine Einbindung in die rechtsextreme Szene und seine Verbindung zum NSU. Sie hätten ihr eigenes Informationsaufkommen anhand von Akten und Quellenbefragungen geprüft. Sie hätten aber keine selbstständigen Aktionen gemacht, sondern das Vorgehen mit Polizei und dem GBA abgestimmt, damit sich die Maßnahmen nicht überschneiden.

Auf Nachfrage sagt der Zeuge, das LfV sei zum Thema der Reservistenverband-Festplatten erst eingebunden gewesen, als die Platten in der Bundesgeschäftsstelle gewesen seien, also im ersten Quartal 2014. Sie seien auf verschiedenen Wegen dazu angesprochen worden, das müsse im Februar 2014 gewesen sein. Sieben Jahre später, also 2020, sei dieser Sachverhalt aufgrund der Aussage des Abgeordneten Friedriszik mit der NSU/NSDAP-CD/DVD zusammengeführt worden. Die Originalfestplatten seien nie in ihrem Besitz gewesen. Eine davon sei beim Bundesamt gewesen, zu dieser habe das BfV gesagt, sie sei leer. Herr K. habe den Reservistenverband angezeigt, mehr wolle er aber in öffentlicher Sitzung nicht dazu sagen, so der Zeuge. Auf Nachfrage sagt er, es habe die Information gegeben, dass die NSU/NSDAP-CD/DVD nicht auf der Festplatte gewesen sei. Auf weitere Nachfrage antwortet der Zeuge, die Bilder von Herr K. und Tino Brandt in der „Waffenburg Zingst“ sollen von 2004 gewesen sein, aber es seien weder Bildmaterial noch Videos auf den Festplatten gefunden worden. Erschwerend komme hinzu, dass die „Waffenburg“ erst 2005 ins Leben gerufen worden sei. „Was aber nicht bedeutet, dass dort keine Rechten schießen gehen“. Auf Fragen nach Nordkreuz sagt „VS 44“, er habe Ende 2016 davon erfahren. Es habe erst Hinweise auf den Sachverhalt gegeben, ohne dass von dem Namen Nordkreuz die Rede gewesen sei. Es habe geheißen, „irgendwelche Menschen bereiten sich auf Tag X vor“. Diese Menschen würden sich im öffentlichen Dienst, unter anderem bei der Polizei, bewegen. Ein erster Hinweis, „dass da Menschen merkwürdige Dinge tun“, habe ihm vor dem Leiter des LfV, Reinhard Müller, vorgelegen. Er wisse nicht mehr, wann der Innenminister in Kenntnis gesetzt worden sei.

Michael Noetzel (Die Linke) sagt, es sei hinterfragt worden, warum alle bekannten Exemplare der NSU/NSDAP-CD/DVD in so einem kurzen Zeitraum gefunden worden seien. Der Zeuge sagt, das seine eine berechtigte Frage, die man sich auch gestellt habe, man habe aber keine Antwort gefunden. Man habe versucht, die CD zu bekommen, aber ohne Erfolg, das sei aber nicht ungewöhnlich beim GBA. Noetzel fragt, ob man auch die Kontakte von Steve Mi., bei dem die NSU/NSDAP-CD in Mecklenburg-Vorpommern gefunden wurde, überprüft habe, beispielsweise die Mitbewohner in Norwegen. Der Zeuge antwortet, das Überprüfen von Menschen im Ausland sei schwierig für sie als Nachrichtendienst, der im Inland tätig sei. Noetzel entgegnet, die Mitbewohner seien Deutsche und deren Personalien seien bekannt. Der Zeuge antwortet, das sage ihm nichts.

Domke fragt, ob es nach den abgeschlossenen Ermittlungen zur CD/DVD einen weiteren Versuch gegeben habe, ob man da rankomme. Der Zeuge verneint und sagt, die Begründung wolle er nur in nicht-öffentlicher Sitzung geben. Auf Nachfrage sagt der Zeuge, bei Gesprächen zwischen dem Abgeordneten Friedriszik und dem Referatsleiter, Fl., sei er nicht dabei gewesen.

