Verteidigung nutzt Verhandlungstag als Bühne für rechte Verschwörungserzählungen – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 11. Verhandlungstag, 15. Juli 2021

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Der letzte Verhandlungstag vor der Sommerpause dauerte nur eine kappe Stunde. Die meiste Zeit wurden Auszüge aus der „Flüchtlingsakte“ von Franco Albrecht alias David Benjamin verlesen. Zuvor ging die Generalbundesanwaltschaft (GBA) auf eine Nachfrage von Albrechts Verteidigung ein. Letztere stellte dann einen Beweisantrag, gespickt mit rechten Narrativen zur Asylpolitik.

Neben Rechtsanwalt Hocke war am elften Verhandlungstag nicht wie üblich der Rechtsanwalt Schmitt-Fricke als Verteidiger von Franco Albrecht zugegen. Er ließ sich durch den Rechtsanwalt Ebner vertreten.

Zu Beginn des Verhandlungstages ging die Bundesanwältin Weingast auf eine Frage ein, die Albrechts Verteidiger in der neunten Sitzung aufgeworfen hatten. Darin befragten letztere einen Zeugen des BKA, warum die Familie Bo. aus Offenbach von dem BKA kontaktiert wurde, als der Senat bereits zuständig für das Verfahren war. Das Gericht hatte daraufhin die GBA gebeten, sich beim BKA hiernach zu erkundigen. In der elften Sitzung verließ Weingast nun die Antwort des BKA, nach der es zu keinem Zeitpunkt Vernehmungen von Angehörigen der Familie Bo. in der Sache gegeben habe.

Im Anschluss erklärte sich Albrechts Verteidiger Rechtsanwalt Hock zur Vernehmung von Thomas Ra. in der zehnten Sitzung. Ra., der die finale Anhörung von Franco Albrecht alias David Benjamin beim BAMF Ende 2016 leitete, sei laut dessen Angaben „Gefechtsfeld-Schadensinstandsetzungs-Feldwebel“ bei der Bundeswehr, habe aber keine Ausbildung für die Aufgabe eines Anhörers beim BAMF gehabt.

Daran schloss Hock einen Beweisantrag an, dem Präsidenten des BAMF Herr Sommer aufzugeben, die Entscheidungspraxis zu Asylverfahren von Syrern darzustellen und offenzulegen. Dies werde, so Hock, bestätigen, dass das BAMF aufgrund eines Ministererlasses Personengruppen aus Syrien privilegierte. Die Entscheidung im Fall Albrecht gehe damit nicht auf eine individuelle Entscheidung zurück sondern sei „System“. Der Verwaltungspraxis liege eine „politische Weisung“ „des obersten Exekutivorgans“ zu Grunde. Solch eine politische Weisung sei nicht üblich und ein Skandal, so Hock.

Außerdem bezog sich Hock auf die Aussage von Hi. in der achten Sitzung. Dieser hatte zuerst missverständlich ausgesagt, dass BKA habe angewiesen, Albrechts Antrag auf Sozialleistungen zu bewilligen. Auf Nachfrage korrigierte er sich jedoch und erklärte, dass BKA habe nur darauf hingewiesen, der Antrag solle wie jeder andere auch behandelt werden. Hock ignorierte diese Richtigstellung jedoch erneut und sagte im Prozess, das BKA habe angewiesen den Antrag zu bewilligen. Daher mangele es dem Anklagevorwurf des Betrugs durch Albrecht an der fehlenden Bewilligungsentscheidung, seitens des BAMFS, da es eine Anweisung seitens des BKA gegeben habe, so Hock.

Die Verteidigung von Albrecht versuchte damit einmal aufs neue, den Gerichtssaal als Bühne für rechte Verschwörungserzählungen zu nutzen, wonach Menschen aus Syrien nicht aufgrund eines gesetzlich verbrieften Rechts auf Asyl aufgenommen werden sondern aufgrund „politischer Weisung“ „des obersten Exekutivorgans“. Die missverständliche Formulierung des Zeugen Hi. wurde erneut aus dem Kontext gerissen um den Eindruck zu erwecken, die Bewilligung von Albrechts Antrag auf Sozialleistungen gehe nicht auf dessen Täuschung zurück sondern auf eine Weisung des BKA.

Im Anschluss wurden mehrere Auszüge aus der „Flüchtlingsakte“ des BAMF von Franco Albrecht alias David Benjamin verlesen. Die meisten beinhalteten die falschen Daten von David Benjamin, Summen der Auszahlungen von Geldern und anderen Leistungen, die Albrecht erhielt. Des Weiteren war ein Emailverkehr zwischen dem BKA und dem Jobcenter in Erding wegen oben genanntem Antrag auf Sozialleistungen Gegenstand der Verlesung. Mehrere Dokumente enthielten Unterschriften von Albrecht unter dem Alias David Benjamin, bei denen er im Gericht auf Vorzeigen bestätigte, dass er diese unterschrieben habe.

Beim Vorsitzenden Richter Koller kam die Frage auf, warum eines der ersten Schriftstücke aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen von Ende 2016 noch unter dem Namen Benjamin David unterschrieben wurde, alle späteren mit vertauschtem Vor- und Nachnamen als David Benjamin. Albrecht erklärte hierzu, dass in seinen Unterlagen jemand mal einen Namensdreher gemacht hätte, er habe das dann einfach übernommen.

Das Gerichte beendete die Verhandlung damit, dass einige weitere Urkunden von den Prozessbeteiligten im Selbstleseverfahren gelesen werden sollen und unterbrach die Verhandlung für eine vierwöchige Sommerpause.

Der Bericht zum 11. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen