In der 31. Sitzung des Neukölln-Untersuchungsausschusses ging es um den Mord an Luke Holland am 20. September 2015. Zu Beginn gab Luke Hollands Vater, Philip Holland, ein Statement ab. Als Zeugen gehört wurden der Anwalt der Hollands, Onur Özata, sowie ein Kriminalbeamter und der zuständige Staatsanwalt. Klar wurde, dass bei den Ermittlungen dem möglichen rechten Tatmotiv nicht ausreichend nachgegangen wurde. Auch die Verbindungen des Mordes an Luke Holland zum Mord an Burak Bektaş drei Jahre zuvor wurden damals kaum untersucht.
Bei der heutigen Sitzung ist Philip Holland, der Vater des am 20. September 2015 ermordeten Luke Holland anwesend. Für ihn gibt es eine Flüsterübersetzung des Gesagten. Zunächst bietet Ausschussvorsitzender Vasili Franco (Grüne) Philip Holland die Gelegenheit sich zu äußern.
Die Aussagen von Philip Holland und der drei Zeugen werden im Folgenden nach bestem Wissen und Gewissen sinngemäß und zusammenfassend wiedergegeben.
Philip Holland weist in seinem Statement darauf hin, dass er zum Zeitpunkt des Mordes an Burak Bektaş nicht in Berlin gewesen sei, aber als dann 2015 sein Sohn Luke ermordet wurde, seien die Ähnlichkeiten der beiden Fälle auffällig gewesen. Es habe ihn erstaunt, dass die Person, um die es bei seinem Sohn ging, auch beim Mordfall Burak Bektaş eine Rolle gespielt habe. Er habe ein Interview mit einem Radiomoderator gehabt und dieser Radiomoderator habe mehr darüber herausgefunden, was beim Mord an Burak Bektaş passiert ist, als die Polizei. Die Taten seien sich viel ähnlicher, als es bei der Polizei den Anschein gemacht habe. Philip Holland: „Das ist eigentlich alles, was ich dazu sagen kann. Es erschien mir geradezu lachhaft.“
Eine komplette Mitschrift des Statements von Philip Holland findet sich bei der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.
Franco bedankt sich bei Philip Holland und sagt, der Ausschuss werde seine Verantwortung ernst nehmen. Dann nimmt Philip Holland neben seinen Dolmetschern auf der vom Publikum aus linken Seite der Ausschussrunde Platz.
Zeuge Onur Özata
Es folgt dann die Befragung des Rechtsanwalts von Philip Holland, Onur Özata. Özata nutzt die Gelegenheit zu einem einleitenden Statement: „Ich bin Rechtsanwalt in Berlin, ich bin spezialisiert auf Strafrecht und ich vertrete auch Opfer von Straftaten, insbesondere rassistisch oder rechts motivierter Straftaten.“ Er sei, so Özata, einer der Anwälte der Familie Bektaş. Außerdem vertrete er seit 2015 Philip Holland. Der Mord an Burak Bektaş, so Özata, habe nur fünf Monate nach der Selbstenttarnung des NSU stattgefunden. Özata: „Der Täter trat an die Gruppe heran, schoss mehrfach auf sie, Burak starb, zwei Freunde wurden schwer verletzt. Als Anwälte der Familie, aber auch als Anwälte, die auch mit dem NSU-Verfahren befasst waren, sind uns bestimmte Auffälligkeiten ins Auge gesprungen. Alle Opfer waren Migranten oder hatten einen migrantischen Ursprung, es gab keinerlei Vorbeziehung, keine Kommunikation im Vorfeld und auch hinterher, kein Bekennerschreiben. Für uns war offensichtlich, dass hier möglicherweise ein Nachahmer des NSU am Werke war.“ Als Anwälte hätten sie sich auf die Arbeitshypothese konzentriert, ob ein rechts motivierter Mörder der Täter war. Sie hätten die Akten nicht nur, aber auch unter diesem Blickwinkel versucht zu lesen und auszuwerten. Sie hätten ihre Aufgabe auch so verstanden, gezielt Fragen in diese Ermittlungsrichtung zu stellen und so bei der Aufklärung der Tat zu helfen.
Özata geht dann auf den Mord an Luke Holland in der Nacht vom 19. Septemberauf den 20. September 2015 ein: „Luke befand sich vor einer Kneipe in Neukölln, als sein Mörder vorihn trat und ihn mit einem Schuss aus einem Schrotgewehr in den Bauch ermordete.“ Es habe wieder keinerlei Vorbeziehung gegeben, kein Bekennerschreiben. Ihnen habe sich dann die Frage eines Zusammenhangs zwischen diesen beiden Fällen gestellt: „Alsich den Namen Rolf Z. las, hat es bei mir geklingelt. Der Name taucht nämlich in den Akten zum Mord an Burak Bektaş auf.“ Der Name Rolf Z. sei Gegenstand eines Hinweises aus 2013, der den späteren Mörder von Lukebehandelt. Der ehemalige Betreiber eines Pornokinos habe angegeben, dass ein ehemaliger Kunde, also Rolf Z., damit zu tun haben könnte. Der Hinweisgeber habe sich an eine Begebenheit einige Zeit zurück erinnert, als dieser ihm eine scharfe Waffe gezeigt und ihn gefragt habe, ob er Munition besorgen könnte. Außerdem habe sich der Hinweisgeber erinnert, dass er Rolf Z. vor dem Klinikum Neukölln abgesetzt habe und Z. gesagt habe, dass hier sein Bruder wohne und er hier „rumballern“ könne. Özata weiter: „Dieser Hinweis stammt aus 2013, wurde aber erst 2015 bearbeitet, noch vor demMord an Luke Holland. Rolf Z. konnte ermittelt werden.“ Der Hinweis sei insofern bestätigt werden, als dass es früher gegen Z. ein Ermittlungsverfahrenwegen Waffen gegeben habe, eine Durchsuchung und bei ihm auch Munition gefunden worden sei. Özata: „Was passiertmit diesem Hinweis? Er wurde nicht weiter verfolgt.“ Der leitende Beamte im Mordfall Burak Bektaş, habe gesagt, so Özata, dass es keinen Bezug zu Neukölln gebe, und dass kein Bruder habe ermittelt werden können. Als Rechtsanwält*innen seien sie erstaunt gewesen, wie man so einen möglichen Ermittlungsansatz nicht verfolgen könne: „Dieses Gefühl, dass nicht genügend ermittelt wird, hatten wir von Anfang an.“ Sie hätten den Eindruck gehabt, dass die Möglichkeit eines rechten Tatmotivs nicht ausreichend verfolgt worden sei. Außerdem sie die Zusammenarbeit der Polizei mit ihnen äußerst widerwillig passiert, das habe sich sichtbar erst bei der Übernahme durch die Ermittlerin E. verbessert. Für Familie Bektaş seidas unerträglich gewesen, diese habe das Gefühl gehabt, dass der Staat nicht alles in seiner Macht stehende tut, um den Mörder zu finden. Özata: „Und für Familie Holland, dass der Mord an ihrem Sohn vielleicht hätte verhindert werden können.“ Er weist darauf hin, dass sich Rita Holland das Leben genommen hat.Özata schließt mit den Worten, dass es zusammengefasst „too little, too late“ gewesen sei.
Auf die Frage von Franco, ob die Polizei beim Mord an Luke Holland einem möglichen politischen Motiv ausreichend nachgegangen sei, sagt Özata: „Bei Luke Holland hatten wir das Glück im Unglück, dass der Täter schnell ermittelt werden konnte und man bei ihm eine Durchsuchung durchführen konnte.“ Dabei seien Gegenstände festgestellt worden, Nazidevotionalien, eine Hitler-Büste etc., die Rückschlüsse auf eine rechte Gesinnung zuließen. Die Ermittlungen hätten nicht gerichtsfest nachweisen können, dass er mit dieser Motivation die Tat ausgeübt hat. Das liege vermutlich an der fehlenden Kommunikation zwischen Opfer und Täter; jedenfalls wisse man von keiner Kommunikation. Auf Frage sagt Özata, dass seine Erfahrung sei, dass allgemein bei Ermittlungen Dinge entpolitisiert würden, man häufig nicht auf Hinterbliebene, auf Opfer höre, wenn diese glauben zu wissen, warum der Täter so gehandelt hat: „Da wird leider oft nicht ausreichend hingeschaut und hingehört. Wie wir es vielleicht beim Fall Burak Bektaş sehen können. Wenn man sich anschaut, wie die Staatsanwaltschaft mit unseren Anfragen umgegangen ist, dann bestätigt das diese Annahme.“ Franco fragt, ob aus Özatas Sicht als Anwalt, eine Tat ohne Kommunikation als rechts motiviert einzustufen sei, wenn man eine Hitler-Büste findet. Özata: „Jedenfalls sind Anhaltspunkte dafür da, diese Frage intensiv zu erörtern.“ Franco: „Und bei den Ermittlungen wurde das nicht ausreichend gemacht?“ Özata: „Wir haben im Verfahren auf die Verbindungen, die möglichen, zum Mord an Burak Bektaş hingewiesen. Und dieses Anliegen, die Aufklärung zu befördern, wurde eher diskreditiert, wurde als falsch dargestellt.“ Je später man Spuren verfolge, desto schlechter seien die Aussichten auf Erkenntnisse. Wenn erst Jahre später der Mörder von Luke Holland und andere Zeugen zu Verbindungen zum Mord an Burak Bektaş als Zeugen vernommen würden, könne man nicht erwarten, dort noch Erinnerungen abschöpfen zu können. Der Erotikkinobetreiber sei erst Jahre später polizeilich zum Mord an Burak Bektaş vernommen worden: „Das ist aus meiner Warte unerklärlich.“
