NSU-Watch Protokoll vom 4. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 18.12.2019
Der Prozesstag beginnt um 09:17 Uhr. Zunächst verliest der Vorsitzende Richter einen Vermerk, in dem es heißt, am 12.12.2019 sei die Kammer zur Auffassung gekommen, dass eine Abtrennung des Einziehungsverfahrens nicht möglich sei. Dabei habe sich das Gericht an einer von dem Beamten Le. erstellten Exceltabelle mit allen Waffen- und Munitionsfunden orientiert. Le. sei daher heute ein weiteres Mal als Zeuge geladen. Daher könne Marko G. nun eine konkretisierte Verzichtserklärung abgeben.
Eine letzte Zeugenanhörung
Oliver Le., Polizeibeamter beim LKA, wafffenrechtliche Einschätzung
Der Zeuge Le. [3. Verhandlungstag] wird herein gebeten. Der Richter sagt, es gebe zwei Übersichten mit Empfängern der Munition und der Waffen. Le. gibt an, dass er ausgehend von den Losnummern Kontakt zu den Herstellern aufgenommen habe, die Verkaufswege ermittelt und die Lieferscheine angefordert habe. Dabei habe er u.a. die Information erhalten, dass es mal einen legalen Empfänger, mal mehrere legale Empfänger der Munition gegeben habe. Wenn es sich um Behördenmunition gehandelt habe, habe er dann die entsprechenden Ressorts angeschrieben, um zu erfahren, was damit geschehen sei. Der Zeuge listet dann nach Jahren sortiert einige ausgewählte Positionen auf. So seien bei der Durchsuchung 2019 100 Patronen gefunden worden, die zur Landespolizei Bayern gehört hätten. Es sei Munition der Polizei Sachsen dabei gewesen. Die Doppelmantelgeschosse des Kalibers 5,45 hätten zwei Empfänger gehabt, die Bundeswehr und das LKA Mecklenburg-Vorpommern, das seien 500.000 Schuss Munition gewesen, die über die Bundeswehr an die Regierung im Irak weitergeleitet worden seien, ein Teil sei eben an das LKA Mecklenburg-Vorpommern gegangen. 25 Schachteln mit 1250 Patronen, 9mm seien 2007/2008 nach Schleswig-Holstein gegangen, dann laut Lieferschein nach Mecklenburg-Vorpommern. Der Richter fragt, wie der Zeuge das veraktet habe. Der Zeuge erklärt seine Vorgehensweise, die im Sonderheft 23 zu sehen sei. Der Richter legt die sechs Bände des Sonderhefts 23 vor, um die Tiefe der Nachforschung zu verdeutlichen. Zu den Ausführungen des Zeugen gibt es dann keine weiteren Fragen.
Der Richter fragt den Angeklagten, ob er eine Erklärung des Verzichts abgeben wolle. Marko G. erklärt, er verzichte auf sämtliche in der Anklageschrift vom 19.09.2019 erwähnten Waffen und Munition. Er listet dann über zehn Minuten alle Gegenstände auf. Anschließend wiederholt die Gerichtsschreiberin die ganze vorgetragene Liste noch einmal. Die StA nimmt die Erklärung des Angeklagten an. Sodann verliest der Richter eine Liste von Dokumenten, die in Augenschein genommen werden sollen. Alle Prozessbeteiligten gehen nach vorne zur Richterbank zur Inaugenscheinnahme. Für die Öffentlichkeit sind die Inaugenscheinnahmen an der Richterbank nicht vollständig sichtbar.
Danach erklärt der Richter den Abschluss des Selbstleseverfahrens und dass Richter, Schöffen und die übrigen Prozessbeteiligten Gelegenheit hatten, die Dokumente zu lesen. Alle stimmen zu.
Dann stellt der Richter fest, dass das Bundeszentralregister zum Angeklagten keinen Eintrag enthält. Damit wird mit allseitiger Zustimmung die Beweisaufnahme geschlossen.
