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Hallo zur ersten Ausgabe unseres monatlichen NSU-Watch-Newsletters âAufklĂ€ren und Einmischenâ im Jahr 2025!
Das Jahr 2024 endete mit dem grauenhaften Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember, bei dem fĂŒnf Menschen ermordet und Dutzende verletzt wurden. Der TĂ€ter, ein aus Saudi-Arabien GeflĂŒchteter, prĂ€sentierte sich im Netz als Islamgegner und AfD-AnhĂ€nger. Das hindert die Rechte nicht daran, den Anschlag fĂŒr ihre rassistische Propaganda und im Wahlkampf zu benutzen. In Magdeburg hĂ€uften sich nach dem Anschlag rassistische Ăbergriffe, am Tag nach dem Anschlag fand â parallel zu einer Gedenkveranstaltung â eine neonazistische Versammlung statt, bei der unter anderem Pressevertreter*innen bedroht wurden. Mit dem Anschlag und seinen Folgen werden wir uns im nĂ€chsten Newsletter nĂ€her beschĂ€ftigen.
In dieser Ausgabe widmen wir uns zunÀchst zwei Themen, mit denen wir uns im vergangenen Jahr intensiv beschÀftigt haben:
Gut zu wissen:
+++ Urteil nach rassistischem Angriff in Schwerin +++
+++ Forderungen nach AufklĂ€rung und Konsequenzen 19 Jahre nach dem Brandanschlag von LĂŒbeck +++
+++ Jetzt neu: Newsletter ĂŒber und gegen den Globalen Autoritarismus +++
Wir gedenken im Januar Oury Jalloh, der vor zwanzig Jahren in Dessau ermordet wurde. Wir gedenken Corinna Tartarotti, die 1984 in MĂŒnchen ermordet wurde. Wir gedenken Françoise Makodila Landu, Christine Makodila, Miya Makodila, Christelle Makodila Nsimba, Legrand Makodila Mbongo, Jean-Daniel Makodil Kosia, Monique Maiamba Bunga, Nsuzana Bunga, Sylvio Bruno Comlan Amoussou und Rabia El Omari, die 1996 in LĂŒbeck ermordet wurden. Wir erinnern an den Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Probsteigasse am 19. Januar 2001. Beteiligt euch an den Gedenk- und Erinnungsveranstaltungen! Die Termine findet ihr wie immer am Ende des Newsletters.
Kein Schlussstrich!
Eure Antifaschist*innen von NSU-Watch
Unser Newsletter ist kostenlos und wird es auch bleiben. FĂŒr unsere Arbeit sind wir aber auf eure UnterstĂŒtzung angewiesen. Mehr dazu findet ihr auf unserer Spendenseite!
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Rassismus und „State Created Danger“:
Zum Urteil im Prozess zum Tod von Mouhamed Lamine Dramé
Am 12. Dezember 2024 urteilte die Schwurgerichtskammer am Landgericht Dortmund: Alle fĂŒnf angeklagten Polizist*innen, die unmittelbar beteiligt waren am Einsatz, mit dem sie Mouhamed Lamine DramĂ© im Sommer 2022 zu Tode brachten, wurden freigesprochen.
Am 8. August 2022 hatte Mouhamed Lamine DramĂ© sich im Garten einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt in eine GebĂ€udenische zurĂŒckgezogen. Er hatte ein Messer gegen sich gewandt. In Sorge darum, dass sich der jugendliche GeflĂŒchtete selbst verletzen könnte, riefen die Mitarbeiter*innen der Einrichtung die Polizei zur Hilfe. Sie wussten, dass Mouhamed Lamine DramĂ© mit einer psychischen Krise kĂ€mpfte. Anders als tags zuvor, wo er sich noch selbst die Hilfe von Ărzt*innen hatte suchen können, war er jetzt aber nicht mehr ansprechbar, machte einen abwesenden und reglosen Eindruck. So trafen ihn auch die Polizist*innen an.
Die EinsatzkrĂ€fte selbst waren es dann allerdings, die diese statische âAntreffsituationâ verĂ€nderten. Statt dem in Not Geratenen Zeit zu geben, abzuwarten oder Sprachmittler*innen und einen psychologisch fachkundigen Kriseninterventionsdienst hinzuzuziehen, wies Dienstgruppenleiter Thorsten H. nur wenige Minuten nach Eintreffen âseinerâ EinsatzkrĂ€fte an: âEinpfeffern. Volles Programm. Die ganze Flasche.â Eine vorherige Androhung erfolgte nicht. Wenige Sekunden spĂ€ter verletzten zwei der sechs SchĂŒsse aus der Maschinenpistole des Angeklagten Fabian S. Mouhamed Lamine DramĂ© so schwer, dass er am frĂŒhen Abend im Krankenhaus starb.
