„Bei über 1000 Rechten im Land kann ich nicht zu Einzelnen alles sagen.“ – Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2022

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Der 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vernahm am 19. September 2022 zwei Zeugen, die nach der NSU-Selbstenttarnung in der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Trio MV des LKA ermittelten. Der erste Zeuge, der Kriminalbeamte Niels Bo., überprüfte im Einsatzabschnitt „Zentrale Auswertung“ u.a. in den Landesdateien die Aliaspersonalien des NSU, die durch das Kerntrio verwendeten KfZ-Kennzeichen und die sogenannter 10.000er-Liste nach Bezügen nach MV. Bei keiner dieser Überprüfungen habe es Anhaltspunkte auf einen Zusammenhang zu den verübten Straftaten gegeben. Der zweite Zeuge, Helge Ja., erfüllte die Funktion der Leitungsassistenz in der BAO. Seine Aufgabe war u.a., Ermittlungsaufträge innerhalb der Sondergruppe im LKA zu verteilen. Zu Beginn referierte er sämtliche Spuren der BAO Trio MV, alle hätten keinen Bezug zum NSU gehabt, womit er einen Bezug zum laufenden Verfahren des GBA im Bezug auf den NSU meinte.

Der erste Zeuge des Tages ist Niels Bo. vom LKA, er war Mitglied der BAO Trio MV und dort im Ermittlungsabschnitt Zentrale Auswertung tätig. Er sagt, dies sei der größte Ermittlungsabschnitt mit bis zu 25 Mitgliedern gewesen. Der Zeuge sagt zu seinen Aufgaben, dass er eine Liste mit Aliasnamen des NSU Kerntrios untersucht habe. Es habe Treffer in Mecklenburg-Vorpommern gegeben, dabei habe es sich aber nur um zufällige Namensübereinstimmungen gehandelt. Er habe also keine Nutzung der Aliasnamen in Mecklenburg-Vorpommern feststellen können. Er habe die bekannten Kennzeichen der vom NSU angemieteten Wohnmobile überprüft. Es habe einen Treffer bei einem Unfall mit Wildschaden gegeben, da habe es aber keine Verbindung zum NSU gegeben. Er haben die sogenannte „Zwickau-Liste“ [gemeint ist die sogenannte 10.000er Liste]überprüft und habe 331 Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern gefunden. Er habe dann überprüft, ob jemand auf der Liste Opfer von Straftaten geworden sei und ob es einen möglichen NSU-Bezug gegeben habe. Auch das sei ergebnislos geblieben.

Er habe an der Auswertung der „Salchow-Liste“ mitgewirkt, die sich auf das Konzert in Salchow des Kameradschaftsbunds Anklam bezogen habe. Bei diesem Konzert seien Maik und André Eminger gewesen. Bo. sagt, er habe dann überprüft, ob Personen mit Bezug zu Sachsen und Thüringen da gewesen seien. Er habe Personen mit Waffenbesitz und/oder schweren Straftaten überprüft. Der Zeuge berichtet außerdem zur Durchsuchung am 2. Mai 2012 bei David Petereit wegen des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ und dem dort 2002 darin abgedruckten „Gruß an den NSU“.

Die Vorsitzende Martina Tegtmeier (SPD) fragt, ob die BAO Trio MV nur Anfragen vom BKA oder auch von anderen gehabt habe. Bo. sagt, die Anfragen seien eher vom BKA gekommen, manchmal seien es auch eigene Aufträge gewesen. Er selbst habe keine Kenntnisse von einer Kontaktperson beim VS gehabt. Auf Frage zur Atmosphäre in der BAO Trio MV sagt der Zeuge, die zentrale Auswertung sei in einem Großraumbüro gewesen, die anderen Abschnitte seien auch alle in der gleichen Etage gewesen. Es habe Small-Talk auf den Fluren, aber keinen strukturierten Austausch gegeben.

