📨 NSU-Watch: AufklĂ€ren und Einmischen. Der Newsletter #5

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Wir melden uns einmal im Monat mit unserem Newsletter „AufklĂ€ren & Einmischen“ bei euch. Passend zum Titel des Newsletters findet ihr im ersten Teil – AufklĂ€ren – Berichte zu unserer Arbeit. Außerdem werfen wir einen Blick auf aktuelle Ereignisse im Themenfeld rechter Terror und seine Aufarbeitung. Im zweiten Teil des Newsletters wird es praktisch: Einmischen. Wir sammeln fĂŒr euch aktuelle Termine beispielsweise fĂŒr Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen, an denen ihr euch beteiligen könnt. Hier könnt ihr euch fĂŒr den Newsletter anmelden.

Wenn ihr genauer wissen wollt, was euch erwartet, könnt ihr hier die aktuelle, fĂŒnte Ausgabe des Newsletters in der Webversion nachlesen. (Aus technischen GrĂŒnden wird der Newsletter hier grafisch abweichend von der Mail-Version dargestellt.)


Hallo zur August-Ausgabe unseres monatlichen NSU-Watch-Newsletters: „AufklĂ€ren und Einmischen“!

Nur noch wenige Wochen trennen uns von den Landtagswahlen in ThĂŒringen, Sachsen und Brandenburg. Alle drei BundeslĂ€nder standen in den letzten Jahren immer wieder im Mittelpunkt unserer Arbeit. Der NSU hat seinen Ursprung in ThĂŒringen und in Sachsen, wo das NSU-Kerntrio auch Unterschlupf fand. Aus Brandenburg kam UnterstĂŒtzung fĂŒr den NSU.

Die Vorwahlumfragen sagen fĂŒr alle drei BundeslĂ€nder hohe Stimmenanteile fĂŒr die AfD voraus. FĂŒr eine Partei also, die immer wieder Thema ist, wenn es um aktuelle rechtsterroristische PhĂ€nomene geht. Entsprechend taucht sie auch bei der Arbeit von NSU-Watch auf. So war zum Beispiel einer der HauptverdĂ€chtigen im Neukölln-Komplex AfD-Mitglied. Auch bei der BeschĂ€ftigung mit dem Nordkreuz-Komplex oder bei der Beobachtung der Prozesse der Reuß-Gruppe gibt es immer wieder, teils enge BezĂŒge zur AfD.

Diese ZusammenhĂ€nge mĂŒssen benannt werden, um der weiteren Normalisierung der AfD und der völkischen Mobilisierung entgegenzutreten. Auch in dieser Ausgabe findet ihr dafĂŒr interessante Informationen und auch Möglichkeiten sich zu engagieren.

Die UntersuchungsausschĂŒsse in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind in der Sommerpause, aber Strafprozesse fanden im Juli statt.

  • In MĂŒnchen, Frankfurt und Stuttgart wird weiter gegen die Gruppe Patriotische Union, auch bekannt als Reuß-Gruppe verhandelt. 47 weitere Verfahren sind vom GBA an Landgerichte abgegeben worden.
  • Mit Johannes M. steht ein weiterer ReichsbĂŒrger vor dem Landgericht MĂŒnchen. Ihm werden unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen.

Gut zu wissen:

+++ Munitionsskandal: Prozess gegen MEK-Beamte ausgesetzt +++
+++ Revision nach Freispruch im zweiten Prozess wegen des Brandanschlags auf eine GeflĂŒchtetenunterkunft in Saarlouis 1991, bei dem Samuel Kofi Yeboah starb +++

Im zweiten Teil des Newsletters erinnern wir uns: Wir gedenken Habil Kılıç. Er wurde am 29. August 2001 in MĂŒnchen vom NSU ermordet. Vor zwei Jahren wurde Mouhamed Lamine DramĂ© von der Dortmunder Polizei erschossen. Daran erinnert der SolidaritĂ€tskreis Justice for Mouhamed in einem Gastbeitrag.

