Der Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle – Die ersten fünf Verhandlungstage.

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1. Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle. Dienstag, 21.07.2020 – Zusammenfassender Bericht

Am ersten Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle wird die Anklageschrift verlesen und der Angeklagte von der Richterin detailliert befragt. Wir beschreiben hier den Anschlag anhand der Anklage ausführlich, geben die Angaben des Angeklagten zum 9. Oktober 2019 aber nur zusammenfassend wieder und nennen auch seinen Namen nicht. Denn schon am ersten Prozesstag wurde deutlich, dass der Angeklagte sich selbst inszenieren und weiterhin andere Menschen zu rechtsterroristischen Taten ermutigen möchte. Um das Vorgehen der Vorsitzenden Richterin Ursula Mertens nachvollziehbar und die Ideologie des Angeklagten deutlich zu machen, die er mit anderen rechtsterroristischen Gruppen und Personen wie dem NSU und den mutmaßlichen Mördern von Walter Lübcke, aber auch Parteien und Organisationen wie AfD oder Pegida teilt, geben wir die zum Anschlagsgeschehen hinführende Befragung ausführlicher wieder.

Der Prozesstag beginnt nicht wie angekündigt um 10:00 Uhr, sondern erst um 11:56 Uhr. Der Angeklagte wird in Hand- und Fußfesseln in den Saal geführt, bekommt dann die Handfesseln abgenommen, worauhin er sofort seine Corona-Maske ablegt, um sein Gesicht den zahlreichen Kameras im Gerichtssaal zu zeigen. Vor Beginn des Prozesses hatte er bereits mitteilen lassen, dass er in der Berichterstattung unverpixelt gezeigt und mit vollem Namen genannt werden wolle. Zu Beginn der Verhandlung geht die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens einige Formalien durch, begrüßt die Verfahrensbeteiligten. Sie geht auf die Pandemielage ein und sagt zu den dicht gedrängt im Bereich der Nebenklage oder Öffentlichkeit sitzenden Menschen, sie gehe davon aus, dass niemand infiziert sei oder mit infizierten Personen Kontakt gehabt habe. Sie geht außerdem darauf ein, dass Pressevertreter*innen und zeitweise auch Teile der Nebenklage sehr lange vor Gericht warten mussten. Auch für sie als Strafsenat vom OLG Naumburg sei dies eine besondere Situation, ein Verfahren mit so viel Verfahrensbeteiligten habe sie noch nicht gehabt, „um ehrlich zu sein“.

Mertens stellt dann die Anwesenheit fest. Anwesend sind zwei Vertreter der Bundesanwaltschaft, Bundesanwalt Lohse und Oberstaatsanwalt Schmidt, der Angeklagte und seine beiden Verteidiger. Mertens nennt auch die Namen der Vertreter*innen der Nebenklage, aber, wohl aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, nicht die Namen der Nebenkläger*innen selbst. Außerdem sind der psychiatrische Gutachter Leygraf und die Pyschologin John anwesend. Die Richterin sagt, es habe keine Gespräche in Hinblick auf verfahrensbeendende Maßnahmen gegeben. Sie belehrt den Angeklagten und fragt ihn, ob er sich einlassen werde. Das bestätigt der Angeklagte. Mertens stellt die Personalien des Angeklagten fest und fordert Bundesanwalt Lohse auf, die Anklageschrift zu verlesen. Er verliest zunächst die 13 einzelnen Anklagepunkte und geht dann zu einer detaillierten Beschreibung der angeklagten Taten über. Die Anklageschrift umfasst den Vorwurf des zweifachen Mordes sowie neunfachen Mordversuchs an insgesamt 68 Menschen.

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, am 9. Oktober 2019 bewaffnet mit acht Schusswaffen zur jüdischen Synagoge gefahren zu sein, um einen Mordanschlag zu verüben, um eine möglichst große Zahl Juden und Jüdinnen zu ermorden. Lohse: „Dabei handelte er aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation.“ Er habe dabei eine Aufnahme in Echtzeit veröffentlicht und das spätere Tatgeschehen gefilmt. Der Angeklagte habe zunächst Dokumente und Anleitungen und einen Link zum Livestream veröffentlicht, weil er Nachahmer habe motivieren wollen. Anschließend habe sich der Angeklagte seinem Tatvorhaben zugewandt. Er habe absichtlich Jom Kippur ausgewählt, in der Annahme, dass an diesem Tag besonders viele Menschen in der Synagoge seien. Er sei auf die auf Eingangstür zugegangen, „in der Vorstellung, alsbald die Synagoge zu betreten.“ Das sei nicht gelungen, er habe daraufhin eine Handgranate gezündet. Dabei habe der Angeklagte in der Annahme gehandelt, dass von der Granate Leute getötet würden oder diese fliehen würden und er sie dann erschießen könne; es sei aber niemand verletzt worden. Der Angeklagte habe sich gegen die Tür gelehnt, diese habe einen Spalt geöffnet, er habe einen Sprengsatz geholt und gezündet, aber die Tür habe sich nicht geöffnet. Der Angeklagte habe einen anderem Weg in die Synagoge gesucht, aber keinen gefunden. In einem dritten Versuch habe er das Türschloss aufschießen wollen, es sei aber nur der Türgriff beschädigt worden, er habe dagegen getreten und danach fünf Molotowcocktails auf das Grundstück geworfen, auch hier habe er die Vorstellung gehabt, dadurch Personen verletzen oder töten zu können oder in etwas in Brand zu setzen, um dadurch Menschen zu töten. Er habe erkannt, dass sein Vorhaben gescheitert war, und habe den Tatort verlassen.

Kurz bevor der Angeklagte versucht habe, die Tür aufzusprengen, habe Jana L. ihn „beiläufig angegangen“ – wie es in der Anklageschrift zu dem Punkt, an dem Jana L. den Attentäter anspricht, heißt – ohne zu wissen, dass der Angeklagte bewaffnet war. Wenige Sekunden später, als sie vorbeigelaufen war, habe dieser vier Schüsse auf sie abgegeben. Der Angeklagte sei darüber verärgert gewesen, nicht in die Synagoge zu kommen, außerdem habe er Jana L. aufgrund ihres Aussehens für minderwertig gehalten. Er habe dann noch einmal elf Schüsse auf das Opfer abgegeben, dabei habe er auch versehentlich seine Reifen zerschossen. Jana L. sei an Ort und Stelle verstorben.

Der Angeklagte habe dann eine andere Passantin wahrgenommen und auf sie angelegt. Er habe eine Ladehemmung an seiner Waffe erkannt; aufgrund des Gewichts seiner Ausrüstung sei es nicht möglich gewesen, die Verfolgung aufzunehmen. Ein Autofahrer sei vorbeigefahren, habe Jana L. bemerkt und sei ausgestiegen. Der Angeklagte sei auf ihn zugetreten, habe die Maschinenpistole gehoben und abgedrückt, habe aber Ladehemmungen gehabt; bei einem nochmaligen Versuch habe es wieder eine Ladehemmung gegeben. Daraufhin habe der Angeklagte die Waffe wechseln wollen, der Autofahrer sei währenddessen weggefahren.

Nachdem sich der Angeklagte von der Synagoge entfernt habe, habe er sich dem Kiez-Döner genähert. Die Anklageschrift spricht davon, dass der Angeklagte frustriert gewesen sei, dass er die erhoffte Tat nicht habe begehen können. Er habe nunmehr beschlossen, Menschen mit Migrationshintergrund zu töten, die er in ähnlicher Weise wie Jüdinnen und Juden für seine Situation verantwortlich gemacht habe. Er habe diese in den Räumlichkeiten des Kiez-Döners vermutet. Er sei aus dem Auto ausgestiegen, habe eine Sprenggranate auf den Laden geworden, diese habe Menschen töten oder wehrlos machen sollen, ein Nagel habe eine Passantin am Fuß getroffen.

Im Eingangsbereich habe er Kevin S. getroffen und zwei Schüsse auf ihn abgegeben, weil er ihn für einen Muslim gehalten habe. Er habe S. verfehlt und dieser sei hinter einen Getränkeautomaten geflohen. Der Imbissangestellte habe sich hinter dem Tresen versteckt, der Angeklagte habe auf einen anderen Kunden des Kiez-Döner geschossen, es habe eine Ladehemmung gegeben und der Kunde sei geflohen; der Angeklagte habe ihn nicht verfolgt. Er habe dann Kevin S. hinter den Kühlschränken vorgefunden, habe versucht auf ihn zu schießen, es habe aber eine Ladehemmung gegeben. Er habe versucht, auf einen weiteren Kunden zu schießen, der wegen einer Ladehemmung habe fliehen können, auch der Imbissangestellte habe unbemerkt entkommen können. Der Angeklagte habe mit der Einzellader-Pistole auf Kevin S. geschossen. Danach sei er noch einmal mit der Schrotflinte zurückgekehrt und habe weitere Schüsse auf Kevin S. abgegeben. Der 20-jährige Kevin S. sei an seinen Schussverletzungen verstorben.

Danach sei der Angeklagte ins Auto gegangen, habe die Schrotflinte genommen und habe versucht, aus rassistischen Motiven einen Passanten zu töten, dieser habe sich ducken können und sei weggelaufen. Der Angeklagte sei die Straße hoch- und runtergefahren, sei dann nochmal in den Kiez-Döner gegangen, habe auf der Straße aus rassistischen Gründen mehrfach auf zwei Personen geschossen, die wegliefen und dabei immer wieder Deckung gesucht hätten.

Der Angeklagte sei dann die Straße hinaufgefahren, dort hätten ihm Polizeiautos den Weg versperrt. Er habe sich daran gehindert gesehen, zu entkommen und sein Vorhaben fortzusetzen. Er habe in 50 Meter Entfernung vom Polizei-Auto geparkt, sei ausgestiegen und habe auf die Polizeibeamten geschossen. Die Polizei habe das Feuer erwidert, der Angeklagte sei getroffen worden. Dieser habe dann gewusst, dass er unterlegen sei, sei in das Auto gestiegen und weggefahren.

Auf seiner weiteren Fahrt stadtauswärts durch Halle sei der Angeklagte mit einem Taxi zusammengestoßen und habe auf Höhe des „Halle Towers“ auf die andere Fahrspur gewechselt und die Flucht entgegen der Fahrtrichtung fortgesetzt, die Belange der anderen Verkehrsteilnehmer seien ihm egal gewesen. Er habe dabei eine Person angefahren.

In Wiedersdorf habe der Angeklagte das Fahrzeug wechseln wollen. Der Angeklagte habe verlangt, dass ein Anwohner den Schlüssel zu seinem Auto übergibt. Dieser habe sich geweigert, da habe der Angeklagte auf ihn geschossen. Zur Motivation sagt Lohse auch, dass der Angeklagte den Anwohner für minderwertig gehalten habe. Die Lebensgefährtin des Anwohners sei hinzugetreten. Auch auf sie habe der Angeklagte geschossen, er habe gedacht, sie könnte die Polizei rufen. Der Angeklagte habe auch sie für minderwertig gehalten. Er habe – nachdem er die Autoschlüssel auch von der Lebensgefährtin nicht bekommen hatte – dann einen örtlichen Taxifahrer mit der Waffe bedroht, ebenfalls um ein Fahrzeug zu bekommen. Der Taxifahrer habe Leute aus der Garage gerufen, es seien zwei Personen hinzu gekommen. Dem Angeklagten sei das Taxi übergeben worden, er sei dann auf der weiteren Fluchtfahrt gestellt worden; zuvor sei er mit einem LKW zusammengestoßen. Zum Abschluss der Anklage macht Lohse Ausführungen zur Strafbarkeit der Taten.

Im Anschluss an die Verlesung der Anklage belehrt die Vorsitzende Richterin Mertens den Angeklagten erneut, bevor sie beginnt ihn zu befragen. Sie stelle sich vor, so Mertens, dass der Angeklagte etwas zu seinem Lebenslauf erzählen solle. Dann werde sie ihn befragen und über weitere Einzelheiten würden sie sprechen, wenn sie das Video der Tat in Augenschein genommen hätten. Alle Verfahrensbeteiligten hätten dann Gelegenheit, Fragen zu stellen. Mertens: „Ich darf Sie bitten mir zu erzählen, wie ihre Kindheit abgelaufen ist.“ Der Angeklagte antwortet überbetont: „Es ist unwichtig!“ Mertens: „Ob es unwichtig ist oder nicht, das ist ja immer noch in meinem Ermessen.“ Die Vorsitzende Richterin hakt nach, fragt u.a. nach der Scheidung der Eltern, ob diese belastend gewesen sei. Der Angeklagte antwortet einsilbig, sagt, die Tat habe keinen Bezug zu seiner Familie. Auf erneutes Nachhaken erwidert der Angeklagte, natürlich interessiere es die Richterin, wie man solche Taten verhindern könne, daran habe er aber natürlich kein Interesse. Mertens besteht darauf, nach den Hintergründen der Tat zu fragen. Der Angeklagte sagt zwar, seine Kindheit habe keinen Einfluss darauf gehabt, antwortet dann aber trotzdem auf Fragen zu seiner Schwester und zu seinen Eltern. Zu diesen habe er auch während der Untersuchungshaft Kontakt. Die Vorsitzende Richterin befragt den Angeklagten zu seiner Schullaufbahn, die sie als unauffällig bezeichnet: Der Angeklagte bestätigt das. Er habe keine guten Freunde gehabt, sei nicht sportlich gewesen und sein Interesse sei „Internet“ gewesen, antwortet er auf weitere Fragen. An dieser Stelle zeigt sich der Angeklagte erneut für einen Moment unwillig, die Fragen der Vorsitzenden zu beantworten: er wolle nicht über seine Privatsachen reden. Auf Frage sagt er, ihn habe am Internet die Möglichkeit, sich frei zu unterhalten, fasziniert, in Deutschland gebe es diese Möglichkeit nicht, behauptet der Angeklagte. Auf Frage sagt er, er habe selten Leute getroffen, seine Schwester habe ihn immer mal in ihren Freundeskreis mitgenommen.

Die Vorsitzende Richterin fragt nach dem Wehrdienst des Angeklagten. Der antwortet, er habe im Panzergrenadierbataillon 401 in Hagenow gedient. Er sei an den Wochenenden nach Hause gefahren, die Bundeswehrzeit sei sehr anstrengend gewesen und fügt hinzu, die Bundeswehr sei ohnehin keine richtige Armee. Er habe aber niemals überlegt zu verweigern, sagt er auf Frage. Mertens fragt nach dem Studium der Molekularen und Strukturellen Produktgestaltung, das der Angeklagte in Magdeburg angefangen habe. Er habe währenddessen in einer Einzimmerwohnung gewohnt, erzählt der Angeklagte und äußert sich abfällig über andere Mieter des Hauses. Er sei dann nach Halle gewechselt, um Chemie zu studieren. Die Richterin fragt nach der Krankheit, die schnell gefolgt sei. Der Angeklagte sagt, er spreche darüber ungern, die Richterin habe die Akten. Er beschreibt seine Genesung und bejaht, dass er seitdem wieder bei seiner Mutter gewohnt habe.