Der Abgeordnete Michael Noetzel von der Linksfraktion fragt, nach welchen Kriterien und mit welchem Ergebnis die Salchow-Liste, auf der 268 Namen verzeichnet waren, ausgewertet worden sei. Der Zeuge sagt, er wollte Bezüge zum NSU herausfinden und was die Eminger-Brüder da gemacht haben und wie die Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern sind. Die Auswertung habe mehrere Monate gedauert. Dazu habe es bundesweite Erkenntnisanfragen gegeben. Aus Niedersachsen seien zwei relevante Meldung gekommen: Maik Eminger habe Kontakte zu zwei Hildesheimern gehabt. Beide Hildesheimer hätten Blood&Honour-Vergangenheit und seien nun in der Rocker-Szene, u.a. den Hells Angels-Rostock, gewesen. Bei einer der beiden Personen sei die Telefonnummer im Telefon von Beate Zschäpe gefunden worden. Eine andere Person sei auf einer Veranstaltung in Magdeburg gewesen, bei der auch Dirk Ge. gewesen sei. Eine weitere Person sei bei einem Konzert in Salzgitter aufgefallen, auf dem auch eine Person aus der braunen Aktionsfront Weimar (THS) war. Auch der NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben war dort aktiv. Noetzel fragt nach weiteren Erkenntnissen zu Personen und sagt, David Petereit sei auch in Salchow gewesen. Noetzel fragt nach Ingolf We. Bo. sagt, er sei als Mitglied der rechten Szene bekannt, er habe Bezüge zur Hammerskin-Szene, wohne aber nicht mehr in MV, sondern sei nach Cuxhaven gezogen. Noetzel ergänzt, dass We. bei Blood&Honour gewesen sei. Der Zeuge sagt, daran erinnere er sich nicht, sie hätten die Personen überprüft und in ihrer Zuarbeit habe das nicht gestanden: „es lag uns polizeilich nicht vor“. Michael Noetzel hält dem Zeugen vor, dass Ingolf We. in dem berüchtigten Chemnitzer Stadtviertel, Fritz-Heckert-Gebiet, gewohnt habe, wo das NSU-Kerntrio kurz nach dem Abtauchen bei Neonazis untergekommen sei. Dies sei dem Zeugen nicht bekannt.

Noetzel fragt weiter nach René We., der auch in Salchow gewesen sei und V-Mann sein könnte, der sei in der Szene bekannt. Auch fragt er nach Yves Ra. Der Zeuge sagt, er sei in den Medien im Bezug auf den NSU genannt worden, aber es gäbe keine Erkenntnisse in Bezug auf Mecklenburg-Vorpommern. Der Abgeordnete fragt weiter nach Jens He., der auch auf der Salchow-Liste stehe und bringt ihn Zusammenhang mit dem Nibelungen-Versand, er stehe außerdem im Zusammenhang mit dem „Döner-Killer-Song“. Der Zeuge kennt den Namen nicht.

Constanze Oehlrich von Bündnis 90/Die Grünen fragt, inwiefern Bo. mit der Untersuchung zu der Verbindung zwischen dem NSU und Blood&Honour befasst gewesen sei. Der Zeuge sagt, er sei damit gar nicht befasst gewesen. Es habe zwar Medienberichte gegeben, das sei aber höchstens „Beiwerk“ gewesen, wenn jemand aktenkundig im Zusammenhang mit Blood&Honour gewesen sei. Vor dem Bekanntwerden des NSU war die Löschung der Daten teilweise schon passiert.
René Domke (FDP) fragt, ob mit den Listen, beispielsweise der Salchow-Liste, weitergearbeitet worden sei. Bo. antwortet, mit der Abgabe der Liste sei das Thema für ihn beendet gewesen. Er habe einen Zwischenberichte und eine Powerpoint dazu vorgestellt, „mit dem Abschlussbericht, der Ihnen vorliegt, war meine Arbeit getan“. Keine weiteren Untersuchungen seien ausgelöst worden. Domke fragt weiter, ob er eigene Arbeitsschritte unternommen habe. Der Zeuge sagt, es habe ihnen bei der Auftragsbearbeitung freigestanden, Vorschläge zu machen, „aber letztendlich geht es um Auftragsbearbeitung“.

Die Vorsitzende zitiert aus der Mitarbeiter-Befragung, dort hätten Befragte angegeben, sie hätten sich unzureichend über die einzelnen Schritte informiert gefühlt. Zudem sei die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz sehr schwierig gewesen. Bo. sagt, in den Unterabschnitten sei Personal gewesen, dass nicht beim Staatsschutz war. Es sei eine Zeit gewesen, in der viel in der Öffentlichkeit verhandelt wurde. Er persönlich habe sich auch über die Medien informiert, er habe nicht das Gefühl gehabt, im luftleeren Raum zu arbeiten. Er könne bestätigen, dass man sich nicht wöchentlich zusammengesetzt habe, um sich auszutauschen, weil die Arbeitsverdichtung sehr hoch gewesen sei. Er könne sich an keinen Verbindungsbeamten vom Verfassungsschutz erinnern. Er könne sich an mindestens ein Telefonat, das er mit dem Verfassungsschutz geführt hat, erinnern. „Es wäre manchmal schöner gewesen, wenn es schneller gegangen wäre, aber der Arbeitsdichte war das eben geschuldet.“
Michael Noetzel fragt weitere Personen der Salchow-Liste ab. Zu Matthias Brü. sagt der Zeuge, das sei die Person, die in Salzgitter bei einer Musikveranstaltung zusammen mit einem Mitglied des Thüringer Heimatschutz teilgenommen habe. Brü. sei bekanntes Mitglied der rechten Szene und sei an der Band „Path of Resistance“ beteiligt. Die Bezüge waren Teil des Auswertungsberichtes. Er könne aber nicht sagen, ob Brü. Mitglied bei Blood&Honour gewesen sei. Noetzel fragt, ob er der im Moment noch aktiv sei und ob er Kontakt zu Combat18 oder den Hammerskins habe. Der Zeuge antwortet, Combat18 ist verboten, das wäre strafrechtlich relevant. „Er ist mir bekannt. Aber bei über 1000 Rechten im Land kann ich nicht zu Einzelnen alles sagen.“ Zu Anke Za. sagt der Zeuge, es habe irgendwo schriftliche Bezüge gegeben, dass sie im Blood&Honour-Netzwerk aktiv gewesen sei, in einer bestimmten Position. Der andere Bericht vom LKA Niedersachsen ergab, dass die erwähnten Personen Kontakt zu Anke Za. gehabt hätten. Noetzel erwidert, dass sie bei einem Treffen der „Artgemeinschaft“ im Harz im September 2009 teilgenommen habe und fragt, ob sie Verbindungen zur Rocker-Szene gehabt habe. Bo.: „Im Prinzip ja.“ Laut niedersächsischem LKA-Bericht hätten zwei Personen aus Hildesheim, Johannes Kno. und Hannes Fra. Kontakt zu André Eminger und zu ihr gehabt haben und die beiden seien auch bei den Hells Angels gewesen.

Oehlrich fragt, was bezüglich der Salchow-Liste und der Rückmeldung aus Niedersachsen zu Johannes Kno. und Hannes Fra. seine Aufgabe gewesen sei. Bo. antwortet, dass sei ihrer „Rocker-Abteilung“ zugearbeitet worden. „Ich weiß, es hat einen Folgeauftrag gegeben, aber ich weiß nichts darüber.“ Domke fragt zum Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“, da der Zeuge an der Untersuchung beteiligt war. Er fragt nach der Durchsuchung und was nun mit dem Asservat sei. Bo. antwortet, die Durchsuchung habe am 2. Mai 2012 unter der Leitung BKA an allen Orten, die mit Petereit zu tun hatten, auch in Geschäften, stattgefunden. Sie seien als als LKA Mecklenburg-Vorpommern als Unterstützung des BKA dort tätig geworden. Er könne sich erinnern, dass Petereit gesagt habe, ‚ich habe mir schon gedacht, dass ich Besuch bekomme‘. Im Wohnzimmer hätten sie dann ein Exemplar vom „Weissen Wolf“ gefunden und „Herr Pereteit war überzeugend überrascht, dass wir das gefunden haben.“

Noetzel fragt, ob die „Artgemeinschaft“ eine Rolle gespielt habe. Das verneint der Zeuge. Der Abgeordnete fragt weiter nach Oliver Dü. Bo. sagt, dieser sei Teil der Rockerszene in Rostock gewesen. Er sei, so glaube er, aus einem anderen Bundesland und sei schon mal im Bereich Rechtsextremismus in Erscheinung getreten. Es habe eine Beziehung von Rocker und Rechtsextremismus gegeben. Es habe Personen gegeben, die in beiden Bereichen in Erscheinung getreten seien, zum Beispiel Kno. und Fra. Noetzel: „Dü. soll der Lebensgefährte von Frau Za. gewesen sein und soll 2004 in Sichtweise zum Tatort gelebt haben.“ Der Zeuge sagt, das wisse er nicht. Noetzel sagt, Johannes Kno. sei in der vergangenen Woche in den Schlagzeilen gewesen, weil er paramilitärische Trainings gab und u.a. Personenschützer der ehemaligen Bundeskanzlerin ausgebildet haben soll. „War das damals auch so? Ist das bekannt?“ Der Zeuge sagt, Kno. und Fra. hätten Überlebenstrainings angeboten und darin auch Schießtrainings. Es sei unklar, wer und ob Personen aus Mecklenburg-Vorpommern daran teilgenommen haben. Noetzel fragt, ob es es mal eine Rolle gespielt habe, warum die beiden Blood&Honour Mitglieder aus Hildesheim nach Rostock gekommen seien. Bo. sagt, das sei im Rocker-Milieu nicht unüblich, dass Leute den Wohnungsort wechseln um Wissensweitergabe zu ermöglichen. Nun würden sie nicht mehr in Mecklenburg-Vorpommern wohnen. Noetzel merkt an, es sei besorgniserregend, dass Leute Schießtrainings machen.