Wir gedenken zum 40. Jahrestag in einem Beitrag Ferdane Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Tarık Turhan, Çiğdem Satır, Ümit Satır, SongĂŒl Satır und Ramazan Satır. Sie starben durch den rassistischen Brandanschlag in Duisburg am 26. August 1984. Unvergessen.

Nehmt teil an den Veranstaltungen, die ihr auch diesen Monat wieder bei den Terminen findet: Zum NSU-Komplex, zum Gedenken an DelfĂ­n Guerra und RaĂșl G. Paret, Nguyễn Ngọc ChĂąu und Đỗ Anh LĂąn, oder Ireneusz Szyderski. Sowie Veranstaltungen zum Jahrestag der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen oder Antifa-Camps! Diese sind wie immer am Ende des Newsletters zu finden.

Unser Newsletter ist kostenlos und wird es auch bleiben. FĂŒr unsere Arbeit sind wir aber auf eure UnterstĂŒtzung angewiesen. Mehr dazu findet ihr auf unserer Spendenseite!

Kein Schlussstrich!
Eure Antifaschist*innen von NSU-Watch

Der MĂŒnchner Prozess gegen die „Reuß-Truppe“ im Juli 2024

Nach dem Prozessbeginn am 18. Juni 2024 hatten viele AntrĂ€ge und kleinteiliges Hin und Her mit einigen Verteidiger*innen um Akteneinsicht, Festplatten und die FormalitĂ€ten der Verhandlung den Fortgang des Verfahrens zunĂ€chst verzögert. Erst am 10. Juli begann das Oberlandesgericht MĂŒnchen mit der Beweisaufnahme. Die Angeklagte Ruth L. begann ihre Aussage. Zum Teil sprach sie selber, zum Teil verlasen ihre RechtsanwĂ€lte JĂŒdt und Ried einen vorbereiteten Text.

L. und ihre Verteidiger nannten die Einlassung nie „GestĂ€ndnis“, aber was sie im Gerichtssaal erzĂ€hlten, war schon eine weitgehende Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Anklagesatz der Bundesanwaltschaft.

Die Angeklagte versuchte darin ihre eigene Rolle – wenig ĂŒberraschend – zu verharmlosen, mit SĂ€tzen wie: „Ich wusste von einem anstehenden Schießtraining, das ist fĂŒr mich eine ‚Bubensache‘, der ich nichts abringen kann“ Gleichzeitig bestĂ€tigte sie aber offen die Richtigkeit von – Stand: Ende Juli 2024 – ĂŒber einhundert Details, die die Bundesanwaltschaft in ihrer ĂŒber 800-seitigen Anklageschrift aufgefĂŒhrt hatte.

Darunter waren bestĂ€tigende Angaben auch zu zentralen Punkten wie den „Ratssitzungen“ der Beschuldigten in Bad Lobestein. L. erzĂ€hlte auch von ihrer Arbeit fĂŒr die damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann (die in Frankfurt am Main vor Gericht steht). Auch Ruth L. war Mitglied in der AfD und ihren eigenen Angaben zufolge zumindest kurzzeitig Schatzmeisterin der AfD-Ortsgruppe Heppenheim.

L.s Anwalt JĂŒdt ergĂ€nzte am dritten Tag der Einlassung unserer Mitschrift zufolge sinngemĂ€ĂŸ: „Frau L. sieht es nicht wie Alice Weidel, dass dieses Verfahren ‚maßloß‘ sei und sich die Innenministerin lieber um AuslĂ€nderkriminalitĂ€t kĂŒmmern solle. Frau L. sieht das nicht so und auch nicht, dass sie einen Freispruch verdient hĂ€tte.“ L., die nach wie vor stark der Esoterik verhaftet ist, distanzierte sich deutlich von den Verschwörungsideologien, denen sie frĂŒher angehangen hatte.

Ein Beispiel: „Ich habe damals an die Verschwörungstheorien zu den US-Wahlen geglaubt. Selbst H. G. Maaßen hat spekuliert, Antifa-Provokationen könnten hinter dem Sturm aufs Capitol stecken. Wenn man seine Infos wie ich aus Telegram-KanĂ€len und Rumble-Videos zieht, wie ich damals, dann hĂ€lt man das einfach irgendwann fĂŒr die Wahrheit.“

Wir werden abwarten mĂŒssen, ob angesichts dieser Einlassung (und angesichts weiterer Aussagen im Ermittlungsverfahren sowie in den Prozessen in Frankfurt/M. und Stuttgart) eine von einigen Verteidiger*innen sehr selbstbewusst angekĂŒndigte „Freispruchsverteidigung“ wirklich Bestand haben kann. Das Verfahren wird erheblich dauern: Das OLG hat mittlerweile Prozesstermine bis zum 3. Juli 2025 festgelegt.


Die Offenbarung des Johannes M. Weiterer ReichsbĂŒrgerprozess vor dem Landgericht MĂŒnchen

Dem ReichsbĂŒrger Johannes M. werden unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen.

Konkret heißt das, dass er Behörden, darunter JugendĂ€mter, Polizei, Gerichte und Ärzt*innen aufs Übelste beschimpfte und sie durch Anrufe entweder selbst terrorisierte oder von seinen AnhĂ€nger*innen terrorisieren ließ – er hatte zeitweise bis zu 50.000 Follower*innen auf seinem Telegram-Kanal. Er bedrohte sie mit dem Tod und stellte ganz in ReichsbĂŒrger-Manier ihre Legitimation in Frage. Er verkĂŒndete, die Bedrohten wĂŒrden bald von US-amerikanischen MilitĂ€rs auf Grundlage eines Dekrets von Donald Trump abgeurteilt und hingerichtet.

Seine Ideologie fußt dabei auf kruden Verschwörungsideologien, die stark antisemitisch durchsetzt sind. Er spricht von „Zionisten“, die die Welt beherrschten, leugnet die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und wittert in jeder Behörde „pĂ€do-kriminelle Machenschaften“. Beamt*innen in Deutschland seien nichts weiter als Angestellte einer US-Firma in Delaware. Zudem ist er AnhĂ€nger der QAnon-Verschwörungsidee, die besagt, dass „Eliten“ Kinder in unterirdische Tunnelsysteme entfĂŒhrten und missbrauchten, um ihr Blut fĂŒr VerjĂŒngungssera zu nutzen.

Vielleicht setzte er sich auch deshalb fĂŒr zwei seiner AnhĂ€ngerinnen ein. Als diese in Konflikt mit JugendĂ€mtern gerieten, weil sie ihre Kinder aufgrund der Corona-Auflagen nicht in die Schule schickten, kontaktierten sie Johannes M. Dieser begann daraufhin mit seinen „Terror-Telefonaten“ bei Ämtern und Polizei.

Er scheint außerdem ein ziemlich fanatischer Christ zu sein. Jedenfalls hĂ€lt er im Gerichtssaal ausgedruckte Jesus-Bilder in den HĂ€nden, betet mit ihnen und kĂŒsst sie sogar. Dabei kehrt er dem Gericht fast durchgehend den RĂŒcken zu und hĂ€lt stattdessen zwinkernd Augenkontakt mit seinen um die 20 AnhĂ€nger*innen im Zuschauer*innenraum.

Der Angeklagte fĂ€llt stĂ€ndig sĂ€mtlichen Prozessbeteiligten ins Wort und brĂŒllt die immer gleichen Phrasen. Weil er dabei immer wieder den Senat, die StaatsanwĂ€ltinnen und anwesende Polizei heftig beleidigt, hagelt es regelmĂ€ĂŸig Ordnungsgelder.

So aberwitzig und absurd seine Thesen auch sein mögen – die Zahl seiner AnhĂ€nger*innen zeigt, dass er und seine Ideologie durchaus Resonanz finden. Seine „JĂŒnger*innen“ jedenfalls wirken wie eine eingespielte Gruppe. Eine von ihnen Ă€ußert auf kritische Nachfragen: „Ja, ich glaube das schon alles, was der Johannes sagt“.

WĂ€hrend der Covid-19-Pandemie rutschten ganze Bevölkerungsgruppen in Verschwörungsglauben und damit auch meist in rechtes Denken ab. Der Prozess von Johannes M. ist nur eines von vier weiteren Verfahren, die aktuell am Oberlandesgericht MĂŒnchen verhandelt werden. Mehrere psychiatrische SachverstĂ€ndige stellten fest, dass M.s Ideologie zwar wahnhafte ZĂŒge trage, deshalb aber noch kein klinischer Wahn sei. Der Prozess dauert an.

Ein Urteil wird zu Ende September erwartet.



Gut zu wissen: Aktuelles aus dem Themenbereich Rechter Terror und Antifaschismus

+++ Revision nach Freispruch im zweiten Prozess wegen des Brandanschlags auf eine GeflĂŒchtetenunterkunft in Saarlouis 1991, bei dem Samuel Kofi Yeboah starb +++

Mit einem Freispruch endete am 9. Juli 2024 das zweite Strafverfahren wegen des Brandanschlages auf eine GeflĂŒchtetenunterkunft in Saarlouis. Bei dem Anschlag am 19. September 1991 wurde Samuel Kofi Yeboah ermordet. Der Angeklagte im ersten Prozess zu dem Anschlag, Peter Schröder (frĂŒher Schlappal), war erst 2023 wegen Mordes zu einer Haftstrafe verurteilt worden – aufgrund seines Alters zur Tatzeit nach Jugendstrafrecht.

Dem nun angeklagten Peter St. wiederum warf die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Mord vor. St. soll „psychische Beihilfe“ geleistet haben, indem er am Abend vor der Tat in einem GesprĂ€ch mit Schlappal und einem weiteren Neonazi ĂŒber das rassistische Pogrom in Hoyerswerda 1991 sinngemĂ€ĂŸ gesagt habe, in Saarlouis mĂŒsse auch mal was brennen oder passieren. Peter St. war lange Zeit die FĂŒhrungsfigur der Neonazi-Szene in Saarlouis und grĂŒndete die neonazistische „Kameradschaft Horst Wessel Saarlautern“.

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Koblenz (das auch fĂŒr das Saarland zustĂ€ndig ist), kam in seinem Urteil nun jedoch zu der Auffassung, dass sich der Vorwurf gegen St. durch die Beweisaufnahme nicht bestĂ€tigt habe, der Hauptbelastungszeuge habe nicht von „brennen“ gesprochen.

Nebenklageanwalt Dr. Björn Elberling: „Wir denken anders als das Gericht, dass die Beihilfehandlung des Angeklagten nachgewiesen ist. Wenn in einem GesprĂ€ch ĂŒber BrandanschlĂ€ge der Chef der Neonazi-Gruppierung sagt, „so etwas“ mĂŒsse im Saarland „auch passieren“, dann ist das eine Aufforderung zum Brandanschlag, zum Mord.“ Die Bundesanwaltschaft hat gegen das Urteil Revision eingelegt; im Zuge dieser Revision wird auch die Nebenklage Gelegenheit haben, ihre Argumente gegen den Freispruch vorzubringen.

Elberling: „Trotz des Freispruchs bewerten wir die Verfahren gegen Schlappal und St. insgesamt als erfolgreich. Die Verfahren haben gezeigt, dass bisher unaufgeklĂ€rte Taten auch noch Jahrzehnte spĂ€ter aufgeklĂ€rt werden können – fĂŒr bisher nicht bestrafte TĂ€ter der Welle rassistischer Gewalt in den 1990ern bedeutet das, dass sie sich zeitlebens nicht sicher sein können, nicht doch noch zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Prozesse hatten auch Einfluss auf die Erinnerungspolitik. Auch wenn insoweit noch einiges weiter im Argen liegt: dass die Überlebenden, wenn auch eben Jahrzehnte spĂ€ter, als Betroffene eines rassistischen Mordanschlags anerkannt wurden, bedeutet schon viel.“

Informationen zum Prozess aus Sicht der Nebenklage.