Noetzel fragt nach den Hinweisen zu den Festplatten und nach den Wegen, wie diese ins LfV gekommen seien und ob das üblich sei. Der Zeuge antwortet, es habe drei Hinweise gegeben. 1. sei der Abteilungsleiter Reinhard Müller kontaktiert worden, er solle mal mit der Bundesgeschäftsstelle telefonieren. Dieser habe dann Fl. gebeten, das zu tun. 2. sei der Landesgeschäftsführer auf einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zugekommen, der habe einen Vermerk gemacht und das Referat und sie informiert. 3. sei der Landesvorsitzende des Reservistenverbandes auf ihn, „VS 44“, zugekommen und habe den Sachverhalt geschildert. Die Hinweise seien immer leicht unterschiedlich gewesen. Seit er im LfV sei, so der Zeuge, werde es immer normaler, dass Hinweise ans LfV herangetragen würden. Behörden und Privatpersonen würden sich an sie wenden und um Bewertung bitten. Der Rücklauf sei gesetzlich geregelt. Privatpersonen erhielten nur eine Empfangsbestätigung und die Information, das werde „seinen Gang“ gehen. Bei Behörden sehe das anders aus, da gebe man gegebenenfalls Rückmeldung. Der Reservistenverband sei zwar staatlich beauftragt, sich um Reservisten zu kümmern, aber sei keine Behörde. Der Zeuge bestätigt Noetzels Vorhalt, dass der Reservistenband deswegen keine Rückmeldung erhalten habe, obwohl alle gewusst hätten, dass eine Befragung stattgefunden habe. Die Festplatte sei von der Bundesgeschäftsstelle dem BfV übergeben worden, sagt der Zeuge auf Frage. Als sie von dem Sachverhalt Kenntnis erhalten hätten, sei die Festplatte schon dort gewesen, daher hätten sie zum BfV Kontakt aufgenommen. Sie hätten sich mit dem Bundesamt geeinigt, dass dieses die Federführung übernehmen solle. Der Zeuge bestätigt, dass er den Landesvorsitzenden des Reservistenverbandes persönlich kenne. Noetzel sagt, das BfV habe gesagt, die Festplatte sei leer, was stimme, aber der Reservistenverband habe ja die Dateien wiederhergestellt. Der Abgeordnete fragt, wie der Zeuge das bewerte und ob er nachgefragt habe, ob sich das BfV die wiederhergestellten Dateien angesehen habe. „VS 44“ sagt, er wolle die Bewertung des BfV nicht kommentieren. Noetzel sagt, dass sich bei einer Abfrage gezeigt habe, dass es gegen Herrn K. ein Verfahren wegen §86a gegeben habe. Er fragt, ob das dem BfV mitgeteilt worden sei oder ob dieses selbst eine Anfrage gemacht habe. Der Zeuge sagt, dazu könne er nichts in öffentlicher Sitzung sagen.

Domke sagt, er erinnere sich, dass die Festplatten eine Zeit lang nicht auffindbar gewesen seien. „VS 44“: „Ich weiß nicht, wann und wo das gewesen sein soll.“ Zur Anzahl der Spiegelungen der Festplatten könne er keine verlässliche Auskunft geben, so der Zeuge auf Nachfrage, aber es sei geschehen. Domke fragt, ob es der eigene Wunsch des Zeugen gewesen ein, zum LfV zu gehen. Erst sagt der Zeuge, er wisse nicht, ob das zur Sache gehöre. Nach erneutem Nachhaken Domkes antwortet er, das sei ein eigener Wunsch gewesen, weil er es für wichtig erachtet habe, „auch nach der ganzen NSU-Kiste“, da aktiv zu werden. Auch das Referat sei sein Wunschreferat gewesen, um „dem Ganzen ein bisschen entgegenzuwirken“.

