In der 34. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses („Neukölln II“) des Berliner Abgeordnetenhauses ging es um Erkenntnisse des Berliner Verfassungsschutzes zum Neukölln-Komplex. Die codierten Zeuginnen Z-3 und Z-4, beide hochrangige Beamtinnen im Berliner Inlandsgeheimdienst, beriefen sich immer wieder darauf, Fragen nicht in öffentlicher Sitzung beantworten zu können. Auch auf fehlende Erinnerung zogen sich die beiden oft zurück. Inhaltlich war die öffentliche Sitzung daher nicht besonders ergiebig. Die Abgeordneten der Fraktionen von Linke und Grünen zeigten sich heute aber weniger nachgiebig und beharrten stärker auf Beantwortung ihrer Fragen. Mehr parlamentarisches Selbstbewusstsein täte dem Ausschuss dennoch weiterhin gut.
In der heutigen Sitzung geht es weiter mit Vernehmungen von Mitarbeitenden der Abteilung 2 des Senatsverwaltung für Inneres und Sport, also des Berliner Verfassungsschutzes. Die Verfassungsschutz-Mitarbeitenden werden nicht beim abgekürztem Nachnamen angesprochen, sondern erhalten eine Nummer hinter einem führenden „Z“.
Der geladene Zeuge „Z-1“, der bereits bei der vorangegangenen Sitzung nicht gehört werden konnte, weil er im Ausland weilte, kann wegen Krankheit auch heute nicht gehört werden. Zwischen der Tischreihe, an der die Zeug*innen sitzen, und dem Publikumsbereich ist eine undurchsichtige Trennwand aufgestellt. Ausschussvorsitzender Vasili Franco (Grüne) sagt, dass es dabei um die „besonders schutzbedürftige“ Zeugin „Z-3“ geht. Franco sagt, dass die Zuschauer*innen nicht in den Bereich hinter der Trennwand treten dürfen, weil das Rückschlüsse auf die Identität der Zeugin zuließe.
Nach den üblichen Formalien muss die Öffentlichkeit den Saal verlassen, weil der Ausschuss sich nicht-öffentlich berät. Es dauert ungewöhnlich lange, bis die Sitzung wieder öffentlich ist.
Erst um 10:08 Uhr geht es weiter. Die Zeugin Z-3 ist bereits anwesend. Franco teilt mit, dass die Identität der Zeugin festgestellt worden sei. Danach folgen die Belehrung der Zeugin und weitere Formalien.
Die Aussagen der Zeuginnen werden im Folgenden nach bestem Wissen und Gewissen sinngemäß und zusammenfassend wiedergegeben.
Klage des Ausschusses auf Herausgabe von Akten der Justiz
Dann teilt Franco der Öffentlichkeit mit, dass das Gerichtsverfahren bezüglich der Freigabe der Akten der Justiz, die der Ausschuss begehre, in vollem Gange sei. Es gebe einen Antrag beim Verfassungsgerichtshof Berlin, einschließlich eines Eilantrags, weil der Ausschuss zeitnah die Akten haben wolle. Er erläutert zur Begründung, dass der Ausschuss zum einen ein anderes Ziel als die Aufklärung von Straftaten verfolge, außerdem seien auch hier im Ausschuss entsprechende Gefahreneinstufungen möglich, die dafür sorgen könnten, dass das Strafverfahren störungsfrei abläuft. Es handele sich um einen recht umfangreichen Teil der Akten, die den Kern der Straftatenserie betreffen. Es sei unabdingbar, diese Akten zu bekommen, um den Untersuchungsauftrag des Ausschusses erfüllen zu können.
[Hintergrund: Am Donnerstag, 12. September 2024, begann vor dem Landgericht Berlin I das Berufungsverfahren gegen Sebastian Thom und Tilo P., die unter anderem wegen der Brandanschläge auf Ferat Koçak und Heinz Ostermann angeklagt sind, für diese Anklagepunkte aber im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten freigesprochen wurden. Sowohl die Verteidigung als auch die Generalstaatsanwaltschaft Berlin als Anklagebehörde hatten gegen das Urteil des Amtsgerichtes Berufung eingelegt. Im Falle einer Berufung kann – im Unterschied zur Revision, die das Urteil lediglich auf Rechtsfehler prüft – die Beweisaufnahme wiederholt werden. Das ist im Falle des Verfahrens gegen Thom und P. nun der Fall. Die Berliner Justiz weigert sich jedoch, die Akten während des laufenden Gerichtsverfahrens für den Ausschuss freizugeben, so dass der Ausschuss aktuell keinen Zugriff auf wesentliche Aktenbestandteile hat.]
Zeugin Z-3
Nach dieser Information geht es weiter mit der Befragung der Zeugin Z-3. Diese war von 2012 bis 2019 in führender Position im Referat Rechtsextremismus des Berliner Verfassungsschutzes (im Folgenden: VS) tätig, zunächst als Gruppenleiterin, ab 2015 als Referatsleiterin im entsprechenden Referat 2B. Auf die Frage von Franco, inwieweit sie in dieser Zeit mit dem Thema Rechtsextremismus in Neukölln befasst war, sagt Z-3: „Bedingt durch die Funktion, die ich innehatte, war das Gegenstand meiner Tätigkeit entweder als Gruppenleiterin oder als Referatsleiterin.“ Auf die Frage welchen Umfang dieses Thema im Vergleich zu anderen Themen aus dem Bereich des Rechtsextremismus bei der Arbeit hatte, sagt Z-3: „Soweit ich es in der öffentlichen Sitzung sagen kann, war das auf jeden Fall ein Schwerpunkt, aber weiter kann ich in dieser Sitzung nichts sagen.“
Auf diese Weise geht es bei der Vernehmung der Zeugin die ganze Zeit weiter. Die Zeugin verweist immer wieder darauf, dass sie über bestimmte Dinge erst in der geheimen Sitzung sprechen könne. Sie berät sich sehr häufig mit ihrem Rechtsbeistand, der Anwältin Dr. Bertheau, die – vermutlich im Auftrag der Senatsverwaltung für Inneres – bereits bei vielen Zeug*innen aus der Berliner Polizei als Rechtsbeistand im Ausschuss tätig war. Auf den Verweis von Franco, dass viele Dinge ja bereits öffentlich seien, sagt Z-3 unter anderem, dass nicht alles, was der VS mache, in den Medien stattfinde. Es gebe, das sehe der Ausschuss auch in den Akten, höher eingestufte Dinge, bei denen von nachrichtendienstlichen Mitteln Gebrauch gemacht werde. Auch diese Dinge würden, so Z-3, von ihr freigezeichnet. Franco verweist darauf, dass der VS seines Wissens ein Frühwarnsystem sei, das herausfinden solle, wie und wo der Demokratie Gefahr durch verfassungsfeindliche Bestrebungen drohe, und fragt dann, ob es im Bereich der rechtsextremen Szene in Neukölln Erfolge des VS gab. Auch diese Frage will Z-3 nach Beratung mit Dr. Bertheau nur in der geheimen Sitzung beantworten. Auf die Nachfrage, ob es in Bezug auf diese Szene keine öffentlichkeitsrelevanten Erfolge des VS gegeben habe, sagt Z-3: „So will ich das nicht verstanden wissen.“ Der VS habe, so Z-3, durch die Verfassungsschutzberichte zur Aufklärung beigetragen, außerdem habe der VS sehr viel im Rahmen von Verfassungsschutzausschüssen im Abgeordnetenhaus auch in nicht-öffentlicher Sitzung beigetragen: „Aber im Konkreten kann ich es nicht in dieser Sitzung beantworten.“ Sie verweist auch darauf, dass sie Lagebilder verfasst habe, die ihrer Meinung nach aber auch nicht offen gewesen seien, weswegen sie also auch hierzu in der öffentlichen Sitzung keine Stellung nehmen könne. Franco erwidert, dass das, was der VS ihm gesagt habe, deutlich weniger sei, als das was er aus anderen öffentlichen Quellen erfahren habe. Er fragt, wie sinnhaft dann die Arbeit des VS ist. Z-3: „Das war eine Bewertung, so wie ich Sie verstanden habe, und keine inhaltliche Frage. Ich nehme meine Arbeit beim Verfassungsschutz als sinnhafte und wertige Arbeit wahr.“ Auch wenn andere Stellen Dinge öffentlich machten, könne sie dazu nur im Rahmen ihrer Aussagegenehmigung aussagen, so Z-3. Franco: „Gibt Ihre Arbeit beim Verfassungsschutz dem Parlament genügend Hinweise, damit dieses verfassungsfeindliche Bestrebungen adäquat einordnen kann?“ Z-3: „Soweit wir etwas zu berichten hatten, haben wir im Verfassungsschutzausschuss ausführlich berichtet, wenn auch nicht immer in öffentlicher Sitzung. Meine Wahrnehmung, auch bei dem hier in Rede stehenden Zeitraum, ist, dass wir von uns aus berichtet haben und wenn wir gefragt wurden.“
CDU-Abgeordneter Stephan Standfuß sagt, als ihm das Wort erteilt wird, dass er durchaus Verständnis dafür habe, dass sicherheitsrelevante Fragen öffentlich nicht besprochen werden können, er wolle aber trotzdem versuchen öffentlich zu fragen. Er fragt, ab wann es dem VS klar gewesen sei, dass es sich um eine Straftatenserie handelt. Z-3: „Einen genauen Zeitraum kann ich nicht nennen, aber ich würde sagen: relativ schnell im Jahr 2016, nachdem wir mehrere entsprechende Delikte hatten, die uns von der Polizei übermittelt wurden.“ Das sei nicht bei der ersten oder zweiten Tat gewesen, so Z-3 auf Nachfrage, aber mit Sicherheit, wenn man drei oder vier Taten habe. Sie könne, so Z-3 im Weiteren, nicht sagen, dass sie jedes einzelne Stück Papier gesehen habe, aber sie sei doch von ihren Sachbearbeitern umfassend über das Thema informiert worden. Die eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel hätten natürlich ihre Unterschrift tragen müssen, so Z-3. Standfuß fragt nach dem prozentualen Anteil, den der Neukölln-Komplex an der Arbeit gehabt habe. Z-3: „Alles, was ich jetzt sagen kann in öffentlicher Sitzung ist, dass es ein Schwerpunkt war.“ Auf die Nachfrage, ob es mehr als 50 Prozent gewesen seien, sagt Z-3, dass sie jetzt hier nicht ins Detail gehen wolle. Zur Zusammenarbeit mit der Polizei führt Z-3 aus, dass es einen intensiven, fast täglichen Kontakt gegeben habe, Kontakt zur Staatsanwaltschaft habe es eher anlassbezogen gegeben.
