Als einziger Zeuge sagt heute „VS 12“ aus, der bereits im 1. NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern geladen war. Er war Auswerter beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern und u.a. für die Kameradschaftsszene im Osten von Mecklenburg-Vorpommern zuständig. In seinem Eingangsstatement geht er erneut auf das Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ und die Spende durch den NSU mit dazugehörigen Brief an dieses Magazin ein, da er sich bei seiner ersten Aussage offenbar missverstanden fühlte. Dabei geht es ihm insbesondere darum, warum die Ausgabe 18 aus dem Jahr 2002, in der ein Gruß an den NSU abgedruckt war, damals nicht besorgt wurde, obwohl er den Auftrag dazu gegeben habe. „VS 12″ sagt erneut, die Quellenmeldung zu der Spende an den „Weissen Wolf“ sei eine Besonderheit gewesen und dass es wichtig gewesen wäre, den Spender ausfindig zu machen. Insgesamt spricht er von einer „Fehlerkette“, von der er auch Teil gewesen sei. „VS 12″ betont aber trotzdem auch in dieser Sitzung, dass er nicht glaube, dass man den NSU anhand von Spende, Brief und Heft hätte fassen können. In der Befragung geht es um Einzelheiten zur Kameradschaftsszene, für die der Zeuge zuständig war.
Als zweiter Zeuge des Tages war heute Max-Florian Bu., ein Wohnungsgeber des NSU, geladen. Es gibt jedoch Probleme auf der Zugfahrt, aufgrund derer er erst am Nachmittag in Schwerin eintreffen würde. Daher lädt der Untersuchungsausschuss ihn auf einen anderen Termin um. Der einzige Zeuge des Tages ist somit „VS 12“, der laut der Einführung der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Martina Tegtmeier (SPD) über Kenntnisse des Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern über das Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ berichten könne. Der Zeuge war mit dem Fanzine „Der Weisse Wolf“ und mit der Meldung zur Spende an das Fanzine betraut, außerdem war er 1999-2006 Sachbearbeiter zur „Region Ost“. Dazu wurde der Zeuge bereits im ersten NSU-Untersuchungsausschuss befragt [siehe Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses vom 26. Februar 2021]. Außerdem sei er mit NPD-Rechtsanwalt Hans Günter Eisenecker und dem Kameradschaftsbund Anklam (KBA) befasst gewesen, so die Vorsitzende.
In seinem Statement sagt der Zeuge, er sei seit Ende 1980 beim Verfassungsschutz, zuerst beim Bundesamt (BfV) und dann sei er 1991 zum Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern gewechselt. Er sei hauptsächlich in der operativen Auswertung tätig gewesen. Ab Mitte 1999 und bis 2006 sei er für die Auswertung zu Neonazis im Osten von Mecklenburg-Vorpommern zuständig gewesen. „VS 12“ sagt, er habe dem Zwischenbericht entnehmen können, dass es ihm nicht vollends gelungen sei, alle Abgeordneten des ersten NSU-Untersuchungsausschusses dazu zu unterrichten, dass die Ausgabe 18 des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ nicht aus Brandenburg angefordert worden sei. [Zum Zwischenbericht] Er hoffe nun mit mehr Überzeugungskraft die Arbeitsschritte nachzuzeichnen.
Er habe auch zu Bestrebungen von Kameradschaften und Kameradschaftsbünden auf Usedom und Anklam gearbeitet. Auch die Hammerskins hätten zu seinem Zuständigkeitsbereich gehört. Er werde sich aber an dieser Stelle nur allgemein dazu äußern. Auf Details könne er nur in nicht-öffentlicher Sitzung eingehen. Auch auf Neonazis und Rocker werde er kurz eingehen. Der Zeuge sagt, dem Beweisantrag des Untersuchungsausschusses habe er entnommen, dass auch die Kameradschaft Süd zu den Interessengebieten gehöre, auch hierzu wolle er Stellung beziehen.
Der Zeuge sagt, er habe im Nachgang zur Festnahme von Martin Wiese mit dem Fall Berührungspunkte gehabt. Dieser stamme ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern, aber ihm sei er vor dessen Wechsel nach Bayern nicht bekannt gewesen. Wozu er nichts zu sagen habe, sei Hans Günter Eisenecker, auf einem Schreiben zu ihm sei zwar sein Kürzel zu finden, er sei aber nicht in die Bearbeitung eingebunden gewesen, so der Zeuge. Es sei ihm nur ein einziges Dokument mit Informationen zu Eisenecker, zur Kenntnis gegeben worden, da ein Halbsatz von ihm darin gestanden habe. Er könne auch keine Angaben zu Blood&Honour und Combat18 machen, da der gesamte Bereich der rechtsextremen Szene woanders bearbeitet worden sei. Es habe Berührungspunkte gegeben, weil Neonazis auf Konzerten waren und Neonazis Räume zur Verfügung gestellt hätten. Er sei auch nicht mit der Artgemeinschaft befasst gewesen.
Der Zeuge sagt, er habe auch aus der Berichterstattung von NSU-Watch erfahren, dass die Spende an Petereit immer wieder von Interesse sei. Er führt aus, dass die Ausgabe 18 des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ in der zweiten Jahreshälfte 2002 erschienen sei. Es habe eine Quellenmeldung zu einer Spende von 2500€ an den „Weissen Wolf“ gegeben. Nach 2011 sei dann der Spendenbrief bei Petereit gefunden worden. „Im Brief wurde von Kampf gesprochen und auch davon, dass der Abdruck ausdrücklich erwünscht war“, die Entscheidung von Petereit, diesen nicht abzudrucken, habe sicherlich einen Fahndungserfolg verhindert. Petereit habe es bei einem knappen Dank belassen. Ihm selbst habe im April 2002 der Hinweis auf eine Spende an ein Fanzine vorgelegen, so „VS 12“. Die Spende sei vom Auswertungsreferat als bedeutsam gewertet worden. Sein Agieren, aber auch das Ausrufezeichen eines Kollegen auf dem Dokument, würden dies zeigen.
„VS 12“ führt aus, er habe am 19. Juni 2002 einen Vermerk verfasst, als zwei Monate nach der Deckblattmeldung zu der Spende an den „Weissen Wolf“ eine doppelt so hohe Spende von „S. aus Sachsen“ an das Störtebeckernetzwerk in Stralsund erfolgte. Er habe in dem Vermerk geschrieben, dass auch die Spende vorher von S. sein könne. Dieser Vermerk sei auch an die Beschaffung und den V-Mannführer gegangen, die den Vermerk zu der ersten Spende gemacht hätten. Er habe auch zeitnah dazu ein Telefonat geführt. Es habe eine hohe Wichtigkeit gehabt. Er könne nicht verstehen, wenn von „VS 17“ Aussagen im Untersuchungsausschuss getroffen worden seien, dass dieser Sachverhalt nicht besonders gewesen sei oder man dies im Gesamtkontext sehen müsse oder dass dazu keine Gespräche geführt wurden [siehe Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses vom 19. März 2021]. Für ihn sei das zu wenig und stehe der Aktenlage entgegen, trotzdem müsse er resümieren, dass der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern keine Hintergründe zur Spende eruieren konnte. Man könne nun fragen, ob andere Behörden mit der Spendenmeldung etwas hätten anfangen können. Wegen der Einstufung sei aber nur eine Weitergabe im VS-Verbund in Frage gekommen, sie hätten die Meldung an Brandenburg und Berlin geschickt. Die Frage, warum es nicht ans Bundesamt gegangen sei, bleibe bestehen. Der Zeuge sagt dazu, die Konkretisierung habe gefehlt und die wäre dafür notwendig gewesen. Die Frage nach der Finanzierung von Publikationen sie immer schon wichtig gewesen. Für die Abwägung, wann man weiterleite, gebe es Grundregeln: Wenn es mehrere Länder betreffe und es Koordinierungsbedarf gebe oder eine Meldung an sich so wichtig sei. Das sei seiner Meinung nach nicht so gewesen. Das Bundesamt sei an Einzelmeldungen nicht interessiert, außer sie beträfen die nationale Sicherheit. Er würde also dabei bleiben, die Meldung nicht dorthin zu übermitteln. Der Zeuge führt weiter aus, dass die Sachverständige Katharina König-Preuss im ersten Untersuchungsausschuss den Vorwurf gemacht habe, dass es nach der Meldung wenig Eifer gegeben habe. Sie habe gesagt, dass eine Verfassungsschutzbehörde in dem Moment definitiv aktiv werde, das Quellen befragt würden oder TKÜ [Telekommunikationsüberwachung] geschaltet würde. „VS 12“ sagt, dass Quellen befragt wurden, aber Maßnahmen nach G10 wären abwegig gewesen. Es gebe enge Voraussetzungen dafür und eine bloße Vermutung zur Spende überwinde diese Hürde nicht, „Aufklärung hängt an rechtlichen Hürden“.
„VS 12“ sagt, er habe den Zwischenbericht des ersten NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern entnommen, dass es nicht nur bei der Vorsitzenden und anderen für Unverständnis gesorgt habe, warum man die Ausgabe 18 des „Weissen Wolf“ nicht in Brandenburg angefordert habe, das verstehe er auch. Für ein besseres Verständnis sagt der Zeuge, es habe viele Fanzines in Mecklenburg-Vorpommern gegeben, diese seien nur verdeckt zu beschaffen gewesen. Sie hätten von den Fanzines nie alle Ausgaben gehabt, sie seien keine Briefmarkensammler, wo nur ein komplettes Set zähle. Sie würden nach rechtsextremen Bestrebungen schauen und das könne auch ohne die Periodika geschehen. Zwei Monate nachdem Brandenburg mitgeteilt habe, dass sie die Ausgabe 18 hätten, habe es nochmal den Auftrag von „VS 10“ gegeben, die Ausgaben 18 und 19 zu besorgen, damals sei ihm das nicht zur Kenntnis gegeben worden. Die Frage, warum der „Weisse Wolf“ nicht einfach bei dem angegeben Postfach bestellt worden sei, stelle sich der Untersuchungsausschuss und er auch selbst. „Ob dieser Frage genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde, kann ich nicht sagen.“ Die Frage nach Übersendung sei eine Abwägungsfrage gewesen, weil das ganze Magazin hätte kopiert werden müssen. Daher habe man das nur gemacht, wenn ein Amt mehrere Ausgaben gehabt habe und ein Versand implizit angeboten worden sei, das sei hier nicht der Fall gewesen. Es habe bei den Meldungen aus Brandenburg und vom BfV auch nicht die Anmerkung vorgelegen, dass der Inhalt der Ausgabe 18 für alle besonders wichtig sei, sie schien sich nicht von anderen Fanzines zu unterscheiden. Das BfV habe erst im Juli 2003 gemeldet, dass sie Ausgabe 18 hätten. „VS 12“ sagt, er habe erst bei seiner letzten Aussage im Untersuchungsausschuss zur Kenntnis genommen, dass in Ausgabe 10 des „Weissen Wolfs“ ein Interview mit dem Kameradschaftsbund Anklam gewesen sei. Er wollte anmerken, dass die Arbeitsteilung es angezeigt hätte, dass sie dieses Interview ohne Anfrage von Brandenburg zugesandt bekommen hätten müssen, aber das sei nicht passiert.
Der Zeuge sagt, er sei beim ersten Untersuchungsausschuss mehrfach gefragt worden, wer für eine Anfrage zu einer Fanzine-Ausgabe bei einem anderen Amt zuständig gewesen wäre. Die Antwort laute, das Auswertungsreferat, also er selbst, wäre zuständig gewesen, per Anruf oder schriftlich darum zu bitten. Er habe bei seiner ersten Vernehmung dazu Stellung bezogen, so der Zeuge und habe erklärt, wie mit der „Causa Kopierwunsch“ umgegangen worden sei. Es konnte eine Fehlerkette beschrieben werden, von der er Teil gewesen sei. Aber er bleibe „trotz Kopfschütteln“ dabei, wahrscheinlich hätte man keine Kenntnis vom NSU bekommen, wenn man das gemacht hätte und man von der Danksagung auf die Spende geschlossen hätte, da man die spendende Organisation nicht hätte namhaft machen können. Selbst zusammen mit dem Spendenbrief, also dem „Dreiklang“ wäre das nicht möglich gewesen, weil der NSU nicht bekannt war. Eine Gleichung mit drei unbekannten könne man nur in eine Richtung auflösen, wenn Namen bekannt seien. „Es war ja auch so: als der Name bekannt war, ist das auch erfolgt.“
Der Zeuge sagt, er wende sich nun dem Thema zu, ob sich bei konsequenter Beobachtung des Kameradschaftsbunds Anklam (KBA) eine NSU-Unterstützung hätte ableiten lassen. Er sagt, als er das Themenfeld übernommen habe, sei der KBA als neonazistisch bekannt gewesen. Sie hätten beobachtet, welche Aktivitäten der KBA entfalte. Dieser habe den Ansatz verfolgt, in die Öffentlichkeit zu gehen, um dort seine Ideologie und Standpunkte zu verbreiten. Dabei sei es beispielsweise um dem Todestag von Rudolph Hess und den Gedenktag daran gegangen. Auch bei der Gedenkdemo in Dresden hätten sich Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligt. Es sei auch um die Hartz-Gesetzgebung und um die Einführung des Euro gegangen. Es habe aber auch interne Veranstaltungen nur für die Szene gegeben, wie Konzerte und Feiern in Salchow. Er sei aber nicht für Musik zuständig gewesen, daher beschränke er sich auf Hinweise zu politischen Aktivitäten. Es sei um die Wehrmachtsausstellung unter dem Motto „Opa war in Ordnung“ gegangen, es habe auch eine Kampagne „Braun werden auf Usedom“ gegeben. Für ihn habe sich abgezeichnet, dass die führenden Köpfe Vernetzung wollen. Schon die Wortwahl Aktionsfront zeige, dass man nach außen wirken und rechtsextreme Ziele anstoßen wolle. Er, „VS 12“, habe bei der Vorbereitung erneut ein Schreiben vom 9. Januar 2003 zu Kenntnis genommen. Darin sei beschrieben, dass Michael K. vom Kameradschaftsbund Usedom (KBU) in Ausgabe 7 des Neonazi-Fanzine „Der Fahnenträger“ die fränkische Aktionsfront zum Thema mache. Diese Ausgabe habe ihm nicht vorgelegen, dazu könne er nichts sagen. Der KBU sei eng mit dem KBA verknüpft gewesen. Sie gründeten zusammen die „Pommersche Aktionsfront“, dafür solle die „Fränkische Aktionsfront“ wohl Vorbild gewesen sein, aber dazu habe er keine Kenntnisse. Die „Fränkische Aktionsfront“ sei verboten worden. Ein Zusammenschluss habe eine qualitative Steigerung und damit mehr Öffentlichkeit zur Folge, so der Zeuge. Es habe vorher kleinere Zusammenschlüsse gegeben, gern mit „Widerstand“ oder „arisch“ im Namen. Zwei Jahre später habe es nur noch die „Pommersche“ oder „Mecklenburgische Aktionsfront“ gegeben. Petereit habe die „Mecklenburgische Aktionsfront“ geleitet. „VS 12“ sagt, er könne nicht sagen, inwiefern die „Fränkische Aktionsfront“ Anstoß für dieses Aktionsformat gegeben habe. Auch inwiefern Martin Wiese hier eine Scharnierfunktion hatte, könne er nicht sagen. Aber Wiese habe Kontakte zur Fränkischen Aktionsfront gehabt und das sei sicher ausschlaggebend für die Verbotsbestrebungen gewesen. 2005 habe Petereit in der Aktionsfront dazu aufgerufen, in die NPD einzutreten. Das Ziel sei die Landtagswahl gewesen. Man wollte den Zugang zu Geld und Reichweite haben. Er selbst habe das Sachgebiet ein halbes Jahr vor der Wahl verlassen, so „VS 12“, aber die NPD habe da sechs Mandate erlangt. Inwiefern der KBA schon vorher Einfluss auf die NPD gehabt habe, wisse er nicht.
Der Zeuge führt nun dazu aus, warum der Verfassungsschutz keinen personenbezogenen Ansatz verfolge. Es gehe um politische Bestrebungen. Allerdings würden terrorverdächtige Personen und deren Vernetzungsbestrebungen beobachtet. Seines Erachtens nach wollte die Szene nicht den Weg von Martin Wiese gehen. Sie hätte mit Sicherheit ein taktisches Verhältnis zu Gewalt, wollten Gewalt aber von ihrer Aktivität trennen. Bei seiner Tätigkeit habe er keine Kenntnisse zur Unterstützung von Terrorstrukturen erlangt. „Sollten einzelne Personen Kontakt zu Kontaktpersonen des NSU haben, so kann ich das nicht ausschließen.“
„VS 12“ sagt, zur Bearbeitung der Hammerskins möchte er öffentlich nur sagen, dass es zwei Sektionen im Westen und eine Sektion Vorpommern gegeben habe. Es habe auch Doppelmitgliedschaften mit der Kameradschaftsszene gegeben. Das verhalte sich ähnlich wie bei den Doppelmitgliedschaften in der NPD. Das Weltbild der Hammerskins sei rassistisch, die Aktivitäten seien eher die Organisation von Konzerten gewesen. Inwiefern die Sektion Pommern eine eigenständige Rolle gespielt habe, könne er nicht sagen. Es gebe ideologische Parallelen zwischen den Hammerskins und dem NSU, aber ob man darum von Verbindungen ausgehen könne, könne er nicht sagen. Es habe auch keine Rolle beim Verbot der Hammerskins gespielt, hätte es aber, wenn es Hinweise gebe.
Zum Thema Rechtsextremismus und Rocker sagt der Zeuge, im Osten hätten sich die Bandidos etabliert. Es habe mehrere Veranstaltungen auf einem Flugplatz bei Anklam gegeben, der Anmelder war 2003 ein NPD-Funktionär. Im Vordergrund stehe bei den Bandidos nicht die Politik, sondern das Streben nach Geld und Macht. Sie seien daher kein Beobachtungsobjekt. Laut seiner Erinnerung seien auch vereinzelt Personen aus der Neonaziszene bei Rockern.
Der Zeuge wendet sich erneut Martin Wiese zu. Dieser sei 1999 von Ostpommern nach München gezogen. Ihm sei die Person erst durch die Anfragen der Polizei nach der Anschlagsvereitelung bekannt geworden. Damals sei auch geprüft worden, ob er neben der Kameradschaft Süd auch in Vorpommern eingebunden gewesen sei, diese Prüfung sei negativ verlaufen. Es sei seiner Erinnerung nach nicht gefunden worden, dass er hier eingewirkt habe. Ob Wiese Kontakte zum NSU und seinem Umfeld hatte, vermöge er nicht zu sagen. Aber der Modus Operandi bei dem geplanten Anschlag sei ähnlich wie der beim NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße gewesen.
Zur Zusammenarbeit mit der Polizei sagt „VS 12“, es habe einen regelmäßigen Informationsaustausch gegeben. Sie hätten beispielsweise nach Veranstaltungen Personendaten von der Polizei erhalten, es habe auch Anfragen gegeben. Ob sie Auskunft gegeben hätten, habe davon abgehangen, inwiefern es sich um offene Informationen gehandelt habe. Es gebe und gab bei der Polizei das ständige Misstrauen, dass der Verfassungsschutz immer Informationen zurückhalte, sie hätten dies aber im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeit gemacht. Ihn und andere beschleiche der Verdacht, dass die Polizei infolge dieses Misstrauens auch restriktiver auf Anfragen reagiert habe, enger als es gesetzlich vorgesehen sei. Er habe erst von NSU-Watch von der Durchsuchung in Salchow im Jahr 2004 erfahren, obwohl es angezeigt gewesen wäre, dies zu melden. [Zum Artikel: https://www.nsu-watch.info/2023/04/wie-unbekannt-war-der-nsu/]
Die Vorsitzende merkt an, wenn sie gewusst hätte, dass der Zeuge so ausführlich spreche, hätte sie ein Zeitlimit eingeführt. Sie fragt nach dem Vermerk vom 19. Juni 2002, in der die Vermutung geäußert werde, woher die Spende komme. Sie fragt, was das Ende der Recherche gewesen sei. Der Zeuge antwortet, er habe den Vermerk erwähnt, um zu dokumentieren, dass die Spende selbst nicht aus den Augen gewesen sei. Es sei nicht mit dem Telefonat und dem Quellenbeschaffungsauftrag getan gewesen. Es habe ein permanentes Monitoring gegeben, was die Spende betroffen habe. Sicher sei es mit der Zeit weniger geworden, inwiefern er nach 2002 noch bei Quellen bzw. der Beschaffung nachgefragt habe, wisse er nicht mehr. Es habe sich wohl auf 2002 beschränkt. Tegtmeier fragt nach dem Kürzel „NSV“, der Zeuge sagt, das sei die Volkswohlfahrt im Nationalsozialismus gewesen. Dieses Kürzel sei während der Arbeit selbst und in den Akten nie aufgetaucht, es sei ihm nur rudimentär bekannt.
Bernd Lange (SPD) fragt, wann der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern nach der Selbstenttarnung des NSU angefangen habe, die Akten zu durchforsten. Der Zeuge sagt, zu dem Zeitpunkt sei er nicht mehr im Bereich Rechtsextremismus tätig gewesen, er habe es aber mitbekommen. Es müsste Anfang 2012, etwa Februar 2012 gewesen sein.