CDU-Abgeordnete Stephan Standfuß bringt Philip Holland gegenüber sein Mitgefühl zum Ausdruck und seine Anerkennung, dass dieser sich dieser „schwierigen Prüfung“ heute unterziehe. Dann fragt er Özata nach Unterschieden zwischen den Ermittlungen zu den Mordfällen Bektaş einerseits und Holland andererseits. Özata antwortet, dass der Fokus im Falle Luke Holland ein anderer gewesen sei, weil man ja schnell einen Täter ermittelt hatte, da sei es eher um forensische Fragen gegangen, weil der Täter, soweit er sich erinnere, im Verfahren ja geschwiegen habe. Özata geht auf Nachfrage kurz auf diese forensischen Fragen ein, bei denen es etwa um Blutspritzer auf dem Mantel des Täters geht. Auf Frage sagt Özata dann, dass das Gericht es nicht so bewertet habe, dass ein rechtes Motiv vorliegt. Es habe zwar die Anhaltspunkte, auf die sie als Nebenklagevertreter im Verfahren hingewiesen hätten, bewertet, aber nicht als so gewichtig erachtet, dass es ausreicht, um ein solches Motiv anzunehmen. Standfuß fragt, ob es Hinweise auf Kontakt von Rolf Z. zu Gruppen gibt, die im Untersuchungsausschuss im Fokus stehen. Özata: „Ich glaube, es gab die Erkenntnis, dass Rolf Z. mal auf einer NPD-Demo mitgelaufen ist. Nageln Sie mich nicht auf die Daten fest. Aber ob es hier im Ausschuss Bezüge zur NPD gibt, weiß ich nicht.“ Özata geht dann auf Frage noch einmal auf die Hinweise auf Rolf Z. im Rahmen der Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş ein. Diese seien 2013 eingegangen, seien von dem Kinobetreiber aus Neukölln gekommen, der gesagt habe, dass er da jemanden habe, der mit dem Mord an Burak Bektaş in Verbindung stehen könnte, der ihm suspekt sei. Der Zeuge habe den Namen nicht genau gewusst, habe ihn „Ralf“ genannt, aber habe berichtet, dass der ihm mal eine scharfe Waffe gezeigt habe und Munition gewollt habe. Özata: „Und dieser Bürger, der den Hinweis gegeben hat, fand das so frappierend, dass er sich an die Polizei gewandt hat.“ Ermittlungen, ob Z. der Mörder von Burak Bektaş sein könnte, seien wie ausgeführt nicht gemacht worden, 2013 sei der Hinweis eingegangen, erst 2015 sei er bearbeitet worden: „Und, ich glaube Hübner schrieb den Satz: ‚Es gibt keinen Bezug zu Neukölln, ein Bruder konnte nicht ermittelt werden.‘ Acht Monate später wurde Luke Holland erschossen, von diesem Rolf Z.“ Auf Nachfrage sagt Özata: „Ich sage nicht, dass er das war, aber ich sage: Es wurde nicht mal die Frage gestellt, ob er in Verbindung stehen könnte. Mit der falschen Prämisse: Kein Bezug zu Neukölln. Er wohnte in Neukölln, der Hinweisgeber kam aus Neukölln, sein Bruder wohnte in Neukölln und zwar in unmittelbarer Nähe des Tatorts im Mordfall Burak Bektaş. Man tappte ja im Dunkeln und hätte dieser Sache ja nachgehen können.“ Standfuß fragt, ob die Anwälte der Polizei im Mordfall Bektaş auch weitere Hinweise gegeben hätten, die ignoriert worden seien. Özata: „Wir sind Anwälte, die auch mit dem NSU-Verfahren zu tun hatten, die Opfer rechter Gewalt vertreten und aufgrund unserer Biographie vielleicht auch einen besonderen Blick haben.“ Sie hätten Anfang 2017 einen Fragenkatalog an die Staatsanwaltschaft übersandt, unter anderem habe man angefragt, ob ein Abgleich mit der AE Fallanalyse passiert sei, das sei verneint worden. Man müsse aber, wenn man fünf Jahre nach dem Mord an einem Berliner Jungen, bei dem dessen Freunde schwer verletzt wurden, den Täter immer noch nicht habe, als Staat doch alles versuchen. Özata: „Wenn ich dann sehe, mit welcher Verve bestimmte Bagatelldelikte verfolgt werden in diesem Land, dann sträuben sich mir die Nackenhaare.“ Drei Monate später sei dann die Antwort gekommen, dass die Liste nur bis zum Jahr 2005 reiche, es daher keinen Bezug gebe. Es gehe aber doch gerade, so Özata, um den Abgleich auch mit Fällen, die vor dem Mord an Burak liegen: „Da fühlt man sich für dumm verkauft. Ich kann das ertragen. Es ist nicht mein Kind, das erschossen auf der Straße lag. Aber für die Mandanten ist es unerträglich, dass man so damit umgeht.“ Er werfe, so Özata, den Ermittlern nicht vor, dass sie erfolglos sind: „Niemand kann zaubern, aber man muss einen Mordfall als Mordfall behandeln.“ Standfuß sagt, dass hier im Ausschuss vom „perfekten Mord“ die Rede gewesen und sie hätten auch nicht den Eindruck gehabt, dass das Engagement in Gänze gefehlt habe, es gebe auch bei der Polizei Höhen und Tiefen. Özata entgegnet, dass es pervers sei von einem „perfekten Mord“ zu sprechen und er sich an der Formulierung störe. Im Publikum kommt kurz Applaus auf. Standfuß sagt, es habe sich um ein Zitat gehandelt. Özata: „Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, so lange Sie es sich nicht zu eigen machen, aber ich habe Ihnen darstellen können, meine ich, warum die Ermittlungen auch hätten anders laufen können. Wenn man nicht auch andere Prämissen hat, wie zum Beispiel, dass es es ein rechts motivierter Täter gewesen sein kann, dann kann ich mich nicht hinstellen und mir selbst auf die Schultern klopfen als Polizei und Staatsanwaltschaft. Es gibt einen Auswertebericht und eine Analyse, die nicht OFA [Operative Fallanalyse] genannt werden will, aus 2015. Beide Berichte stellen nicht einmal die Hypothese auf, das es ein rechter Täter gewesen sein könnte.“
Grünen-Abgeordneter André Schulze drückt Philip Holland sein Beileid aus. Auf die darauf folgende Frage von Schulze sagt Özata, dass der Name Rolf Z. nach dem Mord an Luke Holland in der Presse aufgetaucht sei und da habe es bei ihm geklingelt, ob die Strafverfolgungsbehörden in dem Moment auch diesen Konnex gezogen haben, könne er nicht sagen. Schulze sagt, er habe den Eindruck, dass nach dem Mord an Luke Holland die Spur Rolf Z. im Fall Bektaş trotz eines Waffenabgleiches dann recht schnell wieder versandet sei; das habe sich erst mit der Ermittlerin E. geändert: „Deckt sich das mit Ihrem Eindruck?“ Özata: „Auf jeden Fall.“ Man habe sich zuvor nicht ausreichend mit der Möglichkeit beschäftigt, ob Rolf Z. auch der Mörder von Burak Bektaş sein könnte. Mittlerweile gebe es in den Akten einen Sonderband, der auch stattlich sei, aber eben erst jetzt entstanden sei.
Schulze sagt, dass der Bruder von Rolf Z. erfolgreich ermittelt worden sei und die Frau des Bruders vernommen worden sei, allerdings die Auskunft verweigert habe. Er fragt, ob diese Ermittlungen von den Ermittlern im Fall Luke Holland oder von denen im Fall Burak Bektaş durchgeführt worden seien. Özata antwortet, er meine, das seien die Ermittler im Fall Luke Holland gewesen, könne es aber nicht sicher sagen. Zu Ermittlungen im Haus des Bruders von Z. sagt Özata, beim Verfahren Luke Holland seien dort Zeugen befragt worden, aber er nicht im Fall Burak Bektaş, meine er. Özata: „Der damalige Staatsanwalt im Fall Burak Bektaş wollte das Verfahren einstellen, ich glaube 2014/15. Ich hatte den Eindruck, dass erst durch unsere Arbeit und die geschaffene Öffentlichkeit so ein bisschen Ermittlungstätigkeiten entfaltet worden sind.“ Auf Frage sagt Özata, dass der Hinweis auf Rolf Z. bei den Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş nicht weiter thematisiert worden sei. Der Mord an Luke Holland sei 2015 gewesen und erst 2020 [phon.] sei dann der Hinweis thematisiert worden. Nach so langer Zeit würden Zeugen dann häufig sagen, dass sie es nicht mehr wissen, sich nicht erinnern, an Demenz leiden. Schulze: „Da sind ja dann fünf Jahre ins Land gegangen ohne Ermittlungen. Könnten Sie uns vielleicht was zur Aktenführung sagen, wie nachvollziehbar und strukturiert das bei Burak Bektaş war?“ Özata: „Ich habe das als sehr chaotisch in Erinnerung. Ich sprach schon die Fallanalyse an, die erfolgte 2015 und ist erst 2019 zu den Akten gelangt. Wieder ganze vier Jahre, bis wir Anwälte Einblick bekommen haben in das Denken und die Psychologie der Beamten, die dort ermitteln. Und das ist sehr misslich, wie ich finde.“ Schulze fragt nach offen gebliebenen Ermittlungssträngen. Özata nennt ein schweizerisches Restaurant auf der Rudower Chaussee, bei dem im Rahmen der Zeugenvernehmung der Nachbarn bekannt geworden sei, dass der damalige Betreiber zur Zeit des Mordes an Burak Bektaş laut ehemaligen Mitarbeitern häufiger rassistische Ausfälle gehabt habe. Der Anregung von Vertretern der Opferfamilie, bestimmte Zeugen zu vernehmen, sei nicht nachgegangen worden, man habe einfach gesagt, dass man die Vernehmungen nicht gemacht habe. Das habe auch zu Kränkungen bei der Opferfamilie geführt. Es sei, so Özata, auch Aufgabe staatlicher Institutionen, die Opfer ins Boot zu holen, sich auch zu rechtfertigen: „Wir sind Juristen, aber die sind die Profis, dann kann man uns erklären, aus dem und dem Grund führt das zu nichts – fair enough.“
Bei den Ermittlungen zum Mord an Luke Holland habe er, so Özata, eine bessere Zusammenarbeit wahrgenommen. Der zuständige Staatsanwalt habe den Eltern von Luke Holland die Ermittlungen erläutert, habe versucht die Eltern abzuholen. Es sei von der Kommunikation her transparent, offen, deutlich besser gewesen. Er erinnere sich bei Aktenwünschen seinerseits an keine Probleme oder Widrigkeiten. Schulze fragt, ob hier abgesehen vom Ziehen von Rückschlüssen auf den Fall Burak Bektaş die Ermittlungen richtig verlaufen seien. Özata: „Was die Einbeziehung der Nebenklage angeht besser, aber im Gerichtsverfahren selbst gab es natürlich Auseinandersetzungen, was zugehörig ist zum Verfahren und was nicht. Da gab es einen Dissens.“ Seitens der Staatsanwaltschaft sei der Vorwurf aufgekommen: „Ihr Opferanwälte versucht hier den Fall Burak Bektaş aufzuklären, was fällt euch eigentlich ein?“ Er hätte sich gewünscht, dass Gericht und Staatsanwaltschaft diesen Fragen nachgehen, weil die Frage der Verantwortlichkeit für einen anderen Mord auch für den Angeklagten eine Rolle spiele: „Das ließe auch Rückschlüsse auf die Motivation Luke Holland zu ermorden zu. Das wurde abgetan, weil man die Zusammenhänge nicht gesehen hat.“ Man habe ein schnelles Verfahren haben wollen, so seine Vermutung, die auf Erfahrungswerten aus anderen Verfahren basiere. Schulze: „Was wäre aus Ihrer Sicht als Anwalt von Opferfamilien das ideale Verfahren bezüglich Kommunikation und Umgang mit Opferfamilien?“ Özata: „Dass man zuhört, ihnen Raum gibt sich zu artikulieren, deren Perspektive auch Raum gibt. Das haben wir beim NSU gesehen, dass dort nicht auf die Opfer gehört wurde – mit den entsprechenden Konsequenzen.“ Es gebe aber auch Positivbeispiele, etwa im Verfahren zu dem Terroranschlag an Jom Kippur in Halle, wo er Nebenklagevertreter war. Özata: „Dort hat sich das Gericht alle Zeit der Welt genommen, um den Betroffenen, den Überlebenden zuzuhören. Das war vorbildlich aus meiner Sicht.“ Im Fall Burak Bektaş hätten sie dagegen das Gefühl gehabt, sie würden da jemanden behelligen, jemanden stören: „Wir hatten das Gefühl, wir sollten Ruhe geben und die Ermittler ihre Arbeit machen lassen. Wir kamen uns vor wie Störenfriede.“