Die Vorsitzende fragt zum Überwechseln von Blood&Honour Mitgliedern in den Rockerszene und welche Kriterien eine Gruppierung erfüllen müsse, um Überwachungsobjekt zu werden. Die Rockerszene werde ja nicht beobachtet und Rechtsextreme wechselten einfach die Organisation. Der Zeuge antwortet, nach dem Gesetz müsse es eine zielgerichtete politische Bestrebung geben, es müssten mindesten zwei Leute sein. Einzelpersonen gingen auch, aber nur wenn ein Gewaltbezug vorhanden sei. Eine körperliche Auseinandersetzung beispielsweise zwischen links und rechts reiche auch schon. Dass Rechtsextremisten sich neue Betätigungsfelder suchten, sei richtig, das sei in der Regel eine andere Kameradschaft oder eine Nachfolgeorganisation. Es gebe aber auch Personen, die weniger Politik wollten und eher in Richtung Drogen und Waffen gingen. Das heiße nicht, dass sie keine Rechtsextremisten mehr seien, aber die zielgerichtete politische Bestrebung falle weg. Daher müsse man prüfen, ob es eine Rechtfertigung zur weiteren Beobachtung gebe. Wenn man das bejahe, könne man die Person noch fünf Jahre im Blick behalten. Aber wenn es dann keine Hinweise auf Rechtsextremismus gebe, dann sei vorgesehen, dass die Behörde vergisst. Wenn eine Person von heute auf morgen in ein anderes Milieu wechsele, passiere das nicht, dann bleibe die Person im Datenbestand und werde bearbeitet. Es gebe einige, insbesondere im Raum Rostock.

Auf Nachfrage, wie diese Fristen eingehalten würden, erklärt der Zeuge, das System NADIS melde sich nach fünf Jahren, wenn bei einer Datei die letzte Erkenntnis fünf Jahre alt sei. Dann schaue ein Mensch darauf, ob beispielsweise die Person noch aktiv sei. Wenn ja, dann werde die Datei noch weitere fünf Jahre behalten. Das werde auch zum Anlass genommen, um beispielsweise bei Quellen danach zu fragen.

Noetzel hält aus einem Vermerk zur Befragung von K. vor. Danach seien die Einschätzung der „sehr erfahrenen Befrager“ des BfV, wie es im Schreiben heißt, die Aussagen von K. glaubhaft gewesen und auch sein persönliches Umfeld – Familie mit Kindern – lasse nicht auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen. Der Vertreter des Innenministeriums sagt, es sei eine Spekulation, wie eine Behörde eine Bewertung vornehme, darauf müsse der Zeuge nicht antworten. Noetzel fragt, ob die Befragung vorgelegen habe. Der Zeuge sagt, man habe sie angefordert, aber er wisse nicht, ob das erfolgt sei.

Der zweite Zeuge des Tages istVS 52“, er wird von Rechtsbeistand Dr. Butz Peters begleitet. Zu seiner Vorbereitung sagt der Zeuge, er habe Akteneinsicht genommen, auf seine eigenen Aufzeichnungen zurückgegriffen und habe ein Gespräch mit dem Zeugenbeistand geführt.

In seinem Statement geht der Zeuge zunächst auf seine beruflichen Tätigkeiten ein. Er sagt, er sei nach dem Studium in den 1980er Jahren in einem Bundesministerium tätigt gewesen, im Oktober 1991 sei er ins Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern gewechselt und seit Mai 2012 sei er beim Landesverfassungsschutz tätig, seit Juni 2012 arbeite er zum Schwerpunkt NSU. Er sei dazu im Austausch mit anderen Behörden. Zum Beweisthema habe er Punkte vorbereitet, das sei sonst zu umfangreich.

Der Mord an Mehmet Turgut und die Tatortauswahl. Es sei unklar, warum dieser Ort ausgewählt worden sei, „das wird sich wohl nie klären lassen“. Es sei ein abgelegener Tatort, der NSU habe sich dort wahrscheinlich ausgekannt, sie seien vor 1998 dort zu Besuch gewesen und in der Nähe des späteren Tatort sei der Wohnsitz einer der bekannten Personen gewesen. Daher liege nahe, dass sich Böhnhardt und Mundlos dort ausgekannt hätten.
Die Frage nach Kontakten nach 1998. Belegt seien solche Kontakte nicht, lediglich vor dem Abtauchen bis 1998 habe es offenbar Kontakte zu Personen aus Rostock gegeben. Diese Personen hätten sie bei einem Urlaub kennengelernt. Diese seien nicht in rechtsextremen Zusammenhängen bekannt geworden.