Als die Beamt*innen also ohne jede Vorwarnung an Mouhamed Lamine DramĂ© heranrĂŒckten und ihn mit Pfefferspray angriffen, hatten sie selbst den vorgeschriebenen âMindestabstandâ unterschritten, den sie spĂ€ter als Argument anfĂŒhren wĂŒrden dafĂŒr, dass sie von der Schusswaffe hĂ€tten Gebrauch machen mĂŒssen. Die Polizeiforschung nennt das âState oder Officer Created Dangerâ (Singelnstein, EspĂn Grau & Abdul-Rahman 2024).
Das Gericht hat in seiner Beweisaufnahme zu diesem 8. August 2022 eindeutig festgestellt, dass die Polizeibeamt*innen, sich nicht (wie ursprĂŒnglich behauptet) gegen einen Angriff verteidigten. Daher wĂ€re eigentlich davon auszugehen, dass ihr tödlicher Einsatz als rechtswidrig einzuordnen ist. Nicht so aber am Landgericht Dortmund. Richter Thomas Kelm breitete stattdessen in der rechtlichen WĂŒrdigung der Beweiserhebung des vergangenen Jahres aus, dass nach EinschĂ€tzung seiner Strafkammer niemand fĂŒr den todbringenden Polizeieinsatz zur Verantwortung zu ziehen sei.
Denn: Das Handeln der Angeklagten unterlĂ€ge einem sogenannten Erlaubnistatbestandsirrtum. Sie hĂ€tten sich subjektiv in Notwehr gewĂ€hnt, selbst wenn sie objektiv in keiner Sekunde in Gefahr waren. In ihrem Einsatzhandeln bis hinauf zum Dienstgruppenleiter seien sie entsprechend ohne Schuld. Nicht einmal Einsatzleiter H. sei einer FahrlĂ€ssigkeit oder Verletzung der FĂŒrsorgepflicht gegenĂŒber seinen bewaffneten BefehlsempfĂ€nger*innen zu bezichtigen. Ihm hĂ€tte keine alternative Handlungsoption zur Auswahl gestanden. Dolmetscher*innen oder Psycholog*innen dazu zu rufen, sei schlieĂlich nicht mehr als bloĂer âZeitaufwandâ gewesen â und darum ungeeignet.
Das Urteil vom 12.Dezember 2024 hat am letzten Prozesstag â sowie der Prozess in den 12 Monaten zuvor â tiefe Spuren hinterlassen. Viele Menschen, die auch am 31. Hauptverhandlungstag als solidarische Prozessbeobachter- und begleiter*innen vor Ort waren, kĂ€mpften noch im Gerichtssaal oder spĂ€ter bei der Mahnwache vor dem GebĂ€ude mit den TrĂ€nen. Nach Ende der UrteilsverkĂŒndung skandierten sie, die an diesem Tag beinahe jeden Platz im Publikumsbereich des Gerichtssaals belegt hatten, was von einer solchen Rechtsprechung zu halten ist: âJustice for Mouhamed â das war Mord!â
Bei der anschlieĂenden Kundgebung kamen Wut, vor allem aber Trauer und Ratlosigkeit zum Ausdruck, verbunden mit der klaren Perspektive: Das Urteil ist ein Freibrief fĂŒr Polizeigewalt. Sogar mit einer klar eingestandenen FalscheinschĂ€tzung kommen Polizist*innen ohne Nachteile davon, straf- und konsequenzenlos.
Sowohl die Verlesung der UrteilsbegrĂŒndung als auch die SchlussvortrĂ€ge der Staatsanwaltschaft und der Verteidigungen brachten zudem noch einmal verdichtet zum Ausdruck, was schon ĂŒber die Monate zuvor vorgefĂŒhrt worden war: Weder die Kammer noch die Vertreter*innen der Anklagebehörde haben einen blassen Schimmer davon, was struktureller Rassismus in der Praxis von âOrdnungs- und Sicherheitsbehördenâ ist, was macht- und diskriminierungskritische Perspektiven auf Polizeiarbeit sein könnten.
Sidy DramĂ©, der mit seinem Bruder Lassana DramĂ© fĂŒr die Familie von Mouhamed in der Nebenklage dem Prozess seit Januar 2024 beiwohnte, sagte nach Prozessende: âWenn so die deutsche Rechtsprechung ist, habe ich nichts mehr zu sagen.â
Ende Dezember 2024 hat die Nebenklagevertreterin von Sidy und Lassana Dramé Revision eingelegt. Hört das PlÀdoyer der Nebenklage bei Radio Nordpol. Die Prozessberichte, Analysen, Pressemitteilungen und Links zu allen Radiosendungen zum Prozess finden sich auf der Homepage der Initiative Justice4Mouhamed.
