An diesem Verhandlungstag ist der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Henning Saß geladen. Er wird allerdings nur kurz von NK-Vertreter Scharmer befragt. Darauf folgen Verlesungen sowie Ablehnungen von Beweisanträgen durch den Senat.
Sachverständiger:
- Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrische Begutachtung von Beate Zschäpe)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Götzl: „Dann setzen wir im Verfahren fort.“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke ist wieder anwesend, nachdem er gestern von RA Maik Bunzel vertreten worden war. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl zur Verteidigung von Beate Zschäpe: „Bevor wir zur Anhörung Saß kommen: Der Beweisantrag wird sich verzögern, hatten Sie mir vorhin geschildert, also erst nächste Woche. Zu den angesprochenen Gefangenenakten, da ging es nur um Negativaspekte, die Sie angesprochen hatten, dass nichts enthalten sein soll. Lassen sich diese Aspekte auch mit dem Zeugen klären?“ Zschäpe-Verteidiger RA Borchert: „Der Beweisantrag wird sich nicht auf die Gefangenenakte stützen.“ Götzl: „Steht es im Zusammenhang? Es geht um die Abwicklung. Besteht da das Erfordernis, die Gefangenenakten beizuziehen?“ Borchert: „Ich sehe die Erfordernis nicht, aber wenn der Senat sie sehen würde.“
Götzl: „Dann würden wir zu Ihnen kommen, Herr Prof. Dr. Saß. Sind denn weitere Fragen an den Sachverständigen von Seiten der Verteidiger Frau Zschäpes? Keine Fragen? Sonst Fragen an den Sachverständigen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir drei haben im Moment keine Fragen. Wir müssten dann schauen, wie der Beweisantrag aussieht, das eventuelle Ergebnis weiterer Beweiserhebungen und dann weiter überlegen.“ Götzl: „Sind sonst Fragen? Herr Scharmer, noch eine Frage von Ihrer Seite.“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Dann stelle ich noch eine Frage. Herr Prof. Saß, es ist thematisiert worden. Meine Frage ist die folgende: Wenn man unterstellen würde, Frau Zschäpe hätte sich in den letzten fünf Jahren Untersuchungshaft ohne disziplinarische Auffälligkeit, vollständig beanstandungsfrei in der JVA geführt, hätte das auf Ihr Gutachten, die Einschätzung einen Einfluss?“ Saß: „Verstehe ich Sie richtig, dass Sie sich auf den Inhalt der Gefangenenpersonalakte beziehen?“ Scharmer: „Ich habe einfach nur versucht, zu unterstellen, Frau Zschäpe hätte sich vollkommen beanstandungsfrei in der Untersuchungshaft geführt, und ob das etwas an der Begutachtung ändern würde.“ Saß: „Natürlich bin ich zurückhaltend, etwas für einen Fall zu sagen, wo ich den genauen Inhalt nicht kenne. Es wäre eine interessante und wichtige Information. Aber grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass, wie ich es im Gutachten beschrieben habe, bei Frau Zschäpe über die vielen Jahre im Untergrund eine sehr tief eingeschliffene Fähigkeit besteht, sich unauffällig zu verhalten, bei den Urlaubsbekanntschaften, bei den Hausmitbewohnern, einen insgesamt unauffälligen Eindruck zu machen, so dass kein Verdachtsmoment auftauchte, dass sich etwas ganz anderes abspielt als nach außen dargeboten wird. Also das wäre zu berücksichtigen. So habe ich es aber im Gutachten auch schon ausgeführt im Hinblick auf die aufgezählten Informationsquellen und diesen Aspekt müsste man bei neuen Informationen sicherlich auch berücksichtigen.“
Es gibt keine weiteren Fragen. Götzl: „Mir geht es um die Terminlage bei Ihnen, Herr Prof. Saß.“ Saß: „An sich waren meine Terminplanungen so, dass ich mit Fertigwerden am Ende des letzten Jahres oder Januar gerechnet hatte. In der nächsten Woche könnte ich am Mittwoch erscheinen, mit einem möglicherweise späteren Eintreffen.“ Am Donnerstag sei er wegen eines anderen Termins in München, so Saß, aber da ließe sich noch für wenige Stunden etwas machen. Götzl: „Am Dienstag sind Sie verhindert?“ Saß: „Ja, da muss ich in Aachen sein.“ Götzl: „Wenn wir uns die Folgewoche noch ansehen, Dienstag, 7., dann 8./9.“ Saß: „Kann ich alle drei Tage ohne Einschränkungen. In der Woche drauf auch. In der Woche drauf auch.“ Götzl: „Sind denn für heute Anträge oder Erklärungen vorgesehen von irgendeiner Seite? Wenn nicht, dann machen wir eine Unterbrechung und setzen dann um 10:05 Uhr fort.“