Auf Frage des SPD-Abgeordneten Orkan Özdemir sagt Özata, dass sie sich schon gewundert hätten, wie die Staatsanwaltschaft, die eigentlich Herrin des Verfahrens sei, falsche Antworten geben könne, sie hätten aber nicht nachgelassen und versucht weitere Erkenntnisse zu bekommen. Ein Beispiel sei „kein Bezug zu Neukölln“, was ganz klar falsch und widerlegt sei. Die Frage, ob eine Operative Fallanalyse durchgeführt wurde, sei vom Staatsanwalt verneint worden, weil der Fall ungeeignet dafür sei, der Täter habe einen Satz gesagt, geschossen und sei gegangen. Özata: „Ich kenne keinen Akteninhalt, wo gesagt wird, der habe einen Satz gesagt. So was bekommt man und fragt sich: Was soll das?“ Ihr Ansatz damit umzugehen sei die Öffentlichkeit gewesen, sie hätten eine Pressekonferenz gemacht, so Özata. Weiter sagt er: „Es gab die Burak-Initiative, also einen zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss von sehr engagierten Leuten, die auch heute hier sind, jeden Tag hier protestieren. Die haben auch sehr viel dazu beigetragen, dass dieses Verfahren, dieser Mord an Burak Bektaş nicht in Vergessenheit geraten ist. Ich denke unser gemeinsames Engagement hat auch dazu geführt, dass das Verfahren nie eingestellt wurde.“ Es habe, das stehe in den Akten, den Vorschlag gegeben, dass das Verfahren binnen drei Monaten eingestellt werden soll: „Das wurde nicht getan und das hat viel mit unserem Engagement zu tun.“
Linken-Abgeordneter Niklas Schrader richtet ebenfalls dankende Worte an Herrn Holland und fragt den Zeugen Özata dann nach dem möglichen politischen Motiv der Tat an Luke Holland und ob den Hinweisen darauf ausreichend nachgegangen wurde: „Es ist ja immer so eine Sache, wenn eine Gesinnung zu Tage tritt, die das nahelegt, der Mord aber schon aufgeklärt ist.“ Özata: „Ich meine, es wurden die Zeugen vernommen, die mit ihm in der Kneipe zu tun hatten, Zeugen aus dem näheren Umfeld. Da kam einiges zum Vorschein: Dass er meint, es gebe zu viele Ausländer, dass nur noch Englisch und Spanisch gesprochen werde in der Kneipe, vor der er dann auch Luke Holland erschossen hat, das Interesse an der NPD, aber unter Vorbehalt, das weiß ich nicht mehr genau. Aber mehr wurde da auch nicht ermittelt, die Bemühungen waren nicht ausgesprochen groß, weil man, so erkläre ich mir das, den Täter ermittelt hatte.“ Schrader: „Also das Motiv spielte eine untergeordnete Rolle?“ Özata sagt, dass es aus juristischer Sicht so sei, dass der Täter wegen eines Heimtücke-Mordes verurteilt worden sei, damit habe man sich wahrscheinlich zufrieden gegeben. Vom Gericht sei das politische Motiv nicht als erwiesen angesehen worden: „Die Begründung steht im Urteil, müsste man nochmal reingucken.“ Schrader verweist auf die entsprechenden Hinweise, die bei Rolf Z. gefunden worden seien, etwa Bücher, Terroranleitungskonzepte, die in der rechten Szene kursierten. Özata dazu: „Die bezeichneten das Zimmer als Sammlerzimmer. Was auch schon eine Wertung beinhaltet. Ich meine, dass die Schriftstücke nicht weiter auf Herz und Nieren überprüft wurden. Ich meine, da waren Bücher zu Waffen, weil er sich sehr stark dafür interessiert hat, und geschichtliche Bücher, aber ich kann nicht mehr genau sagen, ob man sich da alles angeguckt hat.“ Schrader: „Z. soll sich in zeitlicher Nähe zur Tat in Oranienburg aufgehalten haben, sind Ihnen dazu Ermittlungen bekannt?“ Özata: „Er soll sich da auf einem traditionellen Ritterfest befunden haben und geriet im Anschluss in eine Auseinandersetzung mit einem anderen Besucher, soweit ich mich erinnere. Da wurde eine hohe Alkoholisierung bei ihm festgestellt, was dann für die Berechnungen im Urteil später fruchtbar war. Wir haben uns damit beschäftigen müssen, weil von Seiten der Verteidigung das Argument vorgebracht wurde, da sei Feuerwerk verschossen worden, weil die Schmauchanhaftungen von da stammen könnten, um Zweifel an Täterschaft zu streuen. Ob da weiter ermittelt wurde, Zeugen etc. weiß ich nicht mehr.“ Er glaube, so Özata auf Nachfrage, dass es keine Erkenntnisse dazu gegeben habe, mit wem er da hingegangen ist. Schrader will wissen, wie es begründet wurde, dass dem Hinweis des Pornokinobetreibers erst so spät nachgegangen wurde. Özata: „Die Erklärung ist, glaube ich, dass man mit dem Wechsel des Ermittlerteams nochmal andere Ansätze ausprobieren wollte, und man sich natürlich dann auch mit dem beschäftigt hat, was wir all die Jahre aufgebracht haben. Aber warum man das nicht vorher schon gemacht hat, ist uns ein Rätsel. Und den Spuren nicht nachgeht, die ja nicht völlig absurd sind.“ Schrader: „Vor allem wenn man händeringend nach Hinweisen sucht.“ Schrader fragt, ob bei dem Hinweis des Pornokinobetreibers ein Hinweis auf eine rechte Gesinnung von Rolf Z. dabei gewesen sei. Özata: „Ich meine, dass er das nicht gesagt hat. Er erinnerte sich, dass dort ein ‚junger Türke‘, O-Ton, erschossen wurde und dieser Kunde bei ihm vorstellig wurde, nach Munition gefragt hat, sich in Richtung Neukölln hat chauffieren lassen zu seinem Bruder, er würde dort rumballern. Aber nichts, dass er rechts sein könnte oder was gegen Türken haben könnte.“ Er meine, so Özata, dass es angebracht gewesen wäre, dass man sich den Hinweisgeber so früh wie möglich greift und befragt, aber der Hinweis habe erst mal herumgelegen und sei erst später bearbeitet worden. Schrader fragt, ob es mit dem Staatsanwalt oder dem Ermittler Hübner nochmal einen Austausch dazu gegeben habe, warum der Satz, es gebe keinen Bezug zu Neukölln, da drin steht. Sie hätten Hübner im Zeugenstand befragt, so Özata. Schrader: „Und was hat er gesagt?“ Özata lacht etwas und sagt: „Ja, nichts“.
Der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz fragt nach einer längeren Vorrede, ob Özata das Gefühl gehabt habe, dass das Verfahren von Seiten der Ermittlungsbehörde keine ausreichende Priorität hatte. Özata: „Das könnte eine Wertung sein, die man am Ende hat. Jedenfalls wurde nicht genug getan und wenn nicht genug getan wird, dann kann es daran liegen, dass nicht genügend priorisiert wurde, dass es zu wenig Ressourcen gibt, ich weiß es nicht.“ Er sehe nur, dass man nicht intensiv genug versucht habe, das Vorliegen eines rechten Tatmotivs zu ermitteln. Auf Frage von Lenz sagt Özata: „Wenn man feststellt, dass diejenigen, die damit beauftragt werden, ein Mordgeschehen aufzuklären, entweder die Akten nicht richtig kennen, falsche Antworten geben, verzögerte Antworten geben, bestimmte angezeigte Ermittlungsschritte nicht vornehmen, dann kann man feststellen, dass das nicht sein darf.“ Die Gründe dafür müsse der Untersuchungsausschuss herausfinden. Lenz macht erneut längere Ausführungen, diesmal darüber, dass man ja gemeinsam besser werden wolle. Dann fragt er, ob Özata, der sich positiv auf die Richterin im Strafverfahren zum Anschlag in Halle bezogen habe, auch positive Beispiele aus Berlin nennen könne. Özata: „Mir ist positiv insbesondere aufgefallen und bewegt mich menschlich bis heute, mit welcher Hingabe sich Menschen in ihrer Freizeit dafür engagieren, dass es den Opferfamilien gut geht, dass Ihnen Gehör verschafft wird, dass der Fall nicht vergessen wird, die sich bei Wind und Wetter auf die Straße stellen, protestieren. Die Menschen, die ich meine, sitzen hier im Zuhörerbereich. Das bewegt mich.“ In Bezug auf Behörden sagt Özata auf Nachfrage, dass er ja darauf hingewiesen habe, dass mit dem Wechsel der Ermittler Bewegung in den Fall gekommen sei, lose Enden aufgegriffen worden seien, besonders tief ermittelt worden sei: „Das sind Verbesserungen, die eingetreten sind. Ich befürchte nur, dass das alles zu spät kommt.“
Kurz drauf endet die Befragung des Zeugen Onur Özata.
Zeuge Thomas R.
Weiter geht es nach der Pressekonferenz des Untersuchungsausschusses um 13.20 Uhr. Gehört wird der LKA-Beamte Thomas R., der zum Mord an Luke Holland ermittelte. Zunächst gibt R. in seinen einleitenden Bemerkungen wieder, wie er das Geschehen erlebt hat. Er habe Rufbereitschaft gehabt und sei dann mit mehreren Kolleg*innen zum Tatort in der Neuköllner Ringbahnstraße gefahren: „Es hat sich so dargestellt, dass ein britischer Staatsangehöriger, Luke Holland, vor einer Kneipe, Del Rex, in der Ringbahnstraße erschossen wurde, augenscheinlich mit einer Schrotflinte.“ Kurz vor 6 Uhr habe sich Luke Holland vor die Bar begeben und sei dort von einem Mann erschossen worden. Die Bar sei gut besetzt gewesen, die in der Bar befindlichen Personen hätten den Knall wahrgenommen, aber nicht mit einem Schuss in Verbindung gebracht. Dann habe eine Zeugin mit Begleitung die Bar verlassen und linksseitig den schwer verletzten Luke Holland gefunden. Gegenüber habe sie einen Mann gesehen, der etwa 50 bis 60 Jahre alt war, längere graue Haare und eine Langwaffe dabei gehabt habe. Die Zeugin habe den Mann angesprochen und der habe nur geantwortet, er müsse sich verteidigen, und gefragt, wo der andere sei. Sie habe den Mann nochmal angesprochen. Der Mann habe daraufhin die Waffe gezeigt, woraufhin sie nichts mehr gesagt habe, und sich die Zeugen um Luke Holland gekümmert, den Notruf gewählt hätten. Die ersten Ermittlungen des Polizeiabschnitts 55 hätten, so R., ergeben, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um Rolf Z. handeln solle. Der habe vom Alter her gepasst, habe im polizeilichen System einen Waffenverstoß gelistet gehabt. Der Frau sei ein Lichtbild von Z. vorgelegt worden und sie habe Z. als den Mann mit der Waffe wiedererkannt.