Mertens fragt, was der Angeklagte für Pläne gehabt habe. Der Angeklagte lacht überbetont und sagt, er habe keine mehr gehabt, er habe Reha und Kur abgelehnt. Die Vorsitzende Richterin fragt nach dem „Leidensdruck im Kinderzimmer“ und warum der Angeklagte nicht aktiv geworden sei. Dieser sagt erneut, das sei unwichtig. Auf Frage sagt er, er sei im Internet gewesen und habe Sport gemacht. Mertens sagt, er hätte ja überlegen können, das Interesse an einer beruflichen Aktivität wieder zu aktivieren. Nach 2015 habe er beschlossen, nichts mehr für diese Gesellschaft zu tun, die ihn ersetzen wolle, entgegnet der Angeklagte. In Bezug darauf, durch wen er angeblich ersetzt werden solle, verwendet der Angeklagte auch eine rassistische Bezeichnung. Mertens entgegnet, sie wolle an dieser Stelle sagen, sie dulde keine Beschimpfungen von Bevölkerungsgruppen und bestimmten Menschen, wenn der Angeklagte so etwas sagen wolle, werde er ausgeschlossen. Auf Widerworte des Angeklagten sagt die Richterin, es gehe um den beleidigenden, den menschenverachtenden Kontext: „Diese menschenverachtenden Äußerungen möchte ich von Ihnen nicht hören. Wenn Sie sie tätigen wollen oder Sie sich nicht zusammenreißen können, dann müssen wir überlegen, ob wir Sie ausschließen.“ Mertens fährt mit der Befragung fort und sagt, nicht nur habe der Angeklagte nichts für die Gesellschaft tun wollen, sondern auch nichts für sich. Dem widerspricht der Angeklagte. Mertens sagt, für Außenstehende sehe es so aus, „ein junger Mann im Kinderzimmer legt nicht viel Wert auf Lebensqualität.“ Der Angeklagte lacht wieder.

Die Vorsitzende Richterin fragt nach den Internetaktivitäten des Angeklagten. Dieser gibt an, mit Menschen kommuniziert, diese aber nicht gekannt zu haben. Es habe keinen Kontakt, keinen Telefonnummernaustausch gegeben. Mertens fragt wieder nach der Familie des Angeklagten, dieser bestätigt dabei u.a., dass es Streit wegen seiner Lebensverhältnisse gegeben habe, seine Eltern ihn aber trotzdem finanziell unterstützt hätten; er habe auch nicht viel verbraucht. Mertens fragt nach etwas Außergewöhnlichem, nach etwas, was ein Cut im Leben des Angeklagten gewesen sei. Der Angeklagte verweist auf das Jahr 2015 und äußert sich rassistisch zu der von ihm als „Flüchtlingskrise“ bezeichneten Situation. Der Angeklagte verwendet das rassistische Bild von „Millionen Arabern“, die ins Land „geströmt“ seien. Mertens unterbricht und fragt – eher rhetorisch – , wieviele Geflüchtete bei ihm im Ort gewesen seien, und wie das sein Leben beeinflusst habe.

Die Richterin fragt nun wieder nach der Schulzeit. Es geht u.a. darum, dass der Angeklagte nicht viele Freunde gehabt habe. Danach fragt Mertens wieder nach dem Jahr 2015, das der Angeklagte angeführt hatte, und sagt, sie verstehe immer noch nicht, wie Menschen aus anderen Ländern den Angeklagten in seinem Heimatort beeinträchtigt hätten. Der Angeklagte äußert sich erneut mit überdeutlicher Aussprache rassistisch, spricht u.a. von „Eroberern aus dem muslimischen Kulturkreis“. Früher sei es üblich gewesen, sein Land zu verteidigen. Die Richterin unterbricht die Ausführungen und fragt, woher der Familienname des Angeklagten komme, dieser habe doch sicher einen Hugenotten-Hintergrund. Bei vielen Menschen sehe man ja so ein Flüchtlingsschicksal, wenn man zurückschaue. Der Angeklagte antwortet hierzu eher einsilbig.

Mertens fragt, ob der Angeklagte mal überlegt habe, Parteimitglied zu werden oder auf Demonstrationen zu gehen. Der Angeklagte verneint vehement: In Deutschland dürfe man seine Meinung nicht frei sagen. Die Vorsitzende und der Angeklagte diskutieren über 2015 und die Konsequenzen für den Angeklagten, die die Richterin nicht sieht. Der Angeklagte spricht von „Dreistigkeit“ der Richterin. Er sagt, er habe 2015 aus Selbstschutzgründen angefangen, sich zu bewaffnen. Auf Fragen sagt der Angeklagte, nach 2015 habe er alles verkauft, was er besessen habe, um ein Gewehr zu bekommen. Er habe es niemanden gezeigt, es habe unter dem Bett gelegen, das Zimmer sei immer abgeschlossen gewesen. Er habe auch einen Raum im Haus des Vaters gehabt, der habe keinen Schlüssel, aber sein Vater gehe nicht in diesen Raum hinein. Dort habe auch der 3-D-Drucker gestanden [u.a. mit diesem Gerät hat der Angeklagte Waffenteile hergestellt]. Diesen Drucker habe sein Vater für Spielzeug gehalten habe, so der Angeklagte. Der Angeklagte erzählt auf Nachfrage, dass das Gewehr nicht gereicht habe. Auf die Frage, gegen wen er sich habe verteidigen wollen, sagt er: „Muslime und Schwarze“. Er verzichtet hier auf auf von der Richterin als menschverachtend benannte N-Wort und lacht darüber. Mertens fragt, woher der Angeklagte Waffen beziehen wollte. Er sagt, er habe keine Kontakte zu Kriminellen, das Internet sei auch keine Möglichkeit, dort gebe es oft Betrügereien oder es sei teuer. Darüber habe er im Herbst 2015 nachgedacht, nach den Aufnahmen in der Tagesschau [gemeint sind vermutlich Bilder von in Deutschland eintreffenden Geflüchteten]. Er habe 2016 dann angefangen, Waffen selber im Haus seines Vaters herzustellen. Er habe sich darüber anonym mit Leuten unterhalten, sowohl im Internet als auch im sogenannten Darknet. Er habe drei Jahre daran gearbeitet. Er habe sie getestet, aber nicht oder selten geschossen, das sei zu laut, daher habe er sie nicht so oft getestet, wie er gewollt hätte. Die Munition habe er auch selbst hergestellt. Die Richterin fragt nach anderen Teilen der Bewaffnung und Ausrüstung. Der Angeklagte legt immer, wenn es um die Waffen geht, besonderen Wert auf Exaktheit und verliert sich bisweilen in weitschweifigen Erklärungen und Beschreibungen.

Mertens fragt erneut nach dem Alltag des Angeklagten vor dem Anschlag und danach, dass er keinen Kontakt zu anderen Menschen gehabt habe. Auf diese Fragen sagt er, er hätte sich auf gar keinen Fall einer Gruppierung anschließen wollen, das seien alles Leute des Verfassungsschutzes, jede Gruppierung werde vom Verfassungsschutz unterwandert und zerschlagen. Seine Pläne für die Tat seien nach dem Anschlag von Christchurch gereift. Der Angeklagte schwärmt von dem rassistischen Anschlag auf zwei Moscheen im März 2019, bis die Richterin ihn unterbricht. Die Waffen seien zu dem Zeitpunkt schon fertig gewesen, bestätigt er dann. Der Angeklagte beschreibt, wie er dann die Synagoge von Halle ausgespäht habe. Auf die Frage, warum er sich eine Synagoge als Anschlagsziel ausgesucht habe, macht der Angeklagte antisemitische Ausführungen. Er spricht u.a. davon, dass Juden „die Hauptursache am weißen Genozid“ seien und verbreitet das antisemitische Phantasma, dass Juden eine „Neue Weltordnung“ wollten. Die Richterin hakt nach und der Angeklagte macht weitere antisemitische Ausführungen. Er spricht davon, dass er die „Ursache“ und nicht das „Symptom“ habe bekämpfen wollen. Er habe mit niemanden darüber gesprochen, habe Jom Kippur gezielt ausgewählt. Auch zu diesem Feiertag macht der Angeklagte antisemitische Ausführungen.

Der Angeklagte beschreibt auf Fragen, wie er sich konkret auf den Anschlag vorbereitet habe. Dann geht Mertens mit dem Angeklagten detailliert den Anschlag durch. Der Angeklagte sagt dabei, die Übertragung der Aufnahme ins Internet sei wichtiger als die Tat an sich. Er habe andere motivieren wollen. Auf Nachfragen rechtfertigt er den Mord an Jana L. kalt als „Kurzschlussreaktion“. Er stellt einen Bezug zu einem „weißen Krieger“ in Norwegen her [vermutlich der Attentäter von Bærum], der bei seinem Anschlag gestoppt worden sei. Er bereue aber, weiße Menschen an dem Tag erschossen zu haben. Im Verlaufe der Beschreibung der Tat sagt der Angeklagte immer wieder, dass er während des Anschlags jederzeit bereit gewesen wäre und es sich gewünscht hätte, Menschen aus antisemitischen und rassistischen Gründen zu ermorden. Er bezeichnet sie immer wieder als seine Feinde.

Der Angeklagte behauptet, dass er nicht gewusst habe, ob sich überhaupt Personen in der Synagoge befunden hätten, sie hätte auch ein Denkmal sein können. Die Richterin sagt, es sei schade, dass er die Synagoge nicht mal an einem Tag des offenen Denkmals besucht habe , dann hätte er sich vielleicht damit beschäftigen können und nicht damit, wie man Menschen umbringt. Mertens: „Da kommen wir wohl nicht zueinander.“ Der Angeklagte sagt: „Ich denke nicht.“. Mertens geht mit dem Angeklagten weiter den Anschlagstag durch, sie besprechen nun den Angriff auf den Kiez-Döner. Dabei äußert sich der Angeklagte wiederholt rassistisch, unter anderem, als er seine Opferauswahl beschreibt. Kalt beschreibt er auch den Mord an Kevin S. Die Richterin unterbricht ihn in weiteren Ausführungen.

Der Angeklagte führt auf Frage aus, es gebe für ihn keinen friedlichen Weg. Die Identitäre Bewegung sei gleich als verfassungsfeindlich benannt worden. Als die Richterin auf die Ankunft der Polizei zu sprechen kommt, sagt er, sein Plan sei gewesen, entweder zu gewinnen oder zu sterben. Er habe aber weiterkämpfen wollen, betont der Angeklagte mehrfach. Auf seiner Flucht vor der Polizei sei er dann noch einmal unabsichtlich an der Synagoge vorbeigefahren. Auf Nachfrage berichtet der Angeklagte abfällig, wie er auf seiner Flucht eine Schwarze Person angefahren habe. Er hätte diese Person eigentlich angreifen wollen, aber er sei auf der Flucht gewesen. Danach beschreibt der Angeklagte auf Nachfragen, wie er versuchte in Wiedersdorf ein Auto zu bekommen. Er beschreibt, wie er zwei Personen anschoss, dass er dies aber bereue, weil es weiße Menschen gewesen seien. Er beschreibt seine Flucht aus Wiedersdorf. Er habe fliehen wollen, um weiter zu kämpfen. Danach macht er rassistische und antisemitische Ausführungen, wofür und wogegen er kämpfe.

Die Richterin beendet ihre Befragung und sagt, ein bisschen könne man den Tag noch fortsetzen. Andere Richter des Senats fragen den Angeklagten nach seiner Bewerbung bei der Bundeswehr und nach seiner Krankheit. Die übrigen Verfahrensbeteiligte wollen erst nach in Inaugenscheinnahme des Videos Fragen stellen, daher beendet die Vorsitzende Richterin den 1. Verhandlungstag.

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2. Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle. Mittwoch, 22. Juli 2020 – Zusammenfassender Bericht

An diesem Verhandlungstag wird zunächst das Video des antisemitischen und rassistischen Anschlags am 9. Oktober 2019 in Halle in Augenschein genommen. Einige Nebenkläger*innen verlasssen währenddessen den Saal. Danach wird der Angeklagte von einigen Verfahrensbeteiligten befragt. Dabei gibt es viele Wiederholungen dessen, was schon am ersten Prozesstag festgestellt wurde, immer wieder äußert sich der Angeklagte antisemitisch und rassistisch oder versucht detaillierte Ausführungen zu seinen Waffen zu machen. Dabei entsteht der Eindruck, dass er dieses Wissen weitergeben möchte. Einige Nebenklagevertreter*innen gelingt es, den Angeklagten beispielsweise mit Ermittlungsergebnissen zu seinem Netzwerk zu konfrontieren. Daraufhin bricht der Angeklagte wiederholt einzelne Befragungen ab. Wieder verzichten wir in diesem zusammenfassenden Bericht darauf, die ideologischen Ausführungen des Angeklagten einfach zu reproduzieren. Jedoch werden diese zur Verdeutlichung des Vorgehens und der Ideologie des Angeklagten von uns zusammengefasst wiedergegeben. Auch werden wir seinen Namen nicht nennen.

Der Verhandlungstag beginnt mit einigen Ankündigungen der Vorsitzenden Richterin Ursula Mertens. Unter anderem sagt sie, Mutter, Vater und Schwester des Angeklagten hätten schriftlich angekündigt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, sie werde sie daher abladen. Dem widerspricht u.a. die Nebenklagevertreterin Dr. Kati Lang, dies müsse die Familie in der Hauptverhandlung erklären.

Danach wird das vom Angeklagten während des antisemitischen und rassistischen Anschlags live gestreamte Video auf mehreren, für alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit einsehbaren Monitoren in Augenschein genommen. Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann sagt kurz nach Beginn: „Ich würde gerne die Aufmerksamkeit des Sachverständigen Leygraf auf das Grinsen des Angeklagten richten, ich habe den Eindruck, Sie schauen nur auf den Film.“ Während das Video gezeigt wird, verlassen mehrere Nebenkläger*innen den Saal. Im Video selbst ist erst nach ca. 15 Minuten das erste Mal die Polizei sichtbar, zu diesem Zeitpunkt hatte der Täter Jana L. und Kevin S. bereits ermordet. Nachdem das Video beendet ist, sagt die Vorsitzende Richterin: „Der Einwand des Herrn Hoffmann, dass der Angeklagte gegrinst hat, das haben wir alle registriert.“ Nach der Inaugenscheinnahme folgt eine 45-minütige Pause.