Um 10:09 Uhr geht es weiter. Götzl: „Noch eine Nachfrage, Herr Rechtsanwalt Borchert: Der oder die ins Auge gefasste Zeuge oder Zeugin, wäre der oder die Betreffende kurzfristig beibringbar gegebenenfalls?“ Borchert: „Ja.“ Götzl wendet sich an Saß: „Dann werden wir heute mit Ihrer Befragung nicht weiterkommen, so dass Sie heute nicht länger hier bleiben müssen. Ich würde Sie bitten, dass Sie sich dann am kommenden Mittwoch wieder einfinden. Danke schön.“
Götzl: „Dann kommen wir zur Verlesung der Schriftstücke, deren beabsichtigte Verlesung am 08.12.2016 angekündigt wurde.“ Es handelt sich um ein Protokoll über kriminaltechnische Tatortarbeit und ein Behördengutachten des TLKA aus Akten der StA Gera. Bei dem ersten Schriftstück geht es um die Durchsuchung der Garage 5 des Garagenkomplexes an der Kläranlage vom 26.01.1998. Richter Lang beginnt das Schriftstück der EG TEX [Ermittlungsgruppe Terrorismus/Extremismus] zu verlesen, demzufolge es in Ergänzung des Protokolls vom 14.09.1998 [phon.] um die Vorlage weiterer Spuren und Vergleichsmaterialien gehe. Bei der Durchsuchung am 26.01.1998 seien umfangreiche Beweismittel sichergestellt worden, zur besseren Unterscheidung würden die Spuren und Vergleichsmaterialien mit Römisch Zwei versehen. Lang sagt, dass dann eine Unterschrift folge. Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm unterbricht und fragt: „Ist das ein Dokument?“ Götzl: „Es geht um zwei Schriftstücke, zum einen das Protokoll und zum anderen das Behördengutachten.“ Sturm: „Ich hatte es so verstanden, dass das erste Dokument zu Ende ist und damit die förmliche Verlesung.“
Lang setzt mit der Verlesung fort: „Übersicht über Spuren und Vergleichsmaterialien: ‚Zigarettenstummel, Handschuhe und Fingerlinge‘.“ Götzl: „Das war jetzt das erste Schriftstück.“ Sturm: „Ja, wir widersprechen der Verwertung und nehmen zur Begründung Bezug auf unsere Widersprüche zur Durchsuchung der Garage am 26.01.98.“
Es folgt dann das Behördengutachten des TLKA. Die Verlesung nimmt Richter Prechsel vor. Das Schriftstück enthält eine gerichtsbiologische Expertise an Spuren und Vergleichsmaterialien auf Antrag des TLKA im Verfahren gegen die Beschuldigten André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Als Untersuchungsmaterialien hätten fünf Filterzigarettenreste, drei Filterzigarettenreste, drei einzelne PE-Handschuhe und ein Latexhandschuh, drei einzelne PE-Handschuhe und zehn abgetrennte Fingerkuppen eines Latexhandschuhs vorgelegen. An den Filterzigarettenresten und den Handschuhen und Fingerkuppen sowie an Vergleichsblutproben seien PCR-Analysen durchgeführt worden. Es folgen dann längere Ausführungen zur DNA-Analyse und zum Vorgehen bei der konkreten Untersuchung. In der Zusammenfassung wird dann festgestellt, dass die an fünf Filterzigarettenresten und einem Filterzigarettenrest festgestellten Merkmale des Verursachers in allen Systemen mit denen der Beschuldigten Beate Zschäpe übereinstimmten. Die Merkmale an einer Spur [phon.] stimmten in allen Systemen mit denen des Beschuldigten Uwe Böhnhardt überein. Somit sei davon auszugehen, dass Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt Verursacher der Spuren sind. Götzl: „Sollen dazu Erklärungen abgegeben werden?“ Sturm: „Wir widersprechen insoweit ebenfalls der Beweisverwertung und nehmen wieder Bezug auf die wiederholt vorgetragenen Begründungen anlässlich der Durchsuchung der Garage am 26.01.1998.“
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge, für die Inaugenscheinnahme eines Briefes der Angeklagten an Robin Schmiemann die Öffentlichkeit auszuschließen [340. Verhandlungstag], sich erledigt haben. Der Antrag von RA Hoffmann auf Inaugenscheinnahme des Briefes sei vom Senat abgelehnt worden, daher hätten sich auch die Anträge von RAin Sturm auf Ausschluss der Öffentlichkeit erledigt.