Spezialeinsatzkräfte seien in die Wohnung eingedrungen, Z. sei aber nicht anwesend gewesen. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung hätten sie dann eine große Anzahl von Waffen gefunden, aber keine Schrotflinte, außerdem viele Militariasachen und „eine Menge Devotionalien aus der Zeit des Nationalsozialismus“. Der Staatsschutz sei darüber informiert worden, sei aber selber nicht erschienen, sondern es sei gesagt worden, dass die Gegenstände auch im Sinne des Staatsschutzes dokumentiert werden sollen. Die Wohnung sei dann von operativen Kräften „verpostet“ worden und man habe Rolf Z. um 21 Uhr festnehmen können. Z. habe sich in der folgenden Vernehmung nicht eingelassen und auf einem Anwalt bestanden. Am nächsten Tag sei er selbst, so R., an den Ermittlungen nur begrenzt beteiligt gewesen. Am Dienstag, den 22. September 2015, habe sich dann der Z.s Neffe gemeldet, weil in der Wohnung der Halbschwester von Z. verdächtigeGegenstände aufgefunden worden seien. Die Schwester habe dann berichtet, dass der Bruder, Rolf Z., am Sonntagmorgen gegen 7 Uhr in der Wohnung erschienen sein soll.Die Gegenstände seien gesichert worden von Kolleg*innen, die auch die Schwester vernommen hätten. Gefunden worden sei ein Schrotflinte Kaliber 12. Das spiele eine Rolle, weil Munitionsteile gefunden worden seien, die für Kaliber 12 sprachen. Der ebenfalls gefundene dunkle Mantel spreche auch für die Wahrnehmung der Zeugin. Z. habe auch bei erneuter Vernehmung nicht mit ihnen gesprochen, so R. Weiter sagt R.: „Wir mussten ihn anhand von Schmauchspuren, insbesondere, und von Zeugenaussagen gerichtsverwertbar überführen und letztlich ist er wegen Mordes zu 11 Jahren und 7 Monaten verurteilt worden.“
Vorsitzender Franco sagt, aus den Akten hätte er angenommen, dass R. der leitende Ermittler gewesen sei, und fragt, wer ab der Übernahme durch die Mordkommission den Hut aufgehabt habe. R. antwortet, er sei nicht leitender Ermittler gewesen, sei aber im polizeilichen System als Verantwortlicher eingetragen. Es gebe in der Mordkommission eine gewisse Aufteilung und er sei derjenige gewesen, der abschließend Kontakt zur Staatsanwaltschaft hatte und beispielsweise Nachträge der Akte nachgereicht habe. Welche Maßnahmen getroffen würden, entscheide letztlich der Kommissariatsleiter, der sich aber mit ihnen abstimme, so R. auf Frage. Auf Frage zu den in der Wohnung Z.s aufgefundenen Nazidevotionalien sagt R. dass sie sich auf Tatwaffen und Ähnliches konzentriert hätten. Es sei mitgeteilt worden, dass keine Kräfte vom LKA 5 [Staatsschutz] kommen und sie dokumentieren sollen: „Das haben wir respektiert und unsere Arbeit aufgenommen.“ Man wolle den Täter möglichst schnell finden, aber schon gründlich und intensiv zu ermitteln, so R. auf Nachfrage: „Wir wollen es schon rundmachen, es ist wie ein Puzzlespiel, da will man alle Teile haben, aber man will den Täter überführen und es ihm nachweisen.“
R. bejaht die Frage von Standfuß, ob Rolf Z. auch Gast in dieser Kneipe gewesen sei, sowohl am Tatabend, was mehrere Zeug*innen bestätigt hätten, als auch eine Woche zuvor. Zeug*innen hatten sich gut an Z. erinnern können, weil er eine Woche zuvor einen Streit mit einem Gast aus der Bar gehabt habe. Z. habe eigentlich Hausverbot in der Bar gehabt. Der Wirt habe Z. angesprochen, dass der andere Gast auch da sei, Z. aber bleiben dürfe, wenn er sich bei dem anderen Gast entschuldige. Dieser habe Z. dann in dem Gespräch gesagt, dass Z. bei so etwas nicht an den Falschen geraten dürfe. Z. habe laut dem Gast daraufhin gesagt, dass er ihn dann erschossen hätte. Der Gast habe dann laut seiner Aussage so etwas gedacht wie: „Seltsamer Humor“. Standfuß fragt, ob man aus den Satzteilen, die Z. nach der Tat der Zeugin gesagt habe, schließen könne, dass er zwei Gäste im Auge hatte, gegen die er sich vermeintlich verteidigen müsste. R. sagt, er könne es nicht ausschließen, man könne spekulieren, dass er auf den Gast von der Vorwoche abgezielt hat. Kein Zeuge habe sagen können, dass Luke Holland vor der Tat mit Rolf Z. Kontakt gehabt habe. Der Zeuge, der eine Woche vorher die Auseinandersetzung mit Z. gehabt habe, sei an dem Abend der Tat auch da gewesen, der Zeuge und Z. hätten sich ausgesprochen. Auf Frage sagt R., dass sie sich als Mordermittler bei der Durchsuchung natürlich auf ihre Sachen konzentriert hätten, etwa die Tatwaffe oder Tatkleidung. Die Bilder, die Hitler-Büsten dokumentierten sie fotografisch, was aus ihrer Sicht auch ausreichend sei für den Staatsschutz. Standfuß: „Gab es neben den Devotionalien – da gibt es ja verrückte Sammler, die das sammeln, – weitere Hinweise, dass sie sagen, das ist einer der aus dem Hintergrund heraus einen Mord begeht?“ R.: „Wenn ich auf die polizeilichen Erkenntnisse, die bei ihm hinterlegt waren, eingehe, dann gab es keine Feststellung, die auf politisch motivierte Straftaten rechts hindeuten im polizeilichen System. Das Umfeld ist befragt worden, auch die Mutter seiner Kinder, und die sagte schon, dass er mit Ausländern seine Probleme hatte, dass er schon den NS und Hitler ganz gut fand.“ Die Mutter von Z.s Kindern habe gesagt, dass Z. Probleme mit Türken gehabt habe, sie als „Kanaken“ bezeichnet habe. Z.s Freunde hätten es auch beschrieben, aber zurückhaltend. Sie hätten beschrieben, dass sie sich nicht mit ihm politisch auseinandersetzen wollte. Sie hätten gesagt, dass Z. sich über die Veränderung der Kneipenlandschaft geärgert habe, dass es keine deutsche Kneipe mehr gebe. Aber es sei auch widersprüchlich gewesen, es habe Aussagen gegeben, wo gesagt wurde, Z. habe gleichzeitig „sein Weißbrot beim Türken“ gekauft.
Auf die Frage nach einem Zusammenhang zum Mord an Burak Bektaş sagt R., das sei schon bei der Durchsuchung von Z.s Wohnung Thema gewesen; der Erste Sachbearbeiter [stellvertretender Kommissariatsleiter]sei auf eine Waffe aufmerksam geworden und habe gesagt, dass so ein Modell auch beim Mord an Burak Bektaş relevant gewesen sei. Es habe sich um einen Revolver gehandelt, der gesichert und untersucht worden sei. Als Tatwaffe bei Burak Bektaş sei die Waffe, so wie sie war, aber nicht in Frage gekommen, weil sie nicht nutzbar gewesen sei, weil der Lauf dicht gewesen sei. Standfuß fragt, ob sie also schon bei dieser Durchsuchung den Fall Bektaş vor Augen gehabt hätten. R.: „Im Prinzip ist der Fall Burak Bektaş mit dem Fund dieser Waffe angesprochen worden, vorher nicht.“ Jede Kommission bearbeite ihren Fall weiter, also werde der Fall Bektaş nicht in die 5. Mordkommission gezogen, sondern man habe dann Kontakt zur 6. Mordkommission aufgenommen: „Aber ich weiß nicht, ob die Waffe in unserem Auftrag untersucht wurde oder durch die 6. Mordkommission.“ Standfuß fragt, ob das Motiv nochmal weiter untersucht worden sei, nachdem man den Täter gefunden und ihm die Tat nachgewiesen habe. R.: „Für uns ist schon das Motiv wichtig und es ist unbefriedigend bei so einer schlimmen Tat, wenn man die nicht komplett aufklären kann.“ Man könne annehmen, dass Z. nationalsozialistische Gedanken habe, aber das reiche nicht aus um die Motivlage zu benennen. Mordmerkmal sei Heimtücke gewesen und er meine, so R. weiter, dass im Urteil steht, dass Z. nicht durchtrieben gewesen sei von NS-Gedankengut und man ihm das nationalsozialistische Motiv nicht habe nachweisen können.
Die Frage von Schulze, ob es nochmal einen Kontakt mit dem Staatsschutz gegeben habe, bejaht R., will aber über die Erkenntnisse nur im nicht-öffentlichen Teil reden. Auch über Kontakt zum Verfassungsschutz, den es über den Staatsschutz gegeben habe, will R. nur nicht-öffentlich reden. Zu den Waffen in Z.s Wohnung befragt sagt R., dass drei scharfe Waffen gefunden worden seien: die Schrotflinte bei der Schwester, in der Wohnung von Z. der Revolver und eine Langwaffe. Langwaffe und Revolver seien nicht schussfähig gewesen, hätten aber gegen das Waffengesetz verstoßen, weil sie leicht umbaubar gewesen seien. Der Rest der gefundenen Waffen seien Dekowaffen gewesen. Dass Rolf Z. in den Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş auftaucht, sei ihm später bekannt geworden, so R. auf Frage. Er habe den Fall Bektaş nicht gekannt und wisse letztlich auch nicht, wie Rolf Z. in diese Ermittlungen gekommen ist. Schulze führt näher zu dem Hinweis auf Z. im Verfahren wegen des Mordes an Burak Bektaş aus und sagt dann, dass es Ermittler*innen zum Mord an Luke Holland ja gelungen sei, den Bruder von Z. ausfindig zu machen. Schulze fragt, wie sie den Schießübungen nachgegangen seien. Er gehe davon aus, so R., dass sie den Namen des Bruders in einer Zeugenvernehmung genannt bekommen hätten, aber von wem, ob etwa von der Schwägerin, wisse er nicht mehr. Von Schießübungen habe er zwar mal gehört, so R., aber das sei nicht bei ihnen im Verfahren ausgesagt worden.