Namenslisten. Es gäbe verschiedene Listen von Personen, die mit den NSU-Komplex zu tun hätten. a) Die sog. Telefonliste von Uwe Mundlos, diese sei 1998 in der durchsuchten Garage gefunden worden. Darauf seien über 50 Namen, darunter zwei Personen aus Rostock. M. H. sei 2001 nach Niedersachsen und L. R. nach Schleswig-Holstein verzogen. Dabei handele es sich um die „Urlaubsbekanntschaften“ aus Rostock. Die Liste sei erst 2012 wieder aufgetaucht. b) Die 100er/129er-Liste des GBA. Diese habe neben den beiden Personen aus Rostock Dr. Eisenecker und David Petereit enthalten. c) Die 41er-Liste des GBA. Mit dieser Liste habe man NSU-Terroristen und Unterstützer gesucht. Das sei die Grundlage für die Aktendurchsuchung im Land gewesen. Keine der in der Liste aufgeführten Personen sei hier im LfV erfasst gewesen. Zum Ergebnis der Suche im Aktenbestand sei hier von besonderen Interesse: 1. eine Meldung aus dem Dezember 1998 aus Thüringen: Eisenecker vertritt Mundlos und Zschäpe vor Gericht. Da die Angeklagten nicht anwesend sind, sei das Verfahren abgetrennt worden. 2. ein vorläufiger Vermerk der „Operation Drillinge“ aus Thüringen: Es gebe deutliche Hinweise, dass die „Drillinge“ im nördlichen Bereich untergebracht werden sollen. Die Kontakte seien bekannt. Der Zeuge sagt, dass hierzu in der Öffentlichkeit die Auffassung vertreten worden sei, dass damit Mecklenburg-Vorpommern gemeint sei. Aber das sei auszuschließen. Mehr spräche eher dafür, dass die Untergetauchten in Niedersachsen bei einem namentlich bekannten Rechtsextremisten untergebracht werden sollten.

Spende an das Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“. Dazu gebe es zwei Sachverhalte. Eine Quelle habe über eine anonyme Spende an den „Weissen Wolf“ berichtet und dass dieser Spende ein Brief beliege, in dem es sinngemäß heiße: ‚Macht weiter so. Das Geld ist bei euch gut aufgehoben‘. Dieser Vermerk sei nicht ans BfV weitervermittelt worden, sondern nur an Berlin und Brandenburg. Eine Übersendung ans BfV sei erst 2012 erfolgt. Die Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ sei 2002 mit einem Gruß erschienen. Der Herausgeber sei damals David Petereit gewesen, er habe das von Maik Fischer aus Brandenburg übernommen. Die Ausgabe 18 habe in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgelegen, aber beim BfV und beim LfV Brandenburg. Daher stelle sich die Frage, ob es möglich wäre, den Spender herauszufinden, wenn man die Kenntnis von der Quellenmeldung habe, aber der Brief inhaltlich nicht bekannt sei. Das sei eine hypothetische Frage, er wisse darauf keine Antwort, so der Zeuge.

Weitere Erkenntnisse zu Eisenecker und Petereit. Eisenecker und Petereit seien die einzigen Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern, die im NSU-Kontext deutlich zu erkennen seien. Eisenecker sei Rahmen der Amtshilfe für Thüringen in Goldenbow observiert worden. Dabei seien Ralf Wohlleben und Carsten Schultze festgestellt worden. Bei Petereit sei bei einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme im Mai 2012 der sog. NSU-Brief gefunden worden.

Die NSU/NSDAP-CD/DVD. Diese sei in Krakow am See gefunden worden. Das LfV Mecklenburg-Vorpommern habe dazu kein eigenes Wissen, so der Zeuge. Er wolle zwei Punkte festhalten. Weder Herkunft noch Verbreitung der CD seien geklärt. Es konnte nachgewiesen werden, dass diese nicht mit dem NSU und seinem Umfeld zusammenhänge.

Durch Ermittlungen und Recherchen von Medien und Zivilgesellschaft seien weder Hinweise für die Auswahl von Mehmet Turgut oder der Bank in Stralsund gefunden worden, „Verbindungen konnten nicht festgestellt werden“. Sie seien nicht gänzlich auszuschließen, aber es gebe kein anderes Ergebnis. Er wolle auch auf den 2. NSU-Untersuchungsausschuss Bayern aufmerksam machen. Dieser habe gezeigt, dass das NSU-Trio insgesamt abgeschottet agiert und auf ein größeres Netzwerk verzichtet habe. „VS 52“ führt aus, er denke, der NSU habe genau gewusst, dass es V-Leute und labile Leute gebe. Mehr Leute hätten also ein höheres Entdeckungsrisiko dargestellt.