Nach der Pause wird der Angeklagte von den Verfahrensbeteiligten befragt, die BAW macht den Anfang. Der Angeklagte bestätigt, dass er die Musik, die während des Anschlags im Video zu hören ist, vorher geplant und bewusst ausgesucht habe. Er bestätigt auch, dass er mit dem Video andere zu Anschlägen habe motivieren wollen, er habe zeigen wollen, dass improvisierte Waffen funktionieren würden, dass man sich „wehren“ könne, „mit wenigen Mitteln.“ Diese Ziele habe er auch in seinen Dokumenten benannt, die eigentliche Tat sei erst auf „Platz 3“ gewesen. Was er im Video gesagt habe, sei größtenteils improvisiert gewesen. Der Angeklagte spricht auf Fragen erneut über die Brandsätze, die er über die Mauer der Synagoge warf, er habe gehofft, etwas werde Feuer fangen. Angesprochen auf den Mord an Jana L. gibt er an, er habe den Vorsatz gehabt, jeden, der ihn störe, anzugreifen. Der Mord an ihr sei eine schnelle, spontane Entscheidung gewesen, ihr Erscheinungsbild habe keine Rolle gespielt. Bundesanwalt Lohse entgegnet, der Angeklagte habe sich bei der Vernehmung beim Ermittlungsrichter abschätzig über Jana L. geäußert. Der Angeklagte sagt, er hätte bei anderen wahrscheinlich dasselbe gemacht, er habe nichts gegen sie speziell gehabt. Lohse fragt danach, was der Plan des Angeklagten gewesen sei, nachdem er bemerkt habe, dass er nicht in die Synagoge kommen werde. Der Angeklagte sagt, er habe herumfahren wollen, um Muslime zu suchen und diese zu „bekämpfen“. Der Kiez-Döner sei ihm nicht bekannt gewesen.

Auf Nachfragen von OStA Schmidt gibt er an, er habe das Feuergefecht mit der Polizei aufgenommen, weil es notwendig gewesen sei; wenn er an seiner Tat gehindert werde, müsse er kämpfen, damit er weitermachen könne. Schmidt fragt nach dem „Vorfall in Landsberg“ [in Wiedersdorf]und nach der Vorstellung des Angeklagten, wie schwer die beiden Personen verletzt gewesen seien. Dieser sagt, die Pistole sei sehr schwach gewesen, er haben sie noch nicht einmal anschießen wollen, weil er keine weißen Menschen habe erschießen wollen. Schmidt fragt nach der Formulierung „Gewinnen oder sterben“. Der Angeklagte sagt, „gewinnen“ sei, seine „Feinde“ zu besiegen. Der Angeklagte sagt erneut, er habe sich mit anderen nicht über Politik unterhalten. Er spricht davon, schon in der Schule gewusst zu haben, dass es „Tabuthemen“ gebe, die man in Deutschland nicht ansprechen dürfe. Schmidt fragt, ob das Attentat ein Fehler gewesen sei. Das verneint der Angeklagte vehement, er benennt lediglich seine nicht funktionierenden Waffen als einen Fehler. Schmidt hält zum Abschluss seiner Befragung eine kleine Ansprache: „Es ist ja so, Sie werden eines Tages sterben, alle anderen auch. Folgt nicht daraus, dass wir da gleich sind und dass wir alle, die wir sterben, ein Recht zu leben haben, ein gleiches Recht zu leben? Nehmen Sie es mit, Sie haben sicherlich oder wahrscheinlich einige Zeit, darüber nachzudenken.“

Die Befragung des Angeklagten wird nun von seinen Verteidigern übernommen. Diese zielen offenbar darauf ab, den Vorsatz des Angeklagten am 9. Oktober 2019 in Frage zu stellen, da er nicht sicher gewusst habe, dass sich Personen in der Synagoge befinden und er keinen konkreten Pllan gehabt habe. Die- Befragung wird sowohl von der Vorsitzenden Richterin als auch von Vertreter*innen der Nebenklage mehrfach als unzulässig beanstandet. Mertens sagt, sie habe in Erinnerung, dass es der Plan des Angeklagten gewesen sei, nach Halle zu fahren, um die Synagoge zu überfallen, von da aus sei es spontan gewesen. Es sei ganz klar seine Aussage gewesen, dass er sich bewusst Jom Kippur ausgesucht habe. Nebenklageanwältin Kristin Pietrzyk bezeichnet die Fragen als „Schutzbehauptung“. Auch weitere Fragen der Verteidigung werden von Nebenklagevertreter*innen beanstandet, da sie zu suggestiv seien oder juristische Bewertungen wie „Tötungsabsicht“ abfragten, die der Angeklagte nicht aus eigener Wahrnehmung beantworten könne. Die Richterin schließt sich an und fordert die Verteidigung auf, offen zu fragen. Der Angeklagte betont auf Fragen seiner Verteidiger erneut, dass er keine Weißen habe erschießen wolle. In Wiedersdorf sei es ihm um das Auto gegangen, das er gebraucht habe. Dort sei für ihn der Anschlag noch nicht vorbei gewesen; so lange er noch Waffen dabei habe und kämpfen könne, hätte er weiter gemacht. Die Polizisten habe er bekämpfen müssen, um weiter zu kämpfen.

Dann beginnt die Nebenklage mit ihrer Befragung des Angeklagten. RA Sebastian Scharmer lässt zunächst ein Bild aus den Dokumenten des Angeklagten in Augenschein nehmen, darauf ist dessen Arsenal an Sprengsätzen zu sehen. Scharmer weist auf die Beschreibung „Nail Bombs“, also Nagelbomben, hin. Der Angeklagte erklärt daraufhin angeregt die Wirkung von Nagelbomben. Scharmer fragt, ob der Angeklagte mit den Anschlägen von David Copeland in London oder mit dem Anschlag des NSU in der Keupstraße in Köln etwas anfangen könne. Diese Frage lässt der Angeklagte unbeantwortet, er sagt stattdessen, dass Nagelbomben sehr häufig eingesetzt würden, das lasse sich nicht vergleichen. Scharmer fragt, warum der Angeklagte bei dem Angriff auf den Kiez-Döner eine Nagelbombe gewählt habe, dieser sagt, die habe er „am Mann“ gehabt. RA Erkan Görgülü fragt, ob der Angeklagte inzwischen seinen Kampf beendet habe. Der Angeklagte sagt: „Kein Kommentar.“ Auf Frage des Bevollmächtigten der RAin Friedman, RA Derin, zur Situation am Anschlagstag, bei der der Angeklagte eine Schwarze Person angefahren hat, sagt der Angeklagte, er habe wegen des kaputten Autos keine großen Ausweichbewegungen machen können, er hätte diese auch nur aus Selbstschutz gemacht. Das Leben der angefahrenen Person habe er nicht schützen wollen, antwortet er lachend. Bei einer weißen Person hätte er sich vielleicht durch größeres Ausweichen selbst in Gefahr gebracht, so der Angeklagte weiter.

RAin Kristin Pietrzyk fragt nach weiteren Plänen des Angeklagten, wenn sein Auto nicht kaputt gewesen wäre. Dieser sagt, es gäbe auch woanders Synagogen. Sie fragt nach dem Begriff „weiße Krieger“, den er am Vortag für einen Attentäter in Norwegen verwendet hatte. Der Angeklagte sagt, er hätte eigentlich gern dessen Namen verwendet, der sei ihm aber nicht mehr eingefallen, den Begriff „weißer Krieger“ habe er selbst zusammengefügt, die Attentäter seien weiß und sie seien Krieger. Auf Frage sagt der Angeklagte, er habe gehofft, dass Personen aus der Synagoge kommen, er hätte sie dann erschossen, dafür sei er da gewesen. Er bestätigt außerdem, dass er die Lieder, die im Video zu hören sind, gezielt ausgesucht habe. Als er auf Fragen von RAin Pietrzyk beginnt, ideologische Ausführungen zu machen, sagt Pietrzyk: „Herr Angeklagter, Sie hatten die Möglichkeit, einen zusammenhängenden Bericht abzugeben gestern, das hatten Sie, jetzt stelle ich Fragen, ich werde Ihnen nicht die Bühne geben“. Daraufhin sagt der Angeklagte, er werde keine weiteren Fragen Pietrzyks beantworten. Pietrzyk sagt, sie gebe dann eine Liste mit ihren Fragen ans Gericht, das sich die Fragen dann zu eigen machen könne.

Nebenklage-RA Alexander Hoffmann sagt, an den Gegenständen aus dem 3D-Drucker sei DNA von dritten Personen gewesen. Der Angeklagt sagt, er habe diesem mal seinem Vater gezeigt, der habe das für Spielzeug gehalten. Er habe den Drucker 2018 gekauft. Er bestätigt, dass sein Vater gedruckte Dinge angefasst habe, aber keine Waffen, die habe sein Vater nicht gekannt. Hoffmann hakt nach, wie der Angeklagt ausschließen könne, dass sein Vater in sein Zimmer gegangen sei. Der Angeklagte sagt, das mache sein Vater nicht. Auf die Frage, ob er selber geputzt habe, sagt der Angeklagte: „Natürlich.“ Er fragt zurück, ob Hoffmann seine Mutter putzen lassen würde. Dieser erwidert, er befrage den Angeklagten und nicht anders herum: „Wir haben unterschiedliche Rollen, das müssen Sie einsehen!“ Hoffmann hinterfragt dann das Vertrauen des Angeklagten in seine Verwandten, weil er das Zimmer bei seiner Mutter abgeschlossen habe. Der sagt, bei seinem Vater hätten nur Werkzeuge rumgelegen, bei seiner Mutter seien die Waffen im Bettkasten gewesen, seine Schwester sei mit ihrem Kind vorbei gekommen, das krame überall rum. Hoffmann fragt, ob der Angeklagte mal im Umfeld seiner Schwester antisemitische Thesen und Positionen vertreten habe. Das verneint dieser, es könne nur sein, dass ihm mal was rausgerutscht sei, aber das gehöre da nicht hin, das seien nur entfernte Bekannte, die er nur mal zum Bier getroffen habe.

Hoffmann fragt, ob der Angeklagte die Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“ kenne. Dieser sagt, er kenne „die Wahrheit“, er habe das Manifest des Christchurch-Attentäters, das diesen Namen trägt, am Tag des Erscheinens, bzw. am nächsten Tag gelesen, aber er habe schon seit 2015 gewusst, dass „die Weißen ausgetauscht“ werden sollten. Der Angeklagte weigert sich, Hoffmanns Fragen nach den Internetseiten, die er besucht habe, zu beantworten: „Warum sollte ich?“ Er wolle keine Leute „anscheißen“: „Ich will meine eigenen Leute schützen natürlich.“ Auf Fragen sagt er, er kenne die Leute aus dem Internet nicht.

Dann geht es darum, dass der Angeklagte sich entschieden habe, nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein und nicht mehr zu arbeiten. Hoffmann fragt, wann denn dem Angeklagten ein Nichtdeutscher die Arbeit weggenommen haben solle. Als der Angeklagte beginnt allgemeine Ausführungen zu machen, unterbricht Hoffmann ihn und fragt nach seinem konkreten Erleben. Hoffmann fügt hinzu, dass der Angeklagte ihm hier irgendwelche Theorien erzählen wolle, aber im Konkreten nichts sagen könne, dabei hätten ihn seine Bundeswehrkameraden mitschleppen müssen und er habe seinen Eltern auf der Tasche gelegen. Daher, so Hoffmann, wolle er wissen, welcher Job dem Angeklagten weggenommen worden sei. Der Angeklagte setzt immer wieder nur zu allgemeinen Ausführungen an. Auf Frage nach der Selbstbezeichnung „Anon“ im Anschlagsvideo sagt der Angeklagte, er werde Hoffmann nicht das Internet erklären, das sei etwas von „jungen Leuten“. Hoffmann fragt nach einem Stangenmagazin aus dem 3D-Drucker, auf dem die DNA von einer unbekannten Person gewesen sei. Der Angeklagte sagt, er habe alles in der Küche seines Vaters abgewaschen und habe Pappen aus Gemeinschaftscontainern verwendet. Hoffmann fragt dann nach Feminismus und der Angeklagte sagt, dass dieser übrigens jüdisch sei. Vorsitzende Richterin Mertens: „Dann hat ja das Judentum etwas Nettes hervorgebracht.“ Angeklagter: „Ansichtssache.“ Hoffmann fragt nach einem verschlüsselten Container auf der Festplatte des Angeklagten und ob sich dessen Name auf „Pepe, den Frosch“ beziehe. Der Angeklagte sagt, das sei möglich und dass er nun keine weiteren Fragen von Hoffmann beantworten werde.

RA Gerrit Onken fragt danach, was dem Angeklagten denn zwischendurch mal „rausgerutscht“ sei. Dieser sagt, er habe gesagt, es könne sein, dass ihm was rausgerutscht sei, weil er es nicht wisse; vielleicht sei es um Tagespolitisches gegangen, das wisse er nicht, wenn er Bier getrunken habe. Es sei aber eher selten gewesen, er habe die Stimmung nicht versauen wollen. Onken sagt, der Angeklagte habe angegeben, seine Leute schützen zu wollen, und fragt, ob er dabei bleibe, dass er im Internet niemals selbst kommuniziert habe. Der Angeklagte sagt, natürlich habe er im Forum mal einen Kommentar gemacht, bei politische Themen aber eher nicht. Onken fragt nach Boards im Internet. Der Angeklagte sagt, diese seien nicht sicher und da sie nicht sicher seien, werde er sie nicht benennen. Onken fragt, wie viele Menschen er schützen wolle. Angeklagter: „Wie viele Internetanschlüsse gibt es?“ Onken: „Hier gilt das Gleiche: Wenn sie Faxen machen wollen, können wir das abbrechen. Sie müssen nicht mit mir reden, ich will nicht mit Ihnen reden. Sie müssen sich auch nicht als neunmalkluger 17-Jähriger inszenieren. Spielen Sie keine Spiele!“ Angeklagter: „Ich spiele sehr gerne Spiele, deswegen beantworte ich Ihnen keine Fragen mehr.“

Als nächstes fragt RAin Assia Lewin unter anderem, woran der Angeklagte Juden erkenne, woraufhin der Angeklagte antisemitische Ausführungen macht. Sein Plan sei am 9. Oktober nicht aufgegangen, er empfinde nur Reue für die weißen Opfer, sagt der Angeklagte auf weitere Fragen. Er macht deutlich, dass ihm nur leid tut, dass er seinen Plan für antisemitische und rassistische Morde an diesem Tag nicht umsetzen konnte. RA Juri Goldstein fragt danach, ob sich der Angeklagte als Antisemit und Nazi bezeichnen würde. Der Angeklagte verneint, nicht jeder Antisemit sei Befürworter des Nationalsozialismus. RAin Katrin Kalweit fragt, ob sich der Angeklagte auch nach seiner OP mit Leuten auf ein Bier getroffen habe, das verneint dieser. Sie fragt, ob der Angeklagte zur Synagoge in Halle/Saale recherchiert habe. Das bejaht er, er habe aber nur Standort und Anfahrt erfahren können. Er macht auch Angaben zu seinen Internetrecherchen zu Jom Kippur, er habe angenommen, dass in der Mittagspause Leute aus der Synagoge herauskommen würden. Dass er am Mittag angekommen sei, sei aber Zufall gewesen. Sein Plan sei gewesen, früh aufzustehen, etwas zu essen, die Datei hochladen und dann hinzufahren.