Es folgt die erste Fragerunde des Grünen-Abgeordneten André Schulze, der zunächst fragt, wann denn die Arbeit des VS in dem Bereich aus Sicht der Zeugin erfolgreich sei. Z-3: „Nach meinem Dafürhalten sind wir erfolgreich, wenn wir es schaffen die Lage von rechtsextremistischen Bestrebungen im Land Berlin darzustellen.“ Außerdem sei der VS erfolgreich, wenn er im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten Informationen an andere Einrichtungen übermitteln könne, so dass diese auch eingesetzt werden können. Ein Indiz für Erfolg sei, ob sich die politische Leitung hinreichend informiert fühle und ob „Sie als Politiker“ im VS-Ausschuss sich informiert fühlen. Sie selbst sei dann erfolgreich, wenn sie aussagefähig sei zu extremistischen Bestrebungen in diesem Bereich. Schulze entgegnet, dass er vom VS selten Informationen bekommen habe, die nicht schon aus anderen öffentlichen Quellen bekannt gewesen seien. Dann verweist er darauf, dass der Ausschuss von Zeug*innen häufig gehört habe, dass der Staatsschutz Sachen vom VS zu spät bekommen habe, aus denen nicht ableitbar gewesen sei, wer gemeint ist, wer gefährdet ist, wer die Organisation ist, die gefährden soll. Das habe sich erst nach dem Brandanschlag bei Ferat Koçak geändert, aber auch nicht so richtig,. Schulze: „Ich spitze zu: Der Verfassungsschutz hat Informationen, aber die teilt er nicht richtig, so dass man damit nichts anfangen kann. Sie sagen, es gab täglichen Kontakt mit dem LKA, das entspricht nicht meiner Wahrnehmung aus dem Ausschuss. Also: Sind Sie der Überzeugung, dass der Verfassungsschutz in ihrer Zuständigkeit das Beste getan hat, um dem Staatsschutz Informationen zu geben, die er benötigt?“ Die Zeugin antwortet, sie könne Aussagen der Polizei, die sie nicht kenne, nicht bewerten. Der VS sei an Regeln gebunden, das VS-Gesetz und Spezialgesetze: „Wir übermitteln, wenn wir weitergabefähige Informationen haben, die wir auch im Rahmen unserer gesetzlichen Vorgaben übermitteln können. Ich würde rückblickend die Einschätzung schon vertreten, dass, wenn wir übermitteln konnten, auch übermittelt haben.“ Aber sie könnten nicht immer übermitteln, so die Zeugin weiter; da seien die gesetzlichen Vorgaben ziemlich strikt. Schulze will wissen, wann Informationen nach Bewertung der Zeugin weitergabefähig seien. Die Zeugin will nur abstrakt antworten und verweist auf die Paragraphen 20 und 21 des Verfassungsschutzgesetzes. [Diese regeln die Informationsübermittlung des Berliner VS an BND und MAD (§20) und an Strafverfolgungsbehörden (§21).] Schulze sagt, dem konkreten Sachverhalt des Brandanschlages auf Ferat Koçak wolle er sich im nicht-öffentlichen Teil widmen. [Es geht um die entsprechenden Behördenzeugnisse des VS und deren Verwendbarkeit durch die Polizei.] Auf die Frage, wie der Informationsaustausch zwischen den VS-Referaten 2B [Auswertungsreferat, das zuständig ist für den Phänomenbereich Rechtsextremismus] und 2E [zuständig für die sogenannte Beschaffung] stattfindet. Da gebe es regelmäßigen Austausch, turnusmäßige Besprechungen und die Auswertungssachbearbeiter würden Fragen an die Beschaffung stellen, so Z-3: „Die Auswertung steuert ja die Beschaffung.“ Die Frage, ob es aus dem Referat 2E selbstständige Bemühungen zur Beschaffung gebe, will die Zeugin zurückstellen. Schulze will dann, dass Z-3 einmal allgemein darstellt, wie der Austausch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und anderen Landesämtern institutionalisiert ist. Im Bereich Rechtsextremismus habe es, so Z-3, soweit sie sich erinnern könne, Telefonate, Schriftverkehr, auch Videoschaltkonferenzen gegeben, entweder bilateral oder mit allen Behörden zusammen. Immer dann, wenn es Anlass zu Austausch gab, habe es Arbeitsbesprechungen gegeben: „Grundsätzlich erst mal, nicht bezogen auf den Bereich Neukölln.“ Bei Großveranstaltungen der rechtsextremen Szene gebe es im Vorfeld Austausch mit den bzw. Unterstützung durch die anderen Behörden, bejaht Z-3: „Details dann in geheimer Sitzung.“ Auch wenn etwa beobachtete Rechtsextremisten in andere Länder umziehen, gebe es Austausch, bejaht Z-3: „Grundsätzlich gibt es diesen Austausch, aber gern in geheimer Sitzung.“
Schulze fragt dann, ob Z-3 einmal darstellen könne, wie sich die rechtsextreme Szene entwickelt hat, welche Gruppen relevant waren. Z-3 nennt „bezogen auf Neukölln in abstrakter Form“ das „Netzwerk Freie Kräfte“ und nach ihrer Erinnerung habe es auch eine recht starke NPD gegeben. Auf Nachfrage zur Entwicklung und Vernetzung sagt Z-3: „Soweit meine Erinnerung reicht für hier, für die öffentliche Sitzung, war das damals schon eine Interaktion des Netzwerks Freie Kräfte mit der NPD.“ Da habe es starke personelle Überschneidungen gegeben, sagt die Zeugin, aber Weiteres will sie in diesem Teil der Sitzung nicht sagen. Schulze fragt nach Spezifika der Neuköllner Szene, gerade was Aktionsformen und Gewaltbereitschaft betrifft. Die Szene sei sehr aktionsorientiert gewesen, so Z-3, was „mit Sicherheit auch sehr gegen linke Strömungen“ gerichtet gewesen sei: „Das war nach meiner Erinnerung klar ersichtlich.“ Zu möglichen Veränderungen in Auftreten und Aktionsformen der Szene befragt, sagt die Zeugin, dass es auf jeden Fall Auflösungsbestrebungen im Bereich der NPD gegeben habe, aber da tue sie sich hier gerade schwer [unsicher]. Schulze: „Wegen der Öffentlichkeit oder weil sie sich nicht erinnern?“ Z-3: „Beides.“
Dann fragt SPD-Abgeordnete Wiebke Neumann. Sie möchte wissen, was es bedeutet, wenn die Zeugin sagt, der Neukölln-Komplex sei ein „Schwerpunkt“ der Arbeit gewesen, und wie sich das über die Zeit verändert hat. Das sei „ein Stück weit schwer“, so Z-3, sie sei seit einigen Jahre nicht mehr in dem Bereich. Es sei eine Sache mit der Erinnerung und dem, was sie wegen ihrer Aussagegenehmigung öffentlich sagen könne. Sie hätten früh „das Netzwerk Freie Kräfte und auch die Autonomen Nationalisten“ als Schwerpunkt gehabt, aber auch andere Bereiche des Rechtsextremismus, die aber nicht Gegenstand ihrer Aussagegenehmigung seien. Schwerpunkt bedeute, so Z-3, dass erfahrene Sachbearbeiter die Themen bearbeiten und es auch bei den Maßnahmen einen Schwerpunkt geben. Neumann: „Es ist also eine Ressourcenfrage, der Schwerpunkt?“ Z-3: „Das ist korrekt, alles Weitere dann in der geheimen Sitzung.“ Auf Frage sagt Z-3, dass es im Bereich Rechtsextremismus bei den Sachbearbeitern grundsätzlich doch eine hohe Kontinuität gebe. Sie hätten natürlich auch eine personelle Verstärkung bekommen, das seien aber nicht zwingend Leute, die in dem Bereich schon Erfahrung haben. Auf die Frage, wie groß der personelle Aufwuchs im Referat Rechtsextremismus gewesen sei, ob es eine Verdopplung, Verdreifachung gewesen sei, sagt Z-3: „Schwierig. Verdreifachung nein, aber es war ein spürbarer Zuwachs.“ Alle ihre weiteren Fragen will Neumann im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung stellen.
