„Finger schon am Abzug“ – trotzdem hielt die Bundesanwaltschaft Nordkreuz klein? Kurzbericht zum 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschuss MV September 2024

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Als 2017 bei Nordkreuz-Mitgliedern die ersten Durchsuchungen stattfanden, wurden neben Waffen und Munition teils detaillierte Aufzeichnungen zu politischen Gegner*innen in Ordnern gefunden. Die Bundesanwaltschaft (BAW) ermittelte gegen zwei Verdächtige: Haik Jaeger und Jan Hendrik Hammer. Sie vermutete, dass die auf den Listen verzeichneten Personen am „Tag X“, auf den sich Nordkreuz vorbereitete, abgeholt und umgebracht werden sollten.

Im Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern sagte am 9. September die ehemalige Leiterin der Staatsschutz-Dezernate im LKA Mecklenburg-Vorpommern aus, sie sei für die Information der Betroffenen auf den Listen zuständig gewesen. Die Beantwortung der Frage, ob und wie die Betroffenen informiert werden sollen, zog sich in den Behörden über Jahre. Man habe sich dann entschieden, diejenigen, deren Daten handschriftlich in den Listen festgehalten waren, persönlich zu informieren. Diese Aufgabe habe aber das BKA übernommen. Wichtig war es der Zeugin zu betonen, dass es sich nicht um Todes- oder Feindeslisten gehandelt habe, dafür gebe es „keine Anhaltspunkte“.

Die Betroffenen auf den Feindeslisten haben diese (fehlende) Informationspolitik wiederholt kritisiert. „Ich hätte mir einfach gewünscht, dass es anders läuft, viel transparenter, viel offener, mehr gerade heraus“, so Claudia in Folge #46 des Podcasts „NSU-Watch: Aufklären & Einmischen. Vor Ort.“

In der Sitzung am 16. September gab es dann Einblicke in die abgeschottete Ermittlungsgruppe, die im LKA Mecklenburg-Vorpommern zu Nordkreuz ermittelte. Deren Leiter machte sehr deutlich, dass er den Zusammenhang zwischen rechter Gesinnung und Bewaffnung des Netzwerks für sehr beunruhigend hielt und weiterhin hält. Er habe dies und die Notwendigkeit von Ermittlungen gegen mehr als nur die zwei Beschuldigten sowohl bei der Bundesanwaltschaft als auch bei der Staatsanwaltschaft Rostock deutlich gemacht. Dass er eine Ausweitung der Ermittlungen auf den Vorwurf der Bildung einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung für notwendig hält, habe er ebenfalls zum Ausdruck gebracht. Auch beim Vorgespräch mit dem Richter beim Verfahren gegen Marko Gr. wegen illegalen Waffenbesitzes habe er auf diesen Zusammenhang hingewiesen. All dies blieb ohne Erfolg, obwohl auch das BKA und die Staatsanwaltschaft Schwerin eine Ausweitung des Verfahrens angeregt hatten.

Die interne Ermittlungsgruppe des LKA Mecklenburg-Vorpommern hatte diese Zusammenhänge deutlich herausgearbeitet, indem sie alle Chats von Marko Gr. durchgearbeitet hatte. Das BKA hatte stattdessen zuvor in diesen Chats lediglich mit Stichwortsuche nach Waffen und Munition gesucht und dem LKA dann die entsprechenden Bruchstücke zukommen lassen. Die Ermittlungsgruppe forderte daraufhin die gesamten Chats an (bekam die von Marko Gr.), asservierte die Fundstücke der ersten Durchsuchung bei Gr. und durchsuchte bei ihm erneut. Dabei wurde noch einmal Munition gefunden. Der leitende Ermittler war sich vorm Ausschuss sicher: „Gr. hatte den Finger schon am Abzug“, er habe auf „Tag X“ gewartet und hätte den sonst selbst herbeigeführt, „der hat mit den Hufen gescharrt“.

Hier findet ihr unsere Prozessbeobachtung des Verfahrens gegen Marko Gr.

Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!