Seit Sommer 2022 tagt der 2. Untersuchungsausschuss zum Thema NSU/Rechter Terror im Landtag in Schwerin. Zunächst ging es weiterhin um den NSU-Komplex und hier um die Taten in Mecklenburg-Vorpommern, also den Mord an Mehmet Turgut in Rostock am 25. Februar 2004 und die beiden Überfälle des NSU auf eine Sparkasse in Stralsund am 7. November 2006 und 18. Januar 2007. Thema war auch das den NSU unterstützende Neonazi-Netzwerk im Bundesland. Dieser Themenkomplex wird voraussichtlich am 8. April vorerst abgeschlossen. Ab dem 15. April soll das immer noch aktive Nordkreuz-Netzwerk in den Blick genommen werden. Auch weitere rechte Netzwerke stehen auf der To-Do-Liste im Nordosten.
In den ersten Sitzungen im Schweriner Schloss lag der Schwerpunkt auf den Ermittlungen zum NSU-Komplex in den Monaten nach der Selbstenttarnung. Den größten Raum nahm in Mecklenburg-Vorpommern offenbar eine größere Datenbankabfrage unter anderem mit den von der Bundesanwaltschaft gelieferten Namenslisten ein. Hinweise zu potenziellen Unterstützungsstrukturen wurden nicht tiefergehend ausrecherchiert, auch weil die Ermittlungen von Seiten des BKA und Bundesanwaltschaft ausgebremst wurden. Ein Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern berichtete, man habe auf eine Anfrage nur die lapidare Antwort bekommen, man betreibe „keine Historienforschung“.
Auch den Neonazi-Netzwerken des NSU wandte sich der Ausschuss zu. Dabei war immer wieder der ehemalige NPD-Abgeordnete David Petereit Thema. Er hatte ab dem Jahr 2000 die Herausgeberschaft des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ inne, in dem 2002 ein Gruß an den NSU veröffentlicht wurde. Außerdem steht inzwischen im Raum, dass er die NSU/NSDAP-CD/DVD erstellt haben könnte, eine Daten-CD mit 15.000 rechten Bilddateien aus dem Jahr 2003. Bekannt wurde die CD der breiteren Öffentlichkeit Anfang 2014, als sie in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg gefunden wurde.
Befragungen im Ausschuss ergaben, dass Bundesanwaltschaft und BKA nach eigenen Angaben erst kurz vor den Funden durch einen Artikel in einer rechtslibertären Zeitschrift auf die CD aufmerksam wurden, obwohl sie seit 2005 beim Bundesamt für Verfassungsschutz vorlag. Selbst durch eine oberflächliche Suche nach dem Kürzel NSU hätte man auf die CD stoßen müssen. Im Ausschuss wurde eine E-Mail öffentlich, in der David Petereit 2000 dem Neonazi Thomas Richter alias V-Mann Corelli wegen Bildern für eine „Propaganda-CD“ anfragte. Dies wurde von den Behörden aber nicht weiter ermittelt, da sie ein Verbindung zwischen der CD/DVD und dem NSU-Kerntrio ausschlossen.
Darüber hinaus rückte der Kameradschaftsbund Anklam (KBA) und deren rechte Konzertscheune in Salchow mehrfach in den Fokus des Ausschusses. Der KBA pflegte Beziehungen nach Chemnitz. Zum Geburtstag der Kameradschaft in der Konzertscheune im Mai 2011 reiste unter anderem NSU-Unterstützer André Eminger an.
Trotz einiger weiterhin offener Fragen wendet sich der Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern ab dem 15. April dem Nordkreuz-Netzwerk zu. Das bedeutet aber nicht, dass ein Schlussstrich unter den NSU-Komplex im Nordosten gezogen werden darf. Die gesellschaftliche und parlamentarische Aufarbeitung muss weitergehen.
Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!
(Text: ck / Redaktion: scs)