Weitere Informationen bei der Antifa Saar.


+++ Munitionsskandal: Prozess gegen MEK-Beamte ausgesetzt +++

Am 29. April 2024 begann am Landgericht Dresden der Prozess gegen drei suspendierte Polizeibeamte des Dresdner Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Der Vorwurf: „Bestechlichkeit in Tateinheit mit Diebstahl sowie unerlaubtem Erwerb und Besitz von genehmigungspflichtiger Munition“.

Ende Juni dann teilte das Landgericht mit, dass die fĂŒr 42 Prozesstage geplante Hauptverhandlung nach nur vier Terminen ausgesetzt worden sei. Den Abbruch der Verhandlung begrĂŒndete das Gericht zunĂ€chst nicht. Und die Öffentlichkeit hat bis heute das Nachsehen: Noch vor Anklageverlesung wurde sie auf Antrag zweier Verteidigungen und der Generalstaatsanwaltschaft vom Prozess ausgeschlossen. Der Grund laut Vorsitzendem Richter: Die Öffentliche Ordnung und das Leben der Beschuldigten sei in Gefahr. Auf Nachfrage erklĂ€rte das Gericht nun, die Aussetzung der Hauptverhandlung erfolge aus GrĂŒnden, „aus denen auch die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist“.

Die drei Beamten des Landeskriminalamtes Sachsen sind die Hauptbeschuldigten im Munitionsskandal bei der in Dresden ansĂ€ssigen Spezialeinheit. Sie sollen 2018 mindestens 7.000 Schuss Munition entwendet haben und damit ein privates Schiesstraining auf dem Schießplatz „Baltic Shooters“ in GĂŒstrow bezahlt haben.

Der Betreiber dieses Platzes, Frank T., sowie einige seiner Mitarbeiter, sind Mitglieder der extrem rechten Preppergruppe „Nordkreuz“. Um das Training durchzufĂŒhren, wurden weitere 7.500 Schuss entwendet. Insgesamt waren 17 MEK-Beamte beteiligt. WĂ€hrend 14 Beamte zu anderen Dienststellen versetzt wurden, mĂŒssen sich die Hauptbeschuldigten, darunter der KommandofĂŒhrer und der Schießtrainer der Einheit, nun wegen Bestechlichkeit, Diebstahl und unerlaubten Erwerb von Munition verantworten.

Die VorfĂ€lle wurden 2021 durch eine Expertenkommission untersucht. Dabei wurden grobe MĂ€ngel bei Organisationsstruktur und Dienstaufsicht im LKA Sachsen aufgedeckt: Die Ausgabe von Waffen und Munition erfolgte weitgehend unkontrolliert. Der Bericht der Kommission ist Verschlusssache, lediglich Handlungsempfehlungen wurden gegenĂŒber der Presse kommuniziert.

Der Ausschluss der Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren knĂŒpft an diese intransparente Praxis an. Die Hauptverhandlung soll am 13. November 2024 neu beginnen. Zumindest ĂŒber einen Ausschluss der Öffentlichkeit muss dort dann neu entschieden werden.

Wir gedenken: Habil Kılıç

Habil Kılıç wurde 1963 in der TĂŒrkei geboren und lebte mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter in MĂŒnchen. Im Jahr 2000 eröffnete die Familie einen Frischwarenladen. Habil Kılıç behielt aber seinen Arbeitsplatz in der Großmarkthalle und arbeitete erst am Feierabend in dem gemeinsamen GeschĂ€ft. Im August 2001, knapp anderthalb Jahre nach dessen Eröffnung, arbeitete Habil Kılıç auch tagsĂŒber im Laden, weil seine Frau und seine Tochter im TĂŒrkei-Urlaub waren. Am Vormittag des 29. August 2001 wurde er dort vom NSU erschossen. Habil Kılıç wurde 38 Jahre alt.