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Ăberraschend klares Urteil im Verfahren gegen die Neonazis Sebastian Thom und Tilo P. aus Berlin-Neukölln
Am 12. Dezember 2012 fiel das Urteil vor dem Landgericht Berlin im Berufungsverfahren zum Neukölln-Komplex. Zuvor waren an diesem Tag die PlÀdoyers gehalten worden. Die Sitzungsvertreterinnen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) und der Vertreter von NebenklÀger Ferat Koçak, Rechtsanwalt Lukas Theune, hatten in ihren PlÀdoyers die Indizienkette, die gegen die Angeklagten spricht, dargelegt. Theune wies in seinem PlÀdoyer darauf hin, dass die Beweislage nicht so kompliziert sei, wie immer behauptet werde.
NebenklĂ€ger Ferat Koçak hatte am Tag der UrteilsverkĂŒndung ein eigenes PlĂ€doyer gehalten. In seiner bewegenden Rede erklĂ€rte er, dass er auch bei einer Verurteilung der Angeklagten weiter Angst haben wird â vor Racheakten aus der Neonazi-Szene. Seine Eltern, so schildert er seine Wahrnehmung, seien in Lebensgefahr geraten, weil er politisch aktiv ist: âDiese Nacht hat einfach alles kaputt gemacht, sie bestimmt mein ganzes Leben. Weil ich Angst habe, weil ich meine Eltern schĂŒtzen muss.â
Die Kammer verurteilte die beiden Angeklagten dann zu Gesamtfreiheitsstrafen von 3 Jahren und 6 Monaten bei Thom und 2 Jahren und 10 Monaten bei P. â und zwar auch wegen der beiden BrandanschlĂ€ge am 1. Februar 2018.
In dieser Nacht wurden die Fahrzeuge zweier antifaschistisch engagierter Neuköllner â dem Rudower BuchhĂ€ndler Heinz Ostermann und dem heutigen Linken-Abgeordneten Ferat Koçak â in Brand gesteckt. Das Fahrzeug von Koçak war direkt vor der Garage abgestellt, hinter dem Garagentor befand sich eine Gasleitung. Zudem drohte das Feuer auf das angrenzende Wohnhaus der Koçaks ĂŒberzugreifen.
In einem ersten Verfahren hatte das Amtsgericht Tiergarten 2022 Tilo P. und 2023 auch Sebastian Thom in Bezug auf diese TatvorwĂŒrfe noch freigesprochen. Sowohl Verteidigung als auch die GenStA hatten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungskammer hatte, so das jetzige Urteil, keine Zweifel, dass die beiden Brandstiftungen so stattgefunden haben, wie die GenStA sie angeklagt hat. Insgesamt unterzog die Kammer unter Vorsitz von Susann Wettley die vorliegenden Beweismittel â die im Wesentlichen die gleichen waren wie beim ersten Prozess â einer genaueren PrĂŒfung als noch das Amtsgericht.
Entsprechend sorgfĂ€ltig wĂŒrdigte die mĂŒndliche UrteilsbegrĂŒndung die vorliegende Indizien vor allem aus abgehörten Telefonaten, aus Chats des Angeklagten Tilo P. und aus Zeug*innenaussagen ĂŒber GesprĂ€che, in denen P. sich selbst und Thom der Taten bezichtigt hatte. Das Urteil legt die Indizienkette, die gegen die Angeklagten spricht, ĂŒberzeugend dar.
Es zeichnet ein klares Bild davon, wie sich Thom und P. ĂŒber mindestens ein Jahr darauf versteift hatten, das Fahrzeug und die Wohnanschrift von Koçak herauszufinden. Immer wieder kommunizierten die beiden ĂŒber ihn. Am 15. Januar 2018 sah P. schlieĂlich Koçak in dessen rotem Smart, teilte diese Entdeckung sofort Thom mit und verfolgte Koçak. Am 23. Januar schaute P. sich bei âGoogle Mapsâ sehr genau das GrundstĂŒck der Familie Koçak an. Am 1. Februar wurde dann der rote Smart angezĂŒndet, der â wie im Winter ĂŒblich â unter dem Carport direkt vor dem Garagentor abgestellt war. Heinz Ostermann war bereits im Januar 2017 Betroffener einer neonazistischen Autobrandstiftung geworden. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei Sebastian Thom fand die Polizei Notizen ĂŒber Ostermann. Dass das neue Fahrzeug von Ostermann zufĂ€llig in der gleichen Nacht wie das von Koçak auf dieselbe Art und Weise, aber von anderen TĂ€ter*innen in Brand gesteckt worden sein könnte, verweist das Urteil verstĂ€ndlicherweise ins Reich der Legenden. Das Urteil ist noch nicht rechtskrĂ€ftig, die Verteidigung hat Revision eingelegt.