Schulze sagt, dass Rolf Z. regelmäßig in der Rockerkneipe „Starkstrom“ gewesen sei, und fragt, ob Verbindungen von Z. ins Rockermilieu geprüft worden seien. R.: „Aus unserer Sicht gab es keinen Anlass, solchen Ermittlungsschritten nachzugehen.“ Z. sei als Einzelgänger beschrieben worden, habe ständig getrunken, sei als Pegeltrinker, als Alkoholiker bekannt gewesen: „Dass der in irgendeiner Rockerstruktur involviert war, war für uns nicht schlüssig. Wir sind auch nicht an den Inhaber des ‚Starkstroms‘ herangetreten. Das war für uns weit weg von unserem Ermittlungsansatz.“ Schulze fragt nach der Hauptthese der Ermittler*innen zum Täter. Das bleibe im Dunkeln, so R., und es sei auch eine Frage der Ökonomie. R. berichtet von einem anderen Fall, der zeitnah zum Mord an Luke Holland stattgefunden habe, und sagt dann: „Man beschränkt sich dann darauf den Täter zu überführen. Wenn man das Motiv nicht hat, dann ist das bitter, aber dann ist es auch so.“ Schulze sagt, er frage danach wegen des Untersuchungsauftrages des Ausschusses. Wenn es um Hasskriminalität, Ausländerhass geht, habe das natürlich Relevanz, so Schulze. Er fragt dann, ob es irgendwelche Kreuztreffer durch Abfragen gegeben habe. R. antwortet, er könne sich nicht erinnern, ob es bei einer ViCLAS-Abfrage [ViCLAS = Violent Crime Linkage Analysis System] Treffer gegeben habe. Auf Frage, wie sie vorgegangen seien, um das Umfeld von Z. aufzuhellen, sagt R., dass sie zunächst über die ehemalige Lebensgefährtin von Z., die zum Tatzeitpunkt noch mit ihm in Wohngemeinschaft gewohnt habe, an Kontakte und Namen gekommen seien. Er könne sich nicht erinnern, ein Telefonbuch von Z. durchgeschaut zu haben, er wisse nicht, ob sie eines gefunden haben.
Dann fragt die Abgeordnete Neumann, die darauf verweist, dass bei anderen Zeugenbefragungen es so dargestellt worden sei, dass es bei der Mordkommission eigentlich keine Ressourcenprobleme gibt. R. antwortet, dass man da unterscheiden müsse: Wenn man relativ zeitnah einen Täter ermittele und ihn auch überführe, dann müsse man begrenzen. Wenn man keinen Täter ermittele, dann müsse man weiter ermitteln und kriege in der Regel auch keine neuen Tötungsdelikte zur Bearbeitung. Auf die Frage, ob der Kontakt zur Staatsanwaltschaft problemlos gewesen sei, sagt der Zeuge, ihm seien keine Probleme in Erinnerung. Aber als er selbst Kontakt zur Staatsanwaltschaft gehabt habe, sei es auch schon nicht mehr um Anregungen oder benötigte richterliche Beschlüsse gegangen. Er bejaht, persönlichen Kontakt mit der Familie von Luke Holland oder den Rechtsanwälten gehabt zu haben: „Herr Holland und seine Frau sind, meine ich, Ende Oktober nach Berlin gekommen. Wir haben mit den beiden und Herrn Özata ein Gespräch gehabt.“ Der Erste Sachbearbeiter und ein Kollege seien auch mit der Familie zum Tatort gefahren. Es sei auch um die Aushändigung des Formulars zur Opferentschädigung und persönliche Gegenstände von Luke Holland gegangen. Auch Herr Holland sei sehr aktiv gewesen und habe öfter mal eine Mail geschrieben. In der 5. Mordkommission sei es üblich gewesen, dass man Kontakt zu den Angehörigen der Opfer habe. Neumann: „Wurden an Sie Anregungen von Seiten der Anwälte der Angehörigen herangetragen zu Ermittlungsschritten?“ R.: „An mich persönlich nicht.“ Er wisse aber, dass Herr Daimagüler, der auch Vertreter von Familie Holland war, die Verbindung in einem Fernsehbericht thematisiert hat. Auf Nachfrage sagt R., im Prinzip hätten die Ermittler, die zum Mord an Burak Bektaş ermittelten, Zugang zu den Akten gehabt. Er denke, dass es zwischen den Kommissariatsleitungen Kontakt gegeben habe. Neumann fragt, ob von Seiten der 6. Mordkommission gefragt wurde, ob die 5. Mordkommission bei den Zeugen im Fall Luke Holland nochmal nachfragen können, wie Z. sich 2012 verhalten hat: „Also weiterforschen: Kann es auch der Täter in dem anderen Mordfall sein?“ R.: „Ich kann mich nicht erinnern. An mich ist keiner herangetreten und hat gesagt: Frag ihn mal!“ Rolf Z. habe sowieso nichts gesagt. Auf Frage nach der Beteiligung des Staatsschutzes an den Ermittlungen sagt R., er könne sich nicht erinnern, dass der Staatsschutz gleich eine Rückmeldung gegeben habe, aber natürlich spielten solche Dinge als mögliches Motiv eine Rolle: „Das vergessen wir ja nicht, wir sind da ja nicht blind, aber wir sind in der Mordkommission eher fallorientiert, sind dann bei einem Täter weniger aufs Netzwerk gerichtet, sondern verlassen uns dann aufs LKA 5, was die zuliefern.“ Auf Frage sagt R.: „Wir haben keine Bücher, Telefonbücher, private Unterlagen beschlagnahmt. Nicht jede Seite werden wir gesehen haben, eine Durchsuchung war um die acht Stunden, aber dass wir handschriftliche Unterlagen gesichert haben und dem Staatsschutz zugeleitet haben, daran kann ich mich nicht erinnern. Glaube ich auch nicht, weil auf dem Durchsuchungsprotokoll nur Waffen und Munitionsteile standen.“
Es fragt dann der Abgeordnete Schrader. Auf dessen Frage, ob geklärt worden sei, wer „der andere“, nach dem Z. nach der Tat gefragt habe, war, sagt R.: „Was soll man damit anfangen?“ Für sie sei das möglicherweise der gewesen, mit dem Z. sich vorher gestritten hatte. Auf die Frage, was sie angestellt hätten, um das Tatmotiv festzustellen, es seien ja Dinge gefunden worden, die ein rechtes Motiv nahelegen, antwortet R., sie hätten Z. ein Vernehmungsangebot gemacht. Bei den Motivmöglichkeiten bleibe es Spekulation: „Wir haben die Bekanntschaft gefragt, wie er sich politisch einordnet, was er macht, aber niemand hat gesagt: ‚Er hat radikal den Ausländerhass gepredigt‘, so nicht.“ Aber selbst wenn, so R., wäre es bei einem derartigen Alkoholspiegel in der Tatnacht schwierig, ein Motiv zu finden und nicht zu spekulieren. Er könne, so R., das Tatmotiv Ausländerhass nicht ausschließen, aber auch nicht nachweisen: „Das ist für uns schwierig und bitter. Wir sind immer interessiert vollumfänglich aufzuklären und das Geschehen zu verstehen.“ Schrader fragt, ob niemand nochmal Schriftstücke etc. aus Z.s Wohnung genauer gesichtet habe. Sie hätten bei der Durchsuchung Bücher und Schriften durchgeguckt, aber nicht jede Seite. Es habe zwar eine Rolle bei ihren Ermittlungen gespielt, aber nicht die entscheidende. Z. habe das ja nicht versteckt, sondern es habe große Bilder gegeben, eine Büste: Es sei nicht zu übersehen gewesen. Sie hätten im Rahmen ihrer Durchsuchung aber nicht geschaut, ob es Verbindungen in ein rechtes Netzwerk gibt. Schrader entgegnet, dass es R. laut seiner eigenen Aussage doch wichtig gewesen sei auszuermitteln, und fragt, ob es da nicht doch wichtig gewesen wäre, sich das gründlich anzuschauen. R.: „ Wir haben den Anlass nicht gesehen. Für uns war es ein Einzeltäter. Es gab keine Erkenntnisse. Der Mann ist 62 Jahre bei der Tat, polizeilich nie in Erscheinung getreten bei PMK Rechts.“ Es habe vieles gegen ein Netzwerk oder weitere involvierte Personen gesprochen, Z. sei Daueralkoholiker, von Freunden als Einzelgänger beschrieben worden. Schrader: „Waren Sie sich zu dem Zeitpunkt schon sicher, dass er ein Einzeltäter war?“ Eine Zeugin, so R., habe wahrgenommen, dass Z. in der Bar stets allein gewesen sei: „Für uns sprach nichts dafür, dass weitere Personen involviert waren.“ Auf die Frage, ob ermittelt worden sei, mit wem Z. beim Ritterfest in Oranienburg war, berichtet R. von dem Verfahren, bei dem Z. sich auf dem Rückweg von einem Zeugen bedroht gefühlt habe und diesen dann selbst bedroht habe. Dort seien von der herbeigerufenen Polizei die Personalien beider Personen festgestellt worden, beide hätten Anzeigen bekommen und Atemproben zur Feststellung des Alkoholpegels machen müssen. Bei Z. sei dabei ein Alkoholpegel von 2,2 Promille festgestellt worden. Z. habe sich dann in die Bahn gesetzt.
Die Frage, ob bei dem Sprengstoff aus dem Zimmer der Ex-Partnerin von Z. abgeklärt wurde, woher der kam, verneint R. Er glaube, so der Zeuge auf Nachfrage, dass sie da nichts gemacht hätten, er könne sich aber vorstellen, dass das zur Kriminaltechnik gegangen ist. Was weiter passiert ist, wisse er aber nicht. Er wisse nicht, ob das abgeglichen wurde mit anderen Taten in Neukölln, so R. auf Nachfrage. Das könne man sicherlich machen, wenn einem eine konkrete Tat in Erinnerung sei, aber Schwarzpulver werde in der Regel für Feuerwerkskörper benutzt: „Da wird es keinen weiteren Anlass gegeben haben.“ Schrader erläutert, dass es Sprengungen von Briefkästen in Neukölln gegeben habe: „Deswegen wäre das vielleicht angebracht gewesen, deswegen frage ich.“ Schrader fragt dann, ob es zur Herkunft der umgebauten, manipulierten Waffen Feststellungen gegeben habe. R. „Zu den beiden Schusswaffen, die umgebaut wurden, haben wir keine weiteren Ermittlungen außer der kriminaltechnischen Untersuchungen angelegt.“ Schrader sagt, in den Akten zu Burak Bektaş tauche eine Person auf, die in der Vergangenheit alte Waffen wieder repariert habe. Das sei ihm nicht bekannt, sagt R. Schrader: „Ich habe mich sowieso gefragt, warum es zwischen den beiden Mordkommissionen nicht zum Beispiel eine Fallkonferenz gab?“ Er könne nicht ausschließen, dass es eine gab, so R., aber er sei nicht dabei gewesen. Schrader: „Wäre es ungewöhnlich, dass es Fallkonferenzen gibt, wenn es Berührungspunkte gibt zwischen Fällen?“ R.: „Das ist durchaus üblich.“ Er kenne es aus einer anderen Abteilung, da würden dann die Fälle aber auch übernommen.