Die Plädoyers im Prozess gegen Marko G.
Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft Schwerin
Es kommt zu den Plädoyers. Es beginnt die Staatsanwaltschaft, zunächst die Staatsanwältin. Sie wiederholt im Grunde die in der Anklageschrift gemachten Ausführungen zu den Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz. Diese hätten sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestätigt. Der am 12.10.1970 geborene Angeklagte habe im Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern als Polizeivollzugsbeamter und beim SEK des LKA Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet. Nach einem Schießtrainerlehrgang sei er als Schießtrainer und als Präzisionsschütze tätig gewesen. Er habe privat und beruflich großes Interesse an Waffen und am Umgang damit, er habe die Verstöße begangen, um seine „waffenrechtlichen Befindlichkeiten zu verwirklichen“. Marko G. habe angegeben, die Chatgruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ seien zur Krisenprävention im Krisenfall gegründet worden. Es sei um Vorsorge für Krisensituation, etwa Naturkatastrophen, Hackerangriffe oder Stromausfall gegangen. Es sei darum gegangen, ein Infonetzwerk für Krisensituationen in Nord, Süd, West und Ost aufzubauen, G. sei einer der Administratoren in der Gruppe gewesen. Im Dezember 2015 sei er der Gruppe „Nord“ beigetreten, das sei ein bundesweites Netzwerk, das sich für einen „Tag X“ gegenseitige Hilfe versprochen habe und sich darauf vorbereitet habe. Marko G. habe zur zur effektiven Umsetzung der Pläne die „Nordkreuz“ und „Nord.com“ Chatgruppen gegründet, die 40 Mitglieder hätten sich aus Polizisten, Rechtsanwälten, Ärzten, Soldaten zusammengesetzt. So sei der gesondert verfolgte Jan-Henrik H. Rechtsanwalt und ein weiterer gesondert Verfolgter ebenso.
Man habe unter anderem Übungen abgehalten, sich kennengelernt und Vorräte angelegt, um einige Tage oder Wochen zu überleben. Es sei um ein Überleben wie in der Wildnis gegangen. In den Gruppen seien viele Jagdeberechtigte oder Mitglieder von Schützenvereinen dabei gewesen, es habe regelmäßige Treffen gegeben. „Nord.com“ sei auf Kommunikation ausgerichtet gewesen, in der Gruppe „Vier gewinnt“ habe G. eine „SAP-Kurzfassung“, eine Art Verhaltenscodex der Gruppe weitergeleitet, diesen habe er 2015 von seinem bekanntem Frank Th. erhalten. Die Mitglieder sicherten ihre Gefolgschaft zu, es habe Schießübungen gegeben. Rechtsanwalt Jan-Hendrik H. habe 2016 zu einer Geburtstagsfeier mit Wettschießen eingeladen in deren Rahmen ein Pokal ausgelobt gewesen sei, der „Mehmet-Turgut-Gedenkpokal“ geheißen habe.
Es sei auch Geld eingesammelt worden, um beispielsweise Lebensmittel, Kraftstoff oder Leichensäcke zu erwerben. Die Buch- und Kassenführung habe beim Angeklagten G. gelegen. Man habe Depots ausfindig machen wollen, der Angeklagte habe als Waffenexperte illegale Waffen und Munition von der Bundeswehr und von Polizeidienststellen besorgen sollen, die jedoch zuvor nur zu dienstlichen Zwecken ausgereicht worden seien. G. habe den Mitgliedern der Chatgruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ 40.000 Schuss Munition bereitgestellt.
Die Staatsanwältin sagt, zum Komplex eines Reservistenverbands und eines „Safehouses“ sei ein Ermittlungsverfahren gegen Jan-Hendrik H. und Haik J. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat anhängig, in welchem Marko G. als Zeuge geführt werde. Im Rahmen dieses GBA-Verfahrens habe die Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshofes die Durchsuchung des Anwesens des Angeklagten angeordnet. Durchsucht worden seien Wohnräume und Nebengelasse sowie eine blaue Abfalltonne. Es seien 23.000 Schuss Munition, Waffen und Irritationskörper gefunden worden. Diese seien nicht sachgemäß gelagert worden und seien somit als Gefahr für die Kinder und die Lebensgefährtin des Angeklagten anzusehen. Es seien Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz festgestellt worden.