Die Zusammenarbeit mit der BAO Trio MV. Sie hätten direkt und über Verbindungsbeamte zusammen gearbeitet, so der Zeuge. Er habe die Zusammenarbeit in aller Regel als gut empfunden. „Natürlich musste man manchmal auf Informationen länger warten“, auf beiden Seiten. Er habe dafür Verständnis gehabt. Er wolle eine Bemerkung machen: Die BAO Trio MV sei personell deutlich besser aufgestellt gewesen. Im LfV habe Gründlichkeit Vorrang, also gebe es keine Antwort ohne größere Recherche. „Ich denke, das war in der Sache richtig.“

Auf Frage der Vorsitzenden führt der Zeuge aus, in die Aktenrecherche sei das gesamte Landesamt eingebunden gewesen. Sie hätten nicht nur nach Namen gesucht, „sie kennen ja VS 3“ [Fl., der Referatsleiter Rechtsextremismus], der habe darauf Wert gelegt, dass nicht nur nach Namen gesucht wurde. So sei es ihm berichtet worden, er sei nicht dabei gewesen. „Ich denke nicht, dass da was durchgegangen ist.“ Für die Antworten auf die Beweisbeschlüsse sei man nochmal alles durchgegangen. Gefragt nach den Kürzeln NSU/NSV sagt der Zeuge, er verstehe die Aufregung nicht, „das ist doch geklärt nach meiner Wahrnehmung“. NSV habe er erst gehört, als es Ende 2022 in der Öffentlichkeit um die Durchsuchung in Salchow ging. „Es wundert mich, dass man da weiter nachforscht.“ Das Kürzel NSU habe er erst nach der Enttarnung wahrgenommen. Im Zuge der Aktenrecherche habe man festgestellt, dass es den Begriff an sich schon vorher gegeben habe, nicht oft aber beispielsweise im Zusammenhang mit der NSDAP/AO.

Oehlrich fragt nach der Ausbildung des Zeugen. Dieser antwortet, er sei kein gelernter Verfassungsschützer, deswegen habe er Fortbildungen besucht, um in das Thema reinzukommen. Gefragt nach seinen Themenbereichen sagt er, er sei Sachbearbeiter zu allem, was im weitesten Sinne mit Untersuchungsausschüssen zu tun habe, nicht nur zum Thema NSU. Da gehe es beispielsweise um Freigabe-Verfahren von Dokumenten oder um Informationen zu Sachverhalten. Die Abgeordnete fragt, was eine gute Zusammenarbeit auszeichne. „VS 52“ nennt Offenheit und Ehrlichkeit. Soweit man Sachen weitergeben konnte. Eine gute Basis sei Vertrauen.

Bernd Lange (SPD) fragt zur Zusammenarbeit mit der BAO Trio MV. Der Zeuge antwortet, es habe einen ständigen Informationsaustausch und einen Verbindungsbeamten gegeben. „Wenn es schnell gehen sollte, dann ist der Verbindungsbeamte losgefahren.“ Seine, „VS 52“, Aufgabe sei gewesen, die Antworten auf die Fragen zu finden. „Wenn gesagt wurde, es muss schnell gehen, dann ging es schnell.“

Die Vorsitzende fragt nach der Evaluierung der BAO Trio MV und der dortigen Kritik, dass die Bearbeitung durch den Verfassungsschutz lange gedauert habe. Der Zeuge spricht von drei Phasen. Am Anfang seien alle Mitarbeiter an der Suche in den Akten beteiligt gewesen. In der zweiten Phase zwischen Juli 2012 und Februar 2023 habe er den Komplex allein mit einem Kollegen aus dem mittleren Dienst, und zwischendurch höheren Dienst, bearbeitet. Seit Februar 2023 seien sie sechs Personen: „Sie haben sicher schon gemerkt, das geht zügiger.“ Von Herrn Fl. wisse er, dass dieser bemüht gewesen sei, Personal aufzustocken, aber die aktuelle Lage sei auch sehr wichtig, damit habe er sich abfinden müssen.