Auf Frage nach dem Spendenbrief des NSU sagt der Zeuge, es stehe darin, dass eine Veröffentlichung erwünscht sei. Petereit habe aber sicher vorausgesehen, dass eine Veröffentlichung den Verfolgungsdruck gegenüber dem „Weissen Wolf“ erhöht hätte. Der Zeuge verweist dazu auch auf seine erste Vernehmung. Auf Frage, wie man Strukturen wie den KBA und den KBU voneinander abgrenzen würde und wie sie es selbst tun, antwortet der Zeuge, er würde das an territorialen Zugehörigkeiten festmachen und wer sich wo getroffen unter welchem Label agiert habe.
Michael Noetzel (Linksfraktion) fragt, wie Informationen zusammengeführt wurden. Er nennt als Beispiel Alexander We. aus Salchow. Dieser sei in verschiedenen Bereichen tätig: Kameradschaft, Musik und NPD, die im Verfassungsschutz jedoch getrennt bearbeitet werden. „VS 12“ antwortet, die relevanten speicherungswürdigen Informationen seien aus dem jeweiligen Blickwinkeln gespeichert worden. Der Zeuge nennt ein Beispiel, wenn We. ein Konzert durchgeführt und eine Demonstration angemeldet hätte, dann wäre beide Informationen gespeichert worden, beides wäre im Datensatz vorhanden gewesen und für jeden nachlesbar. Man sei da aber nicht im Bereich Terror, dort wäre es anders gewesen, da werde das an einer Stelle zusammengeführt.
Constanze Oehlrich (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, wie der Zeuge David Petereit eingeschätzt habe. Dieser antwortet, Petereit sei ein führender Kopf der Kameradschafts-Szene gewesen, ideologisch eine der stärksten Führungspersonen wahrscheinlich aus ganz Mecklenburg-Vorpommern, im Osten auf jeden Fall. Er sei beim Aktionsfrontkonzept sicher einer der führenden Protagonisten gewesen und es ist „sicherlich auch seine Idee“ gewesen, die NPD zu kapern. Das sei aber spekulativ, aber er war einer der ersten, der da Anschluss gesucht habe. Zu überregionalen Kontakten Petereits hat er keine Erinnerungen, so der Zeuge auf Frage. Oehlrich fragt nach der Aussage des Zeugen im ersten Ausschuss, dass der „Weisse Wolf“ Rüstzeug für die Szene gewesen sei. „VS 12“ antwortet, das habe sich auf Artikel bezogen, die möglicherweise auch überregional Interesse gefunden hätten. Die Inhalte hätten sich etwas von oberflächlicheren Artikeln in anderen Zeitschriften unterschieden, sie hätten beispielsweise oft historische Anknüpfungspunkte gehabt. Das habe sich vom Niveau anderer Zeitschriften wie dem Fahnenträger unterschieden, der „Weisse Wolf“ „hatte einen etwas intellektuelleren Touch“.
René Domke (FDP) fragt, wie im Verfassungsschutz zusammengearbeitet werde, wer die verschiedenen Themenkomplexe zusammenführe. Der Zeuge zieht als Beispiel die Spendenmeldung heran. Dazu habe es eine Deckblattmeldung gegeben und es lägen zwei Ausdrucke mit verschiedenen Anmerkungen vor. Jeder habe sich etwas rausgenommen, das sein Sachgebiet betreffe. Das Original habe der bekommen, der vom Referatsleiter als primär zuständiger Sachbearbeiter gesehen wurde. Diese Person sei dann federführend. Die Kopfstelle sei damals der Referatsleiter gewesen, bei dem seien die Sachen zusammengeführt worden, er habe die Übersicht gehabt und habe Wertungen vorgenommen, im Berichtswesen habe er koordiniert. Domke fragt danach, dass die Auswertung des „Weissen Wolfs“ 2001 an Mecklenburg-Vorpommern und damit an den Zeugen abgegeben wurde. Der Zeuge sagt, die Auswertung, er selbst, sei durch den Fahnenträger darauf aufmerksam geworden, dass der „Weisse Wolf“ nun eine Adresse in Neustrelitz habe. Daher sei die Zuständigkeit von Brandenburg nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Er habe daher die Beschaffung beauftragt, das „Blättchen“ zu beziehen. Domke hakt nach, wie Brandenburg den Bearbeitungsstand übergeben habe. Er fragt auch, was der Zeuge über den Verbreitungsgrad des „Weissen Wolfs“ weiß. „VS 12“ antwortet, man habe zum „Weissen Wolf“ nur das gehabt, was offiziell abgedruckt gewesen sei, nämlich den Preis, 5 DM. Die Spende sei schon in Euro gewesen, sie hätten nicht genau gewusst, wie hoch die Auflage gewesen sei, hätten aber angenommen, dass die 2500€ Spende reiche, um eine ganze Ausgabe zu finanzieren. Daher bezeichne er die Spende bzw. die Meldung dazu als bedeutend. Zur Verbreitung wisse er nichts, sie hätten keine Versandlisten bekommen.