Nach dem Mord ermittelten die Behörden gegen den Ermordeten, seine Familie und das Umfeld. Die Familie von Habil Kılıç musste die Spuren des Mordes selber entfern

en. Zuvor hatten sieÂ ĂŒber dem Laden gewohnt, nun gab seine Frau Wohnung und Laden auf. Der Mord des NSU, das Verhalten der Behörden und die von ihnen verbreiteten rassistischen GerĂŒchte ĂŒber den Ermordeten sorgten letztlich dafĂŒr, dass Familie Kılıç neben dem Familienvater auch ihr nachbarschaftliches Umfeld und ihren Lebensunterhalt verlor.

Habil Kılıçs Frau, P. Kılıç, war die erste Angehörige, die im NSU-Prozess als Zeugin befragt wurde. Richter Götzl trat ihr gegenĂŒber autoritĂ€r auf. P. Kılıç wollte bei ihrer Vernehmung am 22. Verhandlungstag nicht vor „dieser Frau“ – also der Hauptangeklagten im NSU-Prozess, Beate ZschĂ€pe – ĂŒber die Situation nach der Tötung ihres Mannes sprechen: „Wie kann das sein? Können sie sich das nicht vorstellen, wenn man den Mann, dann den Laden verliert? Wie die Leute darĂŒber reden, wenn man wie ein VerdĂ€chtiger behandelt wird? Was soll ich hier sagen vor dieser Frau?“

Götzl herrschte sie daraufhin an, dass er eine höfliche Antwort erwarte, wenn er selber höflich frage. P. Kılıç berichtete auf DrĂ€ngen des Richters: Sie hĂ€tten eine große Menge Schaden angerichtet, erst den Mann ermordet, dann den ganzen Freundeskreis kaputtgemacht, das ganze Finanzielle: „Alles haben sie kaputtgemacht, alles.“ An Habil Kılıç erinnert heute eine Gedenktafel am ehemaligen GeschĂ€ft der Familie in der Bad-Schachener-Straße.


Vor zwei Jahren wurden Mouhamed Lamine Dramé von der Dortmunder Polizei erschossen.

Gastbeitrag des SolidaritÀtskreis Mouhamed Lamine Dramé Dortmund

Am 8. August 2024 ist es zwei Jahre her, dass Mouhamed Lamine DramĂ© von der Dortmunder Polizei erschossen wurde. Es sind zwei Jahre, in denen Mouhamed fehlt. Als Bruder, als Sohn, als Freund, als BVB-Fan und als Mensch. Es sind auch zwei Jahre, in denen es immer noch keine Gerechtigkeit fĂŒr seinen Tod gibt.

Wir, der SolidaritĂ€tskreis Justice for Mouhamed, möchten ihm am 8. August gedenken und gemeinsam um ihn trauern, aber besonders auch die Person feiern, die er war. Mit Musik, Essen und GetrĂ€nken, Programm fĂŒr Kinder, Fußball und vor allem in Gemeinschaft soll es ein Tag werden, an dem Mouhameds Leben gebĂŒhrend zelebriert wird. Ab 17 Uhr wird es hierfĂŒr ein buntes Programm auf dem Kurt-Piehl-Platz geben, der ganz in der NĂ€he des Tatorts liegt.

Prozess und Demo:

Am 19.12.2023 startete der Prozess gegen fĂŒnf Polizist*innen, die bei dem tödlichen Einsatz, bei dem Mouhamed Lamine DramĂ© erschossen wurde, involviert waren. Gemeinsam mit anderen Initiativen und Organisationen begleitet der SolidaritĂ€tskreis Justice4Mouhamed den Gerichtsprozess kritisch und dokumentiert jeden Prozesstag.

Am 11. September 2024 ist voraussichtlich der letzte Prozesstermin angesetzt. AnlĂ€sslich des Prozesses und der UrteilsverkĂŒndung möchten wir zu einer bundesweiten Demo mobilisieren.

Wir wollen mit euch laut sein, gegen die Narrative der Polizei und die systemischen Probleme innerhalb des staatlichen Gewaltapparats. Der exakte Termin fĂŒr die Demo wird bald veröffentlicht!