Eins steht allerdings schon jetzt fest: Dieses Urteil zieht zum ersten Mal Personen zur Verantwortung fĂŒr Taten aus der jahrelangen neonazistischen Brandstiftungsserie in Neukölln. Zu verdanken ist das vor allem der HartnĂ€ckigkeit der Betroffenen, der Nebenklagevertreter*innen und einer antifaschistischen Ăffentlichkeit, die nicht locker lieĂ. Auch am Tag der UrteilsverkĂŒndung fand vor dem GerichtsgebĂ€ude eine antifaschistische Kundgebung statt. Dieser Ăffentlichkeit ist es auch zu verdanken, dass es einen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex gibt, der nun auch endlich Akten aus dem Verfahren gegen Thom und P. erhĂ€lt.
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Gut zu wissen:
Aktuelles aus dem Themenbereich Rechter Terror und Antifaschismus
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+++ Urteil nach rassistischem Angriff in Schwerin +++
Am 12. Dezember hat das Amtsgericht Schwerin einen Mann wegen „gefĂ€hrlicher Körperverletzung in einem minderschweren Fall“ zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Die Beschreibung des Angriffs liest sich allerdings wie die Schilderung eines rassistischen Amoklaufs, bei dem nur durch GlĂŒck niemand ums Leben kam:
Nur kurz nachdem ein 46-jĂ€hrige Schweriner einer Bekannten in einer Textnachricht schrieb: âIch bringâ gleich drei Kanaken umâ, ging der gelernte Bankkaufmann mit zwei KĂŒchenmessern bewaffnet in der Schweriner Innenstadt auf eine Gruppe MĂ€nner los, weil er sie fĂŒr Migranten hielt. Er stach unvermittelt in Richtung Hals eines 33-JĂ€hrigen Mannes aus Algerien und verletzte ihn dabei schwer im Gesicht. Als er dann vor seinem zu Boden gegangenen Opfer stand, grinste er ihn und seine verĂ€ngstigten Begleiter hĂ€misch an und setzte jenen wohl auch nach, um sie ebenfalls zu attackieren.
Das auf den ersten Blick milde erscheinende Urteil kam dadurch zustande, dass Jens L. zum Angriffszeitpunkt zum einen alkoholisiert war und zudem psychisch erkrankt ist, wie durch einen Gutachter bestĂ€tigt wurde. AuĂerdem zeigte er sich gestĂ€ndig und habe sich mit einer Zahlung von 2000 Euro an sein Opfer um einen Ausgleich bemĂŒht. Das âmenschenverachtendeâ Motiv wĂŒrdigte das Gericht allerdings ausdrĂŒcklich als strafschĂ€rfend.
Auch die Verhöhnung, die aus dem Angrinsen des stark blutenden Betroffenen spricht, betonte der zustĂ€ndige Richter in der mĂŒndlichen BegrĂŒndung des Urteils als besonders menschenverachtend. Zu der Zeit hĂ€tte dem Angreifer nicht klar sein können, ob sein Opfer ĂŒberleben wĂŒrde.
Ferner kam in der Beweisaufnahme auch zu Tage, dass der nunmehr Verurteilte in Chats damit geprahlt hatte, einen Mitgliedsantrag bei der AfD stellen zu wollen. AuĂerdem soll er islamfeindliche Inhalte auf Social Media geliked und verbreitet haben.
Mit ihrem Urteil folgte die Kammer den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die ebenfalls die rassistische Motivation deutlich benannte und unter anderem auf Chatnachrichten des Angreifers verweisen konnte, die seine Gesinnung dokumentierten.
Der Betroffene leidet bis heute unter den Folgen der Tat. Er erlitt durch den Angriff eine groĂe Narbe im Gesicht und begab sich in psychologische Behandlung, da er bis heute Angst hat, sich auf der StraĂe zu bewegen.