Auf Frage von Standfuß sagt R., dass Rolf Z. für den 19. und den 20. September Eintrittskarten zu dem Ritterfest gehabt habe. Z. sei in der Nacht vom 19. auf den 20. in Oranienburg von den Polizeikräften überprüft worden, dann sei er in der Bar „Del Rex“ gewesen, dann habe er Luke Holland erschossen. Gegen 7 Uhr habe Z. laut der polizeilichen Erkenntnisse die Waffe bei seiner Schwester abgelegt. Später sei Z. vom S-Bahnhof Sonnenallee nach Oranienburg gefahren, so dass er auch am 20. in Oranienburg bei dem Ritterfest gewesen sei; um 21 Uhr abends sei er dann beim Nachhausekommen festgenommen worden. Standfuß fragt, ob ein psychologisches Gutachten zum Täter angefertigt wurde. R. sagt, dass Z. sich dem Psychologen verweigert habe, bei Gericht habe dann ein Psychologe dabei sein sollen, um ihn zu begutachten. Standfuß fragt nach Anzeichen für ein psychologisches Problem bei Z. R.: „Er war alkoholkrank, würde ich sagen. Wenn jemand jeden Tag eine Flasche Schnaps trinkt und Bekannte sagen, ‚der hat alles getrunken außer Terpentin oder Kerosin‘, dann wird er alkoholkrank sein, aber ansonsten habe ich ihn dafür zu wenig kennengelernt.“ Standfuß: „Sie haben ja erfolgreich ermittelt, bis auf das Motiv, das sie nicht ermitteln konnten. Hätte was besser laufen können?“ R.: „Das soll nicht so dahingesagt sein, aber man kann alles besser machen.“ Sie hätten, so R., gern das Motiv gehabt, gern mehr Zeit gehabt, aber in dem Moment sei für sie viel entscheidender gewesen, dass sie die Tat nachweisen konnten. R.: „Man kann immer mehr machen, das ist klar. Man hätte die Durchsuchung intensiver durchführen können oder müssen, aber in dem Moment hat man auf Tatmittel Wert gelegt.“ Er bejaht, dass es auch um Ermittlungsökonomie gegangen sei. Bei einem unbekannten Täter hätte man, so R., intensiver reingehen müssen, aber hier habe man Täter ermittelt und ihm die Tat nachweisen können. Man höre dann zwar nicht auf, es sei nicht befriedigend, kein Motiv zu haben, aber „nach der Kommission ist vor der Kommission, nach der Bereitschaft vor der Bereitschaft.“
Auf Frage des CDU-Abgeordneten Lenz, ob man sich das so vorstellen müsse, dass bei den Ermittlungen der Druck raus ist, wenn man einen Täter habe, sagt der Zeuge, dass der Druck bestehen bleibe, man wolle ja den Sachverhalt darstellen. Vielleicht lasse der Druck etwas nach, weil man jemanden, der eine Straftat begangen hat, „von der Straße“ habe. Auf Nachfrage sagt R.: „Das Motiv haben wir aus unserer Sicht nie aus den Augen verloren. Ich kann immer spekulieren.“ Man könne sagen, dass T. ein verblendeter Nazi sei, man habe Anhalte in der Wohnung dafür gefunden, dass er Hitler verehrt. Man müsse aber auch sehen, wie der Abend vorher verlaufensei, da habe es ein Gespräch mit Zeugen gegeben, die Ärger mit Z. gehabt hätten eine Woche vorher. Das sei auch ein mögliches Motiv, aber das könne nur der Tatverdächtige sagen. Ein anderes mögliches Motiv sei, dass der Inhaber der Bar in einem Zeitungsinterview auf seine eigene sexuelle Ausrichtung angespielt habe. Vielleicht habe Z. auch das verärgert, aber das sei Spekulation.
Schulze fragt, ob Z. häufiger bei Veranstaltungen wie einem Ritterfest gewesen sei, ob man Erkenntnisse zu regelmäßigen Kontakten Z.s habe. R. „Hatten wir nicht. Der Cousin, Herr M., hat erzählt, wenn er weggeht, geht er mit ihm weg.“ Der Cousin habe an dem Tag aber nicht gekonnt, daher sei Z. an dem Tag allein unterwegs gewesen. Schulze sagt, im Haus der Schwägerin von Z. seien vier Waffen gefunden worden. R.: „Das ist mir neu.“ Schulze fragt nach dem Umfang der bei der Hausdurchsuchung gefundenen Munition. Das seien über 100 scharfe Patronen gewesen, so R., 9mm Luger und Browning. Auf die Frage, ob die nicht zu den Waffen gepasst habe, sagt R., das sei ihm nicht in Erinnerung, die Munition sei auch zur Kriminaltechnik gegangen, möglicherweise habe sie auch zum Bektaş-Mord gepasst. Schulze: „Aber zu den gefundenen Waffe passte sie nicht?“ Das bestätigt R., sie hätten zwei Übungspatronen gefunden, die zur Schrotflinte gepasst hätten, zur Munition 9mm Luger hätten sie keine Waffe gefunden. Ob wegen der Dokumentation der NS-Devotionalien, die an den Staatsschutz gegangen seien, ein Verfahren eröffnet wurde, wisse er nicht, so R. auf Frage.
Neumann fragt, ob es üblich sei, dass zur Herkunft der Waffen nicht ermittelt wird. R. berichtet, dass es beim BKA einen Vergleichsbeschuss gebe, er wisse aber nicht, ob die Waffen aus Z.s Wohnung eingereicht wurden, um auszuschließen, dass damit weitere Taten verübt wurden. Man könne es durchaus machen, die Herkunft zu erforschen, so R., der Revolver sei aber in dem Moment unbrauchbar gewesen und habe für die Tat keine Rolle gespielt, daher sei es aus ermittlungsökonomischen Gründen nicht gemacht worden. Auf die Frage, ob es leicht sei, Waffen wieder brauchbar zu machen, sagt R., er sei kein Waffentechniker, aber es sei leichter Waffen untauglich als tauglich zu machen.
Schrader fragt dann, ob überprüft worden sei was Z. beruflich gemacht hat. R. sagt, Bekannte hätten den beruflichen Werdegang von Z. so dargestellt, dass dieser Betonbauer gewesen sei, außerdem Fernfahrer, den Job aber durch Trunkenheit verloren habe, dann im Tiefbau. Dann habe Z. nur noch als 1,50-Euro-Jobber zuverdient, zum Schluss in einer Galerie als „Mädchen für alles“. Schrader will wissen, ob R. der Pornokinobesitzer, der Zeuge aus dem Mordfall Bektaş, bekannt sei, ob der nochmal beim Mordfall Holland eine Rolle gespielt habe. R. verneint das. Ob es einen Abgleich von Schmauchspuren am bei Z. gefundenen Revolver und der im Zusammenhang mit dem Mord an Burak Bektaş gefundenen Schmauchspuren gegeben habe, wisse er nicht, so R. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass das nicht gemacht wurde. Er selber habe keine Aufträge in diese Richtung ausgelöst, so R. Ob die Personalie von Z. beim Verfassungsschutz angefragt wurde, will R. nicht öffentlich sagen.
Kurz drauf endet der öffentliche Teil der Befragung des Zeugen Thomas R.
Zeuge Michael von Hagen
Um 15:35 Uhr geht es weiter und zwar mit dem Zeugen Michael von Hagen. Von Hagen ist Oberstaatsanwalt und seit 2016 stellvertretender Behördenleiter bei der Staatsanwaltschaft. Zuvor war er Abteilungsleiter im Bereich Kapitaldelikte. Beim Verfahren zum Mord an Burak Bektaş habe er, so berichtet Hagen, nicht unmittelbar die Ermittlungen geleitet, sei aber von Dieter Horstmann (28. Sitzung) informiert worden. Das Verfahren gegen Rolf Z. habe er bis zur Hauptverhandlung und Verurteilung selber betreut. Über dieses Verfahren könne er detaillierter Auskunft erteilen. Einmal sei er in einem Gespräch mit den Angehörigen von Bektaş gewesen. Als ein Zusammenhang zwischen den beiden Morden im Raum gestanden habe, habe er sich etwas intensiver mit Horstmann ausgetauscht, aber sonst nicht.
Auf Frage von Franco zu den Ermittlungen zum Mord an Luke Holland berichtet v. Hagen, dass er Rufbereitschaft gehabt habe. Er erinnere sich, dass es am Wochenende war, er meine sonntags, relativ früh morgens. Er sei von der Polizei über ein Tötungsdelikt in Neukölln informiert worden, es sei üblich, dass der einsatzhabende Staatsanwalt dort hinfährt. Das habe er getan. Der Getötete sei da bereits durch einen Krankenwagen abtransportiert worden, weil man versucht habe ihm das Leben zu retten. Bevor er dabei gewesen sei, so v. Hagen, habe sich bereits ein Verdacht gegen eine Person ergeben, die in der Nähe des „Del Rex“ wohnt. Die Person sei beschrieben worden und dann habe die Polizei übers Meldesystem eine Person gefunden, die Verstöße gegen das Waffengesetz hat. Er habe dann mündlich einen Durchsuchungsbeschluss bei der Ermittlungsrichterin beantragt und bekommen. In Begleitung eines SEK sei man dann in die Wohnung und habe festgestellt, dass die Person nicht in der Wohnung war. Er sei auch selber in die Wohnung gegangen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, so v. Hagen. Dann habe man ausgemacht, dass die Person in die polizeiliche Sofortfahndung gegeben wird. Er meine, dass er dann am selben Tag noch bei der Obduktion des Getöteten dabei war. Rolf Z. sei dann durch Polizeibeamte festgenommen worden, nachdem er von einem Mittelalterfest zurückgekommen war und in die Wohnung wollte. Er selber, so v. Hagen, habe keine eigenständigen Ermittlungen, etwa Vernehmungen, geführt, das sei auch eher unüblich, sondern habe sich von der Polizei informieren lassen. Als Tätigkeiten nennt er weiter, Aufträge zu einer Begutachtung Z.s zur Frage der Schuldfähigkeit und zur Begutachtung der mutmaßlichen Tatwaffe, die dann gefunden worden sei. Außerdem habe er dann die Anklageschrift geschrieben und die Position der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vertreten.