Auf die Frage, woher er wisse, dass die BAO Trio MV besser aufgestellt gewesen sei, antwortet der Zeuge, es habe von zig verschiedenen Personen Anfragen an sie gegeben. Daraus schließe er, dass dort auch mehr Leute gearbeitet haben.

Noetzel fragt, ob der Zeuge den Beweisbeschluss aus dem letzten Untersuchungsausschuss kenne, das man alles haben wollte, was zu den Machern des „Weissen Wolfs“ bekannt sei. Als der Zeuge das bestätigt, fragt er weiter, warum man nicht alles zu den Machern Petereit, Fischer und Endres bekommen habe. Der Zeuge antwortet, das sei eine Interpretationsfrage. Petereit sei eine schillernde Persönlichkeit. „Wenn sie alles haben wollen, ist das eine wahnsinnige Aufgabe.“ Daher habe man Unterlagen zum Kontakt von Petereit zum „Weissen Wolf“ und darüber hinaus eine Zusammenfassung aller Hinweise auf Petereit geschickt. Auf dieser Grundlage könne man gezielt nach Unterlagen fragen. Petereit werde in zig Akten erwähnt, daher habe man auch den Fokus auf Petereit im Zusammenhang mit dem „Weissen Wolf“ gewählt. Noetzel fragt nach dem Hinweis, in dem die Rede vom „nördlichen Bereich“ ist. Der Zeuge sagt, natürlich habe man nachgeforscht, aber es habe alles für Niedersachsen gesprochen. Es gäbe auch die Aussage eines BfV-Mitarbeiters, der bestätigt habe, das damit nicht Mecklenburg-Vorpommern gemeint gewesen sei. Auf die Frage, was damals mit dem Hinweis passiert sei, sagt „VS 52“, er könne sich an eine Notiz erinnern: ‚auch bei uns?‘; aber er wisse nicht, was daraus gemacht worden sei. Aber es sei dann später nachgeforscht worden, dabei habe man nichts gefunden. Noetzel fragt nach dem Kürzel NSV und der Durchsuchung in Salchow 2004. Man habe ja gesagt, man wolle alles zum Thema NSU vorgelegt bekommen. Der Zeuge sagt, das sei eine reine Polizeisache gewesen. Über die Durchsuchung selber hätten sie damals keine Nachricht erhalten.

Oehlrich fragt nach Erkenntnissen zur NSU/NSDAP-CD/DVD nach 2015. Der Zeuge entgegnet, das sei auch so ein Punkt: „kann man nicht mal einen Haken dahinter machen und was anderes machen, wenn sie andere Vermutungen haben, dann müssten sie das kundtun.“ Man habe alles überprüft auf der Grundlage die man hatte. Oehlrich fragt danach, wie der Zeuge den Austausch zwischen David Petereit und Thomas Richter alias V-Mann Corelli bewerte. „VS 52“: „Ja waren halt Rechtsextremisten, die zusammengearbeitet haben, ich weiß jetzt nicht, worauf die Frage zielt.“

Die Vorsitzende fragt nach Blood&Honour, den Hammerskins und der Artgemeinschaft und ob man da auch keine Bezüge habe finden können. Der Zeuge sagt, dazu habe es einen „ausführlichen Aufsatz“ bei indymedia gegeben. Den habe man zum Anlass genommen, nicht nur Aufträge abzuarbeiten, sondern zu gucken, was es da gäbe, man habe sich die Namen angeguckt. Es sei nicht so, dass man keine Eigeninitiative zeige, das sei in der Presse anders dargestellt worden. „Es ist viel gemacht worden“.

Oehlrich sagt, dass in Thüringen vermerkt worden sei, dass André Kapke am 4. April 1998 bei einem Konzert in Mecklenburg-Vorpommern gewesen sei. Auch Thomas Starke sei im Kontaktbuch vermerkt gewesen, das sei aber nicht zusammengebracht worden. Der Zeuge sagt, natürlich habe man sich das angesehen. Es habe wenige Unterstützerpersonen gegeben, die in Mecklenburg-Vorpommern gewesen seien. „Aber nur weil Leute auf einem Konzert waren, kann man ja keine Verbindung zu Leuten aus Mecklenburg-Vorpommern herstellen.“