Es folgt die Befragung der Zeugin durch den Linken-Abgeordneten Niklas Schrader. Dessen Frage nach der Größenordnung an relevanten Personen in der rechten Szene beantwortet die Zeugin damit, dass es in einem höheren zweistelligen Bereich sei als Potenzial, konkret bezogen auf den Neukölln-Komplex möchte sie sich aber erst in geheimer Sitzung äußern. Schrader hakt nach und sagt, dass es ihm um die aktive Szene in Neukölln gehe. Sie könne sich konkret nicht an Zahlen erinnern, aber es sei auf jeden Fall im zweistelligen Bereich [unsicher], so Z-3. Schrader fragt, welche Kategorien der VS habe für die Personen, die die Polizei Gefährder nennt. Sie hätten sich, so Z-3, zwar mit der Polizei über die Gefährder ausgetauscht und die Personen würden dann auch zu den für sie relevanten Personen gehören, sie hätten beim VS aber anders als die Polizei nicht den Schwerpunkt eines Personenansatzes. Natürlich schaue man sich aber die Gefährder an und welche Rolle sie in der Szene spielen: „Und natürlich hat man da dann Gemeinsamkeiten, würde ich rückblickend sagen.“ Auf Nachfrage will sie keine konkreten Zahlen zu führenden Personen in der Neuköllner Szene nennen, sagt aber, es gebe Schlüsselpersonen im einstelligen Bereich. Schrader sagt, dass Z-3 die Freien Kräfte Neukölln genannt habe und die Autonomen Nationalisten, und fragt dann nach deren Rolle und Verbindungen zum Neukölln-Komplex. Z-3 antwortet, dass das Netzwerk Freie Kräfte und die Autonomen Nationalisten, die dann ein Stück weit im Netzwerk Freie Kräfte aufgegangen seien, bezogen auf die verschiedenen Stadtteile den Schwerpunkt im aktivistischen Teil der Szene gebildet hätten. Zeitweise seien sie ihrer Erinnerung nach auch mit dem parlamentarischen Extremismus verbunden gewesen. Auf Frage sagt sie nach längerer Pause – vermutlich zur Beratung mit ihrer Anwältin –, dass sie nach ihrer Erinnerung als VS keine Belege gehabt hätten, dass diese Personen tatsächlich beweiskräftig Täter bei Straftaten waren. Schrader fragt, inwieweit der VS da einen Zusammenhang hergestellt habe, dass solche Versuch der Einschüchterung von politischen Gegnern von diesen Personen ausgingen. Z. verweist auf die geheime Sitzung. Schrader: „Sie sind schon verpflichtet über Ihre Erkenntnisse, die Sie haben, Antworten zu geben, sofern es sich nicht Ausnahmetatbestände handelt aus der Aussagegenehmigung. Ich würde schon gerne wissen, ob Sie Verbindungen gesehen haben.“ Z-3 spricht davon, dass es die Seite „nw.net“ gegeben habe [gemeint: nw-berlin.net], die sie dem „Netzwerk Freie Kräfte“ zugeordnet hätten. Näheres will die Zeugin aber weiterhin erst in der geheimen Sitzung sagen. Schrader entgegnet, dass in der Aussagegenehmigung stehe, dass die Zeugin eine Verweigerung der Aussage gegenüber dem Untersuchungsausschuss substantiiert begründen müsse: „Was Sie bisher gesagt haben, reicht nicht aus. Sie sagen bisher am wenigsten aus von den Zeugen, die wir bisher hatten, auch die vom Verfassungsschutz. So kommen wir nicht weiter.“ Die Zeugin berät sich anscheinend erneut mit ihrer Anwältin und fragt dann, ob vielleicht Unterlagen vorgehalten werden könnten. Schrader sagt, das sei keine Frage konkreter Unterlagen und fragt dann nochmal: „Haben Sie Erkenntnisse gehabt, Verbindungen wahrgenommen, aus Ihrer Erinnerung?“ Z-3: „Aus der Erinnerung heraus war es schon so, dass das Netzwerk Freie Kräfte natürlich auch die Zielrichtung hatte, gegen politische Gegner vorzugehen und eine Bedrohungskulisse zu schaffen.“ Schrader sagt, bei Beginn ihrer Tätigkeit als Referatsleiterin 2016 sei die Seite „nw-berlin“ abgeschaltet worden: „Hatten Sie das dahinterstehende Netzwerk weiter im Blick?“ Z-3 bejaht das, sagt dann aber, dass es das NPD-Verbotsverfahren und deswegen Restriktionen gegeben habe, insbesondere was die „Staatsfreiheit“ [unsicher; evtl. „Staatsferne“] anbelangt: „Das zweite Verfahren hatte uns in unserer Arbeit durchaus eingeschränkt.“ Schrader sagt, dass dieses Verfahren ja aber nur klargestellt habe, dass es keinen Einfluss auf die Organisation geben dürfe, eine passive Informationsabschöpfung sei weiter möglich gewesen: „Das haben Sie aber betrieben?“ Z-3: „Korrekt, das haben wir betrieben.“ Schrader fragt, ob die Informationsgewinnung eingeschränkt gewesen sei, weil der VS einzelne Personen von NW-Berlin auch der der NPD zugeordnet habe. Z-3: „Das ist korrekt.“ Sie bejaht, dass es nach der Abschaltung der Webseite weitere Einschüchterungsversuche gegeben habe: „Details aber in geheimer Sitzung.“ Auf die Frage, ob sie Erkenntnisse habe, dass die Personen, die jetzt auch angeklagt sind, und deren Unterstützerkreis mit NW-Berlin in Verbindung standen, sagt Z-3, dass sie sich nicht mehr hundertprozentig erinnere, sie meine aber schon. Schrader fragt, ob es in Bezug auf die Neuköllner Szene eine gewinnbringende Zusammenarbeit mit anderen Behörden, etwa dem BfV gegeben habe. Z-3: „Grundsätzlich ist es so, dass wir als Verfassungsschutzbehörde, wenn es regionale Schwerpunkte gibt, über alles, was wir an Erkenntnissen haben, die Bundesbehörde informieren. Der Neukölln-Komplex war nach meiner Erinnerung einer, der sich mehr auf Neukölln bezogen hat.“ Schrader verweist darauf, dass mittlerweile auch Taten in Brandenburg dem Komplex zugeordnet werden; polizeiliche Zeugen hätten auf Verbindungen der Szene zu Szenen benachbarter Landkreise verwiesen. Z-3 sagt, sie könne sich an ähnliche Erkenntnisse des VS im Konkreten nicht erinnern. Der Austausch mit Brandenburg sei aber intensiv gewesen. So etwas wie die gemeinsame Ermittlungsgruppe der beiden Landeskriminalämter habe es beim VS nicht gegeben, verneint die Zeugin. Aber es gebe einen regelmäßigen Austausch mit Brandenburg, es könne sein, dass es dort thematisiert wurde. Sie könne sich aber an keine Besprechung erinnern, wo es ausschließlich um Neukölln ging. Schrader hält die Ortsnamen Schönefeld, Waßmannsdorf, Großziethen, Kleinziethen und Zossen vor. Die Zeugin gibt an, keine Erinnerung zu haben.
Dann fragt der AfD-Abgeordnete Karsten Woldeit, der heute ausnahmsweise mal wieder an einer Ausschusssitzung teilnimmt. Er will von der Zeugin wissen, ob diese auch Erfahrungen in anderen Phänomenbereichen habe, was diese aber mit Verweis auf die Aussagegenehmigung nicht beantworten möchte. Auch die Frage nach Austausch mit Kollegen im Rahmen des VS zu anderen Phänomenbereichen verweigert die Zeugin. Woldeit versucht noch ein wenig, die Zeugin zu Aussagen über einen anderen Themenbereich zu bringen, dann hält er vor, dass die Zeugin angegeben habe, dass die Straftatenserie ab 2016 nach drei oder vier Taten beim VS als Serie betrachtet worden sei. Im Folgenden wird klar, dass es Woldeit nicht um Fragen zum Neukölln-Komplex geht, sondern er darauf hinauswill, dass auch er als AfD-Vertreter Opfer von Straftaten geworden sei, dies aber nicht als Serie betrachtet worden sei. Vorsitzender Franco verweist auf den Untersuchungsgegenstand. Dann behauptet Woldeit, dass bei Vernehmungen von LKA-Beamt*innen klar geworden sei, dass es dort zu wenig Personal gegeben habe, und fragt, ob der VS sich mehr Personal gewünscht habe, was die Zeugin bejaht.
Standfuß hat keine Fragen mehr für den öffentlichen Teil der Sitzung, deswegen fragt jetzt der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz. Dieser führt aus, dass ja im Raum stehe, dass der VS seinen Informationspflichten nicht ausreichend nachgekommen sei, und fragt, ob die Zeugin Ausführungen dazu machen könne, warum sie da anderer Ansicht sei. Z-3: „Weil es auch darum geht, die Politik korrekt zu informieren über extremistische Bestrebungen im Land Berlin.“ Der VS habe auch von sich aus Themen eingebracht in den VS-Ausschuss, die nicht auf der Tagesordnungen gestanden hätten. Sie hätten natürlich auch bei Fragen immer so umfassend wie möglich berichtet, so Z-3 weiter. Auch die Sprechzettel seien über ihren Tisch gegangen und sie könne sich nicht erinnern, dass sie Erkenntnisse zurückgehalten hätten. [Bei Sprechzetteln handelt es sich gewissermaßen um Redemanuskripte, an deren Inhalten sich zum Beispiel Vorgesetzte bis hin zu Senator*innen bei Befragungen durch das Parlament orientieren können.] Lenz: „Wurden Maßnahmen nicht ergriffen, die hätten ergriffen werden müssen?“ Sie habe sich das auch gefragt, so Z-3, aber sie habe keine konkrete Aktion in Erinnerung, wo sie sagen könne, dass sie etwas hätten anders machen sollen und damit dann eine Straftat hätten verhindern können.
Bei der folgenden Befragung durch Schulze weist dieser darauf hin, dass der Zustand der Behördenzeugnisse des VS im Fall Koçak in der öffentlichen Diskussion sei: „Einen Tag vorher steht nichts drin, am Tag drauf steht der Name drin und das Kennzeichen.“ Und am Tag vorher habe, hält Schulze weiter vor, die Polizei das Behördenzeugnis nicht verwenden dürfen. Schulze: „Also es gab die Information, dass etwas falsch gelaufen ist.“
[Hintergrund: Der VS hatte Mitte Januar 2018 – also im Vorfeld des Brandanschlags auf Ferat Koçak und seine Familie in der Nacht zum 1. Februar 2018 – im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung ein Gespräch zwischen Sebastian Thom und Tilo P. mitgeschnitten. In diesem Gespräch geht es offensichtlich um eine Ausspähung von Koçak. Ende Januar 2018 informierte der VS das LKA mittels eines Behördenzeugnisses über diesen Umstand. Bei einem Behördenzeugnis handelt es sich um eine Mitteilung einer Behörde, ohne dass dabei die Quelle der enthaltenen Informationen preisgegeben werden muss. Es handelt sich also um eine Art behördliche Versicherung, dass sich etwas zugetragen hat, auf die hin zum Beispiel eine andere Behörde handeln kann. Kriegt also beispielsweise der Verfassungsschutz von einem Informanten die Information, dass eine Straftat bevorsteht, kann er unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Behördenzeugnis die Polizei informieren, ohne gleichzeitig mitzuteilen, wer sein Informant ist. Die ausstellende Behörde kann in einem Behördenzeugnis zusätzlich bestimmte Auflagen zur Verarbeitung der Informationen aus dem Zeugnis durch die andere Behörde formulieren. Aus Perspektive mehrerer im Neukölln-Untersuchungsausschuss gehörter Zeug*innen aus dem LKA waren die Behördenzeugnisse des Berliner VS oft wegen der Auflagen nicht verwendbar, enthielten zu wenige Informationen oder kamen zu spät. Das trifft aus Sicht von LKA-Beamt*innen auch auf das Behördenzeugnis von Ende Januar 2018 zu. Am 1. Februar, also am Tag nach dem Anschlag auf Ferat Koçak, stellte der VS ein neues Behördenzeugnis zum gleichen Thema aus, das nun jedoch mehr Informationen enthielt. Letztlich geht es hier um die Frage, ob das LKA den Anschlag hätte verhindern können, wenn der VS ein anderes Behördenzeugnis an das LKA geschickt hätte.]
Z-3 sagt, es habe ja zwischen den Behördenzeugnissen ein „Ereignis“ gegeben, nämlich die Brandstiftung, sie könne aber in dieser Sitzung dazu nichts sagen. Schulze: „Sie hatten ja aber alle Informationen, die Sie im zweiten hatten, auch schon im ersten Behördenzeugnis.“ Z-3 verweist auf ihre Aussagegenehmigung und will dazu in der öffentlichen Sitzung nichts sagen. Schulze hält der Zeugin die Aussage der Polizeibeamtin Jutta Porzucek vor, die zeitweise das Dezernat 53 [Politisch Motivierte Kriminalität Rechts] und den Staatsschutz insgesamt leitete. Porzucek hatte im Ausschuss ausgesagt, dass die Behördenzeugnisse des VS von der Förmlichkeit her so gestaltet seien, dass sie die Polizei eher vor Probleme gestellt hätten, sie seien zu unkonkret gewesen und viel zu spät gekommen. Ein zweiter Zeuge, der Kommissariatsleiter Ralph-Peter W., habe, so Schulze, angegeben, dass der Informationsgehalt der VS-Behördenzeugnisse zum damaligen Zeitpunkt eher dürftig gewesen sei, man damit nichts habe anfangen können. Schulze: „Das sind ja verheerende Urteile. Der Kommissariatsleiter war über den ganzen Untersuchungszeitraum Kommissariatsleiter. Beide bewerten die Behördenzeugnisse verheerend. Das kann sie doch nicht zufriedenstellen aus Sicht des Verfassungsschutzes.“ Z-3: „Konkret gern im geheimen Bereich, aber es ist natürlich so, dass wir glaube ich immer hinter den Erwartungen des LKA zurückbleiben, dass das LKA sich mehr wünscht oder vermutet, dass wir Informationen haben, die wir vielleicht aber auch gar nicht hatten.“ Die Zeugin weist zurück, dass etwas zu spät gekommen sei, denn der VS müsse sich an Übermittlungsregelungen halten, sei an Gesetze gebunden. Schulze fragt, ob die Zeugin dabei gewesen sei, als nach dem Fall Koçak die grundsätzliche Praxis bei den Behördenzeugnissen geändert wurde. Das bejaht die Zeugin, sie könne sich aber konkret nicht erinnern. Sie will sich dann nicht in der öffentlichen Sitzung dazu äußern, was Gegenstand der Änderung war. Schulze: „Was sind grundsätzlich die Quellen, aus denen 2B Infos gewinnt?“ Z-3: „Neben dem Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln, die uns gesetzlich zur Verfügung stehen, öffentliche Quellen.“ Schulze fragt, ob der VS auch Veröffentlichungen aus der Zivilgesellschaft oder der linken Szene in Bezug auf Neukölln herangezogen habe. Z-3: „Ich meine, ja.“ Schulze: „Hatten Sie da das Gefühl, dass sie mehr Informationen hatten oder war das vergleichbar?“ Das könne sie nach der Zeit nicht mehr sagen, so Z-3, das habe sie nicht vor Augen. Sie bejaht die Frage, dass sie beim VS die Verbunddatenbank NADIS [Nachrichtendienstliche Informationssystem und Wissensnetz] genutzt hätten, um sich mit anderen Behörden auszutauschen.
Neumann fragt, ob Z-3 öffentlich etwas zu der Observation am Ostburger Eck sagen könne. Z-3: „Kann ich nicht.“ Neumann: „Gab es da einen Austausch mit dem LKA?“ Z-3: „Gab es, aber alles Weitere in geheimer Sitzung.“
Schrader: „Hat dieser ganze Vorgang um das Ostburger Eck für intensive Nachbereitungen gesorgt?“ Z-3: „Wir haben uns intensiv um den Vorgang gekümmert, ja.“ Schrader: „Die öffentliche Darstellung der Polizei, dass es eine Verwechslung gewesen sei, da sieht der Verfassungsschutz nicht gut aus, vorsichtig gesagt.“ Z-3 verweist erneut auf die geheime Sitzung, aber sie könne sagen, dass sie das intensiv besprochen hätten. Schrader hält vor, dass es beim VS ja eine Änderung bei der Rechtsauslegung gegeben habe, was die Beauflagung der Behördenzeugnisse angeht. Er nennt die konkrete Abwägung zwischen bestehender Gefahr und Quellen- und Methodenschutz. Schrader fragt, ob dann in der Praxis die Änderung vollzogen worden sei. Im Konkreten könne sie das nicht mehr sagen, so Z-3, da müsse sie sich die beiden Behördenzeugnisse anschauen: „Aber wir haben natürlich immer schon versucht, so viel wie möglich mitzuteilen, und geschaut, ob die Auflagen in dem Fall zu treffen sind.“ Schrader fragt, ob denn um 2012, kurz nach Auffliegen des NSU, im VS diskutiert worden sei, welche Informationen weitergegeben werden können zur Verhinderung von Straftaten oder Gefahren. Z-3 sagt, sie hätten keine Arbeitsgruppe gehabt, die sich den Behördenzeugnissen gewidmet hat, aber im Nachgang zum NSU habe man sich als VS die Frage gestellt: „Wie kann ich das so praktikabel machen wie möglich, aber natürlich unter den gesetzlichen Vorgaben, die wir haben?“ Sie könne sich nicht daran erinnern, dass es nach dem NSU dazu eine konkrete Weisung gegeben hat, so die Zeugin auf Nachfrage. Schrader fragt, ob es nach dem Auffliegen des NSU Änderungen bei der Aktenführung, etwa beim Übergang von Löschfrist bis zur endgültigen Vernichtung, gegeben habe. Es seien, so Schrader, ja Unterlagen vernichtet worden beim Berliner VS, die noch hätten relevant werden können.
[Hintergrund: Schrader bezieht sich hier auf den Skandal um vernichtete Akten im Berliner Verfassungsschutz. Dort waren noch im Juni 2012, also mehr als ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU, Akten vernichtet worden, die möglicherweise einen Bezug zum NSU-Komplex hatten. In der Folge stellte sich zudem heraus, dass der Berliner Verfassungsschutz bereits 2010 Akten zum Blood & Honour-Netzwerk vernichtet hatte, ohne dem Landesarchiv wie vorgeschrieben die Möglichkeit zu geben die Akten in seinen Bestand aufzunehmen. Die Leiterin des Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, trat wegen dieses Skandals im November 2012 zurück (ihr folgte Bernd Palenda im Amt). Obwohl zusätzlich das Berliner LKA den NSU-Unterstützer Thomas Starke als V-Person geführt hatte und es diverse weitere Bezüge des NSU-Netzwerks zu Berlin gibt, gab es im Abgeordnetenhaus nie einen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex.]