Noetzel fährt fort, es habe zur Auswertung der Salchow-Liste keine Rückmeldung aus Sachsen gegeben und fragt, ob das ungewöhnlich gewesen sei. Der Zeuge verneint, es habe auch andere Bundesländer gegeben, die Anfragen nicht beantwortet hätten. Aber seiner Kenntnis nach habe es auf höherer Ebene Gespräche gegeben. Alle BAOs hätten in der Zeit Sachsen angefragt, die seien einfach überlastet gewesen. Noetzel sagt, es sei schade, dass es aus Sachsen keine Zuarbeit gegeben habe, das mache Verbindungen schlecht nachvollziehbar. Er fragt nach der Rolle von Lutz Gi. Bo sagt, er sei nicht in Salchow gewesen, es habe eine Anfrage vom VS nach einer Adresse von Herrn Gi. gegeben. Er habe eine Polizeiabfrage gestartet ohne Ergebnis. Er habe empfohlen, ein bundesweites Fernschreiben aufzugeben, der VS hatte aber zwischenzeitlich einen Aufenthaltsort von Herrn Gi. in der Schweiz ausfindig gemacht. Bo. sagt, er wisse nicht, warum es die Anfrage gab. Von Herrn Gi. sei ihm bekannt, dass er sich in Lalendorf aufgehalten hat. Der Ort gilt als völkische Siedlung. Er sei aber vor einigen Jahren in ein anderes Bundesland verzogen. Gi. sei aktiv hier gewesen, da sei er, Bo., aber noch nicht beim Staatsschutz gewesen. Daher habe er wenig Erkenntnisse. Er sei nicht Gegenstand seiner, Bo.s, Auswertung gewesen, er habe keine Ahnung, ob es Verbindung zum NSU gegeben habe. Noetzel hakt nach, dass es in dem ihm vorliegenden Schriftstück heiße, das Gi. sich in der Schweiz aufhalten solle – er solle sich manchmal bei seiner Freundin in Lalendorf aufhalten. Bo. sagt, das Gespräch habe er verschriftlicht, damit klar sei, dass der Auftrag hinfällig geworden ist.

Oehrlich fragt, ob der Zeuge mit der Zusammenarbeit mit anderen Polizei-Einheiten zufrieden gewesen sei. Bo. sagt, eine Bewertung könne er nicht geben. Das LKA Niedersachsen habe schnell Informationen gestellt. Das sei eine gute Zuarbeit gewesen. Noetzel fragt, ob es zu den Personen auf der Liste des NSU eine Gefährdungsbewertung gegeben habe. Bo. sagt, das hätten sie nicht gemacht. Sie hätten die Personen informiert über die Liste, da seien ja auch viele Abgeordnetenbüros dabei gewesen. Es seien mehr als 10.000 Datensätze gewesen, sie hätten die Informationen für Mecklenburg-Vorpommern gefiltert und die Betroffenen informiert. Noetzel fragt nach Sprachregeln dafür. Bo. sagt, er könne sich konkret nicht erinnern. Aber seine Vermutung sei, dass das BKA Formulierungen vorgeschlagen habe, da es ein bundesweiter Vorgang gewesen sei. Das sei nicht unüblich. Die Gefährdungsbewertung sei vom BKA gekommen.

Der zweite Zeuge des Tages, Helge Ja., war ebenfalls Mitarbeiter der BAO Trio MV, seine Einberufung dorthin sei am 12. November 2011 erfolgt, da sei er schon 16 Jahre Angehöriger der Kriminalpolizei gewesen. Vor- und nachher sei er im Phänomenbereich islamischer Extremismus tätig gewesen. Er war Führungsassistent und habe allein gearbeitet und das Führungsteam beraten. Ja. beschreibt die Aufgaben der BAO. Sie sollten Ermittlungsmaßnahmen des BKA und des GBA unterstützen, dabei beispielsweise mit der „Zwickau-“ oder „Salchow-Liste“ arbeiten. Es sollten Ermittlungen Richtung Hammerskins und Richtung Organisierte Kriminalität betrieben werden, sie sollten Informationen zu Strukturen der Rechtsradikalen und der rechten Szene gewinnen. Seine Aufgabe sei gewesen, die Kommunikation zu koordinieren, eingehende Anfragen weiterzuleiten, Befehle zu schreiben, sowie die Organisation der Arbeitsmittel, z.B. Räume der BAO. Er sei ein halbes Jahr, bis zum 29. Mai 2012 in der BAO gewesen.