Der Abgeordnete Noetzel fragt nach einem Vermerk aus dem Jahr 2000, den „VS 12“ an den Landesverfassungsschutz Berlin versandte und darin benannten Personen. Demnach habe auf Usedom eine Veranstaltung der National-Germanischen Bruderschaft (NGB) stattgefunden, auf der es zu einer Fahnenübergabe gekommen sei. Zum erwähnten John Ot. sagt „VS 12“, habe er keine konkrete Erinnerung, dieser müsse aber ein Berlin-Bezug gehabt haben. Der ebenfalls anwesende Lutz Giesen sei in Mecklenburg-Vorpommern eine Führungsperson, ähnlich wie Petereit, gewesen. Er sei auf vielen Veranstaltungen, auch in Berlin, gewesen und vermutlich auch organisatorisch führend.
Oehrlich fragt nach dem KBA und der Rolle von Markus Th. Der Zeuge sagt, Th. sei vor 2003 der Eigentümer des Geländes in Salchow gewesen, er habe es dann verkauft. Er selbst habe ein Geschäft mit Devotionalien gehabt und habe als Multiplikator für die Szene gegolten. Diese habe in seinem Laden einen Anlaufpunkt gefunden. Die Abgeordnete merkt an, dass es kein Alleinstellungsmerkmal von Th. innerhalb des KBA sei, dass er ein „umtriebiger Unternehmer“ sei. Sie fragt, inwiefern sich KBA-Mitglieder dadurch auszeichnen würden. Der Zeuge antwortet, der Hauptpunkt der Beobachtung seien politische Bestrebungen gegen die Grundordnung gewesen, das habe man also das ausgewertet. Informationen, die die Eigentumsfrage in Salchow betrafen, seien eine Ausnahme gewesen. Das Gelände habe eine größere Bedeutung gehabt, aber es war nicht so, dass sie den Berufen der Neonazis Aufmerksamkeit geschenkt hätten, außer wenn es Hinweise auf Großfinanzierung gegeben hätte. Oehlrich fragt nach der Rolle der Scheune in Salchow. „VS 12“ antwortet, die habe eine große Rolle gespielt, dort hätten Veranstaltungen und Konzerte stattgefunden. Die Form des Eigentums habe bedeutet, dass keine größeren Anmeldungen nötig gewesen seien und dass der Zugang der Polizei eingeschränkt gewesen sei. Das sei ja eher die Ausnahme gewesen, daher sei die Bedeutung für den regionalen Bereich hoch gewesen. Oehlrich fragt, ob die Scheune in Salchow auch überregional Reichweite gehabt habe. Der Zeuge sagt, Informationen zu den Veranstaltungen seien in erster Linie von der Polizei gekommen, die hätten immer mal wieder überregionale Kennzeichen festgestellt. Oehlrich fragt nach Spenden für die Scheune, nachdem diese vom Bauamt geschlossen wurde und nach der Dankesliste für die Spenden, in der auch Neonazis aus Chemnitz aufgeführt sind. Der Zeuge sagt, das habe er nicht vor Augen, aber generell sei es so, dass wenn es sich um Beobachtungsobjekt handelt und es Informationen gebe, die auf Vernetzung hinweisen, informiere man andere Bundesländer darüber, das wäre der normale Ablauf, dafür gebe es das Verbundsystem.
Domke fragt, was der Zeuge über den Wechsel der Herausgeberschaft des „Weissen Wolfs“ wisse und ob man darüber andere Verfassungsschutzbehörden informiert habe. Der Zeuge sagt, er habe von diesem Wechsel im „Fahnenträger“ gelesen, er habe keine Erinnerung, dass da innerhalb des Verfassungsschutzes ein Staffelstab übergeben worden sei. Man habe damals nicht die gleichen Möglichkeiten wie jetzt, beispielsweise mit dem System NADIS, gehabt. Der Zeuge verneint, dass er nach der Selbstenttarnung des NSU noch einmal hinzugezogen worden sei.
