Wie der Nordkreuz-Komplex entpolitisiert wurde. Kurzbericht zum 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschuss MV Januar 2025

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Der 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern setzt aktuell die Aufarbeitung des Nordkreuz-Komplexes fort. Offen bleibt allerdings weiterhin, warum das Nordkreuz-Netzwerk bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist und es für die Beteiligten kaum Konsequenzen gab.

Die Ausschussitzung am 13. Januar nahm die Rolle der Schweriner Staatsanwaltschaft in den Blick. 2017 ließ die Bundesanwaltschaft bei Nordkreuz-Mitgliedern in Mecklenburg-Vorpommern durchsuchen: Bei den wegen Terrorvorbereitung Beschuldigten Haik Jäger und Jan-Hendrik Hammer sowie bei den als Zeugen im Verfahren geführten Marko Gr. und Jan Ro. Obwohl bei der Durchsuchung bei Gr. Waffen, Munition sowie das Kassenbuch des Netzwerks gefunden wurden und er der Administrator der Chatgruppen im Nordkreuz-Komplex war, wurde das Verfahren nicht auf ihn ausgeweitet. Stattdessen wurde das Verfahren unter anderem wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Kriegswaffengesetz an die Staatsanwaltschaft Schwerin übertragen.

Der Ausschuss hörte die für das Verfahren gegen Marko Gr. zuständige Staatsanwältin Sc. und ihre Vertreterin Claudia Lange, die auch als Pressesprecherin für die Staatsanwaltschaft tätig war. Beide Zeuginnen stellten dar, dass die Staatsanwaltschaft Schwerin bei der Bundesanwaltschaft zweimal eine Übernahme des Verfahrens gegen Marko Gr. beantragt hatte. Die örtliche Staatsanwaltschaft kann selber nicht wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung tätig werden. Das erste umfangreiche Schreiben lehnte die Bundesanwaltschaft mit zwei dürren Zeilen ab. Lange sagte im Ausschuss, dass eine dermaßen begründungslose Ablehnung unüblich sei: „Da fühlt man sich nicht ernst genommen“. Auf das zweite Schreiben sei dann sogar gar keine Antwort mehr gekommen.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin trennte in der Folge einige Verfahren ab, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen und erhob Anklage gegen Marko Gr. Dieser saß ab 2019 in Untersuchungshaft. Marko Gr. wurde im Prozess zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Staatsanwältin Sc. betonte im Ausschuss, dass es ab neun Monaten Haft eine besondere Begründung brauche, um diese auf Bewährung auszusetzen. Diese habe nicht vorgelegen. Sie legte gegen das Urteil Revision ein. Die Generalstaatsanwaltschaft und die Bundesanwaltschaft schlossen sich an. Der Bundesgerichtshof wies die Revision dann allerdings zurück.

Bei seinem fünftägigen Prozess im Jahr 2019 erhielt Marko Gr. an jedem Prozesstag Unterstützung durch zahlreiche im Publikum anwesende Personen, darunter bekannte Nordkreuz-Mitglieder. Das Landgericht Schwerin interessierte sich nicht für den politischen Hintergrund und hatte insgesamt kein größeres Interesse an Aufklärung. Auf eine breite Beweisaufnahme wurde verzichtet, stattdessen wurden Aussagen, die bei der Polizei gemacht wurden, im sogenannten Selbstleseverfahren eingeführt, wurden also nicht in öffentlicher Sitzung verlesen, wie es eigentlich üblich wäre. Im Urteil nannte der Richter den Angeklagten „waffenbegeistert“ und verglich ihn mit einem Musiker, der auch nicht ohne sein Instrument auskäme. Gr.s Unterstützer*innen begrüßten das Urteil mit Applaus.

Unsere Prozessbeobachtung ist hier zu finden.

Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!