Die Staatsanwältin sagt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass G. sich – wie er während der Hauptverhandlung angegeben habe – am Tag der Durchsuchung zu früher Stunde schon auf ein Schießtraining vorbereitet habe und im Aufbruch begriffen gewesen sei und sich nach Anschlagen des Hundes mit seiner durchgeladenen Pistole der Eingangstür genähert habe, er jedoch noch rechtzeitig festgestellt habe, dass ein SEK der Bundespolizei vor der Tür gestanden habe und Pistole deeskalierend abgelegt habe. Neben der Glock sei im Haus eine Pistole der Marke Luger, ein beidseitig geschliffener Dolch, 6700 Patronen unterschiedlichen Kalibers, insgesamt 1440 Patronen Behördenmunition von der Bundeswehr sowie von verschiedenen Polizeien der Länder u.a. Hessen gefunden worden.
Es seien auch zwei Bundeswehr-Übungsgranaten, zwei Knallpatronen sowie Signalpatronen gefunden worden. Darunter seien Patronen, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterlägen. Es sei dem Angeklagten bekannt gewesen, dass er diese nicht habe besitzen dürfen. Er habe drei Kollegen, die dazu später im Verfahren ausgesagt hätten, aufgefordert Munition aus den Beständen des LKA Mecklenburg-Vorpommern zu besorgen, diese Kollegen würden gesondert verfolgt. Es liege ein Chatverkehr zu diesem „Organisieren“ vor. Am 28.08.2017 seien in der unverschlossenen blauen Mülltonne über 1000 Patronen gefunden worden, die nur von SEKs benutzt würden und mithin nicht von Marko G. legal hätten erworben werden können. An diesem Tag sei alles inklusive der Waffenbesitzkarten, der Waffen- und Munitionserwerbsscheine aufgrund einer sofortigen Sicherstellungsanordnung mitgenommen worden. Noch im selben Jahr habe die Auskleidung von Marko G. und Einziehung der Dienstgegenstände stattgefunden.
Am 12.06.2019 habe die nächste Durchsuchung beim Angeklagten stattgefunden und es seien 31.400 Schuss Munition und Waffen und Sprengkörper festgestellt worden. Der Staatsanwalt sagt, diese habe der Angeklagte wohl schon vorher besessen und bei seiner Schwiegermutter gelagert. Auch Munition nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz sei wieder dabei gewesen, diese habe G. wohl „unter der Hand“ mit einem Unbekannten besorgt, vermutlich einem Bundeswehr-Angehörigen. Unter den Funden sei auch Behördenmunition der Bereitschaftspolizei Bayern gewesen. Außerdem seien 1500 Gramm Treibladungspulver, sechs Irritations- und Irritationswurfkörper gefunden worden. Neben der Munition habe sich eine Uzi aus Bundeswehrbeständen angefunden, die der Angeklagte im November 2009/10 für 500 Euro auf einer Waffenmesse in Kassel von einem Unbekannten illegal erworben haben will. Zur Uzi habe es einen Schalldämpfer mit einer Schraubenmutter gegeben, die Uzi sei vom Panzergrenadierbatallion Brandenburg entwendet worden, diese sei zur Sachfahndung ausgeschrieben. Außerdem seien ein Winchester-Gewehr und diverse Schreckschusspistolen festgestellt worden. Für die Uzi und Winchester habe der Angeklagte keine Erlaubnis nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz besessen. Der GBA habe eine Übernahme des Verfahrens jedoch wegen des Fehlens tatsächlicher Hinweise auf die Beteiligung von Marko G. an der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat abgelehnt.