Noetzel hinterfragt anhand von Verfassungsschutzberichten die Einschätzung des Gewaltpotentials von Neonazis durch den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern und Trennung zwischen Skinheads und Neonazis, die dort zu finden sei. Im Bericht von 2003 steht unter anderem, dass Kameradschaften ihre Ziele nicht mit Gewalt durchsetzen würden und 2004, dass es bei Neonazis nur ein geringes Maß aktueller Gewaltbereitschaft gebe. Der Zeuge sagt, damit sei das gleiche gemeint, „Neonazis kommen immer mal mit dem Thema Gewalt in Berührung, aber politische Ziele werden nicht mit Gewalt verfolgt“. Im VS-Bericht 2004 hätten sie ausgeführt, im Land gebe es 800 Skinheads und 300 Neonazis. Neonazis seien politisch organisiert. Der Organisationsgrad von Skinheads sei nicht vergleichbar von dem von Neonazis. Noetzel fragt, wie man den Unterschied gemacht habe, wenn ein Skinhead in einer Kameradschaft organisiert gewesen sei. Der Zeuge sagt, es habe vielleicht vereinzelt „Doppelmitgliedschaften“ gegeben, aber dann seien diese aus seiner Sicht Neonazis. Skinheads seien gewaltaffin und erlebnisorientiert gewesen und „nicht so an Arbeit interessiert“, die die Leute aus der Neonazi-Szene gemacht haben.
Oehlrich fragt, wie der Zeuge die Zusammenarbeit zwischen Rockern und Neonazis bewertet. Der Zeuge sagt, man habe vereinzelte Hinweise auf gemeinsame Aktionen gehabt. Ein NPD-Mitglied habe eine größere Veranstaltung für Rocker angemeldet, diese hätten vielleicht mal ein Vereinsheim für ein Konzert zur Verfügung gestellt, darüber hinaus gebe es keine größeren Sachen. Es gebe keine Zusammenarbeit, sondern Überschneidungen. Die Abgeordnete hakt nach, ob sich daraus eine besondere Gefahr ergebe. „VS 12“ antwortet, das käme auf die Überschneidungspunkte an. Wenn diese nur so vereinzelt seien, wie er das einschätze, dann nicht. Wenn es flächendeckend wäre, dann hätte das einen Unterschied gemacht, aber dazu habe er keine Erkenntnisse. Er glaube nicht, dass es ein gemeinsames Profitieren gäbe, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Auf weitere Nachfrage sagt der Zeuge, die Vereitelung des Anschlags in München 2003 habe zu einer Sensibilisierung geführt, aber nicht zu einer Um-organisation.
Domke fragt nach der Operativen Fallanalyse der „BAO Bosporus“ zur Ceska-Mordsere 2006, da wurde ein möglicher Tätertyp aus dem rechten Spektrum benannt worden. Der Zeuge sagt, er wisse nicht, ob diese dem Verfassungsschutz vorgelegen habe. Das sei Polizeiangelegenheit gewesen, aber es wäre interessant, ob sie an den Verfassungsschutz geschickt worden sei. Auf Frage sagt der Zeuge, es habe in keinem Bereich eine täterbezogene Analyse gegeben. Das sei erst nach dem Anschlag am Breitscheidplatz eingeführt worden. Davor habe es keine wissenschaftlich fundierte Bewertung von Gefährlichkeiten gegeben. Warum, wisse er nicht, jeder habe für sich Personen bewertet, je gefährlicher, desto wahrscheinlicher wurden geheimdienstliche Mittel eingesetzt.
Noetzel fragt danach, dass Th. die Scheune in Salchow für 94.000€ an We. verkauft habe und ob die
Vermögensverhältnisse von We. für sie interessant gewesen seien. Der Zeuge sagt, die ursprüngliche Information sei von der Polizei gekommen, die habe man zur Kenntnis genommen, weitere Voraussetzungen für Finanzermittlungen seien nicht gegeben gewesen. Die Informationen seien permanent erhoben worden, es habe einen Beschaffungsauftrag dazu gegeben, woher die 94.000€ gekommen seien. Auf Frage nach dem Störtebeker-Netz sagt der Zeuge, es habe eine große Rolle gespielt, was Vernetzung betraf. Es sei extrem antisemitisch ausgerichtet gewesen. Das sei der Beginn von Social Media in dem Bereich gewesen. Er denke, dass Kommentare und Anmerkungen, die da gemacht worden seien, nicht jedem in der Szene gefallen hätten.
(Text: ck / Redaktion: scs)