Danach verkündet Götzl den Beschluss, dass die Beweisanregung von RA Narin vom 25.01.2017, Christian Sch. als Zeugen zu vernehmen [340. Verhandlungstag], nicht entsprochen wird. Götzl gibt zunächst die Beweisanregung zusammengefasst wieder. Dann kommt er zur Begründung der Ablehnung:
I. Die von Rechtsanwalt Narin vorgeschlagene Beweiserhebung ist ausdrücklich als Anregung formuliert. Dass es sich dabei lediglich um eine fehlerhafte Formulierung eines an sich von ihm gewollten Beweisantrags handelt, kann der Senat ausschließen. Rechtsanwalt Narin hat im Laufe der über 340-tägigen Hauptverhandlung bereits mehrmals Beweisanträge im Sinne von § 244 Abs. 3 bis 6 StPO korrekt formuliert gestellt, so dass ihm die formellen Voraussetzungen eines Beweisantrags und die hierfür erforderlichen Formulierungen bekannt sind.
II. Über die demnach hier vorliegende Beweisanregung entscheidet das Gericht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht.
1. Diese Amtsaufklärungspflicht reicht so weit wie die aus dem gesamten Prozessstoff bekannt gewordenen Tatsachen zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahe legen. Dabei muss nur den erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachgegangen werden. Die Aufklärungspflicht, deren Rahmen durch die prozessuale Tat abgesteckt wird, erstreckt sich auf alle rechtlich erheblichen Tatsachen. Das bedeutet nicht, dass versucht werden muss, jedes Detail der Vorgeschichte oder des Randgeschehens zu ermitteln. Der Tatrichter ist nicht zu ausufernder Aufklärung verpflichtet. Kern und Ausgangspunkt des Aufklärungsgebotes ist es, die Wahrheit in Bezug auf die zu beurteilende Tat zu erforschen und deren tatbestandsverwirklichenden Unrechtsgehalt festzustellen. Es kommt darauf an, ob bei verständiger Würdigung der Sachlage durch den abwägenden Richter die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf – und dieser ist entscheidend – möglicherweise widerlegt, in Frage gestellt oder als begründet erwiesen hätte. Im Rahmen des ihm von Recht und Gesetz eingeräumten Ermessens darf der Richter auch bedenken, wie bei gewissenhafter Verwirklichung des Aufklärungsgebotes die Wichtigkeit der Zeugenaussage oder einer sonstigen Beweiserhebung für die Wahrheitsfindung einerseits gegen das Interesse an einer reibungslosen und beschleunigten Durchführung des Verfahrens andererseits zu beurteilen ist. Bei dieser Interessenabwägung verliert die Aufklärungsmöglichkeit in dem Maße an Gewicht, in dem eine konkrete Verknüpfung mit dem Schuldvorwurf, die genaue Bezeichnung der Tatsachen, die der Zeuge bekunden soll und der Umstände, auf denen sein Wissen beruht, fehlen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der gegenständliche Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht mit der in der Anklage bezeichneten Tat deckt. Zu dieser sind alle Tatsachen festzustellen, die für die Anwendung des materiellen Strafrechts maßgeblich sind.
