An diesem Prozesstag werden die ersten Zeug*innen aus dem Umfeld des Angeklagten gehört. Zunächst machen seine Verwandten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, dann wird der ehemalige Partner der Schwester des Angeklagten befragt. Die Verfahrensbeteiligten befragen ihn ausführlich zu den Familienverhältnissen des Angeklagten. Dabei zeigt sich, dass der Angeklagte immer wieder mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen auffiel, der Zeuge schildert sogar einen rassistischen Übergriff des Angeklagten in einem Supermarkt. Es folgen die Befragungen von zwei Lehrerinnen des Angeklagten sowie eines ehemaligen Bundeswehrkameraden.
Für den 4. Verhandlungstag war die Befragung von insgesamt sechs Zeug*Innen aus dem familiären und weiteren persönlichen Umfeld des Angeklagten vorgesehen. Der Zeuge M., ein Bekannter des Angeklagten, sendete im Vorfeld der Verhandlung ein Attest und erschien nicht zur Zeugenbefragung. Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens gab an, den Zeugen zu einem anderen Zeitpunkt erneut laden zu wollen. Daraufhin wurde der Prozess mit der Befragung der anwesenden Zeug*Innen begonnen.
Zeugin: Mutter des Angeklagten
Als erste Zeugin wird die Mutter des Angeklagten aufgerufen. Die Vorsitzende Richterin belehrt sie zu ihren Pflichten als Zeugin und dazu, dass sie als Mutter des Angeklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht [§ 52 StPO] hat, also die Auskunft vollständig verweigern kann. Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin macht sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wird daraufhin entlassen.
Zeuge: Vater des Angeklagten
Als zweiter Zeuge wird der Vater des Angeklagten aufgerufen. Auch er macht Gebrauch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht und wird entlassen.
Zeugin: Anna P. (Schwester des Angeklagten)
Als dritte Zeugin wird Anna P., die Schwester des Angeklagten aufgerufen. Bevor auch sie Gebrauch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht macht, interveniert Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann und sagt an die Zeugin P. gerichtet, dass sie ihren Bruder mit einer Aussage aufgrund der Faktenlage zur Tat nicht weiter belasten würde, jedoch sehr zum Prozess und zur Aufklärung der Hintergründe der Tat beitragen könne. Mertens entzieht daraufhin RA Hoffmann das Rederecht. Die Zeugin P. lehnt ab und wird, nachdem sie ebenfalls von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch die Vorsitzende Richterin entlassen.
Zeuge Mario S. (ehemaliger Lebensgefährte der Schwester des Angeklagten)
Daraufhin wird mit dem 31-jährigen Zeugen Mario S. fortgeführt. S. war in einer längeren Beziehung mit Anna P., der Schwester des Angeklagten, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat. Da der der Zeuge weder verwandt noch verschwägert mit der Familie des Angeklagten ist, hat er kein Zeugnisverweigerungsrecht und ist somit zur Aussage verpflichtet.
Als erstes fragt die Vorsitzende Richterin den Zeugen zu seiner Beziehung zu Frau P., der Schwester des Angeklagten. S. gibt an, dass die Beziehung zu Anna P. seit ungefähr 2013 bestanden und 2018 beendet worden sei. Sie seien weiterhin gut befreundet und kümmerten sich um das gemeinsame Kind. Weiter fragt die Vorsitzende Richterin, was S. zur Familie des Angeklagten aussagen könne. Der Zeuge gibt an, die Mutter des Angeklagten seit etwa acht Jahren zu kennen. Er berichtet von Besuchen, die zuletzt meist im Haus des Vaters, seltener in der Wohnung der Mutter stattgefunden hätten. Nach dem Anschlag sei die Mutter wieder zu ihrem Ex-Mann, also dem Vater des Angeklagten gezogen. Bei gemeinsamen Treffen und Familienfeiern sei nur die Kernfamilie anwesend gewesen, auch von Besuch von Freund*innen bei Mutter oder Vater wisse er nichts.