Der 33-JĂ€hrige und seine Nebenklagevertreterin, Katrin Hildebrandt, zeigten sich mit dem Urteil dennoch zufrieden: âFĂŒr meinen Mandanten war es sehr wichtig, dass seine Auseinandersetzung mit den schwerwiegenden Folgen endlich zur Sprache kommen konnte. Dass die rassistischen BeweggrĂŒnde des TĂ€ters in der Verhandlung deutlich herausgearbeitet wurden und nun auch strafschĂ€rfend WĂŒrdigung finden, ist sehr zu begrĂŒĂen.â
Auch wird an diesem brutalen Angriff deutlich, welche Folgen die VerschĂ€rfung des politischen Klimas durch zunehmend rassistische Debatten und ZugestĂ€ndnisse an die extreme Rechte habe. Die psychische Disposition des TĂ€ters ist eben nur eine Variable auf dem Weg zur Tat â die Anstiftung erfolgt durch den fortwĂ€hrenden Schwall an endzeitlicher Propaganda der extremen Rechten und ihrer Sympathisant:innen.
Die Betroffenenberatung LOBBI machte in ihrer Pressemitteilung zudem die besondere Verantwortung der Politik gegenĂŒber Betroffenen rassistischer Gewalt deutlich, die keinen festen Aufenthaltsstatus in Deutschland haben. âEs braucht dringend ein humanitĂ€res Bleiberecht. Es kann nicht sein, dass Menschen neben den Angriffsfolgen auch noch mit den Unsicherheiten eines sich stĂ€ndig verschĂ€rfenden Aufenthaltsrechts und einer drohenden Abschiebung beschĂ€ftigen mĂŒssen, wie in diesem Fall. Es darf nicht sein, dass eine Politik, die Menschen nicht vor rassistischen Angriffen schĂŒtzen kann, anschlieĂend durch bĂŒrokratische MaĂnahmen den Willen der TĂ€ter unterstĂŒtztâ, so LOBBI weiter.
Das Urteil ist noch nicht rechtskrÀftig.
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#HafenstraĂenMordUnvergessen
âWir wollen nicht mehr warten. Keiner von uns, der das ĂŒberlebt hat.â
In den Morgenstunden des 18. Januar 1996 brannte die Unterkunft fĂŒr GeflĂŒchtete in der HafenstraĂe in LĂŒbeck.
Sieben Kinder und drei Erwachsene konnten von der Feuerwehr nicht mehr gerettet werden, 39 weitere Menschen wurden schwer verletzt.
Bis heute ist es der folgenschwerste rassistische Brandanschlag mit der höchsten Anzahl an Opfern in der Geschichte der Bundesrepublik. Vieles deutet auf vier Neonazis als TĂ€ter hin. Trotz ihrer Anwesenheit am Tatort, fĂŒr Brandstifter typischer Spuren an Augenbrauen und Wimpern, trotz Zeug*innenaussagen und GestĂ€ndnissen wurden die Ermittlungen gegen sie eingestellt. Stattdessen wurde ein Bewohner des Hauses verhaftet und saĂ sechs Monate in Untersuchungshaft. Warum sollte ein junger Mann einen Brand in dem Haus legen, in dem Familie und Freunde leben und sich dann schlafen legen?
Nach dessen Freispruch 1997 Ă€uĂerten sich die Ăberlebenden:
âSafwan ist endlich freigesprochen worden. Der furchtbare Verdacht gegen ihn war zu keiner Zeit begrĂŒndet. Das juristische Verfahren gegen Safwan und uns alle ist beendet. Aber fĂŒr uns ist nichts beendet. Wir wollen, daĂ unsere Ehre und WĂŒrde wiederhergestellt wird. Und wir wollen die wirklichen TĂ€ter vor Gericht bringen. Wir klagen die MĂ€nner an, gegen die der schwere Verdacht des Mordes begrĂŒndet ist. Wir fordern, daĂ die Ermittlungen gegen die TatverdĂ€chtigen sofort wiederaufgenommen und sie unverzĂŒglich vor Gericht gestellt werden.â
Die Ereignisse der Nacht sind Teil unserer Geschichte. Eine Geschichte des Verlustes geliebter Menschen, von Verletzungen, von Angst, Traumatisierungen der Betroffenheit. Eine Geschichte des Gedenkens und des Anklagens. Die Zeit heilt diese Wunden nicht. Wir begreifen die Nicht-AufklÀrung des Anschlags, die rassistischen VerhÀltnisse die sie begleiten und bedingen, und alles was daraufhin geschah, als eine ungeklÀrte politische Aufgabe, die wir als Antifaschist*innen und Antirassist*innen lösen wollen.
Wir fordern einen Untersuchungsausschuss, um die Ermittlungsfehler aufzuklÀren. Wir fordern die Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft und die Anklage von Maik Wotenow, der die Tat mehrfach gestand, von Dirk Techentien, René Burmeister und Heiko Patynowski.