2. Die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO drängt nicht dazu, den Zeugen Sch. in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze ist nicht erkennbar, dass die Vernehmung des Zeugen im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den angeklagten Personen zu einem Aufklärungsgewinn führen würde: a. Der Umstand, dass der Zeuge über einen Zeitraum von ungefähr einem Jahr bis zum 30.10.2011 regelmäßig über das Internet mit Uwe Mundlos kommuniziert habe und sich mit Uwe Mundlos per E-Mail oder mittels der Software „Teamspeak“ zeitweise nahezu täglich ausgetauscht und insbesondere zum Spielen verschiedener Computerspiele verabredet habe, erbringt ersichtlich keinen Aufklärungsgewinn. Hinweise dafür, dass der Zeuge aufgrund dieser Kontakte nähere und noch nicht bekannte Angaben zur Beziehung der Personen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe untereinander machen könnte, sind nicht vorhanden. Rechtsanwalt Narin hofft dies lediglich, indem
er in seiner mündlichen Erwiderung auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts ausführte, „vielleicht könne sich der Zeuge von der Beziehung ein Bild machen“. Tatsachen, die diese Vermutung stützen könnten, sind allerdings nicht vorhanden. Auch aus der polizeilichen Vernehmung des Zeugen ergeben sich diesbezüglich keine Hinweise.
b. Der Umstand, dass, nach Angaben des Zeugen, Mundlos sich als „Max Burkard“ vorgestellt und angegeben habe, dass er gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Freundin „Lieschen“ in Zwickau wohnhaft sei, erbringt keinen Aufklärungsgewinn im oben dargestellten Sinne. Diese Umstände sind bereits erwiesen. Sofern die Verwendung des Begriffs „Freundin“ eine sexuelle Beziehung zwischen Mundlos und der Angeklagten Zschäpe im Jahr 2011 belegen soll, ist der Zeuge nicht geeignet, den diesbezüglichen Nachweis zu erbringen. Der Zeuge hat hierzu keine eigenen Wahrnehmungen, sondern kann lediglich eine Äußerung des verstorbenen Uwe Mundlos ihm gegenüber wiedergeben. Es besteht nach Ansicht des Senats jedoch die naheliegende Möglichkeit, dass Uwe Mundlos im Rahmen der Erläuterung seiner „Legende“, bei der er den Zeugen in zahlreichen Details belog, ebenfalls wahrheitswidrig von der Angeklagten als seiner Freundin sprach. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang nur erwähnt, dass Uwe Mundlos laut dem Zeugen angegeben habe, er, Mundlos, sei am 20. Januar geboren. Der tatsächliche Geburtstag von Uwe Mundlos war jedoch am 11. August. c. Gleiches gilt für die Umstände im Zusammenhang mit der Kommunikation per Skype und dass dies die Freundin gestört habe. Auch hier besteht die Möglichkeit, dass Uwe Mundlos aus welchen Gründen auch immer den Skype-Kontakt mit dem Zeugen abbrechen wollte und wahrheitswidrig die Begründung vorschob, die Freundin störe dies. Ein Schluss auf bestimmende Persönlichkeitszüge bei der Angeklagten Zschäpe lässt sich vor diesem Hintergrund nicht ziehen.
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen für Demographie abgelehnt ist, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Götzl wiederholt zunächst die wesentlichen Punkte aus dem [rassistischen – Anm. NSU-Watch]Antrag der Wohlleben-Verteidigung [340. Verhandlungstag]. Dann macht er im Begründungsteil der Ablehnung unter I. die üblichen Ausführungen dazu, wann eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache aus tatsächlichen Grün den für die Entscheidung bedeutungslos ist. Danach führt er zu den konkreten Gründen der Ablehnung aus:
II. Die im Tenor aufgeführten und unter Beweis gestellten Umständen sind für die
Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung, § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO:
1. Die Beweistatsachen, die durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden sollen und im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellt werden, belegen zusammengefasst, dass verschiedene demographische Phänomene dazu führen werden, dass das „deutsche Volk in seiner bisherigen Identität im Jahre 2050 eine Minderheit gegenüber den Nichtdeutschen sein wird“. Aufgrund dieser Entwicklungen könne man vom „drohenden Volkstod“ sprechen und den Endpunkt dieser Entwicklungen als „Volkstod“ bezeichnen.