Welchen Eindruck der Zeuge von dem Angeklagten gehabt habe, fragt die Vorsitzende Richterin. Der Zeuge S. antwortet, dass zu Beginn der Kontakt sehr gering gewesen sei und sich lediglich auf die Begrüßung beschränkt habe. Der Angeklagte sei ihm gegenüber sehr zurückhaltend gewesen, später habe es kurze Gespräche über den Sohn des Zeugen gegeben. Auch am Esstisch habe man sich unterhalten, meist über alltägliche Dinge oder das, was in den Medien gewesen sei. Oft sei der Angeklagte nach dem Essen allerdings direkt aufgestanden und habe sich zurückgezogen. Es habe aber auch Situationen gegeben, wo der Angeklagte am Tisch geblieben sei, dabei oft aber geschwiegen habe. Mertens fragt, ob er den Angeklagten gemocht habe. Nach einer kurzen Pause antwortet S., dass er den Angeklagten zwar nicht offen gehasst habe, „von Mögen kann aber keine Rede sein“. Oft sei er sich nicht sicher gewesen, was er vom Angeklagten halten solle, da dieser ihn öfters geärgert habe. Er habe nie richtig einschätzen können, ob es als „Necken“ oder wirklich als Beleidigung gemeint gewesen sei. Auf die Frage, ob es auch offenen Streit gegeben habe, gibt der Zeuge weiter an, dass es ein paar Mal solche Situationen gegeben habe. Er habe sich zum Beispiel einmal bei einem Streit zwischen dem Angeklagten und der Mutter schlichtend einbringen wollen, woraufhin ihn der Angeklagte laut und gereizt zum Gehen aufgefordert habe.
Nun geht die Vorsitzende Richterin auf die Vernehmung des Zeugen durch das BKA ein, in der er den Angeklagten als Einzelgänger beschrieben haben soll, und fragt ihn, ob er das so wieder bestätigen würde. S. bejaht das, die Mutter des Angeklagten habe ihn und seine Lebensgefährtin darum gebeten, den Angeklagten, „doch einmal mit raus zu nehmen“. Daraufhin hätten sie ihn auch ein paar Mal zu Treffen mit Freund*innen mitgenommen. Allerdings habe sich der Angeklagte nach gewisser Zeit auch davon distanziert und sei nicht mehr mitgekommen. Er kenne keine Person, die der Angeklagte als Freund bezeichnen würde. Er habe nur gehört, dass er mal etwas mit Studienkollegen unternommen habe.
Nun geht die Vorsitzende Richterin auf ein Ereignis ein, einen Streit zwischen dem Angeklagten und einem Max K., bei dem der Angeklagte ein Messer gezogen haben soll. Der Zeuge S. bestätigt dieses Ereignis, fügt jedoch hinzu, dass er sich aufgrund von Trunkenheit nicht daran erinnern könne und deshalb nur aus zweiter Hand davon wisse. Bei einer Geburtstagsfeier sei es demnach zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und dem Max K. gekommen, wobei der Angeklagte dann ein Messer gezogen hätte. Mehr wisse er nicht. Auf die Frage, ob es normal gewesen sei, dass der Angeklagte ein Messer mit sich führte, gibt der Zeuge an, dies nicht zu wissen. Er könne sich nur daran erinnern, dass er in dem Zimmer des Angeklagten ein Messer gesehen habe. Auf Frage sagt S., dass der Angeklagte alte Bundeswehr-Sachen in seinem Zimmer gehabt habe, darunter einen Helm. Über den Schuppen beim Haus des Vaters des Angeklagten und darüber, was der Angeklagte dort gemacht habe, wisse er nicht viel. Einmal habe der Angeklagte ihn etwas zur Verarbeitung von Metall gefragt, weil er – S. – Mechatroniker sei. Ein anderes Mal habe der Angeklagte ihm eine selbstgebaute Presse gezeigt; allerdings habe der Angeklagte ihm nicht gesagt, wofür er diese gebaut habe. Weiter fragt Mertens, was er über die Erkrankung des Angeklagten wisse. S. glaube, dass der Angeklagte eine Operation an der Bauchspeicheldrüse gehabt habe. Er wisse nicht genau, was der Angeklagte gehabt habe, nur dass es teils lebensbedrohlich gewesen sei.