Nun übernimmt der Staatsanwalt. Er sagt, Marko G. habe ein umfassendes Geständnis abgelegt, wodurch die Tatvorwürfe feststünden. Die StA folge dem Geständnis bis auf wenige Punkte. Die Behauptung, es habe keine Zugriffsmöglichkeit anderer auf Waffen und Munition gegeben, stelle sich der StA anders dar. Der Behauptung, es habe sich nur um Krisen- und Gewaltprävention gehandelt stehe die kritische Haltung des Angeklagten und seiner Gruppe zur Regierung gegenüber. Die Behauptung des Angeklagten, ihm sei Benennung und Bedeutung des „Mehmet-Turgut-Pokals“ nicht bekannt gewesen, stelle die StA in Abrede. Dass der Angeklagte bis zum Frühjahr 2018 davon ausgegangen sei, dass er zum SEK zurückkehren könne, sei abwegig. Die Aussage, es habe keine Geldsammlung für Waffen gegeben, stelle sich der StA anders dar, mit der Behauptung, es habe sich nur um Gedankenspiele gehandelt, verhält es sich angesichts der Chatprotokolle und der Aussage des Zeugen We. [3.Prozesstag] anders. Dass die Bilder im Chat nicht ernst gemeint gewesen seien und dem Angeklagten jede extremistische Tendenz fremd sei, stelle sich der StA anders dar. Dass die 223 Patronen Doppelkernmunition nach einem Tausch mit einem Bundeswehr-Angehörigen in den Besitz von Marko G. gelangt seien, stelle sich ebenfalls anders dar. Diese würden eindeutig aus Beständen des LKA Mecklenburg-Vorpommern stammen, ein Tausch sei mithin ausgeschlossen.
Im Ergebnis habe sich der Angeklagte folgender Straftaten schuldig gemacht: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Verstoß gegen das Waffengesetz und Vergehen gegen Sprengstoffgesetz.
Die StA folge dem rechtlichen Hinweis des Gerichts, dass die Vergehen zueinander in Tateinheit stünden: Es sei nur eine Tat gewesen, als Klammer könne der andauernde Besitz der Uzi von 2009/10 bis zur zweiten Durchsuchung betrachtet werden. Der Strafrahmen liege zwischen einem Jahr und fünf Jahren Freiheitsentzug. Es sei nun die Aufgabe, eine möglichst gerechte Sanktion gegen den Angeklagten zu finden: Wie seien die Vergehen zu bestrafen? Der Staatsanwalt macht dazu zunächst allgemeine Ausführungen. Die Schuld des Täters sei unter „Abwägung der Beweggründe und der Ziele die Grundlage unter Berücksichtigung der Wirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Angeklagten“ zu bestimmen. Zu betrachten seien das Vorleben sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Man müsse die Bedeutung des Falls in strafrechtlicher und medialer Hinsicht sowie im Hinblick auf das Vertrauen der Bevölkerung betrachten und trotzdem eine gerechte Strafe finden. Der Satz, eine Überdosis sei immer schädlich, gelte auch für eine Überdosis Strafrecht, auch sei der Ruf und die Forderung nach harter Bestrafung nicht in jedem Fall der richtige. Die Entscheidung, ob hier ein minderschwerer Fall vorliege, sei entscheidend, denn dann könnte sich herausstellen, dass aufgrund des gesamten Tatbilds und der subjektiven Täterhaltung eine hohe Strafe nicht gerechtfertigt erscheine.