Im Januar 2026 wird der âBrandanschlag mit Todesfolgeâ verjĂ€hrt sein â Mord verjĂ€hrt nicht!
Eine ausfĂŒhrliche Dokumentation und aktuelle Termine findet ihr auf der Homepage der Initiative.Â
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+++ Jetzt neu: Newsletter ĂŒber und gegen den Globalen Autoritarismus +++
Wem eine Politik wichtig ist, die sich an Menschenrechten und Emanzipation orientiert, muss sich den MachtansprĂŒchen der Globalen Rechten entgegenstellen. Die Argumente und Ansatzpunkte fĂŒr Gegenstrategien hierfĂŒr kann ein Monitoring der Globalen Rechten, ihrer Akteure und Events liefern.
âResearch against Global Authoritarianismâ (ReGA) will dazu beitragen, den Fokus auf den globalen Charakter der extremen Rechten zu legen, damit lokaler Widerstand effektiv möglich ist. Denn es sind lokal und global die gleichen autoritĂ€ren KrĂ€fte, die zugleich den Schutz und die Verteidigung der Menschenrechte erschweren sowie den Einsatz fĂŒr humanitĂ€re Ziele kriminalisieren möchten. Eine widerstĂ€ndige Praxis gegen rechts sollte diese beiden Ebenen daher gleichermaĂen im Blick behalten. Eine grĂŒndliche Beobachtung der Allianzen und Forderungen der globalen extremen Rechten hilft, deren Dynamik zu verstehen und sich rechtzeitig gegen Angriffe aus dieser Ecke zu wappnen.
In den vergangenen Jahren beobachten wir eine zunehmende Vernetzung zwischen Akteuren der extremen Rechten weltweit. Es tauchen immer öfter Medienberichte und AnkĂŒndigungen ĂŒber Konferenzen oder transnationale Partnerschaften auf, die in einer manchmal verwirrenden Vielfalt die immer gleichen globalen Themen verbreiten: Anti-Immigration, Anti-Feminismus, die Leugnung des Klimawandels und der Kampf gegen eine angebliche âglobale Linkeâ.
Aber wer sind die Akteure in dieser extrem rechten Bewegung, die sich scheinbar immer weiter ausbreitet? Welche Gruppen organisieren sie und wie können wir mehr herausfinden ĂŒber die Ziele und die PlĂ€ne einer Globalen Rechten? Zur Beantwortung dieser Fragen will der Newsletter ĂŒber und gegen den Globalen Autoritarismus beitragen.
Jetzt Anmelden fĂŒr den ReGA-Newsletter.
Ab sofort gibt es alle Inhalte der Newsletter auch online, allerdings erst einige Zeit nach der Aussendung der Mails an die Abonnent*innen.
Der Ausblick auf die nÀchste Ausgabe:
Der VI. Transatlantic Summit des Political Network for Values (PNfV) in Madrid und die CPAC-Konferenz in Buenos Aires.
Wachsende Angriffe auf NGOs, die schon jetzt aus den USA und auch den Niederlanden bekannt werden. Und was erwartet uns in Deutschland nach der Wahl?
Die AfD-AuĂenpolitik und Europa Rechtsaussen. Diesmal mit einem Ăberblick ĂŒber die aktuelle Situation der Rechtsparteien in Griechenland, zusammengestellt von Kolleg*innen von Simeio aus Athen.
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Wir erinnern an den NSU-Anschlag in der Kölner Probsteigasse am 19. Januar 2001
Am 19. Januar 2001 explodierte in einem GeschÀft in der Probsteigasse in Köln eine vom NSU platzierte Bombe. Die Tochter des Inhabers wurde bei dem rassistischen Anschlag lebensgefÀhrlich verletzt.
Ende Dezember 2000 deponierte der NSU eine Sprengfalle in Form einer Stollendose in dem GeschĂ€ft in der Kölner Probsteigasse. Diese explodierte am 19. Januar 2001, als die Tochter des Ladeninhabers die Dose öffnete. Die Ăberlebende des Anschlags in der Probsteigasse sagte am 118. Verhandlungstag des NSU-Prozesses aus. Sie berichtete, der Korb mit der Geschenkdose sei in der Weihnachtszeit abgegeben worden.
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Am 19. Januar sei sie zufÀllig im Laden gewesen, der Korb habe hinten herumgelegen, sie sei einige Minuten alleine in dem Raum gewesen, sei neugierig gewesen und habe sich gefragt, was sich in der Kiste befindet. Sie habe die Dose dann leicht aufgemacht und eine blaue Campinggasflasche gesehen. Dann habe es eine Explosion gegeben, einen lauten Knall, helles Licht, und sie habe danach auf dem Boden gelegen.