Z-3: „Grundsätzlich ist es schon so, dass man sich das Personenpotenzial im Bereich Rechtsextremismus gerade bei der Frage der Löschung sehr genau ansieht. Das war auch Ausfluss des NSU, dass man geguckt hat: Was sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen, muss ich die Person löschen oder kann ich die länger aufbewahren? Aber ich habe gerade keine Erinnerung daran, dass wir grundsätzlich anders gearbeitet hätten.“ Schrader: „Hat sich überhaupt irgendwas merklich verändert beim Berliner Verfassungsschutz? Uns wurde signalisiert, man schaut sich das alles an.“ Die Zeugin schweigt, vermutlich berät sie sich mit Dr. Bertheau. Dann sagt sie: „Vielleicht so viel in der offenen Sitzung: Wir haben uns natürlich sehr, sehr, sehr genau die Personen angeguckt. Auch bei den operativen Maßnahmen im aktions-, gewaltorientierten Rechtsextremismus gab es eine andere Schwerpunktsetzung, aber konkreter kann ich in offener Sitzung nicht werden.“ Schrader: „Waren Sie damit erfolgreich im Blick auf die Anschläge bei Ostermann und Koçak?“ Z-3: „Wir sind ja nicht in erster Linie zur Verhinderung von Straftaten da, sondern zur Aufklärung von extremistischen Bestrebungen, würde ich sagen.“ Sie hätten das intensiviert, so die Zeugin, und in Bezug auf Straftaten im Neuköllner Komplex hätten sie auch Dinge übermittelt „im Rahmen unserer Möglichkeiten als Verfassungsschutz“. Schrader entgegnet, das spannende Feld beginne ja gerade da, wo der Übergang stattfindet zwischen Bestrebungen und Straftaten: „Weil es genau in dem Punkt immer wieder zu Missständen gekommen ist in der Vergangenheit, deswegen die Frage. Haben Sie auch Erkenntnisse über rechtsterroristische Aktivitäten, Formen, Bestrebungen in der Berliner rechten Szene?“ Z-3: „Es geht ja hier um Neukölln und nicht die Szene insgesamt. Ich sehe mich daher im Rahmen der Aussagegenehmigung nicht in der Lage, dazu etwas zu sagen.“ Schrader: „Innensenator Geisel sprach von Rechtsterrorismus, wenn es um den Neukölln-Komplex ging, das war damals also die Linie des Hauses, auch wenn man sich juristisch über den Begriff streiten kann.“ Er fragt, ob der VS die Szene in Neukölln nicht als isoliert, sondern eingebettet in die rechte Szene in Berlin, wenn nicht bundesweit, betrachte. Sie würde sich, so die Zeugin, „den Worten unseres damaligen Innensenators“ anschließen und sie könne auch persönlich persönlich nachvollziehen, dass die Betroffenen in Neukölln davon sprechen. Schrader fragt, ob dem VS bei dem beobachteten Klientel mal neonazistische Terrorkonzepte wie die „Turner Diaries“ oder das „Field Manual“ untergekommen seien (siehe hierzu zum Beispiel: Taten und Worte. Neonazistische „Blaupausen“ des NSU). Die seien ihr bekannt, aber sie könne sich nicht erinnern, dass sie ihr im Neukölln-Komplex mal untergekommen sind, so die Zeugin. Schrader fragt nach Trefforten der rechten Szene im Bezirk. Z-3: „Nach meiner Erinnerung war es auf jeden Fall die Parteizentrale, es mag noch ein, zwei Einrichtungen gegeben habe, aber konkret kann ich mich nicht erinnern.“ Schrader: „Welche Parteizentrale?“ Z-3: „Der NPD.“ Schrader sagt, es gehe ihm um Trefforte in Neukölln [die Parteizentrale der NPD liegt in Treptow-Köpenick]. Z-3 sagt, dass sie sich nach dem Zeitablauf nicht mehr erinnern könne. Schrader fragt nach Verbindungen von Beteiligten der Neuköllner Szene zur AfD: „Sie beobachten die AfD nicht, weiß ich, aber das ist ja bei beobachteten Personen relevant.“ Die Zeugin berät sich anscheinend wieder mit ihrer Anwältin und sagt dann: „Aus meiner Erinnerung ja, in Einzelfällen [unsicher].“ Schrader fragt nach Überschneidungen der rechten Szene, insbesondere in Neukölln, mit Phänomenen der Allgemeinen oder Organisierten Kriminalität. Sie könne sich jetzt nicht erinnern, ob es Verbindungen zur Organisierten Kriminalität gab, antwortet Z-3, aber es habe natürlich einzelne Personen, insbesondere aus dem aktionsorientierten Bereich, gegeben, die auch im kriminellen Bereich tätig waren: „Dazu hatten wir Erkenntnisse. Wenn wir es rechtlich übermitteln konnten, haben wir es übermittelt.“ Dann fragt Schrader nach Verbindungen von Neonazis zu Rockergruppierungen und dem Rotlichtmilieu und verweist im Besonderen auf den sogenannten Ziehvater von Sebastian Thom, Oliver W., der auch im Rotlichtbereich aktiv gewesen sei. Die Zeugin spricht davon, dass das ihrer Erinnerung nach nicht umfangreich gewesen sei: „Wenn, dann war es Beifang. Aber mehr in der geheimen Sitzung.“ Schrader geht dann auf Dossiers der Neonazi-Szene über politische Gegner*innen ein und fragt, ob diese dem VS übermittelt worden seien oder der VS vielleicht selber auf welche gestoßen sei. Sie könne sich nicht dran erinnern, ob eine Feindesliste bei ihnen selber „aufgeploppt“ ist. Sie hätten über das LKA aber natürlich Kenntnis von Feindeslisten gehabt. Der Umgang mit Feindeslisten sei für den VS aber schwierig, „weil wir uns die Extremisten angucken und nicht die Opfer“. Z-3 weiter: „Ich gehe davon aus, dass wir die zur Kenntnis genommen haben, und in geheimer Sitzung kann ich sagen, wie wir damit umgegangen sind.“
Dann fragt wieder der AfDler Woldeit. Auf dessen Frage zum Thema Schwerpunktsetzung im Bereich Rechtsextremismus sagt die Zeugin, dass es zu dem Zeitpunkt ja auch einen Wechsel der Abteilungsleitung gegeben habe. Sie habe den Eindruck gehabt, dass damit sehr schnell ein Wechsel der Schwerpunktsetzung einher gegangen sei. Woldeit setzt einen vermeintlich bedeutungsschweren Ton auf und sagt: „Interessant.“ Dann fragt er, wer das festlegt, und nennt die Namen zweier Abteilungsleiter: Bernd Palenda (2012-2018) und Michael Fischer (seit 2018). Die Zeugin spricht davon, dass nach dem NSU in Berlin und im ganzen Bund Rechtsextremismus ein Schwerpunkt des VS geworden sei. Woldeit holt dann weit aus, um zu fragen, ob der VS auch öffentliche Quellen wie Postings auf „X“ sichte. Die Zeugin bittet darum, die Frage konkreter zu fassen. Woldeit sagt, es gehe ihm darum, ob der VS nach Straftaten, die ihm bekannt werden, in öffentlichen Quellen zum Beispiel nach Gratulationen von Personen etwa auf „X“ schaue. Die Zeugin antwortet, das sei alles sehr im Konjunktiv. Letztlich wird aus den Fragen von Woldeit klar, dass es ihm erneut darum geht, dass er beziehungsweise andere AfD-Mitglieder Opfer von Straftaten geworden seien.
Lenz, der anscheinend gerade Franco als Vorsitzenden vertritt, fragt, ob es noch weitere Fragen für den öffentlichen Teil gebe. Schrader stellt daraufhin die Frage, ob der VS im Zusammenhang mit dem Mord an Burak Bektaş möglicherweise Daten von Personen an die Polizei übermittelt habe. Z-3 sagt, sie könne nicht an konkreten Schreiben festmachen, was sie möglicherweise für Personen übermittelt haben. Sie könne sich, so Z-3 auf Frage, auch nicht erinnern, dass es beim Mord an Luke Holland eine Abfrage gegeben habe.
Da es für den öffentlichen Teil keine weiteren Fragen gibt, teilt Lenz mit, dass nun zunächst im gleichen Saal nicht-öffentlich weiter getagt werde und Ausschuss und Zeugin dann in den Geheimschutzraum umziehen würden; vor 13:30 Uhr gehe es für die Öffentlichkeit nicht weiter. Der öffentliche Teil der Befragung von Z-3 endet damit gegen 12 Uhr.
Tatsächlich geht es dann erst gegen 15:50 Uhr mit der öffentlichen Sitzung weiter. Woldeit ist nicht mehr anwesend. Die Trennwand ist abgebaut.
Zeugin Z-4
Die nächste Zeugin, die als „Z-4“ geführt wird, war ebenfalls Referatsleiterin im VS und zwar beim Referat 2E, das für Beschaffung zuständig ist. Auch sie hat Dr. Bertheau als Beistand. Die Zeugin antwortet teilweise deutlich verzögert, macht oft Pausen und berät sich mit Bertheau.
Z-4 erläutert nach den von Franco – der die Sitzung nun wieder leitet – erledigten Formalien, dass sie Referatsleiterin und ab 2014 stellvertretende Abteilungsleiterin gewesen sei. Sie sei von 2010 bis 2020 bei der Abteilung 2 gewesen. Diese sei in Referate aufgeteilt, zunächst das Grundsatzreferat, dann die Auswertungsreferate für die verschiedenen Phänomenbereiche und schließlich das Beschaffungsreferat. Das Beschaffungsreferat, 2E, sei ein Service für die Auswertungsreferate. Sie selber habe inhaltlich mit dem Thema Rechtsextremismus nur relativ wenig und am Rande zu tun gehabt.