Franco: „Wann sind Ihnen zum ersten Mal vielleicht auch Parallelen zum Mordfall Burak Bektaş in den Kopf gekommen?“ Von Hagen sagt, er sei zwar nicht unmittelbar in das Verfahren zum Mordfall Bektaş involviert gewesen, würde das aber nicht ganz so teilen. Er habe viele Tötungsdelikte erlebt, wo man nicht unbedingt einen Grund habe erkennen können. Er habe sich erstmals näher mit dem Mordfall Bektaş beschäftigt, als der Verteidiger von Z. über „Gossenjournalismus“ berichtet habe. Von Hagen nennt unter anderem die Zeitungen Bild und B.Z., aber auch das Neue Deutschland. Tatsächlich sei vieles in der Berichterstattung nicht richtig beziehungsweise falsch gewesen, so v. Hagen. Nur weil es beides Taten in Neukölln gewesen waren, habe er keinen Anlass gehabt für sich eine Parallele zum Mordfall Burak Bektaş zu sehen. Auf Frage von Franco sagt v. Hagen, dass ihm der Hinweis des Pornokinobesitzers erst in der Hauptverhandlung auf Antrag der Nebenklage bekannt geworden sei. Von Hagen führt aus, was es mit dem Hinweis auf sich hatte. Unter anderem erwähnt er, dass es 2006 eine Durchsuchung bei Z. gegeben haben muss, dass aber die Akten zu dem Verfahren nicht mehr da seien, weil sie nach Frist vernichtet worden seien. Er habe in Erfahrung bringen können, dass im Rahmen der Durchsuchung Munition gefunden worden sei, 45 verschiedene Patronen, ein Teil davon funktionsfähig. Weil aber keine Schusswaffen gefunden worden seien, sei das Verfahren eingestellt worden [phon.]. Der Hinweisgeber sei in der Hauptverhandlung wegen des Mordes an Luke Holland vernommen worden, auf Antrag der Nebenklage. Seine Behauptungen habe der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht so detailliert wiederholt, habe aber angegeben, dass die ihm gezeigte Waffe seiner Erinnerung nach keine scharfe Waffe gewesen sei. Auf die Frage, warum er sich dagegen entschieden habe, in der Anklageschrift ein politisches Motiv anzunehmen, sagt v. Hagen, er habe sich nicht dagegen entschieden, sondern es sei eindeutig Heimtücke gewesen, aber es habe nicht genug Hinweise für niedrige Beweggründe gegeben. Eine ausländerfeindliche Einstellung bei der Tat wäre ein solcher niedriger Beweggrund gewesen. Es habe durchaus einzelne Anhaltspunkte gegeben, die an so ein Motiv hätten denken lassen. Z. solle sich ausländerfeindlich geäußert haben, das sei in der Hauptverhandlung aber relativiert worden, und es habe sich gezeigt, dass Z. auch ausländische Freunde gehabt habe. Dann habe es den Hinweis wegen des Lokals gegeben, das früher das „Starkstrom“ gewesen sei und Z. solle sich geäußert haben, man könne nicht mehr dort hingehen, weil hier alle nur Spanisch spräche. Ein weiter Punkt sei gewesen, dass Z.s „Herrenzimmer oder Sammlerzimmer“ voll gepackt gewesen sei mit Militaria, etwa habe es ein umlaufendes Regal mit Militärhelmen gegeben, verschiedenste Orden, Dekowaffen, Dolche und Bilder von NS-Größen, etwa Göring, sowie eine Hitler-Büste. Das seien Hinweise auf eine rechte Gesinnung, aber sonst habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben. Es sei ermittelt worden, dass es vorher keinen Kontakt zwischen Luke Holland und dem Täter gab. Sie hätten eine ausländerfeindliche Gesinnung nicht ausschließen können, aber nicht angeklagt. In der Hauptverhandlung habe man versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, aber auch die Kammer habe es nicht so verurteilt.
Standfuß sagt, das Motiv sei die Kernfrage, und fragt, welche Motive noch in Frage kämen. Von Hagen berichtet von der Auseinandersetzung von Z. mit einem Stammgast „mit spanischem Hintergrund“. Es sei das Wort „Alkoholiker“ gefallen, was Z. auf sich bezogen und daraufhin dem Stammgast die Faust unter die Nase gehalten habe. Als Z. [eine Woche später]wieder ins „Del Rex“ gekommen sei, habe er sich entschuldigen sollen. Kurz nach dem Mord an Luke Holland solle Z. gefragt haben, wo denn „der Andere“ sei. Man könne nicht ausschließen, dass Z. wen anderes habe töten wolle und Luke Holland verwechselt habe. Der Grund könne die Verärgerung gewesen sein, die bei Z. vielleicht nochmal hochgekommen sei. Z. habe aber keine Angaben gemacht. Es sei also, wiederholt v. Hagen, nicht ausgeschlossen, dass es eine ausländerfeindliche Tat war, aber es habe für einen Nachweis nicht gereicht und das habe das Gericht auch so gesehen. Auf Nachfrage sagt v. Hagen, dass es nur eine, wenn auch vielleicht nicht ganz fernliegende, Vermutung sei, dass Luke Holland nicht die Person war, die Z. habe töten wollen. Luke Holland sei zum ersten Mal in der Bar gewesen. An dem Abend habe es zwischen Holland und Z. auch keinen Kontakt gegeben. Auf Frage, ob der eine Raum bei Z. „geprägt“ gewesen sei von der NS-Zeit, sagt v. Hagen, dass er das nicht sagen würde, aber als ehemaligem Leiter der Staatsschutzabteilung falle einem das auf und man habe natürlich Assoziationen, wie das einzuordnen ist. Die Aufbewahrung sei aber auch nicht strafbar. Staatsschutzmäßig sei Z. ein „unbeschriebenes Blatt“ gewesen, Hinweise auf die NPD seien ihm nicht bekannt, so v. Hagen. Auf Nachfrage sagt v. Hagen, die beiden Mordkommissionen hätten sich ausgetauscht, nachdem der Hinweis bekannt wurde. Auf die Frage, ob er über seinen Kollegen mitbekommen habe, dass es auch Kritik an den Ermittlungen im Mordfall Bektaş gab, sagt v. Hagen, er meine sich zu erinnern, dass es die Kritik gegeben habe, die Ermittlungen würden nicht mit der nötigen Verve geführt. Es habe auch geheißen, die Staatsanwaltschaft nicht aufklären wolle, was absurd sei. Zum Beispiel sei immer wieder aufgetaucht, dass es ein Treffen von Rechten in der Nähe gegeben habe. Das habe er mit Horstmann besprochen, der habe das immer weitergegeben und es sei bearbeitet worden. Standfuß sagt, aber es sei ja tatsächlich ein unterschwelliger Vorwurf vorhanden, dass es sich möglicherweise um einen rechten Mord handelt, und es gebe Vorwürfe, dass es rechte Netzwerke in der Polizei gebe. Standfuß fragt, wie v. Hagen das bewerte. Er könne verstehen, so der Zeugen, dass Angehörige sagen: „das kann doch nicht sein“. Er könne aber nur betonen: „Warum sollte die Staatsanwaltschaft das nicht aufklären wollen, bei einem Fall, der so in der Öffentlichkeit steht?“ Auch der Anwalt habe gesagt, dass die Staatsanwaltschaft alles gemacht habe. Der einzige Grund, der genannt werde, sei, dass hier ein Mensch mit Migrationsgeschichte umgebracht wurde, oder weil ein Rechter geschützt werden solle. Von Hagen: „Das muss ich zurückweisen. Da müsste es ja auch eine enge Absprache zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft geben, was man nicht nachgeht.“ Zur Frage von Standfuß nach möglichen Kapazitätsschwierigkeiten sagt v. Hagen, er habe keinen Hinweis darauf bekommen, dass die Mordkommission nicht ausreichend ausgestattet war. Es habe mal viele Hinweise gegeben, das dauere natürlich, aber ihm sei nicht bekannt, dass grobe Fehler gemacht worden wären.
Grünen-Abgeordneter Schulze sagt, dass man im Ausschuss ja auch die Anwälte Theune (28. Sitzung) und Özata befragt habe, und der Eindruck sei nicht gewesen, dass man dort ein Netzwerk mit dem Ziel, Ermittlungen zu verhindern,vermutet habe. Es sei stattdessen die Frage gewesen, ob alle Stränge in Fall Burak Bektaş komplett und zu Ende gearbeitet wurden. Ihr Eindruck sei gewesen, so Schulze, dass bestimmte Hinweiseerstnach dem Wechsel zur neuen Ermittlerin E. und zum neuen Staatsanwalt abgearbeitet worden seien. Schulze fragt, was der Stand der Abarbeitung des Hinweises auf Z. im Fall Bektaş gewesen sei, als dieser bekannt wurde. Er habe beim Ermittler Hübner nachgefragt, so v. Hagen, und der habe gesagt, dass er den Hinweis kenne. Er habe Hübner aber nicht gefragt, ob der Hinweis schon abgearbeitet wurde, so v. Hagen. Hübner habe, so Schulze, nachdem Z. bereits als Täter im Fall Luke Holland festgestanden habe, einen Vermerk geschrieben, dass es bei dem Hinweis keinen Neukölln-Bezug gebe und der Bruder nicht habe ermittelt werden können. Bei den Ermittlungen zum Mord an Luke Holland seien aber der Bruder beziehungsweise die Schwägerin undauch der Kinobetreiber ermittelt worden. All das, so Schulze, hätte ja möglicherweise auch im Fall Bektaş etwas bringen können. Er könne nicht sagen, was da passiert ist, antwortet v. Hagen. Der Vermerk, dass es keinen Neukölln-Bezug gebe, irritiere ihn. Er wisse aber nicht, ob es da einen Bezug zum Fall Bektaş gebe. Z. habe keine Angaben gemacht. Sie hätten auch den Mord an Burak Bektaşthematisiert und da habe die Verteidigung gesagt, das sei absurd und Z. mache weiter keine Angaben. Dann sei es schwierig, so v. Hagen. Schulze stellt die Nachfrage, was denn abstrakt die Voraussetzung wäre, um ein Motiv festzustellen, wenn es keine Aussage des Täters gibt. Von Hagen antwortet, das sei nicht ganz einfach. Wenn es bei Z. etwa wiederholt Drohungen in der Kneipe gegeben hätte, wäre das sicher ein Hinweis, so v. Hagen. Hätte es Erkenntnisse auf eine Mitgliedschaft von Z. in einer rechtsextremen Organisation gegeben, wäre das ebenfalls ein Hinweis: „Aber nicht jede Tat, die ein rechter Täter begeht, ist eine rechte Tat.“ Ausgereicht hätte sicher auch, wenn es eine Auseinandersetzung zwischen dem Englisch sprechenden Luke Holland und Z. gegeben hätte, so v. Hagen: „Ich kann es bis heute nicht ausschließen, aber da braucht es für eine Verurteilung mehr.“ Schulze fragt, wie mit den bei Z. gefundenen Waffen und Munitionsteilen weiter verfahren wurde. Zwei Waffen seien Gegenstand der Anklage gewesen, so v. Hagen, weitere Verfahren seien vorläufig eingestellt worden, weil sie bei der Strafzumessung keine Rolle gespielt hätten und der Prozessstoff auf diese Weise habe verschlankt werden können. Er meine sich zu erinnern, dass Gutachten zur Munition bei der Hauptverhandlung noch nicht vorlagen. Schulze fragt, ob man derFrage nachgegangen sei, wie Z. in den Besitz der Waffen gekommen ist. Von Hagen berichtet, bei einer umgebauten Waffe sei ermittelt worden, dass diese in einem nicht mehr existierenden Geschäft in der Europa-Passage gekauft wurde. Die Waffe sei in den 1970ern umgebaut worden und möglicherweise da schon verkauft worden. Bei einer umgebauten [?] Langwaffe habe der Geschäftsbesitzer sich nicht erinnern können, ob sie von ihm verkauft wurden, aber der Hersteller verkaufe auch so etwas. Der Geschäftsbesitzer sei auch erstaunt gewesen, dass das ungesetzlich ist. Woher die Munition kam, hätten sie nicht feststellen können, so v. Hagen.