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Im NSU-Prozess war AndrĂ© Eminger angeklagt, Beihilfe zu diesem rassistischen Anschlag geleistet zu haben. Das Gericht in MĂŒnchen sprach ihn 2018 dafĂŒr frei. Im Dezember 2021 wies der Bundesgerichtshof die Revision der Bundesanwaltschaft gegen das Urteil gegen den NSU-UnterstĂŒtzer ab. Damit ist eine weitere Gelegenheit verpasst, im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Probsteigasse fĂŒr AufklĂ€rung zu sorgen. Die Nebenklage-Vertreterin der Familie, RechtsanwĂ€ltin Edith Lunnebach, sagte dazu: âWenn von Anfang an Fehler passieren, die nicht hĂ€tten passieren dĂŒrfen, dann kommt am Ende etwas raus, was man nicht unter dem Stichwort âein gerechtes Urteilâ zusammenfassen kann.â
Am 19. Januar 2025 erinnert eine Veranstaltung in der Probsteigasse / Ecke BlumstraĂe um 16.00 Uhr an den Jahrestag des Anschlages. Sie möchte daran erinnern, dass trotz des Prozesses in MĂŒnchen und der Untersuchung der AufklĂ€rungs- und Polizeiarbeit u.a. durch den Parlamentarischen NSU-Untersuchungssausschuss in NRW Fragen zur TĂ€terschaft und zur Verantwortung fĂŒr die mehr als defizitĂ€re AufklĂ€rung und Ermittlungsarbeit von Behörden und Justiz offen geblieben sind.
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41 Jahre nach dem Anschlag: Gedenken an Corinna Tartarotti am 7. Januar 2025 in MĂŒnchen
Gastbeitrag von Lina Dahm
Am 7. Januar 1984 verĂŒbten Rechtsterroristen der âGruppe Ludwigâ einen Brandanschlag auf die MĂŒnchner Diskothek âLiverpoolâ. Acht Menschen wurden teils schwer verletzt, in der Folge des Anschlags starb Corinna Tartarotti am 27. April 1984. Die 21-JĂ€hrige war eines der mindestens 15 Opfer, die in Folge der Mord- und Anschlagserie der rechtsterroristischen Gruppierung in Norditalien und Deutschland starben.
Entpolitisierung als KontinuitÀt
Die Auswahl der Opfer und Anschlagziele der âGruppe Ludwigâ waren nicht beliebig. Vielmehr traf es Menschen, die aus Sicht der vom italienischen Neofaschismus geprĂ€gten TĂ€ter als Bedrohung fĂŒr die sogenannte Volksgemeinschaft ausgemacht wurden und daher vernichtet â also ermordet â werden sollten.
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Im Fokus der âGruppe Ludwigâ standen Homosexuelle, ein Sinto, vermeintlich vom richtigen Weg abgekommene Geistliche, eine Sexarbeiterin namens Alice Maria Beretta aus Vicenza, Drogennutzer, wohnungslose Menschen â oder solche, die dafĂŒr gehalten wurden, wie der 17-jĂ€hrige Luca Martinotti, der in Verona ermordet wurde. Die Opfer waren Besucher*innen von Orten wie dem Club âLiverpoolâ in MĂŒnchen oder dem âEros Sexy Centerâ in Mailand, wo die TĂ€ter Feuer legten.
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Die Sicherheitsbehörden entpolitisierten die Taten lange, die Medien berichteten voyeuristisch und trotz der BrutalitĂ€t der TĂ€ter und der vielen Opfer blieb der gesellschaftliche Aufschrei fast völlig aus. Aktuelle Auseinandersetzungen zeigen, dass die Mord- und Anschlagserie eine politische Dimension haben, was sprachwissenschaftliche Analysen ihrer Bekennerschreiben und weitere Recherchen z. B. von Eike Sanders und Thomas Porena zeigen. Sie belegen, dass die Taten der âGruppe Ludwigâ, deren Mitglieder sich selbst als Elite sahen und von christlicher Moral und neonazistischen Vorstellungen getrieben waren, Botschaftstaten waren, die eine extrem rechte Vorstellung von Sexualmoral und âReinheitâ kommunizieren sollten.