RA Scharmer fragt nach „Mark“, mit dem der Angeklagte gechattet habe. Der Angeklagte sagt, das sei „irgendeine Person aus dem Internet“. Er habe mit ihm auf zwei Seiten gechattet, die er nicht nennen würde; die zweite, wo er „frei“ habe reden können, sei im Darknet gewesen. Er habe im Darknet ein paar seiner Erkenntnisse zu improvisierten Waffen dargestellt. Scharmer fragt, wie es zu der Spende von 0,1 Bitcoin durch „Mark“ gekommen sei. Der Angeklagte sagt, er habe auf der Seite im Darknet geschrieben, wenn es gefallen habe, könne man ihm Bitcoin zukommen lassen. Er habe diese dann für 1.000 Euro verkauft an eine Person aus einem Darknetforum. Die Übergabe habe bei einem McDonald‘s in Eisleben mit Internet stattgefunden, diese Person habe das gleich überprüfen wollen. Der Angeklagte sagt, mit dem Geld habe er seine Waffen finanziert und ein Smartphone gekauft. Scharmer sagt, der Angeklagte habe angegeben, dass er die Bitcoin für ein Versprechen bekommen habe. Der Angeklagte gibt an, er habe gesagt, er baue Waffen, weil er Muslime nicht möge. Er habe gewollt, dass sich andere Leute auch bewaffnen können, um sich selbst zu schützen gegen „Muslime, Schwarze, Ausländer“. Am Anfang seien vier Personen im Chat gewesen, am Ende nur noch „Mark“ und er.

RA Hermann sagt, eine der ersten Fragen des Angeklagte nach seiner Festnahme beim Ermittlungsrichter sei gewesen, ob der Internetstream durchgekommen ist. Der Angeklagte bestätigt das, er habe gehofft, dass dieser alle, die es interessiere, erreicht habe. Auf die Frage, ob er seine Tat als Beispiel sehe, sagt der Angeklagte: „Als Beispiel dafür, wie man es nicht tun sollte.“ Aus der Nebenklage wird gefragt, ob der Angeklagte schlechte Erfahrungen in politischen Diskussionen gemacht habe. Dieser sagt,keine konkreten, aber wenn man was abseits vom Mainstream nenne, „dann schauen einen alle an, als wäre man Außerirdischer.“ Das sei eine Erkenntnis, die er schon seit Jahrzehnten habe. Er wolle die Stimmung nicht verderben und keine Leute vor den Kopf stoßen. Auf die Frage nach Ausspähfahrten sagt der Angeklagte, es habe zwei gegeben, er sei nur an der Synagoge vorbeigelaufen, er habe die Fahrt geübt und geschaut, wo er habe parken können. Auf die Frage, ob sich der Angeklagte noch als Krieger sehe, sagt der Angeklagte, wenn dann als keinen sehr guten, und zur Zeit sei er gefangen. Der Prozesstag endet um 16:15 Uhr.

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3. Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle. Dienstag, 28.07.2020 – Zusammenfassender Bericht

Am 3. Prozesstag wird zunächst die Befragung des Angeklagten durch die Nebenklage fortgesetzt. Dabei geht es noch einmal stärker ins Detail als in den Tagen zuvor. Der Angeklagte nutzt dies, um sich besonders drastisch zu äußern. Um dies deutlich zu machen und zu zeigen, warum die Vorsitzende Richterin im Verlauf dagegen einschreitet, geben wir einige Äußerungen des Angeklagten im Protokoll wieder. Jegliche Versuche, die Ideologie des Angeklagten zu hinterfragen und an seine menschliche Seite zu appellieren, scheitern und enden in den entsprechenden Aussagen. Dies demonstriert, wie überzeugt der Angeklagte ist. Dies hebt auch Nebenklagevertreterin Kati Lang in einer Erklärung nach der Befragung hervor: Die Taten des Angeklagten seien eine bewusste Entscheidung gewesen. Danach erscheint der erste Zeuge bei Gericht: der Polizeibeamte Drews, der u.a. bei Vernehmungen des Angeklagten anwesend war. Es zeigt sich, dass der Angeklagte auch in diesen Befragungen ähnliche Angaben machte.

Die Verhandlung wird um 10 Uhr aufgerufen. Es geht weiter mit Fragen an den Angeklagten aus der Nebenklage. Zu Beginn geht es vor allem um Fragen zu den Schüssen auf Polizeibeamte bzw. darum, dass er in einer Vernehmung angegeben hatte, eine Rauchgranate gehabt zu haben, die er gegebenenfalls habe einsetzen wollen. Der Angeklagte sagt dazu, dass er die Rauchgranate ja nicht geworfen habe. Außerdem habe es sich nur um eine Möglichkeit gehandelt, sich zurückzuziehen sei eine andere Möglichkeit gewesen. Auf Fragen von Rechtsanwalt Siebenhüner, Nebenklagevertreter eines der Polizisten, antwortet der Angeklagte unter anderem, dass er nicht gemobbt oder gehänselt worden sei. Die Frage, ob er Polizeibeamte als Feinde oder Kollaborateure ansehe, verneint er. Auf die Frage, wie er weitergemacht hätte, wenn der Synagogenanschlag aus seiner Sicht erfolgreich gewesen wäre, sagt der Angeklagte, noch seien seine Feinde nicht besiegt, sie hätten nur einen Schlag gekriegt.

Es folgen Fragen des Nebenklagevertreters Onur Özata, der Betroffene aus dem Kiez-Döner vertritt. Özata: „Hallo, Herr Angeklagter, ich knüpfe an an die Frage. Haben Sie sich Gedanken gemacht, wer in der Synagoge drin ist?“ Der Angeklagte sagt überbetont: „Juden.“ Özata: „Konkret?“ Angeklagter: „Welche Juden genau, nein.“ Auf die Frage, ob es zutreffe, dass er versucht hätte, sein Waffenarsenal aufzubrauchen, um so viele Menschen wie möglich zu ermorden, sagt der Angeklagte: „Aufzubrauchen eher nicht, aber ich hätte es dafür eingesetzt.“ Der Angeklagte sagt im Folgenden, dass er keine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen oder im Hinblick auf das Alter gemacht hätte. Auf die Frage, ob er auch Kinder ermordet hätte, sagt er: „Damit meine Kinder das in Zukunft nicht machen müssen, ja.“ Im Folgenden sagt er unter anderem: „Meine Feinde sind meine Feinde.“ Die Fragen nach „Errungenschaften“ [den von ihm in seinem Manifest so genannten „Achievements“]beantwortet er mit der Aussage, dass er kein Interesse daran habe, seinen „Feinden“ alles zu erklären, weil sie sonst die Tat komplett durchblicken und Vorkehrungen treffen könnten. Erneut behauptet der Angeklagte auf Fragen, dass er sich nicht mit anderen besprochen habe und keine politischen Diskussionen führe. Auf den Vorhalt, dass er laut einer Zeugin „Ausländerpack“ gesagt haben solle, antwortet er, er könne sich nicht erinnern. Darauf, dass er auf einer Feier gesagt haben solle, „Juden sind an allem schuld“, sagt er: „Keine Ahnung. Wenn ich betrunken bin, weiß ich nicht, was ich gesagt habe.“ Auch zu einem Vorfall mit einem Messer gibt er an, dass ihm dazu nichts mehr einfalle. Im Folgenden geht es um Gewaltvideos, die er gesehen habe. Nachdem er zu Beginn – wie schon an den vorherigen Tagen einige Male – sagt, dass die Frage unwichtig sei, beantwortet er die Fragen dann doch: Er habe Hinrichtungsvideos vom IS und ähnlichen Gruppierungen gesehen und, denke er, auch abgespeichert. Zuletzt habe er vor der Tat Bilder auf den Desktop des Rechners in seinem Kinderzimmer gelegt für BKA-Beamte, so der Angeklagte auf Frage. Er bejaht, dass er temporäre Dateien löschen wollte. Wiederholt spricht er davon, dass es sich um „Witze“ handele, die er nicht erklären werde. RA Özata fragt nach „Meguca“. Der Angeklagte sagt, das sei irgendeine Internetseite über Anime. Auf Frage sagt er, dort habe er sein Manifest hochgeladen. Özata: „Warum dort?“ Der Angeklagte antwortet: „Warum nicht, wo sonst?“ Das sei reiner Zufall gewesen, er habe dort keine Kontakte gehabt, sagt er auf Nachfragen. Es folgen Fragen zu Steam- und Discord-Accounts und zu Nicknames, die der Angeklagte nicht beantwortet.

Es folgen Fragen des Nebenklagevertreters RA Feige, der die beiden Verletzten aus Wiedersdorf vertritt. Feige fragt, mit welcher Waffe der Angeklagte auf den Mandanten gezielt habe. Der Angeklagte bejaht, dass es die Waffe gewesen sei, die er schon im Imbiss eingesetzt habe. Feige: „Womit Sie den ersten Schuss auf Herrn S. abgegeben haben?“ Angeklagter: „Ja, der nicht effektiv war.“ Dann fragt Nebenklagevertreter Schulz, der die Personen vertritt, denen der Angeklagte in Wiedersdorf das Taxi gestohlen hat. Der Angeklagte sagt auf Frage, ob er sich als Kriegsgefangener sehe, dass ein Kriegsgefangener einen Staat hinter sich stehen habe, leider gebe es da bei ihm keinen: „Ich wär gern einer.“ Auf Frage nach homofeindlichen Bezügen in einem Entwurf zu seinem Manifest macht der Angeklagte weitere homofeindliche, aber auch antisemitische Bemerkungen.

Im Folgenden geht es unter anderem um den Fluchtversuch des Angeklagten aus der Untersuchungshaft. Dieser sei am zweiten Zaun gescheitert, so der Angeklagte. Auf die Frage, was er hätte machen wollen, wenn die Flucht erfolgreich gewesen wäre, sagt er: „Erstmal rauskommen, dann sehen wir weiter.“ Nach weiteren Fragen aus der Nebenklage fragt Nebenklagevertreterin Dr. Kati Lang u.a. zur Mutter des Angeklagten. Zunächst sagt der Angeklagte, er wolle sein Familienleben in der Öffentlichkeit nicht darlegen. Lang zitiert aus dem Abschiedsbrief der Mutter, den diese vor ihrem Suizidversuch am Tattag verfasst hatte. Der Brief enthält antisemitische Formulierungen und auch Zeichnungen, die Mutter schreibt am Ende: „Er [also der Angeklagte]wollte nur eines: die Wahrheit. Er hat es nicht geschafft. Sie lügen.“ Lang fragt, wie sich der Angeklagte diese antisemitische Verschwörungserzählung erklärt. Der Angeklagte antwortet, das sei keine antisemitische Verschwörungstheorie. Dann sagt er, dass seine Mutter unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol und dem, was sie gehört habe, gestanden habe. Lang: „Haben Sie Ihrer Mutter das Manifest [des Attentäters von Christchurch]ausgehändigt?“ Angeklagter: „Auf jeden Fall nicht.“ Lang: „Ihre Mutter sagt dazu etwas anderes. Haben Sie sich ausgetauscht mit ihr?“ Angeklagter: „Ich habe gesagt, dass jemand gegen Muslime vorgegangen ist in Neuseeland.“ Lang sagt, dass seine Schwester angegeben habe, dass er Hass auf alle Ausländer, vor allem Juden habe. Wenn, sei ihm mal was rausgerutscht, so der Angeklagte. Lang: „Hat Ihnen jemand widersprochen aktiv?“ Angeklagter: „Es gab keine politischen Diskussionen.“ Lang: „Doch die gab es!“ Angeklagter: „Nein, und werfen Sie mir nicht was vor, wenn gab es dumme Kommentare.“ Im Folgenden geht Lang mehrere Namen von Personen durch, mit denen der Angeklagte aus der Haft heraus Briefkontakt hat. Der Angeklagte reagiert sicht- und hörbar genervt, bestätigt aber den Kontakt. Er sagt, er tausche sich hier nicht über seinen privaten Briefverkehr aus, und dass die Fragen nicht weiter gestellt zu werden bräuchten, er beantworte sie nicht. Lang fragt dennoch weiter und nennt Namen von Briefkontakten bis der Angeklagte sagt: „Ich beantworte keine weiteren Fragen.“

Aus der Nebenklage wird gefragt, ob der Angeklagte auch Lieder der Hamas und der Al-Quassam-Brigaden gehört habe, was der Angeklagte bejaht. Der Angeklagte gibt an, er höre die Musik seiner Feinde wie er ihre Bücher lese, „um ihre Strategie zu durchschauen“. Im Folgenden geht es um die Frage, ob der Angeklagte gewusst hat, dass sich Jüdinnen*Juden in der Synagoge befinden und woran er diese im Zweifel erkannt hätte. Der Angeklagte versucht einen Witz zu machen und spricht von „geheimem Templerwissen“, dann sagt er, das seien Informationen, die er über Jahre gelernt habe. Er habe auch über Jahre gelernt, was ein Moslem sei, ohne sich vorzubereiten: „Das lernt man mit der Zeit.“ In Bezug auf die Frage, warum er angegeben habe, sein gemietetes Fahrzeug habe geblinkt wie die Enterprise sagt der Angeklagte: „Ich hasse Star Trek mit einer Leidenschaft, das können Sie sich nicht vorstellen.“ Er bejaht Star Trek zu kennen: „Genug, um es zu hassen. Star Trek ist ein wortwörtlich multikulturelles, jüdisches, schwules Sapceimperium.“ Der Angeklagte nutzt den antisemitischen Topos vom jüdischen Hollywood.