Zu Marko G. sagt der Staatsanwalt, selbst als einstiger Polizeibeamter, Schießtrainer und Präzisionsschütze habe man schon am 28.08.2017 viele Waffen und viel Munition bei ihm gefunden, am 12.06.2019 sei er erneut im Besitz großer Mengen Munition sowie einer Uzi gewesen. Dies habe zum Teil gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Der Angeklagte habe sich diese Waffen und Munition gemeinsam mit Mitgliedern der Chatgruppe besorgt, um sie in gesellschaftlichen Krisensituationen einzusetzen. Das sei als Straftat durchaus schwerwiegend: Das Sammeln von Waffen in solchem Umfang als besonders ausgebildeter Beamter bedeute eine zusätzlich drastisch erhöhte Gefahr. Auch der Umfang der Zivilmunitionsfunde sei nicht geeignet, einen minder schweren Fall zu konstruieren. Gegen den Angeklagten spreche, dass er nach der ersten Durchsuchung 2017 dann 2019 wieder große Mengen Munition angesammelt habe, obwohl die erste Durchsuchung ja wohl eine überdeutliche Warnung gewesen sei. Marko G. sei ein besonders sachkundiger und ausgebildeter Beamter, weshalb seine Taten geeignet seien, dem Ansehen und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei einen kaum wieder gut zu machenden Schaden zuzufügen. Auch habe er Kollegen in Misskredit gebracht.
Für den Angeklagten spreche, dass er durch sein Geständnis zu einer erheblichen Verkürzung und Vereinfachung des Verfahrens beigetragen habe. So müsse man es jedoch nicht zwingend sehen, weil Waffen und Munition ja als Beweismittel gefunden worden seien. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, die Möglichkeiten eines beruflichen Neuanfangs seien schwierig, die Untersuchungshaft habe unter besonders harten Umständen stattgefunden, die mit einer Isolation vergleichbar seien. Der Staatsanwalt merkt an, Marko G. sei zwar für Extremsituationen ausgebildet, habe hier aber eine hohe Haftempfindlichkeit gezeigt. Der Angeklagte meine, dass er durch die Presseberichterstattung in Wort und Bild vorverurteilt worden sei. Er habe anstandslos auf die sichergestellten Waffen und Munition verzichtet. Damit halte die StA zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsentzug für angemessen, der Haftbefehl sei aufrecht zu erhalten, die Kosten des Verfahrens trage der Angeklagte.
Das Plädoyer der Verteidigung von Marko G.
Es folgt das Plädoyer der Verteidigung. Zunächst spricht Rechtsanwalt Knye. Dieser sagt, er müsse zurückkehren zur Eröffnungsrede. Sie hätten die Verteidigung damit begonnen, nochmal daran zu erinnern, worum es hier gehe. Es sollte ein sachliches Verfahren sein, frei von politischen Einflussnahmen. Er, RA Knye, könne dem Gericht bescheinigen, dass sich daran orientiert habe und in einer Weise verhandelt worden sei, dass das zu Tage gekommen sei, was hier relevant sei: Verstöße gegen das Waffen-, das Kriegswaffenkontroll- und das Sprengstoffgesetz. Die StA habe sich der vorherigen Absprache nicht verschrieben. Ihr Plädoyer trage Teile aus der Anklage mit Bezug zum GBA-Verfahren in sich, doch sei der hiesige Prozess dieses Verfahren nun gerade nicht. Marko G. sei nur Zeuge in dem GBA-Verfahren und nicht vorbelastet. Bei den medialen Veröffentlichungen habe er oft das Gefühl gehabt, an einer anderen Verhandlung teilgenommen zu haben. In dieser sei es wohl nur um die Wiederholung von Schlagworten mit negativer Konnotation gegangen, das sei wohl moderner. Aber wenn die StA das mache, sei das nicht akzeptabel.
Zum äußeren Rahmen sagt der Rechtsanwalt, das habe die StA mit reingebracht ins Verfahren. Auch in der Verfahrensgeschichte habe bis einen Tag vor Beginn der Hauptverhandlung eine Absprache gegolten, die das Gericht sauber protokollarisch dokumentiert habe. Diese habe gelautet, dass es beim Angeklagten bei voller Geständigkeit zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung kommen solle, so habe die Verteidigung sich und ihren Mandanten vorbereitet. Es sollte ruhig und sachlich verhandelt werden, gehe es doch nur um das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Wenn die StA nun, mit noch einem Oberstaatsanwalt zusätzlich, völlig überraschend mitteile, dass eine Bewährung nicht mittragen werde – es hieß, man habe das „nochmal in den Fachabteilungen geprüft“ – frage man sich, wie das wohl abgelaufen sei. Dadurch sei das Vertrauen ihres Mandanten erschüttert worden. Sie hätten sich gefragt, sollte die Verteidigung ihre Strategie nun nochmal ändern? Noch Beweisanträge stellen?
Erst sei der Angeklagte als Elitepolizist im Land hofiert worden und nun gehe es auf einmal um jede Patrone: „Das ist Presseberichterstattung statt Beweisaufnahme!“ Was hätte die Verteidigung zu erwägen, wenn sie nicht darauf vertrauen könne, dass das Gericht sich an die Absprache halte? Ihr Ergebnis sei gewesen, die Verteidigung werde sich genau so verhalten, als ob die Verfahrensabsprache fortbestünde. Dass die StA keine Bewährungsstrafe beantragt habe, habe eindeutig einen politischen Hintergrund. Der Angeklagte sei umfassend geständig, er habe ein subjektiv und objektiv von Reue getragenes Geständnis abgelegt und alle Fragen beantwortet. Das habe zu einem extrem verkürzten Verfahren geführt, schon das Selbstleseverfahren habe dazu beigetragen. Man könne den Fall doch nur einordnen, wenn man verstehe, dass Marko G. sein ganzes Leben in den Dienst des Staates gestellt und immer mit Waffen zu tun gehabt habe, alle Erlaubnisse seien ihm bis heute noch nicht rechtskräftig entzogen worden.
2017 habe der Zeuge He. [2. und 3. Verhandlungstag] alle Besitzkarten, die Erlaubnis zum Umgang mit Sprengstoff, alle Berechtigungen und im Haus befindlichen Waffen und Munition „mitgenommen“. Es habe sich zum größten Teil um Waffen und Legalmunition gehandelt, die G. bis heute gehörten, da die waffenrechtlichen Erlaubnisse nicht entzogen worden seien. Es habe sich um eine Einziehung unter falschem Tatbestand gehandelt und sei nicht rechtsmittelfähig, seine Waffenerwerbserlaubnis sei weder eingezogen worden noch erloschen. Wenn seine Waffenbesitzerlaubnis nicht entzogen gewesen sei, dann habe Marko G. Munition besitzen, kaufen und an sich nehmen dürfen und wenn er Munition von einem Schießfreund bekomme brauche er im Übrigen keine Waffenerwerbserlaubnis. Noch heute könnte Herr G. Munition an sich nehmen.
Im September 2019 sei die Zustellung der Einziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis an den Wohnort erfolgt, was nicht rechtens sei. Daraus folge, dass der Angeklagte bis heute diese Erlaubnis besitze, selbst Behördenmunition sei okay, die habe er besitzen dürfen. Das Waffengesetz frage nämlich nicht nach der Herkunft, sondern nach der Erlaubnis. Deshalb sei das für das Jahr 2017 nicht relevant. Es sei für G. nicht verboten gewesen, Glock und Luger sowie sämtliche Munition im Haus, Auto und in der blauen Tonne zu besitzen. 2019 sei eine große Anzahl von Munition aus dem Bestand von 2017 gewesen, nur an anderem Ort aufbewahrt. 2017 habe im Auto ja schon eine Anzahl von Gewehren gelegen, die nicht mitgenommen worden seien, das sei alles strafrechtlich nicht relevant. Alles, was dazu gehöre, Schalldämpfer, Tragegurt, das habe Marko G. besitzen und behalten dürfen. Strafbar seien nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz die Bundeswehr-Übungsgranaten, die Leuchtspurmunition und Irritationskörper, Winchester und Uzi, wobei letztere subjektiv nicht beschussfähig gewesen sei. Eine Benutzung des Schalldämpfers für die Uzi schien Marko G. nicht möglich zu sein. Der Sachverständige habe sich eine Pappscheibe improvisiert und die geeignete Schraubenmutter sei selbst dem Sachverständigen erst spät und zufällig im Koffer aufgefallen. Der Angeklagte sage, er habe so eine Mutter nicht gesehen.
Auch seien Munitionsteile nicht sachgemäß aufbewahrt gewesen. Fünf Patronen im Waffenschrank, eine Patrone auf dem Boden. RA Knye fragt, was das nun rechtlich sei. Die Verteidigung folge der Auffassung des Gerichts, der schwerwiegendste Vorwurf sei der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, doch bei Kriegswaffen sei zu bedenken, in welchem Verhältnis die Waffen des Angeklagten zu größeren Waffen wie Panzer, Raketen oder Atomwaffen stünden, das bewege sich also am unteren Rand dessen, was das Gesetz vorgebe und wofür die Strafbarkeit nach Kriegswaffenkontrollgesetz in diesem Falle nur ein „Auffangtatbestand“ sei. Ein unerlaubter Erwerb habe schlicht nicht stattgefunden. Ebenso wenig wie eine Gefährdung durch den möglichen Zugriff Dritter. Zum Sprengstoffgesetz sagt RA Knye, sein Mandant habe eine entsprechende Berechtigung gehabt, habe größere Mengen Treibladung besitzen dürfen, Irritationskörper nicht, da sei aber die Gefahr nicht groß.
Die StA habe gesagt, gerade weil G. Polizist sei, müsse er besonders hart bestraft werden. RA Knye fragt, ob es nicht genau umgekehrt sei. Mit seinem Sachverstand, seinen Berechtigungen, seinem Beruf und seinem persönlichen Hintergrund dürfe er als zuverlässig gelten. Präzisionswaffen seien doch wesentlich gefährlichere Gegenstände als z.B. diese Winchester Liebhaberwaffe. G. sei nicht vorbestraft, habe eine enorme Haftempfindlichkeit gezeigt über ein halbes Jahr. Als Polizist habe er das als besondere Ächtung und Isolation erlebt. Marko G. sei Familienvater, die besonderen Kontrollanordnungen wie die Haftverlegung von Lübeck nach Hamburg seien durchaus irritierend und bedrohlich gewesen, Besuche seien überwacht gewesen, Besucher hätten Begleitung durch das LKA Mecklenburg-Vorpommern selbst organisieren müssen.
„Eine Bande, die sich zusammengetan hat, um Munition zu stehlen“, habe es geheißen und von Höchststrafen sei gesprochen worden. Nichts davon sei übrig. Über Marko G. habe ein krasses Damoklesschwert gehangen. Zu den beruflichen Folgen sagt der RA, was G. als hoch angesehener Soldat und Polizist erreicht habe, sei auf einmal weg. Es habe eine öffentliche Ächtung und Vorverurteilung gegeben, von „rechtsradikalen Preppern“ sei die Rede gewesen, von Terroristen: „Das muss ein Mensch erstmal ertragen.“ Weil es einfach nicht stimme. Ein Zeuge habe bestätigt, dass es in den Chatgruppen keine rechtsradikalen Inhalte gegeben habe. Man könne doch nicht über „all diese Ärzte, Rechtsanwälte, Soldaten, Jagdgenossen und Schützenvereinsmitglieder, sagen, sie seien rechtsradikal“. Sie hätten sich nur damit befasst, Vorsorge zu treffen, selbst die Bundesregierung empfehle, man solle etwas einkaufen und Vorräte anlegen. Ja, es habe rechtsradikale Äußerungen gegeben, aber das sei nicht die Gesinnung von Marko G., das charakterisiere auch nicht diese Leute, die „preppen“. Der Angeklagte bekenne sich zur freiheitliche demokratische Grundordnung: Wie hätte er denn sonst ein halbes Leben diesem Staat dienen können? Eine umfassende Verzichterklärung dokumentiere eine klare Abkehr vom Vorsorgegedanken. Dies würden Familie, Freunde und selbst der Pfarrer bestätigten.
Eine Strafe deutlich unter zwei Jahren sei tat- und schuldangemessen. Der moralische Schaden für die Behörden werde anerkannt, dieser sei aber auch durch eine Berichterstattung, die von rechtsradikalen Tendenzen in der Polizei spreche, verursacht worden. Marko G. sei kein Rechtsradikaler. Eine Bewährungsaussetzung sei ohne weiteres möglich und dringend nötig, ein Neuanfang werde gelingen. G. habe auch keine Waffen mehr, die Wirkung der Untersuchungshaft sei durchgreifend gewesen, die Nähe seines Prozesses zum Verfahren des GBA habe den Mandanten beeindruckt.
Rechtsanwalt Kain sagt, er schließe sich dem Kollegen an, vor allem was die Einordnung der Waffenerlaubnisse angehe. Er habe ein Zitat der StA im Ohr: „Ich hätte mir mehr erwartet“. Er könne nur sagen, er auch: mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Klarheit, mehr Verbindlichkeit, weniger Polemik und Gesichtswahrung. Das Verfahren beinhalte Verstöße gegen Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz. Es sei kein politisches Verfahren gewesen, Versachlichung sei das Gebot der Stunde gewesen. Das Verhalten der StA erschließe sich ihm nicht, rechtsstaatliche Bedenken ließen die StA unbeeindruckt. Immer noch sei beispielsweise von einem Dolch die Rede, dabei handele es sich um ein Bajonett, das sei etwas anderes. Die StA gehe bei Marko G. wegen seiner Spezialausbildung von einer besonderen Gefahr aus. Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz sollten doch für Sicherheit sorgen, bei wem seien die Gegenstände in sichereren Händen als bei Marko G.? Die StA frage nach den Zielen der Gruppe „Nordkreuz“. RA Kain: „Was für Ziele? Was für ein Quatsch!“ In diesem minderschweren Fall wären drei Monate für ein paar Patronen angemessen, drei mal soviel, nein Monate, durchaus auch noch.
Der Mandant habe die Ordnung in diesem Land nicht verändern wollen. 30 Jahre habe er den Kopf hingehalten, sei da rein gegangen, wo es wehtue. Das tue doch keiner, der dieses System nicht möge. Zu den Bildern im Chat sagt RA Kain, man dürfe doch wohl im bilateralen Mailverkehr mal ein paar Bilder bekommen, „rechtsradikale lustige Bilder oder Pornobilder sehr fetter Frauen und die leitet man dann einfach weiter“. Zur Frage nach dem Zugriff Dritter sagt der RA ironisierend, um 04:30 Uhr morgens hätten im Garten des Angeklagten natürlich alle Kinder Zugriff gehabt.
Die StA sage, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei sei erschüttert. Er, RA Kain, meine, dass eher das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden erschüttert sei und zwar „vom Kopf her“.
Das Verfahrens des GBA gegen H. und J. dümpele vor sich hin, das gegen Franco A. sei jetzt zwar eröffnet, aber das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sage, da sei nix dran. Und da werde hier von der Fortdauer der Untersuchungshaft geredet: „Wissen Sie, was sie da machen?“ Fluchtgefahr, das seit absurd und nichts als ein verzweifelter Versuch, hier nochmal nachzutreten. RA Kain schließt sein Plädoyer: „Freiheitsstrafe ja, aber deutlich unter zwei Jahre.“ Der Dritte Anwalt Marko G.s schließt sich an.
Die letzten Worte des Angeklagten
Es folgen die letzten Worte des Angeklagten, er habe nicht großartig etwas hinzuzufügen, er schließe sich den Ausführungen seiner Anwälte an. In 189 Tagen Untersuchungshaft sei ihm bewusst geworden, er habe nicht gewollt, dass „meine Leidenschaft am Schluss Leiden schafft“.