Auf Frage nach dem Brief der Mutter des Angeklagten, welchen diese vor ihrem gescheiterten Suizidversuch am Tag des Anschlags verfasst hatte, sagt S., dass er den Brief gelesen habe und von dem Inhalt geschockt gewesen sei. Bei den Eltern sei er am 9. Oktober nicht gewesen, er habe erst später am Abend durch einen Freund von dem Anschlag erfahren und zu dem Zeitpunkt sei die Mutter des Angeklagten bereits im Krankenhaus gewesen. S. berichtet im Folgenden unter anderem, dass der Angeklagte Sachen von der Bundeswehr in seinem Zimmer gehabt habe, darunter ein Messer und einen Helm; auch ein Panzermodell habe er in dem Zimmer des Angeklagten gesehen. Er habe zwar nie direkt Angst vor dem Angeklagten gehabt, ihn manchmal aber als Bedrohung wahrgenommen. S. berichtet, dass er einmal mit Anna P. und dem Angeklagten beim Einkauf gewesen sei. An der Kasse hätten sich zwei Personen in einer anderen Sprache als Deutsch unterhalten. Der Angeklagte habe die beiden Personen angeschrien und gemeint, dass in Deutschland gefälligst Deutsch gesprochen werden solle. Diese Situation habe er als bedrohlich wahrgenommen, so S.
Mertens fragt zu Gesprächen über Politik allgemein. S. antwortet, dass es zum Beispiel das Thema „Flüchtlingskrise“ gegeben habe und dass sich der Angeklagte über die Flüchtlinge und die Politik der Regierung aufgeregt habe. Oft sei bei Mutter oder Vater der Fernseher oder das Radio abgeschaltet worden, wenn solche Themen gekommen seien. Bei solchen Gesprächen sei es auch mal lauter geworden, gerade zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter. Diese habe meist eine andere Meinung gehabt, habe manchmal aber auch zugestimmt. Die Schwester des Angeklagten habe auch geäußert, dass sie es nicht richtig finde, wie es mit den Flüchtlingen laufe. Allerdings habe sie beim dem Thema oft abgewehrt. Die Nachfrage der Richterin, ob der Angeklagte bei solchen Diskussionen auch davon geredet habe, Menschen töten zu müssen, verneint der Zeuge. Zur Zeit nach dem Anschlag sagt S., dass Frau P. wohl nur einmal im Gefängnis zu Besuch gewesen sei, ihren Bruder aber nicht mehr besuchen wolle, weil sie es falsch finde, was er getan hat. Sie könne seinen Anblick nicht ertragen und wolle keinen Kontakt mehr zu ihrem Bruder; die Eltern seien wohl öfters mal dort und hätten telefonisch Kontakt.
Abschließend fragt Richterin Mertens den Zeugen, ob auch einmal Religionen Thema bei Gesprächen innerhalb der Familie gewesen seien. S. antwortet daraufhin, dass er sich erinnern könne, dass der Angeklagte einmal gesagt habe: „Die Juden sind schuld.“. S. sagt, er habe zu dem Zeitpunkt aber nicht gewusst, ob das nur Gerede oder wirklich ernst gemeint war. Er selbst habe sich aus solchen Gesprächen immer herausgehalten und auch nicht widersprochen, allerdings hätte er solche Aussagen auch nie geteilt.
Das Fragerecht geht an die Bundesanwaltschaft. Bundesanwalt Lohse fragt den Zeugen, ob er wisse, mit was sich der Angeklagte am Computer beschäftigt habe. S. antwortet, dass er gesehen habe, dass der Angeklagte in „irgendeinem Forum“ aktiv war und dass er Spiele gespielt habe, vorwiegend Strategiespiele und Egoshooter. Es folgt eine Frage des Verteidigers. RA Weber fragt den Zeugen, ob der Angeklagte im Freundeskreis auf Ablehnung gestoßen sei. S. sagt, das es keine Ablehnung gegeben habe. Manche Freunde seien vielleicht skeptisch gewesen, aber der Rückzug sei von dem Angeklagten selbst gekommen.
Da die Verteidigung keine weiteren Fragen an den Zeugen hat, erhält die Nebenklage das Fragerecht. Als erstes fragt RA Görgülü den Zeugen, wie die Mutter des Angeklagten auf dessen Aussagen über Juden reagiert habe. S. sagt, dass die Mutter diesen Aussagen schon widersprochen habe. Meist habe sie gesagt, was das denn solle, manchmal habe sie allerdings auch deutlicher widersprochen.
RAin Pietrzyk geht auf Brieffreundschaften ein, die der Angeklagte zurzeit aus der Haft heraus pflegt. Sie nennt Namen und Wohnorte der Kontakte, mit denen der Angeklagte sich austauscht, und fragt den Zeugen, ob er eine der genannten Personen kennen würde. Der Zeuge verneint dies. Der Zeuge bejaht eine sportliche Betätigung des Angeklagten, nennt Fitnesstraining – Situps, Klimmzüge usw. –, das der Angeklagte nach seiner Krankheit, ab ca. 2015, gemacht habe. Pietrzyk fragt den Zeugen im Folgenden unter anderem, ob er wisse, dass an die Adresse von Frau P. einmal ein Messer für den Angeklagten geliefert worden sei. Der Zeuge verneint, davon zu wissen. Auch die Frage danach, ob er wisse, dass die Mutter des Angeklagten möglicherweise eine SIM-Karte unter einem falschen Namen angemeldet habe, verneint S. Ebenso verneint er die Frage danach, ob er wisse, dass eine Freundin der Mutter ihr berichtete habe, dass ihr Sohn an einer NPD-Veranstaltung teilgenommen haben soll. Auf eine weitere Frage von Pietrzyk bejaht der Zeuge, dass eine damalige Lebensgefährtin P. ihrer Mutter einmal CDs von den Böhsen Onkelz und von Freiwild geschenkt habe.
Nun ergreift die Mandantin von RA Pietrzyk das Wort und möchte dem Zeugen eine Frage stellen. Da sie auf Englisch spricht, werden die Fragen für den Zeugen vom Dolmetscher übersetzt. Die Mandantin sagt, dass sie verstehe, dass es für ihn und für die Familie des Angeklagten alles nicht leicht sei, und fragt, wie der Zeuge das Geschehene einmal seinem Sohn erklären werde. Der Zeuge sagt, dass er das noch nicht wisse und sich diese Frage selbst immer wieder stelle. Weiter fragt die Nebenklägerin den Zeugen, wie er verhindern würde, dass sein Sohn so werden könnte wie der Angeklagte. S. antwortet auch hier, dass er das nicht wisse und dass das eine sehr schwierige Frage sei.
Nebenklagevertreterin RAin Kati Lang fragt dann, ob S. mitbekommen habe, dass die Mutter des Angeklagten Englisch gelernt habe. S. sagt, er wisse nur, dass die Mutter über ihre Arbeit als Grundschullehrerin etwas Englisch gelernt habe. Er wisse auch nichts darüber, ob der Angeklagte und seine Mutter sich auf Englisch unterhalten hätten, oder dass der Angeklagte seiner Mutter Schriftstücke auf Englisch gegeben habe.
S. bejaht, dass sich die Familie des Angeklagten über Wahlen und deren Sinnhaftigkeit unterhalten habe, aber eher in der Hinsicht, ob es zum Beispiel gut sei, dass Frau Merkel noch weiter macht als Kanzlerin oder nicht. Weiter sagt der Zeuge, dass er selbst nicht wählen gehe. Die Mutter des Angeklagten habe dann manchmal versucht, ihn bei solchen Gesprächen zu überzeugen, doch wählen zu gehen.