Im Folgenden geht es bei der Befragung durch Rechtsanwältin Pietrzyk zunächst um Bücher seiner „Feinde“, die der Angeklagte gelesen haben will. Er nennt nur den Koran. Auf Nachfrage, ob ihm der Rest entfallen sei, sagt er, mehr wolle er nicht nennen. Pietrzyk nennt dann Lieder, die der Angeklagte bei der Tat abgespielt hat. Sie fragt bei einem Lied, in welcher Situation dieses gespielt worden sei. Der Angeklagte sagt, dazu müsse er das Video sehen. Der Angeklagte setzt im Zusammenhang mit dem Lied immer wieder zu einer längeren Selbstdarstellung an, dies lässt Pietrzyk jedoch nicht zu, sie unterbricht ihn mit konkreten Fragen, u.a. dazu, dass eines der Lieder einen Bezug zum Incel-Phänomen [involuntary celibats]habe. Der Angeklagte sagt, zu denen fühle er sich nicht zugehörig. Pietrzyk fragt in Bezug auf eine Vernehmung: „Warum erwähnen Sie da Anetta Kahane?“ Angeklagter: „Die steht ganz weit oben auf meiner Feindesliste.“

Im Folgenden geht es u.a. um die Frage, ob der Angeklagte wusste, dass es sich bei der Synagoge um eine aktive Synagoge handelt oderer es, wie er behauptet, für möglich gehalten hat, dass es sich nur um ein „Denkmal“ handelt. Nebenklagevertreter RA Sebastian Scharmer weist darauf hin, dass der Angeklagte lange versucht habe, die Türe zu öffnen, dort sei ein Schild mit der Aufschrift „Jüdische Gemeinde Halle – Synagoge“. Der Angeklagte sagt dazu lediglich: „Dann habe ich das falsch interpretiert.“ Scharmer: „Schwer, das falsch zu interpretieren.“ Nach Fragen der Vorsitzenden zum selben Thema fragt RAin Lang. Sie sagt, der Angeklagte habe in einer Beschuldigtenvernehmung ausgeführt, dass er sich bei der ausgewählten Musik etwas gedacht habe, man lebe ja im Unterhaltungszeitalter: „Finden Sie die Tötung von Menschen unterhaltsam?“ Der Angeklagte sagt: „Nein, aber wir leben zweifelsohne im Unterhaltungszeitalter.“ Es folgen Fragen zu Songs, v.a. zu einem bestimmten Song, der u.a. antisemitische und homofeindliche Aussagen beinhaltet. Der Angeklagte versucht aufzutrumpfen, stellt beispielsweise Gegenfragen. Lang weist ihn u.a. darauf hin, dass das hier keine Quizshow sei. Auf die spätere Nachfrage, was er mit der Aussage im Video „Scheiß drauf, vielleicht komme Sie ja raus“ gemeint habe, und ob er das Ziel gehabt habe, die Menschen in der Synagoge rauszutreiben, sagt der Angeklagte, dass er im Dokument bereits gesagt habe, dass das eine der Möglichkeiten sei.

Lang stellt zum Ende ihrer Befragung fest: „Sie verbreiten hier ganz einfach nationalsozialistische, faschistische Ideologie. Das sind sie: ein Nazi!“

In der folgenden Befragung durch RAin Lewin behauptet der Angeklagte, er habe nach und nach weniger mit seiner Familie gesprochen, weil er seine Themen nicht habe anbringen können, habe viel Zeit vor dem Rechner verbracht. Hin und wieder habe es Diskussionen mit der Mutter gegeben, so der Angeklagte auf Nachfrage, er habe aber versucht, das Gespräch abzubrechen. Auch mit seinem Vater habe es keine großen Gespräche gegeben, weil es „ja wieder auf die politische Schiene geht und das will ich nicht.“ Der Angeklagte nutzt die weitere Befragung für antisemitische und rassistische Ausfürhrungen, woraufhin Mertens die Befragung unterbricht und in Richtung der Nebenklage sagt, dass vielleicht vermieden werden solle, Fragen zu stellen, die Gelegenheit geben, dass die schwer erträgliche Ideologie des Angeklagten hier ausgebreitet wird.

RAin Pietrzyk weist den Angeklagten darauf hin, dass bei der Google-Suche nach „Incel“ [involuntary celibats]ein Bild des Angeklagten auftauche. Der sagt dazu, er grenze sich nicht ab von Incels ab, sehe sich nur nicht als solcher.

Nach Fragen von RA Schulz fragt RA Goldstein den Angeklagten, was dieser seinen Anwalt Weber gefragt habe, als er ihn zum ersten Mal gesehen hat. Der Angeklagte sagt, er habe Weber gefragt, ob er Jude sei, weil er auf jeden Fall keinen Juden als Verteidiger habe. Goldstein: „Würden Sie sagen, Sie sind ein Nazi?“ Der Angeklagte gibt eine kaum verständliche Antwort [evtl. „Eher könnte.“]. Auf die Nachfrage von Goldstein sagt er: „Keine weiteren Antworten.“ Auf die Frage, ob er sagen würde, dass er ein Antisemit ist, antwortet der Angeklagte klar mit Ja.

Nach einer Pause folgen Fragen eines Nebenklägers, der sich während des Anschlags in der Synagoge aufgehalten hat. Die Fragen werden zunächst simultan, später konsekutiv aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Auf die Fragen antwortet der Angeklagte mit antisemitischen und rassistischen Verschwörungserzählungen, spricht etwas von einem angeblich seit 1.300 Jahren bestehenden „Plan, die europäischen Länder zu erobern“, spricht in antisemitischer Diktion von Juden als „Teilgruppe, die sich von einer größeren Gruppe ernährt“. Zum Nebenkläger sagt er: „Ich denke, Sie arbeiten daran, das Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten, das Weiße ausbeutet.“ Der Nebenkläger erwidert: „Ich arbeite an Primzahlen. Ich frage nach der Tiefe Ihrer Überzeugungen.“ Angeklagter: „Sehr tief.“ Der Angeklagte bejaht, dass es ihm bei dem Angriff im Wege gestanden hätte, wenn er eine Freundin gehabt hätte. Zur Frage, ob er, wenn er Kinder gehabt hätte, noch emotional fähig gewesen wäre, diese Tat durchzuführen, sagt er: „Würde sagen ja, ich habe keine Kinder, kann es nicht wissen.“ Dann redet er darüber, dass über Jahrtausende Männer gekämpft hätten, auch solche mit Kindern und von einem „Zeichen der europäischen Schwäche“, dass das nicht mehr so sei. In Bezug auf den Suizidversuch der Mutter fragt der Nebenkläger: „Wenn Ihre Mutter gestorben wäre als Folge der Tat, wäre das ein akzeptabler Kollateralschaden?“ Angeklagter: „Nein, kein akzeptabler Kollateralschaden.“

Nach der Befragung durch den Nebenkläger fragt die Vorsitzende Richterin Mertens, ob für den Angeklagten Kampf bedeutet, Kampf zwischen ebenbürtigen Menschen. Das verneint der Angeklagte. Auf den Hinweis, dass die Öffentlichkeit darunter nichts verstehe, was mit Heimtücke verbunden ist, sagt der Angeklagte: „Deswegen verlieren sie.“ Mertens: „Das wollen wir mal festhalten, dass das so ist: Gekämpft haben Sie nicht, Sie haben bis dahin im Kinderzimmer gesessen!“

Es folgt dann die Verlesung des bereits erwähnten Briefs der Mutter.

Mertens fragt danach: „Ihre Mutter treibt das Thema Juden auch um?“ Der Angeklagte sagt: „Absolut nicht.“ Er wisse nicht, warum das da drin stehe, es sei wohl eine Kombination aus dem, was in den Medien steht, und Medikation.

Es folgen Fragen des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Norbert Leygraf. Der fragt zunächst zur Bauchoperation, die der Angeklagte hatte, u.a. dazu, dass in einem Arztbrief die Rede von Kampfsport sei. Außerdem fragt er zu dem vom Angeklagten eingeräumten Amphetaminkonsum in der Jugend. Der Angeklagte möchte die Fragen nicht beantworten oder behauptet, er wisse es nicht mehr. In Bezug auf die Äußerung des Angeklagten, er sei unsicher gewesen, ob die Synagoge in Betrieb ist, sagt Leygraf, dass der Angeklagte in einem von ihm so betitelten „Pre-Action Report“ geschrieben habe, dass er die Synagoge ausgewählt habe, weil es der nächste Ort mit einer größeren Zahl Juden wäre. Der Angeklagte bejaht das. Leygraf sagt, das lege nahe, dass der Angeklagte wisse, dass da Juden seien. Auf Fragen des Sachverständigen sagt der Angeklagte, dass er für den Fall, dass sein eigentlicher Plan an der Synagoge keinen Erfolg hat, „zur Not“ in die Innenstadt oder zu einem Muslimischen Kulturzentrum zu gehen, er habe aber keinen genauen Plan gehabt, zu weit in die Zukunft zu planen sei nicht effizient.

Nach der Einlassung des Angeklagten verliest RAin Lang für ihre Mandant*innen eine Erklärung:
Der Angeklagte hat in seinen Ausführungen sein zutiefst antisemitisches und rassistisches Weltbild dargelegt. Wir wissen, dass ein rechtsstaatliches Verfahren dem Angeklagten diese Möglichkeit zur freien Rede zugesteht. Aber es war für uns schwer aushaltbar. Es soll und kann nicht unwidersprochen bleiben.
Wir haben und hatten keine Illusionen, dass der Angeklagte seine Taten bereut. Aus seinen Taten und seinen Worten hier im Gerichtssaal spricht eine klare Haltung, die in der Geschichte Deutschlands bereits zu mehr als sechs Millionen getöteten Juden und Jüdinnen und in jüngster Zeit, also nach der Wiedervereinigung, zu mehr als zweihundert Toten rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt in Deutschland geführt hat. Zuletzt starben beim Anschlag in Hanau am 19. Februar diesen Jahres neun Menschen.
Der Angeklagte ist ein tief überzeugter Antisemit und Rassist. Diese Haltung ist weder zu pathologisieren noch mit seinem Werdegang zu entschuldigen. Der Angeklagte hat sich aus freiem Willen heraus entschlossen Juden und Jüdinnen sowie vermeintlich Nichtdeutsche aus einer Ideologie der Ungleichwertigkeit heraus zu hassen und töten zu wollen, um den Fortbestand einer angeblichen Kultur der weißen, männlichen Vorherrschaft zu sichern. Auch wenn der Darstellung des Angeklagten entnommen werden soll, dass er allein handelte, so mag das in einem engen strafrechtlichen Verständnis korrekt sein. Für uns aber gibt die Einlassung des Angeklagten ein anderes Bild. Der Angeklagte bewegte sich in einem gesellschaftlichen Resonanzraum, insbesondere in Internetforen, die ihn inspirierten, bestärkten und über die er sich einen Nachahmungseffekt erhoffte. Über diese selbstreferentiellen digitalen Räume verbunden mit einer gleichgültigen oder bejahenden realen Umgebung wurden aus Worten Taten. Für uns sind die Taten von Oslo und Utøya im Jahr 2011, das Attentat von Christchurch im März 2019, die der Angeklagte als Blaupausen anführte und schließlich der Anschlag von Halle nicht als Verbrechen von Einzeltätern anzusehen. Die Einlassung des Angeklagten zeigt vielmehr, dass vor allem der digitale Resonanzraum Inspiration und Unterstützung darstellte. Diese digitalen Verbindungen sind lose – aber nicht unstrukturiert, sie sind sich immer wieder neu findende und konstituierende Netzwerke des Hasses. In der Wissenschaft werden unter digitalen Hasskulturen komplexe Schwärme von Internetnutzern, die kurzzeitige Allianzen bilden, um eine aufgeklärte politische Kultur zu bekämpfen, verstanden.
Die Anschläge von Pittsburgh, Christchurch und Poway hatten genau wie die Tat von Halle zwei Referenzpunkte. Einerseits sollen mit solchen Botschaftstaten sämtliche Angehörige der anvisierten Betroffenengruppe in Angst und Schrecken versetzt werden. Juden und Jüdinnen sollte vermittelt werden, dass sie nicht in Sicherheit sind. In Deutschland hat ein solcher Anschlag aufgrund der Shoa ohne Frage nochmals eine besondere Bedeutung. Andererseits ging es dem Angeklagten darum, mit seiner Tat weitere weiße Männer zum Kampf gegen die vermeintlich Anderen zu ermutigen, so wie er selbst die Waffe in die Hand zu nehmen. Es darf in diesem Prozess nicht der Fehler gemacht werden, die Taten dadurch zu verharmlosen, dass hier nur eine Person angeklagt ist. Es darf nicht der Fehler gemacht werden, nach Gründen zu suchen, die die Ideologie des Täters vermeintlich entschuldigen. Weder die Trennung der Eltern noch andere persönliche Umstände haben zur Folge, dass man sich selbst als Übermensch sieht und andere Menschen aus rassistischen und antisemitischen Gründen das Recht auf Leben abspricht. Antisemitismus und Rassismus darf und wird nicht unwidersprochen bleiben. Auch deshalb geben wir diese Erklärung bewusst nach der Einlassung des Angeklagten ab. Nicht um ihn zu kommentieren, sondern um aktiv zu widersprechen.

Es folgt dann die Befragung des Polizeibeamten Drews vom Staatsschutz des BKA, der bei den Vernehmungen des Angeklagten anwesend war. Die Vernehmung ergibt relativ wenig Neues, da der Angeklagte in diesen Vernehmungen offenbar Ähnliches angegeben hat, wie in den Tagen vor Gericht. Zunächst fragt die Vorsitzende. Drews beschreibt den Angeklagten als verschlossen, aber auch folgsam und als zurückhaltend. Im Hinblick auf „Your F&A Guide“ – eine erste Erklärung, die der Angeklagte verfasst, aber nicht veröffentlicht hat – sagt der Zeuge, dass der Angeklagte angegeben habe, das sei auf Englisch verfasst, weil er wollte, dass die Tatdokumente nicht nur in Deutschland, sondern international alle mitlesen, mitdenken und nachmachen können. Bei der ersten Erklärung seien zunächst Muslime als Tatziel angegeben worden, so der Zeuge. Der Zeuge berichtet u.a. weiter, dass es in Bezug auf Formulierungen in einem Dokument des Angeklagten, aus dem Angeklagten herausgeplatzt sei, dass es ein „Witz“ sei. Weil der Zeuge nicht sagen kann, wann dieses Dokument entstanden ist, fragt die Vorsitzende den Angeklagten. Dieser sagt, das müsse nach dem Anschlag in Christchurch gewesen sein, im April ungefähr. Es geht dann weiter mit der Befragung des Zeugen Drews. Dieser gibt an, dass der Angeklagte angegeben habe, dass er den höchsten jüdischen Feiertag ausgewählt habe, weil er sich erhofft habe, dass zum einen viele Juden in der Synagoge sind, und es ihm vor allem um die Juden gehe, die ein bis zwei Mal im Jahr nur in die Synagoge gehen: „Die würden ihm schaden. Orthodoxe würden den andern Juden eher zur Last fallen. Die würde er auch treffen wollen, aber die würden ihm nicht so schaden.“ Der Zeuge bejaht, dass der Angeklagte gewusst habe, dass Jom Kippur bei der jüdischen Gemeinde der höchste Feiertag ist. Im Weiteren berichtet der Zeuge u.a. dazu, dass der Angeklagte bei einer Ausspähfahrt die Uploadrate vor der Synagoge getestet hab. Außerdem berichtet er, dass der Angeklagte angegeben habe, dass er die Hoffnung hatte, dass [wenn er es nicht in die Synagoge schafft]Gemeindemitglieder herauskommen: „Er wollte sie rauslocken und hätte sie dann auf der Straße erschossen.“

Befragt in Bezug auf die Ermordung von Jana L. sagt der Zeuge, dass der Angeklagte hierzu angegeben habe, dass es gegolten habe „jegliche Störung“ zu unterbinden. In Bezug auf die weiteren Schüsse auf Jana L. habe der Angeklagte davon gesprochen, dass „Millionen Soldaten“ gestorben seien, weil sie Mitleid gehabt hätten. Der Zeuge bejaht auch, dass der Angeklagte angegeben habe, dass er den Dönerladen vorher nicht gekannt habe. Der Angeklagte habe die Vorstellung gehabt, dass ein Dönerladen nur von Muslimen besucht wird, also dass er Muslime trifft: „Was er gesehen hatte, waren verschiedene Personen, die er dem muslimischen Glauben zugerechnet hat.“ Auf die Frage von Mertens, ob dem Angeklagten dieses Identifizieren wichtig gewesen sei, sagt der Zeuge: „Da hat er gesagt, dass er das kann, das Menschen identifizieren nach Hautfarbe.“ Der Zeuge geht u.a. darauf ein, dass es aus Sicht des Angeklagten drei entscheidende Ereignisse vor seiner Tat gegeben habe: die Erkrankung des Angeklagten 2013, die „Flüchtlingskrise, ich nenne sie mal so“ 2015, in deren Folge der Angeklagte begonnen habe sich zu bewaffnen, und schließlich der Anschlag in Christchurch. Auf einen Vorhalt Mertens aus dem Vernehmungsprotokoll dazu, dass der Angeklagte eine Granate geworfen habe, weil er gedacht habe, dass die Menschen dann aus der Synagoge fliehen, sagt der Zeuge: „Das kam wie eine Explosion raus aus ihm: ‚Ja, natürlich hätte ich geschossen, dafür war ich da.‘“ Zur Situation, als der Angeklagte auf die Polizeistreife schoss, sagt der Zeuge, dass der Angeklagte angegeben habe, dass er die Polizisten gerne getötet hätte, „damit er weiter durch die Stadt ziehen kann und Leute töten kann“. Der Angeklagte habe gewusst, dass die Polizei ihn sonst daran hindern würde.