Auf Frage der SPD-Abgeordneten Neumann sagt v. Hagen, es sei gängig bestimmte Deliktsbereiche aus der Anklage herauszunehmen. Wäre bei der Hauptverhandlung eine geringere Strafe herausgekommen, dann hätte man eine neue Anklage machen können. Auf die Frage, ob man nicht ermitteln könne, wer die illegalen Waffen verkauft hat, sagt v. Hagen, dass die Polizei natürlich versuche genau zu klären, um was für Waffen es sich handelt. Dabei gehe es auch darum zu klären, ob sie bei anderen Delikten eingesetzt wurden. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Bei dem gefundenen Schwarzpulver habe er keine Ermittlungsanhalte gesehen, so v. Hagen. Er verneint, dass er zu den bei der Durchsuchung gefundenen NS-Devotionalien Rücklauf vom Staatsschutz erhalten habe. Seiner Kenntnis nach habe es zu dem Zeitpunkt keine Gefährderhinweise oder Hinweise, dass Z. der rechtsextremen Szene zugehörig wäre, gegeben. Er erinnere sich nicht, dass digitale Geräte oder handschriftliche Sachen gefunden worden wären, so v. Hagen auf Frage. Neumann: „Würden Sie sagen, dass dann wenn klar ist, wer der Täter ist und wie der Tathergang war, die Frage des Motivs auch im Hintergrund steht?“ Von Hagen: „Klares Nein.“ Es habe hier einzelne Punkte gegeben, um auch diesen Bereich abzuklopfen: „Aber das ist ganz sicher nicht weggelassen worden im Sinne von: ‚Ist mir egal, ich habe ja ein Mordmerkmal.‘ Im Gegenteil. Es gab ja keine Vorbeziehung, keinen Streit, man versucht natürlich dann etwas zu finden zum Motiv. Das gehört auch zur gerechten Verurteilung eines Täters.“ Es gehe etwa auch um die Frage der besonderen Schwere der Schuld. Neumann weist darauf hin, dass der Begriff „Ermittlungsökonomie“ gefallen sei. V. Hagen; „Das würde ich für mich zurückweisen.“ Zur Frage des Austauschs mit der Familie des Opfers sagt v. Hagen, dass er gerade sehe, dass Herr Holland da ist. Dann sagt er, dass Rechtsanwalt Özata sich gemeldet habe und um ein Gespräch mit der Familie Bektaş [unsicher]gebeten habe. Er habe auch im Rahmen der Hauptverhandlung gelegentlich Kontakt mit den Eltern von Luke Holland gehabt. Diese hätten ja an jedem Verhandlungstag als Nebenkläger teilgenommen und man habe ihnen angemerkt, dass es eine erhebliche Belastung war. Bei dem Gespräch mit der Familie Bektaş sei er schon stellvertretender Abteilungsleiter gewesen, sagt v. Hagen. In dem Gespräch hätten sie versucht darzulegen, was sie gemacht haben und zu erklären versucht, dass es ihrer Ansicht nach nicht genügend Anhaltspunkte gebe, um zu sagen, Rolf Z. war auch der Täter beim Mord an Burak Bektaş: „Ich kann das auch nicht ausschließen, aber wir haben keine Hinweise, die ausreichen um zu sagen: ‚Das klage ich jetzt an.‘“ Auf Frage sagt v. Hagen: „Es ist nicht so, dass wir proaktiv auf Angehörige zugehen, damit wir uns nicht angreifbar machen, dass wir parteiisch sind.“ Wenn um ein Gespräch gebeten wird, dann führe er so ein Gespräch aber auch. Er könne nicht mehr im Detail sagen, was genau der Inhalt des Gesprächs war, aber er habe sehr verzweifelten Menschen gegenüber gesessen: „Da kann man dann auch nicht abschalten und sagen, das ist ein Fall wie jeder andere. Das geht spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr. Ich konnte sagen, was objektiv war, also Heimtücke. Aber natürlich kam die Frage: ‚Warum ist das passiert, warum unser Luke?‘ Das kann ich bis heute nicht beantworten.“
Linken-Abgeordneter Schrader sagt, er könne eines noch nicht richtig nachvollziehen: Einerseits habe v. Hagen gesagt, es gebe Anhaltspunkte für eine rechte Gesinnung, aber andererseits habe er auch gesagt, dass das nicht weiter vertieft worden seit. Schrader: „Wäre das nicht angebracht gewesen?“ Von Hagen: „Ich glaube, da habe ich eben schon Stellung genommen. Ich halte das auch heute noch nicht für einen Ermittlungsfehler.“ Der Staatsschutz habe gewusst, was in der Wohnung war und er selbst habe das auch gewusst und in seine Überlegungen einbezogen. Schrader entgegnet mit der Frage, warum v. Hagen eine rechte Gesinnung nur für möglich halte: „Wie viele Hitler-Büsten soll man denn haben, wie viele Göring-Bilder?“ Von Hagen antwortet, dass es im Umfeld von Z. keine Hinweise darauf gegeben habe, aber selbst das hätte für eine Verurteilung wegen des Mordmerkmals niedrige Beweggründe nicht ausgereicht: „Das sehe ich so, und das hat auch das Gericht so gesehen.“ Zu bestimmten gefundenen Waffen sagt v. Hagen auf Frage, dass diese zu diesem Zeitpunkt schussunfähig gewesen seien, man habe sie aber dennoch nicht besitzen dürfen. Das habe der Waffenhändler, Herr W., wissen können. W. habe berichte, dass er eine solche Waffe verkauft habe an einen Käufer mit langen weißen Haaren und einem Namen mit „-ski“ am Ende. W. habe ausgesagt, dass er gedacht habe, es sei ein polnischer Name. Aber es sei klar, so v. Hagen, dass es der Täter war. Zur unbrauchbaren Langwaffe habe W. gesagt, dass er diese zu der Zeit auch verkauft habe, aber eher nicht an Z. Auf Frage von Schrader sagt v. Hagen, dass im Zimmer der Ex-Partnerin von Z. nur Schwarzpulver und Munition gefunden worden seien, keine Waffen. Sie hätten keine Erkenntnisse, dass das ihr gehört. In der Hauptverhandlung habe sie ausgesagt, dass Z. Zugang zu ihrem Zimmer hatte. Die Tatwaffe sei nicht von der Ex-Partnerin übergeben worden, sondern von der Halbschwester von Z. Diese habe sich bei der Polizei gemeldet mit einer Tüte, die Z. kurz nach der Tat bei ihr gelassen habe. Schrader fragt, ob geprüft worden sei, ob das Schwarzpulver für andere Taten benutzt wurde, beispielsweise bei der Neuköllner Straftatenserie. Von Hagen sagt, er habe keine Veranlassung dafür gesehen und wisse auch nicht, ob es überhaupt möglich ist, das festzustellen. Er könne sich erinnern, dass das schon bei der Tatmunition, der Schrotmunition schwierig gewesen sei. Das sei aber wohl die Tatmunition gewesen. Schrader: „Wurde das diskutiert, ob das etwa mit der Neukölln-Serie zu tun hat?“ Von Hagen: „Nein.“ Schrader: „Hätte das nicht nahegelegen?“ Von Hagen: „Aus meiner Sicht nicht. Ich habe keine Veranlassung gesehen.“ Schrader. „Das lasse ich mal so stehen.“ Schrader sagt dann, er habe eins, zwei Fragen zur Verbindung zum Fall Bektaş. Er fragt, ob es Erkenntnisse gegeben habe, dass Z. als Hausmeister tätig war. Das könne er nicht ausschließen, so der Zeuge. Zu dem Tatzeitpunkt 2015 habe Z. nicht mehr gearbeitet. Er verneint die Frage, ob sich die Staatsanwälte und die Ermittler in den beiden Mordfällen mal zusammengesetzt hätten, um die Verbindungen zu diskutieren. Er habe sich mit Horstmann ausgetauscht und die Mordkommissionen hätten sich untereinander ausgetauscht, antwortet v. Hagen. Er sehe auch keinen Erkenntnisgewinn, den er selbst noch hätte beitragen können, wenn man von kompetenten Ermittlern bei der Polizei ausgehe.
Auf Frage von Standfuß verneint v. Hagen, dass man aufhöre weiter nach Mordmerkmalen zu schauen, wenn man bereits eins habe, wie in diesem Fall die Heimtücke. Man suche das Motiv der Tat. Auf Frage nach den Blutspuren, die auf der bei der Schwester abgegebenen Kleidung gefunden wurde, sagt v. Hagen, die seien untersucht worden und es habe eine Übereinstimmung mit dem Blut des Getöteten gegeben.
Lenz fragt, wie sich v. Hagen die Unzufriedenheit mit den Ermittlungen in Neukölln erkläre. Von Hagen: „Bei dem Gespräch wo ich dabei war, habe ich in dieser Form Unzufriedenheit nicht mitbekommen.“ Es sei nachvollziehbar, dass Angehörige nicht zufrieden sind, wenn kein Täter ermittelt wird. Er gehe, so v. Hagen auf Nachfrage, davon aus, dass es Unzufriedenheit gab, habe aber keine konkrete Erinnerung, dass sich Rechtsanwalt Theune so negativ geäußert habe. Auf Frage zur möglichen rechten Motivation des Täters wiederholt v. Hagen, dass man dafür genügend Anhaltspunkte brauche: „Man kann da trefflich drüber streiten, ob ein anderer Staatsanwalt gesagt hätte, ich versuche das einfach mal.“ Er habe aufgeschrieben, was dafür und was dagegen spricht. Es wäre ja auch möglich gewesen, dass man im Rahmen der Hauptverhandlung etwas mehr zur Person Rolf Z. zu ermitteln.
Der Abgeordnete Schulze hält vor, dass der Zeuge Friedhelm D. in der Hauptverhandlung gegen Z. ausgesagt habe, dass er im Haus der Schwägerin Waffen gesehen habe und es Schießübungen gegeben habe. Die Schwägerin habe in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht: „Ist dieser Frage nachgegangen worden?“ Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht, so v. Hagen, das sei nicht nötig gewesen. Er sei sich auch nicht sicher, ob dem im Verfahren Bektaş nochmal nachgegangen wurde. Es sei normal, dass bei solchen Verfahren der Staatsschutz wenn nötig der Mordkommission zuarbeite, und es gebe dann auch Austausch, so v. Hagen auf Frage.
Auf Frage von Neumann sagt v. Hagen, dass er seit 2016, als er eine neue Aufgabe übernommen habe, nichts mehr mit dem Fall Luke Holland zu tun gehabt habe, der sei rechtskräftig abgeschlossen. Was den Fall Bektaş angeht, habe er als Leiter der Abteilung an einen Gespräch mit der Familie teilgenommen. Er habe nur davon gehört, dass es 2020 neue Ermittlungen zu dem Fall bei der Mordkommission gab.
Zum Abschluss bedankt sich Vorsitzender Franco noch einmal bei Philip Holland für sein Kommen. Er könne sich nicht vorstellen, wie hart es sein muss, nach Berlin zu kommen und das noch einmal durchleben zu müssen.
Damit endet gegen 17:30 Uhr die Sitzung.
(Text: scs / Redaktion: ck)