RA Gerrit Onken fragt, ob der Angeklagte bei seinen Aussagen selbstgefällig gewirkt habe, zum Beispiel bei abfälligen Aussagen über den Zeugen. S. sagt, dass die manchmal schon der Fall gewesen sein könnte. Er habe das Gefühl gehabt, dass der Angeklagte ihn habe provozieren wollen. Er selbst habe sich auf so etwas aber nie eingelassen. Darauf, dass seine Provokation nicht gelungen sei, habe der Angeklagte aber nicht besonders reagiert. Onken fragt, ob in den benannten Diskussionen über die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel geäußert worden sei, dass zu viele Menschen einreisen würden. Der Zeuge bejaht und meint, dass das sein könne. Er selbst halte sich bei dem Thema aber allgemein zurück, habe aber Freunde von allen politischen Richtungen. RA Onken fragt weiter, wie denn so zum Beispiel im Freundes-und Bekanntenkreis gesprochen werde. S. sagt hierauf, dass er Freunde in der rechten Szene habe, auch wenn er das nur ungern sagen würde. Genauso habe er aber auch Freunde von der „linken Richtung“. Von der rechten Seite seien schon eher unfreundliche Sachen und Beleidigungen beim Thema Flüchtlingskrise gesagt worden. Zum Beispiel auf Angela Merkel bezogen: „die müsste mal weggemacht werden“. RA Onken macht nun Vorhalte aus dem Protokoll der Vernehmung des Zeugen durch das BKA. Zur Tatsache, dass der Angeklagte keine Freundin habe, habe der Zeuge laut Protokoll angegeben: Mit der Sache haben wir ihn immer aufgezogen. Dass er schwul war. Also nur aus Spaß. S. sagt, manche Freunde seien eben sehr direkt, allerdings sei das nur zum Spaß gewesen. Auf Frage sagt S., dass er in der Vernehmung vom BKA erfahren habe, dass der Angeklagte ein zweites Mobiltelefon besessen habe. Generell habe der Angeklagte Kommunikationsmittel eher abgelehnt, habe ihm einmal gesagt, dass er keine Seiten wie Facebook oder andere, wo man sich registrieren muss, nutzen wolle. Auch habe der Angeklagte wegen der dadurch möglichen GPS-Ortung kein Smartphone nutzen wollen, habe die Befürchtung gehabt, überwacht werden zu können.
Nach einer 45-minütigen Pause wird die Verhandlung mit der Befragung des Zeugen durch die Nebenklage fortgesetzt. RAin Assia Lewin fragt zur Wohnung der Mutter des Angeklagten und wie groß diese gewesen sei. Der Zeuge schätzt, dass die Wohnung ungefähr 60 qm groß sei. Die Frage, ob man sich dort habe frei bewegen können, bejaht S. Auch sein Sohn habe sich in der Wohnung und auch in dem Zimmer des Angeklagten frei bewegen können. Sein Sohn sei zum Beispiel auch auf dem Bett des Angeklagten herumgesprungen. Auf Frage sagt S., dass es nicht mehr so häufig Familientreffen geben würde wie früher. Ab und zu würden die Eltern des Angeklagten bei Frau P. zu Besuch kommen, wo er dann auch manchmal zugegen sei. Über den Anschlag werde nicht gesprochen, generell werde zu diesem Thema geschwiegen.
RAin Katrin Kalweit fragt, ob S. ebenfalls im Zimmer des Angeklagten gewesen sei, als sein Sohn auf dem Bett des Angeklagten herumgesprungen sei. Der Zeuge bejaht und sagt, dass der Angeklagte interveniert und gesagt habe, dass jetzt Schluss damit sein müsse, weil sonst das Bett kaputtgehen könnte.
RA Herrmann fragt zum Standort des Computers. Dieser habe beim Angeklagten im Zimmer gestanden, so der Zeuge. RA Herrmann richtet dann einen Appell – nicht direkt an den Zeugen – sondern an alle Anwesenden. Die Gemengelage, das Waffeninteresse des Angeklagten, seine Äußerungen etc. hätten sensibel machen müssen, sagt Herrmann, es sei möglich gewesen, im Vorhinein etwas zu merken. S. antwortet, dass er sich einerseits dafür entschuldige, nichts bemerkt zu haben. Allerdings sei es nicht so gewesen, dass die Äußerungen und der Waffenbau innerhalb von nur ein paar Wochen passiert seien, sondern über Jahre, deshalb habe man es nicht voraussehen können.
RA Onur Özata fragt den Zeugen, ob er das Tatvideo gesehen habe. S. bejaht und sagt, er habe es noch am gleichen Abend gesehen. Ein Freund habe gesagt, dass man es finden könne und er bereue es im Nachhinein, es angeschaut zu haben. Auf Nachfrage antwortet der Zeuge, dass er nur den ersten Mord gesehen habe, beim zweiten Mord habe er weggeschaut und dann ausgeschaltet. Weiter fragt RA Özata den Zeugen, was dieser mit einem zuvor geäußerten Nebensatz gemeint habe, dass er in der rechten Szene gewesen sei. S. antwortet, dass er nur kurz in der Szene gewesen sei. Er habe viele Freunde gehabt, die rechtsextrem gewesen seien, und mit denen sei er unterwegs gewesen. Dabei sei es öfters auch gröber zugegangen, es seien Leute beleidigt und mit Flaschen beworfen worden. Er selbst habe sich davon aber distanziert und habe auch nicht aktiv mitgemacht. Der Zeuge bestätigt auf erneute Nachfrage von Özata, dass bei solchen Übergriffen meist daneben gestanden und zugeschaut habe. An diesem Punkt weist die Vorsitzende Richterin den Zeugen darauf hin, dass er sich mit Aussagen zu diesen Fragen nicht selbst belasten muss.
Weiter fragt RA Özata den Zeugen, ob ihm der Name „MegaPredi“ etwas sagen würde. Der Zeuge verneint das. Özata stellt weitere Fragen zu diesem Namen und sagt, dass es der Name eines Kanals bei Youtube sei. Letztlich bejaht der Zeuge, dass der Youtube-Kanal „MegaPredi“ ihm zuzurechnen sei, allerdings habe er schon lange keinen Zugriff mehr darauf und könne sich auch gar nicht an den Kanal erinnern. Özata sagt, dass es auf dem Account ein Video gäbe, das einen Trinkwettbewerb zeige, an dem sich auch der Angeklagte beteiligte. Der Zeuge sagt, dass das sein könne.
RAin Pietrzyk fragt den Zeugen, ob die rechte Gruppe, in der er gewesen sei, einen Namen gehabt habe. Der Zeuge verneint, es seien nur einzelne Leute gewesen und er habe mit denen schon lange nichts mehr zu tun. Auf Frage sagt S., dass seine Zeit in der rechten Szene vor dem Kennenlernen der Schwester des Angeklagten gelegen habe und dass es auch nur eine sehr kurze Zeit gewesen sei. Die Fragen danach, ob die Schwester des Angeklagten selbst einmal Teil der rechten Szene gewesen sei oder vor ihm (dem Zeugen) bereits einen Freund aus der rechten Szene gehabt habe, verneint der Zeuge und sagt, dass er das nicht wisse.
Zuletzt fragt RAin Pietrzyk den Zeugen, ob er die Namen Dennis St. und Yvonne St. kenne. S. sagt, dass ihm Yvonne St. vielleicht etwas sagen würde, aber verneint letztendlich. Weiter fragt RA Pietrzyk, ob ihm der der Name „Kampfzone“ etwas sage, diese Band sei in der Zeit, in der der Zeuge in der rechten Szene aktiv gewesen sein, ebenfalls in Benndorf aktiv gewesen. S. verneint erneut, die Band oder die zwei Namen zu kennen. Danach wird der Zeuge entlassen.
Zeugin Karin D. (ehemalige Kollegin und Freundin der Mutter des Angeklagten)
Es wird fortgeführt mit der Zeugin D., die Lehrerin an der gleichen Schule war wie die Mutter des Angeklagten.
Auf Frage von Richterin Mertens gibt D. an, dass die Mutter des Angeklagten seit 1993 ihre Kollegin gewesen sei, zuletzt Deutsch und Ethik unterrichtet habe. Sie habe, so D., auch außerhalb der Schule Zeit mit der Mutter des Angeklagten verbracht, sie seien auch mal zusammen in den Urlaub gefahren, als Freundin würde sie sie aber nicht direkt beschreiben. Den letzten Kontakt habe zur Mutter des Angeklagten habe sie kurz vor Weihnachten 2019 gehabt, danach habe diese den Kontakt beendet.
Im weiteren Verlauf stellt die Vorsitzende Richterin mehrere Fragen zur Kindheit des Angeklagten und ob die Zeugin etwas zu dessen Verhalten in dieser Zeit sagen könne. Als die Richterin auf die Krankheit des Angeklagten und seine Genesung eingeht, beginnt die Zeugin zu weinen und sagt, dass sie ja verpflichtet sei, als Zeugin vor Gericht die Wahrheit zu sagen. Sie erzählt, dass es im zweiten Jahr nach der Überwindung der akuten Krankheit des Angeklagten ein Streitgespräch zwischen ihr und der Mutter des Angeklagten gegeben habe. Sie habe der Mutter des Angeklagten gesagt, dass es nicht so weiter gehen könne, wenn der Angeklagte die ganze Zeit nur noch in seinem Zimmer sitzen würde, habe ihr geraten, ihren Sohn aus der Wohnung zu schmeißen. Dieses Gespräch habe die Mutter des Angeklagten ihr wohl übel genommen. Danach sei die enge Beziehung zwischen ihr und der Mutter des Angeklagten auseinandergegangen. Das sei ungefähr 2015 gewesen, von da an habe sie auch nichts mehr von dem Angeklagten gehört.
Auf Frage der Vorsitzenden sagt D., dass manchmal über allgemeine politische Themen gesprochen worden sei, aber nicht viel. Die Mutter des Angeklagten habe sich jedoch nie rassistisch oder menschenfeindlich geäußert und habe sich als Lehrerin in der Schule genauso um die migrantischen Kinder gekümmert. Deshalb sei sie, D., auch geschockt davon, was sie in den Nachrichten darüber gelesen habe, was die Mutter des Angeklagten in ihrem Abschiedsbrief geschrieben haben soll. Nach dem Attentat habe D. die Mutter des Angeklagten im Krankenhaus besucht und versucht, in weiteren Kontakt zu kommen, das sei aber gescheitert, sagt die Zeugin auf Fragen. D. zeigt sich im Laufe ihrer Vernehmung wiederholt erschüttert über das antisemitische und rassistische Attentat am 9. Oktober.
Zeugin Dagmar H. (Grundschullehrerin des Angeklagten)
Es folgt die Zeugin Dagmar H. Von 1998 bis 2002 war H. die Grundschullehrerin des Angeklagten. Mertens stellt der Zeugin einige Fragen zur Schulzeit des Angeklagten und wie er sich zu dieser Zeit verhalten habe. Die Zeugin berichtet unter anderem zu einer Nachtwanderung im Wald, bei der sie der Angeklagte – damals ein Kind – zum Thema Kröten belehrt habe. Die psychologische Sachverständige Lisa John fragt die Zeugin, ob der Angeklagte zu seiner Grundschulzeit einem Intelligenztest unterzogen worden sei. Die Zeugin verneint das. Weitere Verfahrensbeteiligte haben keine Fragen an die Zeugin, woraufhin diese entlassen wird.