Nach einer Pause geht es u.a. darum, dass der Angeklagte sich nach seinem Grundwehrdienst noch einmal bei der Bundeswehr beworben habe, das Vorstellungsgespräch aber einen oder zwei Tage vorher abgesagt habe. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass der Angeklagte schlechte Aussichten gehabt habe, aber das habe der Angeklagte nicht gewusst. Es geht dann bei der folgenden Befragung durch Bundesanwalt Lohse darum, wie der Angeklagte den Betrag von 1.000 Euro für die von „Mark“ erhaltenen Bitcoin tatsächlich bekommen hat. Der Zeuge sagt: „Die hat er anonym weiterveräußert, an jemanden, wo er gar nicht wissen wollte, wie der heißt oder wo der herkommt.“ Auf einem Parkplatz [phon.], Kaufhof oder Karstadt in Eisleben, seien die Daten übergeben worden. Lohse fragt, ob der Angeklagte angegeben habe, dass er sich mit rechten Gruppen getroffen hätte. Der Zeuge sagt: „Nein, rechte Gruppen, die so denken würden wie er, würden sofort verboten.“

In Bezug auf den Personenbericht zum Angeklagten und zu gefundenen Datenträgern gibt der Zeuge u.a. an, dass der Angeklagte Löschprogramme über den Computer habe laufen lassen. Er spricht von Firefox-Browserartefakten, die gefunden worden seien. Da könne man aber nur sagen, dass eine Seite angewählt worden sei, nicht ob derjenige aktiv etwas gepostet habe, eine Registrierung vorgenommen habe oder wie lang er auf der Seite gewesen sei. Der Zeuge berichtet, dass seine Kollegen außerdem gewaltdarstellende Videos gesichert hätten. Der Angeklagte habe angegeben, „alles über Christchurch“ gespeichert zu haben. Der Zeuge berichtet auch von gespeicherten IS-Videos. Zu Accounts des Angeklagten berichtet der Zeuge u.a. von einem „Steam“-Account, den „Twitch“-Account habe der Angeklagte nur zum Streamen der Tat angelegt.

Dann fragt die Nebenklage. RA Eifler sagt, dass im Video zu sehen sei, dass Kevin S. um sein Leben fleht, und fragt: „Hat er da Reaktionen gezeigt?“ Drews: „Ich glaube, er hat es gar nicht kommentiert, nicht im Sinne, es tut ihm leid oder er bereut es.“ RA Görgülü fragt zu weiteren Reaktionen des Angeklagten beim Video, ob der mal gelächelt habe. Drews: „Nicht nur gelächelt, sondern gelacht.“ Der Angeklagte habe in allen Vernehmungen immer wieder laut gelacht, wenn er etwas als „äußerst witzig empfunden hat. Konnte ich nicht nachvollziehen, aber ja.“

RAin Pietrzyk fragt u.a. zu einem Video auf einem Datenträger mit Bezug zur Atomwaffen Division. Drews: „Ähm, im Endeffekt, dass es für ihn keine große Bedeutung hatte, dass er das wie vieles andere in den ‚Shitpost‘-Ordner gelegt hat.“ Für ihn, so Drews, habe sich kein Tatbezug zur Atomwaffen Division ergeben. Pietrzyk hält zur Atomwaffen Division aus einer Vernehmung vor: Ich wäre froh, wenn sie echt wäre. Drews: „Hat er wohl angezweifelt.“ An die namentliche Erwähnung des Täters des rassistischen OEZ-Anschlags in München durch den Angeklagten kann sich der Zeuge zunächst nicht erinnern. Nach einem Vorhalt sagt Drews: „Ah, genau, der Name war mir entfallen.“ Den Vorhalt, dass der Angeklagte von den Nagelbomben eine in den Dönerladen habe werfen wollen, bejaht der Zeuge. Im Weiteren geht es u.a. darum, ob der Angeklagte mal angegeben habe, dass er aus den Taten der Attentäter von El Paso und Christchurch gelernt habe. Dazu gibt der Zeuge an, dass der Angeklagte gesagt habe, dass er wegen neuer Algorithmen bei Facebook einen anderen Server, bei dem das nicht so ist, der aber stabil ist, gesucht habe. Auf Nachfrage nach dem Käufer der Bitcoin sagt der Zeuge, dass der Angeklagte zu verstehen gegeben habe, dass der Käufer nicht aus Eisleben gewesen sei, sondern eine lange Anreise gehabt habe, er aber nicht wisse, woher.

Auf Frage von RAin Lang, ob der Angeklagte mit seiner Mutter auf Englisch gesprochen habe, sagt der Zeuge: „Mal auf Englisch, mal auf Deutsch.“ Im Folgenden fragt RA Hermann u.a. zur Funktionsweise von Imageboards, der Zeuge gibt aber an, dass er da keine Experte sei. Hermann regt an, wenn das Gericht es nicht ohnehin geplant hat, einen Experten zu diesem Thema zu hören. RA Siebenhüner fragt u.a. danach, ob Hinweise gefunden worden seien, dass der Angeklagte nach der Tat mit Durchsuchungen gerechnet hat. Das bejaht der Zeuge, der Angeklagte habe wohl in den leeren Bettkasten, wo er ursprünglich die Waffen gelagert hatte, einen Zettel mit der Aufschrift „Niete“ hingelegt. Siebenhüner fragt nach Merkwürdigkeiten beim Angeklagten in den Vernehmungen. Dass der Angeklagte an unpassenden Stellen gelacht habe, das habe er auffällig gefunden, sagt der Zeuge.

Im Nachgang zur Vernehmung des Zeugen Drews schließt sich RAin Pietrzyk der Anregung von RA Hermann an und nennt bereits eine Sachverständige zum Thema Imageboards. Mertens sagt, das Gericht werde das prüfen. Der Verhandlungstag endet um 16:52 Uhr.

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4. Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle. Mittwoch, 29.07.2020 – Zusammenfassender Bericht

An diesem Prozesstag werden die ersten Zeug*innen aus dem Umfeld des Angeklagten gehört. Zunächst machen seine Verwandten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, dann wird der ehemalige Partner der Schwester des Angeklagten befragt. Die Verfahrensbeteiligten befragen ihn ausführlich zu den Familienverhältnissen des Angeklagten. Dabei zeigt sich, dass der Angeklagte immer wieder mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen auffiel, der Zeuge schildert sogar einen rassistischen Übergriff des Angeklagten in einem Supermarkt. Es folgen die Befragungen von zwei Lehrerinnen des Angeklagten sowie eines ehemaligen Bundeswehrkameraden.

Für den 4. Verhandlungstag war die Befragung von insgesamt sechs Zeug*Innen aus dem familiären und weiteren persönlichen Umfeld des Angeklagten vorgesehen. Der Zeuge M., ein Bekannter des Angeklagten, sendete im Vorfeld der Verhandlung ein Attest und erschien nicht zur Zeugenbefragung. Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens gab an, den Zeugen zu einem anderen Zeitpunkt erneut laden zu wollen. Daraufhin wurde der Prozess mit der Befragung der anwesenden Zeug*Innen begonnen.

Zeugin: Mutter des Angeklagten

Als erste Zeugin wird die Mutter des Angeklagten aufgerufen. Die Vorsitzende Richterin belehrt sie zu ihren Pflichten als Zeugin und dazu, dass sie als Mutter des Angeklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht [§ 52 StPO] hat, also die Auskunft vollständig verweigern kann. Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin macht sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wird daraufhin entlassen.

Zeuge: Vater des Angeklagten

Als zweiter Zeuge wird der Vater des Angeklagten aufgerufen. Auch er macht Gebrauch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht und wird entlassen.

Zeugin: Anna P. (Schwester des Angeklagten)

Als dritte Zeugin wird Anna P., die Schwester des Angeklagten aufgerufen. Bevor auch sie Gebrauch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht macht, interveniert Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann und sagt an die Zeugin P. gerichtet, dass sie ihren Bruder mit einer Aussage aufgrund der Faktenlage zur Tat nicht weiter belasten würde, jedoch sehr zum Prozess und zur Aufklärung der Hintergründe der Tat beitragen könne. Mertens entzieht daraufhin RA Hoffmann das Rederecht. Die Zeugin P. lehnt ab und wird, nachdem sie ebenfalls von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch die Vorsitzende Richterin entlassen.

Zeuge Mario S. (ehemaliger Lebensgefährte der Schwester des Angeklagten)

Daraufhin wird mit dem 31-jährigen Zeugen Mario S. fortgeführt. S. war in einer längeren Beziehung mit Anna P., der Schwester des Angeklagten, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat. Da der der Zeuge weder verwandt noch verschwägert mit der Familie des Angeklagten ist, hat er kein Zeugnisverweigerungsrecht und ist somit zur Aussage verpflichtet.

Als erstes fragt die Vorsitzende Richterin den Zeugen zu seiner Beziehung zu Frau P., der Schwester des Angeklagten. S. gibt an, dass die Beziehung zu Anna P. seit ungefähr 2013 bestanden und 2018 beendet worden sei. Sie seien weiterhin gut befreundet und kümmerten sich um das gemeinsame Kind. Weiter fragt die Vorsitzende Richterin, was S. zur Familie des Angeklagten aussagen könne. Der Zeuge gibt an, die Mutter des Angeklagten seit etwa acht Jahren zu kennen. Er berichtet von Besuchen, die zuletzt meist im Haus des Vaters, seltener in der Wohnung der Mutter stattgefunden hätten. Nach dem Anschlag sei die Mutter wieder zu ihrem Ex-Mann, also dem Vater des Angeklagten gezogen. Bei gemeinsamen Treffen und Familienfeiern sei nur die Kernfamilie anwesend gewesen, auch von Besuch von Freund*innen bei Mutter oder Vater wisse er nichts.

Welchen Eindruck der Zeuge von dem Angeklagten gehabt habe, fragt die Vorsitzende Richterin. Der Zeuge S. antwortet, dass zu Beginn der Kontakt sehr gering gewesen sei und sich lediglich auf die Begrüßung beschränkt habe. Der Angeklagte sei ihm gegenüber sehr zurückhaltend gewesen, später habe es kurze Gespräche über den Sohn des Zeugen gegeben. Auch am Esstisch habe man sich unterhalten, meist über alltägliche Dinge oder das, was in den Medien gewesen sei. Oft sei der Angeklagte nach dem Essen allerdings direkt aufgestanden und habe sich zurückgezogen. Es habe aber auch Situationen gegeben, wo der Angeklagte am Tisch geblieben sei, dabei oft aber geschwiegen habe. Mertens fragt, ob er den Angeklagten gemocht habe. Nach einer kurzen Pause antwortet S., dass er den Angeklagten zwar nicht offen gehasst habe, „von Mögen kann aber keine Rede sein“. Oft sei er sich nicht sicher gewesen, was er vom Angeklagten halten solle, da dieser ihn öfters geärgert habe. Er habe nie richtig einschätzen können, ob es als „Necken“ oder wirklich als Beleidigung gemeint gewesen sei. Auf die Frage, ob es auch offenen Streit gegeben habe, gibt der Zeuge weiter an, dass es ein paar Mal solche Situationen gegeben habe. Er habe sich zum Beispiel einmal bei einem Streit zwischen dem Angeklagten und der Mutter schlichtend einbringen wollen, woraufhin ihn der Angeklagte laut und gereizt zum Gehen aufgefordert habe.

Nun geht die Vorsitzende Richterin auf die Vernehmung des Zeugen durch das BKA ein, in der er den Angeklagten als Einzelgänger beschrieben haben soll, und fragt ihn, ob er das so wieder bestätigen würde. S. bejaht das, die Mutter des Angeklagten habe ihn und seine Lebensgefährtin darum gebeten, den Angeklagten, „doch einmal mit raus zu nehmen“. Daraufhin hätten sie ihn auch ein paar Mal zu Treffen mit Freund*innen mitgenommen. Allerdings habe sich der Angeklagte nach gewisser Zeit auch davon distanziert und sei nicht mehr mitgekommen. Er kenne keine Person, die der Angeklagte als Freund bezeichnen würde. Er habe nur gehört, dass er mal etwas mit Studienkollegen unternommen habe.