Franco sagt, dass es nach den bisherigen Schilderungen im Ausschuss so sei, dass das Beschaffungsreferat für alle Phänomenbereiche zuständig ist, dafür brauche es aber bestimmte Fachkenntnisse um Informationen zu gewinnen: „Deswegen verwundert mich die Aussage.“ Z-4: „Es ging darum, dass ich die Einzelheiten nicht mehr erinnern kann.“ Franco: „Ist Ihnen bekannt, dass es in Neukölln eine lebendige rechtsextreme Szene gibt?“ Z-4: „Ja ja, das ist bekannt.“ Franco fragt, welchen Umfang die Arbeit des Referates habe, was die unterschiedlichen Phänomenbereiche angeht, insbesondere in Bezug auf den Rechtsextremismus. Das könne sie im Einzelnen nicht sagen, so Z-4, sie sei seit viereinhalb Jahren nicht mehr in dem Bereich tätig: „Ich würde aus der Erinnerung sagen: Ja, der Bereich Rechtsextremismus hat uns schon gut beschäftigt, aber wie viel Prozent im Vergleich, kann ich nicht mehr sagen.“ Franco stellt die Frage, wie groß der Anteil der Straftatenserie in Neukölln und von deren „Hauptcharakteren“ und Organisationen an der Arbeit des Referates im Verhältnis zu anderen Themen aus dem Bereich Rechtsextremismus war. Z-4: „Der Bereich Neukölln war ein Teil, vielleicht 30 Prozent. Die Szene ist ja sehr heterogen. Vielleicht 30 Prozent, 25 Prozent, vielleicht auch mal 40, das ändert sich ja auch. Das hängt davon ab, welche rechtsextremistischen Strukturen auch gerade aktiv sind.“ Z-4 nennt als weitere Strukturen die Identitäre Bewegung, Bärgida [unsicher]und Dritter Weg. Franco fragt, ob die Zeugin einen Zeitpunkt nennen könne, wo es bezüglich Neukölln eine Prioritätensetzung seitens der Auswerter gegeben habe. Daran können sie sich „in den Einzelheiten nicht mehr erinnern“, so Z-4. Dann fragt Franco nach der Benennung der Referate, konkret nach dem Referat 2D. Dieses sei, nachdem was der Ausschuss wisse, bis 2014/15 auch mit dem Thema Rechtsextremismus befasst gewesen: „Können Sie da Licht ins Dunkel bringen?“ Z-4: „Sagt mir jetzt nichts. Also der D-Bereich war auch mal der Beschaffungsbereich, aber das kommt auf den Zeitraum an. Wie war denn das? Wir hatten uns irgendwann umstrukturiert und dann ist das Beschaffungsreferat das Referat E geworden, was D anschließend war, kann ich leider nicht sagen.“ Franco: „Beschaffung war ursprünglich D und dann E?“ Z-4: „Genau. Ich hoffe, ich sage nichts Falsches, aber aus der Erinnerung heraus, als die Bereiche Rechts- und Linksextremismus getrennt wurden. Aber ich sage lieber nichts mehr.“
Der Abgeordnete Standfuß fragt, ob das Referat 2B, das für Rechtsextremismus zuständig sei, Auftraggeber für das Beschaffungsreferat war im Hinblick auf den Neukölln-Komplex. Z-4: „Das kommt jetzt auf den Zeitpunkt drauf an. Sicher hat das Referat 2B Aufträge an die Beschaffung gegeben, auch für den Bereich Neukölln, vermute ich. Ab einem gewissen Zeitraum, weiß nicht mehr, sind Teile der Beschaffung in die Auswertung gegangen.“ Die Zeugin berät sich mit Dr. Bertheau und sagt dann: „Die Observationsbereiche sind aufgeteilt worden auf die verschiedenen Phänomen-Auswertungsbereiche.“ Das könne um die Zeit gewesen sein, als der Komplex Neukölln interessant war, so die Zeugin weiter. Auf Nachfrage sagt Z-4, dass trotzdem Aufträge aus den Auswertungsreferaten an das Beschaffungsreferat gegangen. Nur Teile der Observation seien in die Auswertungsreferate gegangen, damit diese autonom entscheiden konnten, welche Observation sie für wichtig halten. Sie habe, so Z-4 auf Frage, nicht alle Aufträge aus der Auswertung selbst gesehen, manche hätten auch die Gruppenleitungen abgearbeitet. Die Zusammenarbeit mit dem Auswertungsbereich habe so funktioniert, dass das Beschaffungsreferat Information gesammelt, diese verschriftlicht habe, und das sei dann an die Auswertung gegangen. Diese habe die Informationen ausgewertet und weitergeleitet an andere Stellen wie das LKA, die Hausleitung oder das Parlament. Standfuß sagt dann: „Ich habe noch eine Reihe von speziellen Fragen zum Neukölln-Komplex. Ich nehme an, die sind für den eingestuften Teil.“
Auf Frage von Schulze zur Zuständigkeit der einzelnen Gruppen im Referat erläutert Z-4, dass das spiegelbildlich zu den Phänomenbereichen der Auswertung strukturiert sei [es also Gruppen zu den einzelnen Phänomenbereichen der verschiedenen Auswertungsreferate gebe]. Schulze: „Also eine Gruppe für alle Aufgaben im Rechtsextremismusbereich, auch Observationen?“ Z-4: „Das ist nochmal geteilt.“ Auf Nachfrage sagt Z-4, dass es in der Beschaffung für alle Phänomenbereiche einmal einen Observationsbereich und einmal die VP-Führung gebe [VP = Vertrauensperson]. Schulze fragt, ob die G10-Stelle auch bei der Beschaffung angesiedelt sei oder im Grundsatzreferat [G10 = nachrichtendienstliche Telekommunikationsüberwachung]. Die sei zeitweilig im Grundsatzreferat gewesen, so Z-4, und dann in die Beschaffung gekommen. Das habe wiederum mit der Umstrukturierung zu tun gehabt; als Teile der Observation in die Auswertung gegangen seien, sei die G10-Stelle in die Beschaffung gegangen. Aus ihrer Erinnerung heraus sei das 2015, 2016 gewesen, ungefähr in der Zeit, als aus Referat 2D das Referat 2E wurde. Schulze: „Sind die Wünsche an die Beschaffung schon bei der Auswertung priorisiert worden, also arbeiten sie die ab? Wie stark nutzen sie eigene Szene- und Fachkenntnis und wie stark greifen Sie auf Kenntnisse der Auswerteeinheit zurück?“ Z-4 antwortet, es finde ein enger Austausch zwischen Auswertung und Beschaffung auf der Fachebene statt, es werde über Veranstaltungen, Konzerte, Treffen informiert. Die Aufträge würden phänomenbereichsbezogen abgearbeitet: „Man versucht die Auswertungsreferate immer zufriedenzustellen, das ist unser Ansatz.“ Manchmal seien Personal und Ressourcen knapp, aber eigentlich hätten sie immer versucht alles abzuarbeiten. Schulze hält der Zeugin vor, dass die „Kommission Neukölln“, also Herbert Diemer und Uta Leichsenring, in ihrem Bericht bemängelt hätten, dass bei der Vorauswertung der Rohdaten der G10-Maßnahmen nicht alles vollständig habe ausgewertet werden können: „Gab es in der Zeit, als Sie zuständig waren, Probleme, dass zu viel Abhörmaterial da war?“ Die Zeugin sagt, dass es schon so gewesen sei, dass „unglaublich viel reinkam“, aber es sei versucht worden alles abzuarbeiten. Zur Qualifizierung der Vorauswertenden befragt sagt Z-4, dass die sich ganz eng mit den Fachleuten in den Auswertungsreferaten ausgetauscht hätten, mindestens wöchentlich in Kontakt gewesen seien, um sich zu informieren, was sich in der Szene tut. In der Beschaffung lande auch, erklärt Z-4 weiter, was aus offenen Quellen und aus anderen Stellen hereinkomme. Schulze: „Die Observation lag auch nach der Ausgliederung in die Auswertungsreferate teilweise weiter bei der Beschaffung?“ Z-4 bestätigt das. Bei der Frage der Koordination von Observationsmaßnahmen mit dem LKA und dem BfV hätten sich nach ihrer Erinnerung die Gruppenleiter da abgestimmt. Eigentlich sei es ja so, dass jeder so seine Aufgaben hat und jeder für seine Aufgabenfelder zuständig ist; wenn sich jeder daran halte, komme es ja nicht zu Überschneidungen: „Es wurde schon abgestimmt, aber nach meiner Erinnerung nicht so im Einzelnen, aber ich bin da jetzt so lange raus.“ Schulze hakt nach, wie verhindert werde, dass die verschiedenen Behörden sich gegenseitig auf den Füßen stehen, wenn etwa das LKA nach Strafrecht oder ASOG [Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz; gemeint sind Observationen auf gefahrenabwehrrechtlicher Grundlage] observiere. Z-4: „Das wurde schon abgestimmt.“ Problemmeldungen seien ihr nicht bekannt geworden.
Während Neumann ihre erste Frage stellt, verlässt auch der Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Woldeit den Saal.
Neumann fragt, ob es bei der Auswertung von Massendaten aus G10-Maßnahmen Ressourcenprobleme gegeben habe. Z-4: „Wir haben schon versucht, dass die Stellen möglichst schnell wieder besetzt wurden, wenn jemand gewechselt hat, oder wenn die Personaldecke zu dünn war, hat man versucht, irgendwo anders noch Unterstützung herzubekommen.“ Z-4 sagt auf Nachfrage, sie hätten wirklich versucht, immer alles zu hören und die Informationen möglichst schnell an die Auswertung zu steuern. Und wenn es noch nicht verschriftet gewesen sei, sei es nach der Freigabe durch die Grundsatzabteilung mündlich an die Auswertung gesteuert worden: „Aber wie gesagt: Nur aus meiner Erinnerung, ich weiß nicht mehr, wie es im Einzelnen war.“ Neumann fragt, wer entscheide, was bei der Vorauswertung verschriftet wird und was nicht. Z-4: „Lange her, ich meine schon, dass bei Unklarheiten Kolleginnen, Kollegen dazu geholt wurden: Wie verstehst du das?“ Neumann: „Aber nicht als Standardverfahren?“ Z-4: „Nein, dazu reichte dann wieder das Personal nicht aus, aus meiner Erinnerung heraus.“ Neumann: „Gab es Diskussionen darum, ob man die Rohdaten des Neukölln-Komplexes sich im Nachhinein nochmal vollständig anschaut?“ Z-4: „Da kann ich mich jetzt nicht dran erinnern, tut mir leid.“ Neumann: „Kommt so was schon mal vor, dass man aufgrund von Rückmeldungen nochmal an Rohdaten geht?“ Z-4: „Kann ich leider nicht mehr sagen, tut mir leid.“ Neumann: „In Ihrer Zeit?“ Z-4: „Kann mich nicht erinnern.“
Schrader fragt zu den Strukturen im Berliner VS: „Wir haben einige Dokumente von vor 2015, die vom Referat 2D an 2E gegangen sind. Sachen, die bei der Beschaffung entstanden sind. Können Sie uns sagen,was denn E vorher gemacht hat? Das ist uns immer noch nicht klar.“ Z-4: „Informationen von D an E? Müsste ich mir das Dokument angucken, sagt mir nichts.“ Schrader: „Okay, aber es ist schon erstaunlich, dass niemand aus dem Verfassungsschutz sagen kann, was dieses ominöse Referat gemacht hat.“ Z-4 sagt, als Referat D noch das Beschaffungsreferat war, habe es aus ihrer Erinnerung heraus keine weiteren Referate gegeben. Schrader: „Aber offensichtlich muss es das gegeben haben, wenn Informationen von da an E geflossen sind.“ Z-4 sagt, deswegen wundere sie das, sie erinnere sich nicht. Schrader: „Referat D bzw. E arbeitet auftragsgemäß, wie viele Aufträge kamen aus dem Auswertungsbereich, also B, zum Neukölln-Komplex?“ Z-4: „So ungefähr 25 Prozent, wenn man den Bereich Rechtsextremismus in Gänze sieht, würde ich sagen, aus meiner Erinnerung heraus.“ Schrader: „Das ist ja ein relevanter Anteil. Was waren inhaltlich die Schwerpunkte, worin die Aufträge bestanden, was sie für die herausfinden sollten.“ Die Zeugin berät sich mit Dr. Bertheau. Dann sagt sie: „Ich denke, das ist eher eine Frage, die im Geheimschutzraum beantwortet werden müsste.“ Schrader: „Mir geht es ja nicht um Instrumente oder Methoden, sondern was die wissen wollten. Wenn Sie dazu nichts sagen wollen, dann müssten Sie begründen, warum.“ Nach Beratung sagt die Zeugin, dass es um die eingesetzten Mittel gehe, dabei handele es sich um Methodenschutz, das könne sie in der öffentlichen Sitzung nicht sagen. Schrader fragt, ob also in den Aufträgen die Mittel schon genannt werden oder nur gesagt werde, dass die Beschaffung etwas über eine Person oder Organisation herausfinden solle, und die Beschaffung dann entscheidet, welche Mittel sie einsetzt. Z-4: „Ersteres.“ Schrader: „Gibt es Situationen, wo Sie selbst entscheiden würden? Warum reden die Ihnen da rein, sie müssten doch über Methoden besser Bescheid wissen.“ Z-4: „Die Auswertung steuert die Beschaffung.“ Auf die Frage, ob das sinnvoll oder effizient sei, sagt Z-4: „Das ist schon effizient. ja. Man kann im Einzelfall drüber sprechen, aber es wird schon klar vorgegeben, welches Mittel.“ Schrader hakt nach, ob also die Auswertung sage: „Wir haben das und das Informationsinteresse, können Sie da mal eine Observation machen oder einen VP-Einsatz?“ Das bestätigt die Zeugin. Auf Frage sagt die Zeugin, sie habe bei den Treffberichten, Observationsberichten etc. ihrer Dienstkräfte keine Qualitätsmängel festgestellt. Schrader fragt, ob allgemein die nachrichtendienstlichen Mittel, die angewandt wurden, aus Sicht der Zeugin als Fachaufsicht der Dienstkräfte immer gut gelaufen sind. Z-4: „Das ist ja sehr allgemein gefragt. Bei G10 können Sie nur das auswerten, was Ihnen geliefert wird. Wenn wenig gesprochen wird, können Sie auch wenig auswerten.“ Schrader fragt, ob die Beschäftigten im Referat 2E die Zielpersonen von Observationen in der rechten Szene so gut kennen, dass sie sie „quasi am Gang erkennen“ können, dass sie deren Gewohnheiten oder Verhaltensweisen kennen. Z-4: „Ich gehe davon aus, dass die Observanten die Zielpersonen kannten.“ Schrader: „Sind die Observationskräfte in den Auswertebereichen vielleicht ein bisschen spezialisierter, was den Phänomenbereich angeht?“ Das bejaht die Zeugin, denn die seien ja nur für den Bereich eingesetzt gewesen. Schrader: „Gibt es auf Ebene der Beschaffungsreferate Absprachen mit anderen Landesämtern, wenn es Überschneidungen der Szene gibt?“ Z-4: „Ja, da spricht man sich schon ab.“ Schrader: „Hat das beim Neukölln-Komplex eine Rolle gespielt?“ Z-4: „Im Neukölln-Komplex meiner Meinung nach nicht, aus meiner Erinnerung heraus.“ Schrader verweist auf die Aktivitäten der Neuköllner Szene in benachbarten Gemeinden, die Zeugin gibt aber weiter an, sich nicht an diesbezügliche Absprachen zu erinnern. Schrader fragt, ob sich die Zeugin an Erkenntnisse zu Waffenbesitz oder Schießtrainings im Zusammenhang mit der rechten Szene in Neukölln erinnern könne. Die Zeugin macht eine längere Überlegungspause, dann sagt sie: „Also kann ich mich jetzt nicht erinnern. Ich weiß, dass es immer mal wieder Thema war, Waffen, da sind bei uns alle Alarmglocken angegangen, aber an Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern.“ Schrader fragt, wie groß die Szene in Neukölln gewesen sei. Wieder schweigt die Zeugin, dann sagt sie: „Ich spekuliere mal: So mittlerer zweistelliger Bereich.“ Schrader fragt, warum Z-4 spekuliere, es gebe doch in der Beschaffung auch Informationen zur Lage. Z-4 entgegnet, dass Neukölln ein kleiner Teil der rechtsextremistischen Szene in Berlin gewesen sei und es außerdem zehn Jahre zurückliege. Sie habe täglich viele Akten bekommen und könne sich nicht an Einzelheiten wie die Größe der Gruppen erinnern. Schrader fragt, ob Z-4 es so einschätze, dass die Neuköllner Szene eine große Bedeutung habe, was die Gefährlichkeit, die Bedrohungslage angeht. Z-4: „Wir müssen immer gucken: Was ist der Auftrag des Verfassungsschutzes? Bedrohungslage ist ja eher Aufgabe des LKA. Unsere Aufgabe ist, Strukturen zu ermitteln von extremistischen Bestrebungen. Da schauen wir genau hin mit den Mitteln, die uns der Gesetzgeber zur Verfügung stellt. Damit versuchen wir ganz viele Informationen zu bekommen. Wenn es um Bedrohung von Menschen geht, muss die Auswertung das an die Polizei geben.“ Schrader: „Ja, aber die Frage ist, ob im Neukölln-Komplex es ein erhöhtes Aufkommen von Bedrohungen gab, das Sie mit Ihren Methoden vielleicht früher mitkriegen.“ Die Zeugin macht eine besonders lange Überlegungspause. Das Ergebnis dieser reiflichen Überlegung ist der folgende Satz: „Also die Szene in Neukölln war schon speziell, aber inwieweit sie nun ganz besonders gefährlich war, kann ich Ihnen nicht sagen.“
Abgeordneter Lenz fragt zu den G10-Maßnahmen. Dazu sagt die Zeugin, dass der Beschaffungsbereich nur für die technische Abwicklung der G10-Maßnahmen zuständig gewesen sei. Das sei verschriftet, dann vom Grundsatzreferat – also der G10-Aufsicht – freigegeben worden, und schließlich an die Auswertungsbereiche gegangen. Was dann damit passiert, sei nicht mehr Aufgabe der Beschaffung gewesen. Auch was davon an die Öffentlichkeit gelangt, sei Aufgabe der Auswertung gewesen. Lenz fasst zusammen, dass also die Auswertung eine G10-Maßnahme für sinnvoll halte, einen Antrag stelle, nach dessen Genehmigung führe die Beschaffung die Maßnahme durch und dann gehe es wieder an die Auswertung: „Aber Erkenntnisgewinnung führen schon Sie durch? Aber wenn die Erkenntnis öffentlich wird, ist es nicht Ihr Problem, weil Sie das weitergegeben haben?“ Z-4: „Ja, weil ich davon ausgehe, dass aus dem ehemaligen G10-Bereich von den Vorauswertern nichts raus geht.“ Auf Frage sagt Z-4, dass sie sich nicht dran erinnern könne, dass unter ihrer Verantwortung Erkenntnisse bekannt geworden wären.
Schulze fragt zum zweiten NPD-Verbotsverfahren, bei dem eine ganze Reihe von Aktivitäten der Beschaffung bei der NPD nicht mehr durchgeführt worden seien: „Wer hat darüber entschieden, als gesagt wurde: Folgende Personen können nicht mehr observiert werden, keine G10-Maßnahmen mehr durchgeführt werden?“ Z-4 nennt Abteilungsleitung, Beschaffungsleitung und Auswertungsleitung. Schulze sagt, die NPD Berlin habe eine relevante Vernetzung mit der Neonazi-Szene Berlins gehabt, dann wäre ja erheblich weniger zu tun in gewesen in der Beschaffung im Bereich Rechtsextremismus: „Welche Auswirkungen hatte das im Bereich Rechtsextremismus auf Ihre Arbeit?“ Z-4: „Ich denke, ich kann hier sagen, dass wir uns schon sehr genau an die rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gehalten haben, aber wenn ich es recht verstehe oder erinnere, fiel G10 nicht unter den Bereich der strengen Regeln des Bundesverfassungsgerichts. Die anderen Mittel schon, aber G10 nicht. Es geht ja immer um diese Staatsferne.“ Schulze: „Aber unserer Kenntnis nach sind auch die G10-Maßnahmen eingestellt worden. Ich hinterfrage das auch immer, weil man ja viel geringer beeinflusst als mit anderen Mitteln.“ Z-4: „Ich denke, das hatte mit der Argumentation zu tun, dass auch keine Prozessvorbereitung oder Gespräche, die mit dem kommenden Prozess zu tun haben, mitgehört werden. Deswegen sind meiner Meinung nach die Maßnahmen eingeschränkt worden.“ Auf die Frage, ob sie keine detaillierte Erinnerung habe, nach welchen Kriterien entschieden wurde, wer unter die Regelung fällt, sagt Z-4: „Nee, aber es war für uns klar, dass wir keinen Anlass bieten wollen, ein Verbotsverfahren irgendwie zu torpedieren.“ Schulze entgegnet, dass ihm die Personen, die er meine, nicht so erscheinen, dass die in irgendeiner Weise mit der Prozessführung der NPD zu tun gehabt hätten. Dann sagt er, dass nach der Selbstenttarnung des NSU Frau Schmid als VS-Leiterin habe zurücktreten müssen in Folge der Vernichtung von Akten: „Welche Auswirkungen hatte die NSU-Selbstenttarnung im Verfassungsschutz im Bereich der Beschaffung?“ Nach längerem Schweigen sagt Z-4: „Wann war das? 2011, ‚12, zehn Jahre her, ähm, natürlich war die Betroffenheit sehr groß bei uns auch. Wir haben versucht nun noch genauer hinzugucken und alles nochmal von allen Seiten zu prüfen und alles zu dokumentieren, aber das haben wir ja vorher auch schon gemacht.“ Schulze: „Also keine strukturellen Veränderungen etwa beim Umgangen mit V-Personen?“ Z-4 sagt, sie glaube sich zu erinnern, dass die Trennung der Bereiche Rechts- und Linksextremismus, die vorher in einem Referat zusammengefasst gewesen seien, in jeweils eigene Referate letztendlich auf NSU zurückgehe. Schulze sagt, beim LKA Berlin habe das auch zur Abschaltung von V-Personen in großem Umfang geführt und es seien die Standards der VP-Führung verändert worden, etwa dass immer zwei Leute mit VP reden. Auf die Frage, ob es ähnliche Mindeststandards auch beim VS gebe, sagt Z-4: „Das ist glaube ich eine Frage für die geheime Sitzung.“ Schulze: „Dann stellen wir die zurück“
Danach fragt Schrader zur Arbeitsaufteilung zwischen E1 und E2 im Beschaffungsreferat. Z-4: „Ach Gott, wie war denn das? Der E1-Bereich, das ist der Bereich Forschung und Werbung, und der 2er-Bereich ist Observation und G10, wobei ich nicht mehr sagen kann, ob das heute noch so ist.“ Schrader fragt, wie oft die Beschaffung den Aufträgen des Auswertereferats zu Neukölln, die ja nach der Aussage der Zeugin 25 bis 30 Prozent der Aufträge umfasst hätten, habe entsprechen können. „Mussten Sie mal einen Misserfolg melden?“ Z-4 verweist auf den Geheimschutzraum. Schrader: „Allgemein vielleicht?“ Z-4: „Da kann ich Ihnen sagen, das war recht erfolgreich. Ob das Ergebnis so war, dass die Auswertung damit etwas anfangen konnte, das steht auf einem anderen Blatt.“ Schrader: „Gehörte zu Ihrem Arbeitsbereich auch Absprache und Austausch mit dem BfV?“ Das bejaht die Zeugin. Auf Nachfrage sagt sie, dass sie glaube, dass das für den Bereich Neukölln nicht relevant gewesen sei: „Weil das meiner Meinung nach – ich hoffe, ich sage nichts Falsches, aber aus der Erinnerung heraus – nur ein Berliner Beobachtungsobjekt war.“ Schrader: „Gehört zu dem Verantwortungsbereich auch der Bereich Verdeckte Ermittlungen im Internet?“ Nach einer Überlegungspause sagt Z-4: „Meiner Meinung nach nicht.“ Schrader: „Welcher Bereich wäre dafür zuständig, etwa unter verdeckten Identitäten sich in bestimmten Foren oder Gruppen zu bewegen, online?“ Z-4: „Würde ich Ihnen auch gerne in geheimer Sitzung versuchen zu beantworten.“
Zum Abschluss fragt nochmal der Ausschussvorsitzende Franco. Er möchte von der Zeugin wissen, ob es mal Konflikte zwischen 2B und dem Referat der Zeugin gegeben habe. Das Thema Neukölln sei ja in der Öffentlichkeitsbedeutung gestiegen: „Irgendwer muss sich doch gefragt haben, warum es nicht erfolgreich ist. Man ist doch nicht zufrieden.“ Z-4: „Unsere Aufgabe ist die Strukturermittlung, da haben wir versucht alles Mögliche zu tun. Wenn wir Informationen zu Straftaten hatten, haben wir die natürlich den Auswerter weitergeleitet. Dem Verfassungsschutz wird immer unterstellt, dass er alles weiß und alles kann.“ Im Publikum kommt bei dieser Äußerung leichtes Gelächter auf. Z-4 weiter: „Aber wir sind gebunden an gesetzliche Vorschriften.“ Franco: „Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie alles wissen und beobachten können.“ Dann sagt er, es gebe auf der einen Seite die Auswertung, die Aufträge gebe und unzufrieden sei mit den Ergebnissen. Auf der anderen Seite sei die Beschaffung, die 30 Prozent der Aufträge aus dem Bereich Rechtsextremismus wegen Neukölln bekomme. Z-4: „Der Hinweis, dass man nicht mit allem was anfangen kann, bezieht sich auf G10. Da fällt eine Unmenge an Rohmaterial an, da kommt am Ende doch ein relativ mageres Ergebnis raus. Die Maßnahmen gerade im rechten Bereich sind ja in der G10-Kommission immer durchgewunken worden. Aufgrund der konspirativen Tätigkeit der Neuköllner Szene ist nicht viel angefallen, aber damit muss man umgehen. Wir können ja nichts dazu dichten.“ Franco hakt noch einmal nach und die Zeugin sagt, dass G10-Maßnahmen, die nichts bringen, auch irgendwann eingestellt würden: „Es wird immer am Ende bewertet, wie erfolgreich war, was die Beschaffung gemacht hat. Das findet durch die Auswertung statt.“ Franco: „Sie haben das also ständig und haben nachgesteuert?“ Z-4: „Genau.“
Weil es im öffentlichen Teil keine Fragen mehr an die Zeugin gibt, teilt Franco der Öffentlichkeit mit, dass in der nächsten Sitzung am Freitag, 20. September, wahrscheinlich nur vormittags einen kleinen öffentlichen Teil geben wird, thematisch gehe es um Verfassungsschutz und „Ostburger Eck“.
Damit endet um 17:15 Uhr die öffentliche Sitzung.
Mehr Selbstbewusstsein
Die Abgeordneten von Linken und Grünen im Ausschuss zeigten bei den beiden Vernehmungen heute mehr Biss als bei den meisten vorherigen Sitzungen. Schrader, Schulze und auch Franco hakten mehr nach und versuchten die Zeuginnen aus der Reserve zu locken. Sie pochten auch mal auf die Beantwortung von Fragen. Insgesamt bleibt es aber weiterhin dabei, dass Behördenzeug*innen im Ausschuss sich noch zu oft auf Geheimhaltungsbedürfnisse zurückziehen können, ohne dass das genauer begründet werden muss. Manchmal werden Fragen nicht einmal in allgemeinerer Form gestellt, weil vorauseilend angenommen wird, dass es sich um eingestufte Themen handelt. Manchmal ist aber eine gut gestellte Frage wichtiger als ihre Beantwortung.
Etwas mehr parlamentarisches Selbstbewusstsein täte dem Ausschuss also weiterhin gut. Das gilt auch für den Umgang mit Zeug*innen wie Z-3 und Z-4, die sich immer wieder auf fehlende Erinnerung berufen konnten, ohne dass das hinterfragt wurde. In Strafprozessen haben Polizeibeamt*innen, die in ihrer Funktion aussagen, eine Pflicht sich mittels Aktenstudium auf die Aussage vorzubereiten. Analog dazu wurden in anderen Untersuchungsausschüssen auch schon mal vermeintlich oder tatsächlich vergessliche Behördenzeug*innen nach Hause geschickt und neu geladen – mit dem Auftrag sich diesmal vorzubereiten. Die zwei hochrangigen Beamtinnen heute konnten sich dagegen immer wieder, selbst bei simpelsten Fragen, auf fehlende Erinnerungen berufen.
Auf die anderen Fraktionen kann nicht gebaut werden, wenn es um einen selbstbewusster auftretenden Ausschuss geht. CDU und SPD stellten relativ wenige Fragen und gaben sich sehr schnell mit Antworten zufrieden. Es wird immer klarer, dass die Regierungskoalition den Ausschuss möglichst schnell hinter sich bringen möchte. Die komplett missglückten Versuche Woldeits, seine Befragung der ersten Zeugin für AfD-Propaganda zu nutzen und eine Opfererzählungrund um seine Partei und sich selbst zu stricken, waren dagegen fast schon amüsant. Es bleibt dabei: Die AfD-Fraktion spielt als Akteur in diesem Ausschuss keine Rolle.
(Text: scs / Redaktion: ck)