Zeuge Martin H. (ehemaliger Bundeswehrkamerad des Angeklagten)
Weiter geht es mit dem Zeugen Martin H. Der Zeuge kennt den Angeklagten aus dem Grundwehrdienst bei der Bundeswehr im Jahr 2010. Er gibt an, sich mit dem Angeklagten drei Monate eine Stube geteilt zu haben. Gemeinsam hätten sie die Grundausbildung in Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern absolviert. Mertens fragt, wie allgemein die Stimmung war. Der Zeuge sagt, dass generell die Grundausbildung sehr schwer gewesen sei. Innerhalb der Stube hätten sich schnell Gruppen gebildet. Er habe sich mit dem Angeklagten grundsätzlich gut verstanden, allerdings habe es immer wieder Querelen wegen alltäglicher Dinge gegeben, auch wegen der Unsportlichkeit des Angeklagten, da sie zum Beispiel bei Übungen Dinge für ihn hätten tragen müssen. Konkret sagt der Zeuge, erinnere er sich an Streitigkeiten wegen Nachtruhe. Generell habe sich der Angeklagte oft beschwert und gemeckert, habe die Hierarchie in der Armee, welche sich zu Beginn schnell herausgebildet habe, nicht wirklich akzeptieren wollen. Von daher sei der Angeklagte auch etwas gemobbt worden, „Kartoffel“ sei ein Spitzname gewesen. Man könne sagen, dass dem Angeklagten der Militäralltag generell nicht gefallen habe. Er habe auch nicht über Zukunftspläne oder über seine Familie oder seinen Heimatort gesprochen.
Die Richterin fragt, ob auch politisch diskutiert worden sei. Der Zeuge antwortet, dass ihm diesbezüglich nichts Konkretes in Erinnerung sei. Allerdings könne es gut sein, dass zum Beispiel „Jude“ als Schimpfwort benutzt wurde und dass so etwas auch der Angeklagte gesagt haben könne. Allerdings sei es „in der Truppe“ und generell dem militärischen Umfeld normal gewesen, so etwas zu äußern. Richter Harald Scholz fragt den Zeugen, ob er den Angeklagten nach der gemeinsamen Zeit bei der Bundeswehr noch einmal wiedergesehen habe. Der Zeuge bejaht und sagt, dass er ihn noch einmal in der Universität in Magdeburg getroffen habe. Sie hätten sich kurz unterhalten, allerdings habe er kein Interesse daran gehabt, mit dem Angeklagten in Kontakt zu treten.
Nebenklagevertreterin Kati Lang hält dem Zeugen eine Aussage aus seiner Vernehmung mit dem BKA vor. Dort habe der Zeuge den Angeklagten rückblickend als „Klischee-Amokläufer“ bezeichnet. Der Zeuge antwortet, das er mit diesem Begriff jemanden beschreiben würde, der es schwer gehabt habe im Leben und sich dann ab einem Punkt in die falsche Richtung entwickelt habe. Er habe den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte zur Zeit bei der Bundeswehr innerhalb der Gruppe nur schwer zurecht gekommen sei und eben sozial eine schwierige Person gewesen sei.
RAin Pietrzyk fragt, ob er, nach allem was er über den Anschlag wisse, diesen immer noch als einen Amoklauf bezeichnen würden. Der Zeuge verneint. Es folgen weitere Fragen, unter anderem fragt RA Alexander Hoffmann bezogen auf „Mobbing innerhalb der Truppe“, ob der Angeklagte gepiesackt worden sei und ob es auch körperliche Gewalt gegen den Angeklagten gegeben habe. Der Zeuge sagt, dass er von körperlicher Gewalt gegen den Angeklagten nichts wisse. Allerdings könne er bestätigen, dass es so etwas wie „piesacken“ täglich gegenüber dem Angeklagten gegeben habe. Der Zeuge wird entlassen und der Verhandlungstag endet.