2. Diese unter Beweis gestellten und hier als erwiesen unterstellten Umstände sind für die Entscheidung jedoch tatsächlich ohne Bedeutung. Die Beweistatsachen sind sowohl isoliert betrachtet, als auch im Zusammenhang mit den Vernehmungen der Polizeibeamten vom Staatsschutz Jena, als auch in Verbindung mit dem beim Angeklagten Wohlleben sichergestellten weißen Feuerzeug tatsächlich ohne Bedeutung.
a. Eine isolierte Betrachtung der als erwiesen unterstellten Beweistatsachen lässt keine Schlüsse im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage zu. Die Beweistatsachen verhalten sich nicht zu den angeklagten Taten. Sie lassen auch keine Zuordnung einer bestimmten für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage relevante Gesinnung beim Angeklagten Wohlleben zu.
b. Eine Betrachtung der als erwiesen unterstellten Beweistatsachen im Zusammenhang mit den Vernehmungen der Polizeibeamten vom Staatsschutz Jena lässt ebenfalls keine Schlüsse im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage zu. i. Die Antragsteller tragen vor, der Senat habe es für erforderlich gehalten, durch die Vernehmung der Kriminalbeamten Pr. , K., Ke. und Ku. Erkenntnisse der Zeugen zu den Ansichten, Äußerungen und Aktivitäten des Angeklagten Wohlleben hinsichtlich der Ausländer- bzw. Asylpolitik und zu Straftaten von Angehörigen der rechten Szene zu erheben. Da es bei diesen Zeugenvernehmungen auch um Ansichten und Äußerungen des Angeklagten zu den Beweisthemen gegangen sei, sei es in diesem Zusammenhang erforderlich geworden aufzuklären, was sich hinter dem Begriff „Volkstod“ und dem Begriffspaar „Volkstod stoppen“ verberge. ii. Eine Bedeutung der Beweisthemen ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Keiner der aufgeführten Zeugen hat in der Hauptverhandlung die Begriffe auch nur erwähnt und den Angeklagten Wohlleben gar in irgendeiner Weise in Zusammenhang mit diesen Begriffen gebracht.
c. Eine Betrachtung der als erwiesen unterstellten Beweistatsachen im Zusammenhang mit der Inaugenscheinnahme eines beim Angeklagten Wohlleben sichergestellten Feuerzeugs mit u.a. der Aufschrift „Volkstod stoppen!“ lässt ebenfalls keine Schlüsse im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage zu. i. Die Antragsteller tragen sinngemäß vor, die Bedeutung der unter Beweis gestellten Tatsachen folge aus dem Umstand, dass das beim Angeklagten Wohlleben sichergestellte Feuerzeug mit dem oben genannten Aufdruck in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurde. ii. Allein aus dem Umstand, dass der Senat Beweisanträgen auf
Inaugenscheinnahme des Feuerzeugs und Verlesung des dort befindlichen Aufdrucks nachgekommen ist und diese Anträge nicht abgelehnt hat, folgt nicht, dass der Aufdruck auf dem
Feuerzeug für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage tatsächlich von Bedeutung ist: (1) Die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestatten dem Gericht die Ablehnung von Beweisanträgen, sie zwingen es aber nicht dazu. Es darf trotz des Vorliegens eines Ablehnungsgrundes einem Beweisantrag entsprechen, wenn es sich davon eine Förderung des Verfahrens oder eine reibungslose Abwicklung der Hauptverhandlung verspricht. (2) Letzteres ist hier der Fall. Der Senat ist dem Beweisantrag durch Inaugenscheinnahme des Feuerzeugs und Verlesung darauf befindlichen Aufdrucks nachgekommen. Beides hat nur wenig über eine Minute Zeitaufwand bedeutet. Eine Ablehnung des Beweisantrags durch Beschluss hätte deutlich mehr Arbeitsaufwand für den Senat bedeutet. Daneben wäre auch der Zeitaufwand in der Hauptverhandlung bei Verlesung eines Ablehnungsbeschlusses höher gewesen als bei der relativ wenig Zeit kostenden Inaugenscheinnahme des Feuerzeugs und der Verlesung des kurz gefassten Aufdrucks.