Nun geht die Vorsitzende Richterin auf ein Ereignis ein, einen Streit zwischen dem Angeklagten und einem Max K., bei dem der Angeklagte ein Messer gezogen haben soll. Der Zeuge S. bestätigt dieses Ereignis, fügt jedoch hinzu, dass er sich aufgrund von Trunkenheit nicht daran erinnern könne und deshalb nur aus zweiter Hand davon wisse. Bei einer Geburtstagsfeier sei es demnach zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und dem Max K. gekommen, wobei der Angeklagte dann ein Messer gezogen hätte. Mehr wisse er nicht. Auf die Frage, ob es normal gewesen sei, dass der Angeklagte ein Messer mit sich führte, gibt der Zeuge an, dies nicht zu wissen. Er könne sich nur daran erinnern, dass er in dem Zimmer des Angeklagten ein Messer gesehen habe. Auf Frage sagt S., dass der Angeklagte alte Bundeswehr-Sachen in seinem Zimmer gehabt habe, darunter einen Helm. Über den Schuppen beim Haus des Vaters des Angeklagten und darüber, was der Angeklagte dort gemacht habe, wisse er nicht viel. Einmal habe der Angeklagte ihn etwas zur Verarbeitung von Metall gefragt, weil er – S. – Mechatroniker sei. Ein anderes Mal habe der Angeklagte ihm eine selbstgebaute Presse gezeigt; allerdings habe der Angeklagte ihm nicht gesagt, wofür er diese gebaut habe. Weiter fragt Mertens, was er über die Erkrankung des Angeklagten wisse. S. glaube, dass der Angeklagte eine Operation an der Bauchspeicheldrüse gehabt habe. Er wisse nicht genau, was der Angeklagte gehabt habe, nur dass es teils lebensbedrohlich gewesen sei.

Auf Frage nach dem Brief der Mutter des Angeklagten, welchen diese vor ihrem gescheiterten Suizidversuch am Tag des Anschlags verfasst hatte, sagt S., dass er den Brief gelesen habe und von dem Inhalt geschockt gewesen sei. Bei den Eltern sei er am 9. Oktober nicht gewesen, er habe erst später am Abend durch einen Freund von dem Anschlag erfahren und zu dem Zeitpunkt sei die Mutter des Angeklagten bereits im Krankenhaus gewesen. S. berichtet im Folgenden unter anderem, dass der Angeklagte Sachen von der Bundeswehr in seinem Zimmer gehabt habe, darunter ein Messer und einen Helm; auch ein Panzermodell habe er in dem Zimmer des Angeklagten gesehen. Er habe zwar nie direkt Angst vor dem Angeklagten gehabt, ihn manchmal aber als Bedrohung wahrgenommen. S. berichtet, dass er einmal mit Anna P. und dem Angeklagten beim Einkauf gewesen sei. An der Kasse hätten sich zwei Personen in einer anderen Sprache als Deutsch unterhalten. Der Angeklagte habe die beiden Personen angeschrien und gemeint, dass in Deutschland gefälligst Deutsch gesprochen werden solle. Diese Situation habe er als bedrohlich wahrgenommen, so S.

Mertens fragt zu Gesprächen über Politik allgemein. S. antwortet, dass es zum Beispiel das Thema „Flüchtlingskrise“ gegeben habe und dass sich der Angeklagte über die Flüchtlinge und die Politik der Regierung aufgeregt habe. Oft sei bei Mutter oder Vater der Fernseher oder das Radio abgeschaltet worden, wenn solche Themen gekommen seien. Bei solchen Gesprächen sei es auch mal lauter geworden, gerade zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter. Diese habe meist eine andere Meinung gehabt, habe manchmal aber auch zugestimmt. Die Schwester des Angeklagten habe auch geäußert, dass sie es nicht richtig finde, wie es mit den Flüchtlingen laufe. Allerdings habe sie beim dem Thema oft abgewehrt. Die Nachfrage der Richterin, ob der Angeklagte bei solchen Diskussionen auch davon geredet habe, Menschen töten zu müssen, verneint der Zeuge. Zur Zeit nach dem Anschlag sagt S., dass Frau P. wohl nur einmal im Gefängnis zu Besuch gewesen sei, ihren Bruder aber nicht mehr besuchen wolle, weil sie es falsch finde, was er getan hat. Sie könne seinen Anblick nicht ertragen und wolle keinen Kontakt mehr zu ihrem Bruder; die Eltern seien wohl öfters mal dort und hätten telefonisch Kontakt.

Abschließend fragt Richterin Mertens den Zeugen, ob auch einmal Religionen Thema bei Gesprächen innerhalb der Familie gewesen seien. S. antwortet daraufhin, dass er sich erinnern könne, dass der Angeklagte einmal gesagt habe: „Die Juden sind schuld.“. S. sagt, er habe zu dem Zeitpunkt aber nicht gewusst, ob das nur Gerede oder wirklich ernst gemeint war. Er selbst habe sich aus solchen Gesprächen immer herausgehalten und auch nicht widersprochen, allerdings hätte er solche Aussagen auch nie geteilt.

Das Fragerecht geht an die Bundesanwaltschaft. Bundesanwalt Lohse fragt den Zeugen, ob er wisse, mit was sich der Angeklagte am Computer beschäftigt habe. S. antwortet, dass er gesehen habe, dass der Angeklagte in „irgendeinem Forum“ aktiv war und dass er Spiele gespielt habe, vorwiegend Strategiespiele und Egoshooter. Es folgt eine Frage des Verteidigers. RA Weber fragt den Zeugen, ob der Angeklagte im Freundeskreis auf Ablehnung gestoßen sei. S. sagt, das es keine Ablehnung gegeben habe. Manche Freunde seien vielleicht skeptisch gewesen, aber der Rückzug sei von dem Angeklagten selbst gekommen.

Da die Verteidigung keine weiteren Fragen an den Zeugen hat, erhält die Nebenklage das Fragerecht. Als erstes fragt RA Görgülü den Zeugen, wie die Mutter des Angeklagten auf dessen Aussagen über Juden reagiert habe. S. sagt, dass die Mutter diesen Aussagen schon widersprochen habe. Meist habe sie gesagt, was das denn solle, manchmal habe sie allerdings auch deutlicher widersprochen.

RAin Pietrzyk geht auf Brieffreundschaften ein, die der Angeklagte zurzeit aus der Haft heraus pflegt. Sie nennt Namen und Wohnorte der Kontakte, mit denen der Angeklagte sich austauscht, und fragt den Zeugen, ob er eine der genannten Personen kennen würde. Der Zeuge verneint dies. Der Zeuge bejaht eine sportliche Betätigung des Angeklagten, nennt Fitnesstraining – Situps, Klimmzüge usw. –, das der Angeklagte nach seiner Krankheit, ab ca. 2015, gemacht habe. Pietrzyk fragt den Zeugen im Folgenden unter anderem, ob er wisse, dass an die Adresse von Frau P. einmal ein Messer für den Angeklagten geliefert worden sei. Der Zeuge verneint, davon zu wissen. Auch die Frage danach, ob er wisse, dass die Mutter des Angeklagten möglicherweise eine SIM-Karte unter einem falschen Namen angemeldet habe, verneint S. Ebenso verneint er die Frage danach, ob er wisse, dass eine Freundin der Mutter ihr berichtete habe, dass ihr Sohn an einer NPD-Veranstaltung teilgenommen haben soll. Auf eine weitere Frage von Pietrzyk bejaht der Zeuge, dass eine damalige Lebensgefährtin P. ihrer Mutter einmal CDs von den Böhsen Onkelz und von Freiwild geschenkt habe.

Nun ergreift die Mandantin von RA Pietrzyk das Wort und möchte dem Zeugen eine Frage stellen. Da sie auf Englisch spricht, werden die Fragen für den Zeugen vom Dolmetscher übersetzt. Die Mandantin sagt, dass sie verstehe, dass es für ihn und für die Familie des Angeklagten alles nicht leicht sei, und fragt, wie der Zeuge das Geschehene einmal seinem Sohn erklären werde. Der Zeuge sagt, dass er das noch nicht wisse und sich diese Frage selbst immer wieder stelle. Weiter fragt die Nebenklägerin den Zeugen, wie er verhindern würde, dass sein Sohn so werden könnte wie der Angeklagte. S. antwortet auch hier, dass er das nicht wisse und dass das eine sehr schwierige Frage sei.

Nebenklagevertreterin RAin Kati Lang fragt dann, ob S. mitbekommen habe, dass die Mutter des Angeklagten Englisch gelernt habe. S. sagt, er wisse nur, dass die Mutter über ihre Arbeit als Grundschullehrerin etwas Englisch gelernt habe. Er wisse auch nichts darüber, ob der Angeklagte und seine Mutter sich auf Englisch unterhalten hätten, oder dass der Angeklagte seiner Mutter Schriftstücke auf Englisch gegeben habe.
S. bejaht, dass sich die Familie des Angeklagten über Wahlen und deren Sinnhaftigkeit unterhalten habe, aber eher in der Hinsicht, ob es zum Beispiel gut sei, dass Frau Merkel noch weiter macht als Kanzlerin oder nicht. Weiter sagt der Zeuge, dass er selbst nicht wählen gehe. Die Mutter des Angeklagten habe dann manchmal versucht, ihn bei solchen Gesprächen zu überzeugen, doch wählen zu gehen.

RA Gerrit Onken fragt, ob der Angeklagte bei seinen Aussagen selbstgefällig gewirkt habe, zum Beispiel bei abfälligen Aussagen über den Zeugen. S. sagt, dass die manchmal schon der Fall gewesen sein könnte. Er habe das Gefühl gehabt, dass der Angeklagte ihn habe provozieren wollen. Er selbst habe sich auf so etwas aber nie eingelassen. Darauf, dass seine Provokation nicht gelungen sei, habe der Angeklagte aber nicht besonders reagiert. Onken fragt, ob in den benannten Diskussionen über die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel geäußert worden sei, dass zu viele Menschen einreisen würden. Der Zeuge bejaht und meint, dass das sein könne. Er selbst halte sich bei dem Thema aber allgemein zurück, habe aber Freunde von allen politischen Richtungen. RA Onken fragt weiter, wie denn so zum Beispiel im Freundes-und Bekanntenkreis gesprochen werde. S. sagt hierauf, dass er Freunde in der rechten Szene habe, auch wenn er das nur ungern sagen würde. Genauso habe er aber auch Freunde von der „linken Richtung“. Von der rechten Seite seien schon eher unfreundliche Sachen und Beleidigungen beim Thema Flüchtlingskrise gesagt worden. Zum Beispiel auf Angela Merkel bezogen: „die müsste mal weggemacht werden“. RA Onken macht nun Vorhalte aus dem Protokoll der Vernehmung des Zeugen durch das BKA. Zur Tatsache, dass der Angeklagte keine Freundin habe, habe der Zeuge laut Protokoll angegeben: Mit der Sache haben wir ihn immer aufgezogen. Dass er schwul war. Also nur aus Spaß. S. sagt, manche Freunde seien eben sehr direkt, allerdings sei das nur zum Spaß gewesen. Auf Frage sagt S., dass er in der Vernehmung vom BKA erfahren habe, dass der Angeklagte ein zweites Mobiltelefon besessen habe. Generell habe der Angeklagte Kommunikationsmittel eher abgelehnt, habe ihm einmal gesagt, dass er keine Seiten wie Facebook oder andere, wo man sich registrieren muss, nutzen wolle. Auch habe der Angeklagte wegen der dadurch möglichen GPS-Ortung kein Smartphone nutzen wollen, habe die Befürchtung gehabt, überwacht werden zu können.

Nach einer 45-minütigen Pause wird die Verhandlung mit der Befragung des Zeugen durch die Nebenklage fortgesetzt. RAin Assia Lewin fragt zur Wohnung der Mutter des Angeklagten und wie groß diese gewesen sei. Der Zeuge schätzt, dass die Wohnung ungefähr 60 qm groß sei. Die Frage, ob man sich dort habe frei bewegen können, bejaht S. Auch sein Sohn habe sich in der Wohnung und auch in dem Zimmer des Angeklagten frei bewegen können. Sein Sohn sei zum Beispiel auch auf dem Bett des Angeklagten herumgesprungen. Auf Frage sagt S., dass es nicht mehr so häufig Familientreffen geben würde wie früher. Ab und zu würden die Eltern des Angeklagten bei Frau P. zu Besuch kommen, wo er dann auch manchmal zugegen sei. Über den Anschlag werde nicht gesprochen, generell werde zu diesem Thema geschwiegen.

RAin Katrin Kalweit fragt, ob S. ebenfalls im Zimmer des Angeklagten gewesen sei, als sein Sohn auf dem Bett des Angeklagten herumgesprungen sei. Der Zeuge bejaht und sagt, dass der Angeklagte interveniert und gesagt habe, dass jetzt Schluss damit sein müsse, weil sonst das Bett kaputtgehen könnte.

RA Herrmann fragt zum Standort des Computers. Dieser habe beim Angeklagten im Zimmer gestanden, so der Zeuge. RA Herrmann richtet dann einen Appell – nicht direkt an den Zeugen – sondern an alle Anwesenden. Die Gemengelage, das Waffeninteresse des Angeklagten, seine Äußerungen etc. hätten sensibel machen müssen, sagt Herrmann, es sei möglich gewesen, im Vorhinein etwas zu merken. S. antwortet, dass er sich einerseits dafür entschuldige, nichts bemerkt zu haben. Allerdings sei es nicht so gewesen, dass die Äußerungen und der Waffenbau innerhalb von nur ein paar Wochen passiert seien, sondern über Jahre, deshalb habe man es nicht voraussehen können.

RA Onur Özata fragt den Zeugen, ob er das Tatvideo gesehen habe. S. bejaht und sagt, er habe es noch am gleichen Abend gesehen. Ein Freund habe gesagt, dass man es finden könne und er bereue es im Nachhinein, es angeschaut zu haben. Auf Nachfrage antwortet der Zeuge, dass er nur den ersten Mord gesehen habe, beim zweiten Mord habe er weggeschaut und dann ausgeschaltet. Weiter fragt RA Özata den Zeugen, was dieser mit einem zuvor geäußerten Nebensatz gemeint habe, dass er in der rechten Szene gewesen sei. S. antwortet, dass er nur kurz in der Szene gewesen sei. Er habe viele Freunde gehabt, die rechtsextrem gewesen seien, und mit denen sei er unterwegs gewesen. Dabei sei es öfters auch gröber zugegangen, es seien Leute beleidigt und mit Flaschen beworfen worden. Er selbst habe sich davon aber distanziert und habe auch nicht aktiv mitgemacht. Der Zeuge bestätigt auf erneute Nachfrage von Özata, dass bei solchen Übergriffen meist daneben gestanden und zugeschaut habe. An diesem Punkt weist die Vorsitzende Richterin den Zeugen darauf hin, dass er sich mit Aussagen zu diesen Fragen nicht selbst belasten muss.

Weiter fragt RA Özata den Zeugen, ob ihm der Name „MegaPredi“ etwas sagen würde. Der Zeuge verneint das. Özata stellt weitere Fragen zu diesem Namen und sagt, dass es der Name eines Kanals bei Youtube sei. Letztlich bejaht der Zeuge, dass der Youtube-Kanal „MegaPredi“ ihm zuzurechnen sei, allerdings habe er schon lange keinen Zugriff mehr darauf und könne sich auch gar nicht an den Kanal erinnern. Özata sagt, dass es auf dem Account ein Video gäbe, das einen Trinkwettbewerb zeige, an dem sich auch der Angeklagte beteiligte. Der Zeuge sagt, dass das sein könne.

RAin Pietrzyk fragt den Zeugen, ob die rechte Gruppe, in der er gewesen sei, einen Namen gehabt habe. Der Zeuge verneint, es seien nur einzelne Leute gewesen und er habe mit denen schon lange nichts mehr zu tun. Auf Frage sagt S., dass seine Zeit in der rechten Szene vor dem Kennenlernen der Schwester des Angeklagten gelegen habe und dass es auch nur eine sehr kurze Zeit gewesen sei. Die Fragen danach, ob die Schwester des Angeklagten selbst einmal Teil der rechten Szene gewesen sei oder vor ihm (dem Zeugen) bereits einen Freund aus der rechten Szene gehabt habe, verneint der Zeuge und sagt, dass er das nicht wisse.

Zuletzt fragt RAin Pietrzyk den Zeugen, ob er die Namen Dennis St. und Yvonne St. kenne. S. sagt, dass ihm Yvonne St. vielleicht etwas sagen würde, aber verneint letztendlich. Weiter fragt RA Pietrzyk, ob ihm der der Name „Kampfzone“ etwas sage, diese Band sei in der Zeit, in der der Zeuge in der rechten Szene aktiv gewesen sein, ebenfalls in Benndorf aktiv gewesen. S. verneint erneut, die Band oder die zwei Namen zu kennen. Danach wird der Zeuge entlassen.

Zeugin Karin D. (ehemalige Kollegin und Freundin der Mutter des Angeklagten)

Es wird fortgeführt mit der Zeugin D., die Lehrerin an der gleichen Schule war wie die Mutter des Angeklagten.

Auf Frage von Richterin Mertens gibt D. an, dass die Mutter des Angeklagten seit 1993 ihre Kollegin gewesen sei, zuletzt Deutsch und Ethik unterrichtet habe. Sie habe, so D., auch außerhalb der Schule Zeit mit der Mutter des Angeklagten verbracht, sie seien auch mal zusammen in den Urlaub gefahren, als Freundin würde sie sie aber nicht direkt beschreiben. Den letzten Kontakt habe zur Mutter des Angeklagten habe sie kurz vor Weihnachten 2019 gehabt, danach habe diese den Kontakt beendet.

Im weiteren Verlauf stellt die Vorsitzende Richterin mehrere Fragen zur Kindheit des Angeklagten und ob die Zeugin etwas zu dessen Verhalten in dieser Zeit sagen könne. Als die Richterin auf die Krankheit des Angeklagten und seine Genesung eingeht, beginnt die Zeugin zu weinen und sagt, dass sie ja verpflichtet sei, als Zeugin vor Gericht die Wahrheit zu sagen. Sie erzählt, dass es im zweiten Jahr nach der Überwindung der akuten Krankheit des Angeklagten ein Streitgespräch zwischen ihr und der Mutter des Angeklagten gegeben habe. Sie habe der Mutter des Angeklagten gesagt, dass es nicht so weiter gehen könne, wenn der Angeklagte die ganze Zeit nur noch in seinem Zimmer sitzen würde, habe ihr geraten, ihren Sohn aus der Wohnung zu schmeißen. Dieses Gespräch habe die Mutter des Angeklagten ihr wohl übel genommen. Danach sei die enge Beziehung zwischen ihr und der Mutter des Angeklagten auseinandergegangen. Das sei ungefähr 2015 gewesen, von da an habe sie auch nichts mehr von dem Angeklagten gehört.

Auf Frage der Vorsitzenden sagt D., dass manchmal über allgemeine politische Themen gesprochen worden sei, aber nicht viel. Die Mutter des Angeklagten habe sich jedoch nie rassistisch oder menschenfeindlich geäußert und habe sich als Lehrerin in der Schule genauso um die migrantischen Kinder gekümmert. Deshalb sei sie, D., auch geschockt davon, was sie in den Nachrichten darüber gelesen habe, was die Mutter des Angeklagten in ihrem Abschiedsbrief geschrieben haben soll. Nach dem Attentat habe D. die Mutter des Angeklagten im Krankenhaus besucht und versucht, in weiteren Kontakt zu kommen, das sei aber gescheitert, sagt die Zeugin auf Fragen. D. zeigt sich im Laufe ihrer Vernehmung wiederholt erschüttert über das antisemitische und rassistische Attentat am 9. Oktober.

Zeugin Dagmar H. (Grundschullehrerin des Angeklagten)

Es folgt die Zeugin Dagmar H. Von 1998 bis 2002 war H. die Grundschullehrerin des Angeklagten. Mertens stellt der Zeugin einige Fragen zur Schulzeit des Angeklagten und wie er sich zu dieser Zeit verhalten habe. Die Zeugin berichtet unter anderem zu einer Nachtwanderung im Wald, bei der sie der Angeklagte – damals ein Kind – zum Thema Kröten belehrt habe. Die psychologische Sachverständige Lisa John fragt die Zeugin, ob der Angeklagte zu seiner Grundschulzeit einem Intelligenztest unterzogen worden sei. Die Zeugin verneint das. Weitere Verfahrensbeteiligte haben keine Fragen an die Zeugin, woraufhin diese entlassen wird.

Zeuge Martin H. (ehemaliger Bundeswehrkamerad des Angeklagten)

Weiter geht es mit dem Zeugen Martin H. Der Zeuge kennt den Angeklagten aus dem Grundwehrdienst bei der Bundeswehr im Jahr 2010. Er gibt an, sich mit dem Angeklagten drei Monate eine Stube geteilt zu haben. Gemeinsam hätten sie die Grundausbildung in Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern absolviert. Mertens fragt, wie allgemein die Stimmung war. Der Zeuge sagt, dass generell die Grundausbildung sehr schwer gewesen sei. Innerhalb der Stube hätten sich schnell Gruppen gebildet. Er habe sich mit dem Angeklagten grundsätzlich gut verstanden, allerdings habe es immer wieder Querelen wegen alltäglicher Dinge gegeben, auch wegen der Unsportlichkeit des Angeklagten, da sie zum Beispiel bei Übungen Dinge für ihn hätten tragen müssen. Konkret sagt der Zeuge, erinnere er sich an Streitigkeiten wegen Nachtruhe. Generell habe sich der Angeklagte oft beschwert und gemeckert, habe die Hierarchie in der Armee, welche sich zu Beginn schnell herausgebildet habe, nicht wirklich akzeptieren wollen. Von daher sei der Angeklagte auch etwas gemobbt worden, „Kartoffel“ sei ein Spitzname gewesen. Man könne sagen, dass dem Angeklagten der Militäralltag generell nicht gefallen habe. Er habe auch nicht über Zukunftspläne oder über seine Familie oder seinen Heimatort gesprochen.

Die Richterin fragt, ob auch politisch diskutiert worden sei. Der Zeuge antwortet, dass ihm diesbezüglich nichts Konkretes in Erinnerung sei. Allerdings könne es gut sein, dass zum Beispiel „Jude“ als Schimpfwort benutzt wurde und dass so etwas auch der Angeklagte gesagt haben könne. Allerdings sei es „in der Truppe“ und generell dem militärischen Umfeld normal gewesen, so etwas zu äußern. Richter Harald Scholz fragt den Zeugen, ob er den Angeklagten nach der gemeinsamen Zeit bei der Bundeswehr noch einmal wiedergesehen habe. Der Zeuge bejaht und sagt, dass er ihn noch einmal in der Universität in Magdeburg getroffen habe. Sie hätten sich kurz unterhalten, allerdings habe er kein Interesse daran gehabt, mit dem Angeklagten in Kontakt zu treten.

Nebenklagevertreterin Kati Lang hält dem Zeugen eine Aussage aus seiner Vernehmung mit dem BKA vor. Dort habe der Zeuge den Angeklagten rückblickend als „Klischee-Amokläufer“ bezeichnet. Der Zeuge antwortet, das er mit diesem Begriff jemanden beschreiben würde, der es schwer gehabt habe im Leben und sich dann ab einem Punkt in die falsche Richtung entwickelt habe. Er habe den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte zur Zeit bei der Bundeswehr innerhalb der Gruppe nur schwer zurecht gekommen sei und eben sozial eine schwierige Person gewesen sei.

RAin Pietrzyk fragt, ob er, nach allem was er über den Anschlag wisse, diesen immer noch als einen Amoklauf bezeichnen würden. Der Zeuge verneint. Es folgen weitere Fragen, unter anderem fragt RA Alexander Hoffmann bezogen auf „Mobbing innerhalb der Truppe“, ob der Angeklagte gepiesackt worden sei und ob es auch körperliche Gewalt gegen den Angeklagten gegeben habe. Der Zeuge sagt, dass er von körperlicher Gewalt gegen den Angeklagten nichts wisse. Allerdings könne er bestätigen, dass es so etwas wie „piesacken“ täglich gegenüber dem Angeklagten gegeben habe. Der Zeuge wird entlassen und der Verhandlungstag endet.

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5. Verhandlungstag im Prozess zum antisemitischen und rassistischen Anschlag von Halle. Montag, 03.08.2020 – Zusammenfassender Bericht

Am Montag, den 3. August, wird im Gebäude des Landgerichtes Magdeburg die Hauptverhandlung gegen den Attentäter von Halle fortgesetzt Der Termin ist lediglich einstündig angesetzt, bevor der Prozess danach bis zum 25. August pausiert. Gegenstand des kurzen Prozesstages ist zum einen ein Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden über die bei dem Anschlag genutzten Waffen. Im weiteren Verlauf ordnet die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens ein Selbstleseverfahren für Urkunden und Vermerke zu diversen Sachverhalten an, welches in einer Erklärung aus der Nebenklage kritisiert wurde.

Die Vorsitzende Richterin verliest ein Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts des BKA. Inhalt des kriminaltechnischen Gutachtens ist die Wirkungsbegutachtung der beim Anschlag genutzten Waffen im Vergleich zu handelsüblichen Waffen. Gegenstand der Untersuchung waren dabei drei von dem Angeklagten selbst hergestellte Waffen: eine Maschinenpistole, eine Pistole sowie eine Flinte. Laut Gutachten wurden die Untersuchungen unter anderem auf Grundlage von Schusstests auf ballistische Gelatineblocks durchgeführt, die menschliches Gewebe nachbilden sollen. Ergebnis der Untersuchung sei gewesen, dass die Wirkung zweier Waffen leicht unterhalb der Wirkung von vergleichbaren handelsüblichen Waffen liege, jedoch in derselben Größenordnung. Einzig die Wirkung der dritten Waffe habe deutlich unterhalb der Wirkung einer handelsüblichen Waffe gelegen. Für alle drei Waffen lasse sich laut Gutachten jedoch festhalten, dass mit potenziell tödlichen Verletzungen gerechnet werden könne.

Nach einer Unterbrechung der Verhandlung führt die Vorsitzende Richterin mit der Ankündigung fort, dass sie beabsichtige, ein umfangreiches Selbstleseverfahren anzuordnen. Beim sogenannten Selbstleseverfahren nehmen die Verfahrensbeteiligten Aktenbestandteile, die als Beweismittel dienen sollen, selbstständig zur Kenntnis beziehungsweise erhalten die Gelegenheit dazu. Diese Aktenbestandteile werden also nicht – wie etwa das kriminaltechnische Gutachten zuvor – in der öffentlichen Hauptverhandlung verlesen. Mertens gibt nach der Ankündigung des Selbstleseverfahrens Gelegenheit zu Stellungnahmen. Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann gibt daraufhin eine Erklärung der am Prozesstag nicht persönlich anwesenden Nebenklageanwältin Antonia von der Behrens ab. RA Hoffmann selbst und eine Reihe weiterer Nebenklagevertreter*innen schließen sich dieser Erklärung an. In der Erklärung heißt es, dass die Hauptverhandlung durch das Selbstleseverfahren abgewertet werde, da wichtige Ermittlungserkenntnisse aus dem öffentlichen Teil der Verhandlung ausgegliedert würden. Aufgrund des Ausmaßes der antisemitischen und rassistischen Tat bestehe jedoch zu Recht großes inländisches sowie ausländisches Interesse. Weiter wird ausgeführt, dass viele Erkenntnisse bisher nur in Vernehmungen im Beisein des Angeklagten und der Vernehmungsbeamten verhandelt und ausgetauscht worden seien. Von daher sei es – schon aufgrund sonst fehlender öffentlicher Kontrolle – wichtig, in öffentlicher Hauptverhandlung auf die Ermittlungsergebnisse einzugehen und umfassende Vermerke und Urkunden zu zentralen Ermittlungserkenntnissen nicht durch ein Selbstleseverfahren der Öffentlichkeit zu entziehen.

Weiter werden in der Erklärung konkrete Vermerke und Urkunden benannt, welche zum Bestandteil der öffentlichen Hauptverhandlung gemacht werden sollten, anstatt im Selbstleseverfahren eingeführt zu werden. Hierunter sind Vermerke zu Erkenntniszusammenstellungen zur Vortatphase, zu Erkenntnissen zu sonstigen Personen und möglichen Unterstützer*innen des Angeklagten sowie zu Erkenntnissen über das Internetverhalten des Angeklagten. Ebenso müssten laut Erklärung die Übermittlungsschreiben mit Erkenntnissen über den Angeklagten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sowie des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) an das BKA öffentlich verlesen werden. Weiter führte die Erklärung eine Vielzahl von Urkunden und Vermerken auf mit Bezug zu den Tatorten und der nachträglichen Sicherungsarbeit der Polizei. Darunter auch Urkunden über das molekulargenetische Material „unbekannter Personen“ an sichergestellten Asservaten und zur Arbeit der Einsatzkräfte in der Wohnung des Angeklagten.

Die Bundesanwaltschaft, am 5. Verhandlungstag vertreten durch den Oberstaatsanwalt Schmidt, erklärt, dass es aus Sicht der Bundesanwaltschaft keine Bedenken gegen die Anordnung des Selbstleseverfahrens gebe.

Die Vorsitzende Richterin ordnet schließlich das Selbstleseverfahren an, erklärt jedoch, dass dies nicht ausschließe, dass als relevant betrachtete Urkunden und Vermerke zusätzlich auch in der Hauptverhandlung verlesen werden könnten. Anträge seien bezüglich konkreter Sachverhalte weiter möglich. Abschließend gibt Mertens bekannt, dass am 13. Oktober die mündliche Erstattung des psychiatrischen Gutachtens durch Prof. Leygraf erfolgen solle. Danach könne die Beweisaufnahme theoretisch geschlossen werden, dennoch seien vorsichtshalber bereits weitere Termine im Oktober geblockt worden.

Auch am 5. Prozesstag organisierten Aktivist*innen vor dem Gerichtsgebäude in der Halberstädter Straße erneut eine Mahnwache unter dem Motto „Solidarität mit den Betroffenen – Keine Bühne dem Täter“.

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