Spendenkampagne: www.betterplace.org/de/projects/131472-prozessteilnahme-der-familie-drame-sowie-solidarische-prozessbegleitung

Dank der Hilfe aller Spender:innen ermöglichen wir seit Januar 2024 zwei BrĂŒdern von Mouhamed, Sidy und Lassana DramĂ©, die Begleitung des Gerichtsprozesses in Dortmund. Einreise, Unterbringung, Verpflegung und die Prozessteilnahme der beiden BrĂŒder ist nur durch SolidaritĂ€t möglich –  dafĂŒr möchten wir uns ganz herzlich bedanken!

Kein Vergeben, kein Vergessen! Rest in Power, Mouhamed!


„Empathie verlangt“ – 40 Jahre und kein Schlussstrich – zum Gedenken in Duisburg, zum 26. August

Am 26. August 2024 gedenken wir: Ferdane Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Tarık Turhan, Çiğdem Satır, Ümit Satır, SongĂŒl Satır und Ramazan Satır. Vor 40 Jahren starben sie nach dem rassistischen Brandanschlag auf das Wohnhaus in Duisburg, in dem ihre Familie lebte.

Jahrzehntelang war der Anschlag vergessen. Erst seit 2023 trĂ€gt das Haus in der Wanheimer Staße mit einer Tafel ein sichtbares Zeichen des Gedenkens.

Sie zeigt unter anderem die Aufschrift: „Alles hat seine Zeit. Eine Zeit der Stille, eine Zeit des Schmerzes und der Trauer, aber auch eine Zeit der Gerechtigkeit“. Überlebende und Angehörige kĂ€mpften ĂŒber Jahre fĂŒr ein wĂŒrdiges Gedenken.

Zum 40. Jahrestag wird es einen Schweigemarsch und eine Kundgebung geben. Die Demonstration beginnt am 26. August um 17.00 Uhr an der Kranichschule (Kranichstraße 21 in Duisburg). Um 17.30 Uhr schließt sich die Kundgebung an in der Wanheimer Straße 301.

In der Woche zuvor lĂ€dt das BĂŒndnis „Tag der SolidaritĂ€t – kein Schlussstrich“ zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Am 23. August kommen Überlebende und Angehörige von Betroffenen rechter Gewalt zusammen. In der 2023 eingeweihten Tarık-Turhan-Galerie im Duisburger Zentrum fĂŒr Erinnerungskultur werden sie miteinander im GesprĂ€ch sein darĂŒber, warum es auch 2024 „Kein Schlussstrich“ heißen muss. Sprechen werden Gamze KubaĆŸÄ±k, Fatma Ceylan, Hatice Sibel İƟini, Ayfer ƞentĂŒrk Demir, Orhan CalÄ±ĆŸÄ±r und Aynur Satır. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr in der Tarık-Turhan-Galerie, Karmelplatz 5 in Duisburg.

Bereits eine Woche zuvor wird die Ausstellung „Stopp. Zuhören. Begegnen.“ als Teil des Fests der Vielen im Rheinpark in Duisburg auf Widerstand und Resilienz zu rechter Gewalt in Nordrhein-Westfalen aufmerksam machen. Die Ausstellung wurde erstmals im Juni 2024 auf dem Mehmet-KubaĆŸÄ±k-Platz in Dortmund gezeigt.

Sie zeichnet auch die Geschichte und Gegenwart des Anschlages vom 26. August 1984 nach – mit den Perspektiven der Überlebenden, dem Erinnerungsschild von Aynur Satır und ihrer Schwester Eylem Satır Özcan. In Duisburg ist sie Teil des „Pavillon der Vielen“ (16. und 17. August 2024), danach wĂ€hrend der Veranstaltung zu sehen in der Tarık-Turhan-Galerie.

Ihr könnt das Gedenken mit einer Spende unterstĂŒtzen unter: www.betterplace.org/de/projects/140050-gedenkveranstaltung-an-die-opfer-des-brandanschlages-1984

FĂŒr aktuelle Informationen folgt bitte @bundnistagdersolidaritat.



+++ Termine +++

2. August, Berlin: Kundgebung: Rettet das Mahnmal! Protest fĂŒr den Erhalt des Denkmals fĂŒr die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas. 18:00 Uhr, Simsonweg. Mehr Infos hier.

3. August, Erfurt-Stotternheim: Fahrraddemo in Gedenken an Ireneusz Szyderski. Sie starb einem Angriff von rechten Securities am 03. August 1992. 11:30 Uhr, Erfurt Hauptbahnhof-Vorplatz. Mehr Infos hier.

4. August, Berlin: Podiumsdiskussion: Vor der Landtagswahl in Brandenburg: Wie stoppen wir gemeinsam den Rechtsruck? 19:00 Uhr, Baiz, Schönhauser Straße 26A. Mehr Infos hier.

5.-11. August, bei Erfurt: System Change Camp. Gemeinsam, gegen rechts, fĂŒr ein Klima der Gerechtigkeit. Mehr Infos hier.

8. August, Dortmund: Gedenkfeier Zwei Jahre nach den SchĂŒssen auf Mouhamed Lamine DramĂ©. 17:00 Uhr, Kurt-Piehl-Platz. Mehr Infos hier.

11. August, Merseburg: Gedenken an DelfĂ­n Guerra und RaĂșl G. Paret. 16:00 Uhr, Willi-Sitte-Galerie (Domstr. 15). Mehr Infos hier und hier.

14. August, Leipzig: Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit? Rechte Hegemonien, zunehmende Überwachung und Militarisierung der Polizei. Veranstaltung mit Jule Nagel und Martina Renner. 18:00 Uhr, Ilses Erika, Bernhard-Göring-Str. 152. Mehr Infos hier.

14.-18. August, LĂ€rz: Ajuca – Alternatives Jugendcamp. Politics, People, Party. Mehr Infos hier.

16. und 17. August, Duisburg: Fest der Vielen. Rheinpark Duisburg. Mehr Infos hier. 22. August – 9. September, Rostock: Veranstaltungen zu den 32. Jahrestagen des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen. Mehr Infos hier.

23. August, Duisburg: Warum kein Schlussstrich. Betroffene rechter Gewalt berichten. Eine Diskussionsveranstaltung mit Aynur Satır, Gamze KubaĆŸÄ±k, Fatma Ceylan, Hatice Sibel İƟini, Ayfer ƞentĂŒrk Demir und Orhan Çalisir. 18:00 Uhr, Tarık-Turhan-Galerie, Karmelplatz 5. Mehr Infos hier.

25. August, Leipzig: Großdemo Rechtsextremismus stoppen. Demokratie verteidigen. 15:00 Uhr, Augustusplatz. Mehr Infos hier.

Bis 25. August, Hamburg-Neuengamme: Wanderausstellung Rechte Gewalt in Hamburg von 1945 bis heute. Mehr Infos hier.

Bis 25. August, Wien: Ausstellung ‚Man will uns ans Leben‘ Bomben gegen Minderheiten 1993–1996 und Rahmenprogramm. Im Volkskundemuseum Wien. Weitere Infos hier.

26. August, Duisburg: Schweigemarsch und Kundgebung in Gedenken an Ferdane Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Tarık Turhan, Çiğdem Satır, Ümit Satır, SongĂŒl Satır und Ramazan Satır. Demo 17:00 Uhr an der Kranichschule (Kranichstraße 21). Kundgebung 17:30 Uhr in der Wanheimer Straße 301.

1. September, NĂŒrnberg/Hybrid: Darum kein Schlussstrich! Ein GesprĂ€ch mit Gamze KubaĆŸÄ±k, Semiya ƞimƟek und Mehmet O. ĂŒber den NSU-Komplex. 19:00 Uhr, Gewerkschaftshaus NĂŒrnberg, Kornmarkt 5-7. Mehr Infos und Anmeldung hier.

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