Der Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern konnte im November noch deutlicher herausarbeiten, dass Nordkreuz hätte verhindert werden können. Der spätere mutmaßliche Nordkreuz-Kopf Marko Gr. wurde schon 2008 und 2009 von dem Leiter seiner Schießmannschaft, Gü., an den damals stellvertretenden Leiter des LKA, Ingolf Mager, gemeldet. Denn er wollte verhindern, dass Gr. den Aufstiegslehrgang zum gehobenen Dienst besucht.
Es gab keine Konsequenzen. Ingolf Mager – zum Zeitpunkt des Auffliegens von Nordkreuz Leiter des LKA – sagte vor dem Untersuchungsausschuss dazu aus, dass keine strafrechtlichen Verstöße vorgelegen hätten, auch in einem persönlichen Gespräch mit Gr. habe er nicht den Eindruck einer rechtsextremen Gesinnung gehabt. Dem ehemaligen Leiter der Schießmannschaft ging es allerdings nie um strafrechtliche Verfolgung.
Marko Gr. wurde so noch nicht einmal eine Zeit lang vom Lehrgang zum gehobenen Dienst zurückgehalten. Dort angekommen machte er sich über Gü. lustig – offenbar war ihm berichtet worden, wer ihn gemeldet hatte. Diese Meldung hielt Marko Gr. nicht davon ab, seine rechte Gesinnung auch hier zu verbreiten, berichtete der Zeuge Bernd Lange im Untersuchungsausschuss. Lange, damals auch Lehrgangsteilnehmer und heute Obmann für die SPD im Untersuchungsausschuss, fiel die rechte Gesinnung Gr.s ebenfalls auf. Lange meldete dies auch. Ebenfalls ohne Erfolg. In der Folge wurde er laut seiner Aussage vom großen Freundeskreis von Gr. beim Lehrgang gemieden. Auch sein Name wurde offenbar direkt weitergegeben.
In den Folgejahren – so stellte die nach dem Auffliegen von Nordkreuz eingesetzte SEK-Kommission fest – brachte Marko Gr. immer wieder einschlägige Bücher mit zu seiner SEK-Einheit, die beispielsweise einen Scharfschützen der Wehrmacht verherrlichten. Gemeldet wurde dies allerdings nicht mehr. Die Kommission sah darin jedoch in ihrem Bericht von 2019 keine Atmosphäre im SEK, in der rechte Publikationen offenbar als normal galten. Vielmehr sei dies das Problem einer „Gruppe innerhalb einer Gruppe“ gewesen und überhaupt erst „von außen“ ins SEK Mecklenburg-Vorpommern getragen worden.
Am 2. Dezember warf die von Aussage Alexander Horn, dem operative Fallanalytiker, der aus Bayern für die Risikoanalysen zu einzelnen Nordkreuz-Mitgliedern dazugebeten worden war, noch einmal eine größere Perspektive auf den Nordkreuz-Komplex. In einem Thesenpapier hielt die Arbeitsgruppe zu den Risikoanalysen fest, dass davon auszugehen sei, dass bei Nordkreuz arbeitsteilig vorgegangen wurde. Gr. sei beispielsweise für Waffen und Taktik zuständig gewesen, der Rostocker Rechtsanwalt Jan Hendrik Hammer der politische Kopf. Das gemeinsame Ziel dieser Arbeitsteilung sei gewesen, am „Tag X“ das politische System mit einem nach den eigenen Vorstellungen zu ersetzen. Dann wären auch die bereits angelegten Feindeslisten zum Einsatz gekommen. Diese Einschätzung zur strategischen Planungsdimension wurde offenbar nicht von der Bundesanwaltschaft geteilt, sonst hätte sie ihr Verfahren erweitern und gegen eine terroristische Vereinigung ermitteln müssen – das war jedoch nie der Fall.
Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!