iii. Die unter Beweis gestellten Umstände könnten dann tatsächliche Bedeutung erlangen, wenn der Senat den Aufdruck auf dem sichergestellten Feuerzeug als Indiz für die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben heranziehen würde. Dies ist allerdings nicht der Fall. Aufgrund des vorhandenen erheblichen zeitlichen Moments und der Art des Asservats zieht der Senat aus dem Aufdruck auf dem sichergestellten Feuerzeug keine Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben zu der in der Anklageschrift angenommenen Tatzeit im Jahr 1999/2000. Es sind keine Belege dafür vorhanden, dass die Einstellung des Angeklagten im Zeitraum von 1999/2000, also der angeklagten Tatzeit, bis ins Jahr 2011, also dem Jahr der Sicherstellung des Feuerzeugs, in allen Aspekten stabil geblieben ist. Selbst wenn der Angeklagte
demnach im Jahr 2011 der inhaltlichen Aussage des Aufdrucks auf dem Feuerzeug zustimmte und sie sich zu eigen gemacht hätte, wertet dies der Senat nicht als Indiz dafür, dass er dies auch schon im Tatzeitraum getan hatte. Vor diesem Hintergrund sind dann auch die unter Beweis gestellten Umstände ohne Bedeutung, da dem oben genannten Aufdruck auf dem Feuerzeug ebenfalls keine tatsächliche Bedeutung zukommt.
3. Eine Bedeutung aller unter Beweis gestellten Umstände im Hinblick auf die Angeklagten Zschäpe, Eminger, Gerlach oder Schultze ist nicht ersichtlich.
Götzl: „Sind denn dann für heute noch Anträge oder Erklärungen? Wir haben für morgen den Zeugen Schüller geladen, der kann erst um 11:30 Uhr kommen. Dann wird für heute unterbrochen, Fortsetzung morgen um 11:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 10:45 Uhr.
Das Blog „NSU-Nebenklage“ zum 346. und 347. Verhandlungstag: „Befragung des Prof. Saß immer noch nicht ganz abgeschlossen. – Die Befragung des Sachverständigen Prof. Saß durch die verschiedenen VerteidigerInnen Zschäpes füllte den gesamten Dienstag aus. RA Stahl versuchte erfolgslos, die Methodik des Sachverständigen als pseudowissenschaftlich anzugreifen. Rechtsanwältin Sturm warf Saß vor, er habe die Chance nicht ergriffen, über den Vorsitzenden Fragen an Zschäpe zu stellen – recht dreist angesichts der Tatsache, dass Zschäpe sowohl eine Exploration durch Saß als auch die Beantwortung von dessen Fragen verweigert hatte. Saß stellte dann auch klar, dass die Beantwortung von Fragen in schriftlicher Form über die Verteidiger, wie dies ja gegenüber dem Gericht praktiziert wurde, für sein Gutachten keinerlei Wert hätte. Im Anschluss versuchten sich noch die Rechtsanwälte Borchert und Grasel, wobei Borcherts Befragung zahlreiche Verteidigungsziele der Altverteidiger torpedierte. So fragte er nach der Bedeutung bestimmter Einschätzungen des Sachverständigen Nedopil, der Zschäpe in der Zeit des massiven Streits mit den AltverteidigerInnen untersucht hatte. Dieses Gutachten war bislang mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte Zschäpes nicht zur Akte genommen worden. Nachdem Borchert aus dem Gutachten vorgelesen hatte, wurde es nun in Kopie an alle Prozessbeteiligten verteilt. Im Ergebnis bestätigten Nedopils Angaben Saß in seiner Einschätzung, dass Zschäpe gegenüber ihren VerteidigerInnen eine sehr starke, kontrollierende Stellung eingenommen hatte. Erneut wurde damit die Selbstdarstellung Zschäpes als schwache Frau, die nur gemacht habe, was erst Mundlos und Böhnhardt und dann ihre VerteidigerInnen von ihr gefordert hätten, massiv in Frage gestellt. […] Es wurden dann Dokumente zur Durchsuchung der Garage mit der Bombenwerkstatt am 26.01.1998 verlesen. Dort fanden sich u.a. sechs Zigarettenkippen mit DNA-Material, das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von Beate Zschäpe stammt – ein deutlicher Hinweis darauf, dass diese zuvor in der Bombenwerkstatt gewesen war.“
https://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/02/15/14-15-02-2017/