Dabei handelt es sich um hasserfĂŒllte Ideologien, die bis heute auf fruchtbaren Boden fallen. Taten mit Genderkomponente werden weiterhin entpolitisiert, gleichstellungspolitische Auseinandersetzungen um Geschlecht oder Reproduktion verlaufen zĂ€h und das AusmaĂ des Hasses gegen Transpersonen ist erschreckend. Bis heute gibt es wenige Menschen, die an die Opfer der âGruppe Ludwigâ erinnern und den vielen Verletzten und Hinterbliebenen das sichere GefĂŒhl geben, dass sie geliebt, respektiert und Teil unserer Gesellschaft sind.
Erinnern und Gedenken in MĂŒnchen
Lange war der Anschlag vergessen, seit einigen Jahren erinnern linke Gruppen jedoch wieder an die Opfer. ZunĂ€chst im Rahmen von antifaschistischen SpaziergĂ€ngen und Demonstrationen, seit 2019 in Form von Kundgebungen am Tatort, die von der Antisexistischen Aktion MĂŒnchen (asam) organisiert wurden. Seit 2024 hat die Stadt MĂŒnchen das Gedenken ĂŒbernommen und ist auch dieses Jahr Ausrichterin der offiziellen Gedenkfeier am 7. Januar um 10 Uhr in der SchillerstraĂe 11A.
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+++ Termine +++
7. Januar, MĂŒnchen: Gedenkveranstaltung fĂŒr Corinna Tartarotti. EnthĂŒllung der Gedenkstele. 10 Uhr, SchillerstraĂe 11a. Mehr Infos hier.Â
7. Januar, MĂŒnchen: Gegen das Vergessen â In Gedenken an Corinna Tartarotti. VortrĂ€ge von Nicole Lasall und Monica Zornetta. 19 Uhr, KĂĆK. Mehr Infos hier.
7. Januar, Dessau: Gedenkdemonstration zum 20. Todestag von Oury Jalloh. 14 Uhr, Bahnhof Dessau. Mehr Infos hier.
9. Januar, MĂŒnchen: Antifa-CafĂ©: Von AfD bis ZahnlĂŒckentexte. Der Blick nach rechts mit Robert Andreasch. 20 Uhr, CafĂ© Marat. Mehr Infos hier.
10. – 12. Januar, Riesa: Afd-Parteitag verhindern! Mehr Infos hier.Â
10. und 31. Januar, Berlin: Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex. Kundgebungen voraussichtlich ab 8:30 Uhr vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Weitere Infos hier.
13. und 20. Januar, Schwerin: Sitzungen des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern zumThema: Nordkreuz-Netwerk. Ab 10 Uhr im Landtag in Schwerin. Weitere Infos hier.
14. – 23. Januar, Köln: Veranstaltungsreihe: Risse im Fundament. Ăber Diskriminierung in Staat, Politik und Gesellschaft. Uni Köln. Mehr Infos hier.Â
17. Januar, LĂŒbeck: „HafenÂstraĂe“. Rechercheprojekt von Helge Schmidt. 20 Uhr, Kammerspiele/Theater LĂŒbeck. Mehr Infos hier.
18. Januar, LĂŒbeck: Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von LĂŒbeck am 18. Januar 1996. 14 Uhr, Gedenkort HafenstraĂe Ecke KonstinstraĂe. Mehr Infos hier.
19. Januar, Köln: Erinnern, Anklagen, Handeln. Erinnerung an den Bombenanschlag des NSU in der Probsteigasse 2001. 16 Uhr, Probsteigasse/Ecke BlumenstraĂe. Mehr Infos hier.
22. Januar, Berlin: Wenn Antifaschist:innen Erfolg haben. Die lange verweigerte AufklĂ€rung der Morde an Burak BektaĆ (Berlin) und Samuel Yeboah (Saarland). Gemeinsamkeiten und Unterschiede. 19 Uhr, Regenbogenfabrik. Mehr Infos hier.
24. Januar, LĂŒbeck: Vorstellung der Webdokumentation âGegen unsâ. GesprĂ€ch mit der Journalistin und Dokumentarfilmerin Julia Oelkers ĂŒber die Erlebnisse der Ăberlebenden und die Folgen der Straflosigkeit des rassistischen Brandanschlags in LĂŒbeck 1996. 19 Uhr, Hansemuseum, Saal Beichthaus. Mehr Infos hier.Â
25. Januar, Dortmund: Mouhamed ist kein Einzelfall – Polizeigewalt hat System. Mit Hannah EspĂn Grau, Mohamed Amjahid, Vertreter:innen der Initiative 2. Mai, SolidaritĂ€tskreises Justice4Mouhamed. 18 Uhr, Nordpol. Mehr Infos hier.
Noch bis 31. Januar, Hannover: Ausstellung:Â Un|sichtbarer Terror. Orte rechter Gewalt in Deutschland. Pavillon Hannover. Mehr Infos hier.Â
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