Der Zeuge beschreibt, was sie in dieser Zeit gemacht hätten. Sie hätten zu Straftaten und sonstigen Aktivitäten des NSU und Unterstützer*innen sowie zur Verbindung zu Eisenecker ermittelt. Zum Mordfall Turgut habe es 16.000 Datenblätter gegeben, die habe man digitalisiert und dann dem GBA übergeben. Personenbezogene Daten hätten sie auf Verbindungen nach Mecklenburg-Vorpommern geprüft. Bei den Banküberfällen in Stralsund sei ein Schuhabdruck festgestellt worden, den habe man erneut überprüft, das Ergebnis sei negativ gewesen. Sie hätten einen Augenzeugen zum Banküberfall am 18. Januar 2007 in Stralsund erneut vernommen, das Ergebnis sei negativ gewesen. Sie hätten Funkzellendaten mit denen von den Morden abgeglichen, ebenfalls mit negativen Ergebnis. Sie hätten ungeklärte Morde, Totschlagsdelikte und Banküberfälle mit dem Modus Operandi des NSU verglichen, auch hier ohne Ergebnis.

Ja. berichtet, durch einen Zeitungsartikel der SVZ sei ihnen bekannt geworden, dass Zschäpe sich von Rechtsanwalt Dr. Eisenecker habe beraten lassen. Die BAO Trio MV habe sich dazu mit dem LfV Mecklenburg-Vorpommern über den Sachstand ausgetauscht, man sei zu dem Schluss gekommen, dass keine weiteren Maßnahmen dazu notwendig seien. Sie hätten festgestellt, dass ein Thüringer Praktikant der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einen Sprengstoffanschlag in Eisenach verübt haben soll, aber dabei habe sich kein Bezug zum NSU ergeben. Alle rechten Straftäter seien überprüft worden, auch hier habe man keine Verbindung zum NSU finden können. Auch aus den Tagebucheintragungen von Beate Zschäpe hätten sich keine Verbindung nach Mecklenburg-Vorpommern ergeben. Im Februar 2012 seien bei einer Gedenkveranstaltung für Mehmet Turgut bewaffnete Neonazis aufgetaucht und hätten diese angegriffen, daraus hätten sich keine Verbindung zum NSU ergeben. Sie hätten eine Recherche zur Ehefrau von Wohlleben gemacht, weil sie eine Kur in Mecklenburg-Vorpommern gemacht habe, Ralf Wohlleben sei selbst nicht beim Kurort gelistet gewesen.

Sie hätten eine Gefährdungsbewertung im Kontext der „10.000er-Liste“ vorgenommen, sie hätten keine Gefahr für die dort Verzeichneten gesehen. Sie hätten zu den Aufenthalten des NSU-Kerntrios in Mecklenburg-Vorpommern ermittelt und hätten dazu 221 Campingplätze mithilfe der Landesbereitschaftspolizei aufgesucht und Daten erhoben, es sei keine Verbindung ersichtlich gewesen. Andere Hinweise seien ebenso im Sande verlaufen, daher ziehe er, Ja., das Fazit: Es gäbe keine Verbindungen zum NSU in Mecklenburg-Vorpommern. Ja. wiederholt dann die bereits bekannten und in den anderen Sitzungen zur BAO Trio MV erwähnten Erkenntnisse zum Konzert in Salchow, bei dem Maik und André Eminger als Gäste waren, sowie zum Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“, wozu ebenfalls keine weiteren Ermittlungsansätze mit Bezug zum NSU gefunden werden konnte. Zwischen dem NSU und den Hammerskins habe auch keine Verbindung festgestellt werden können. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Behörden habe es keine Probleme gegeben.

Der Zeuge wird zur Mitarbeiter*innenbefragung innerhalb der BAO befragt. Er gibt an, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Teil der BAO gewesen zu sein. Er habe also keine eigenen Wahrnehmungen, wie es zu negativen Bewertungen kommen konnte. Oehlrich fragt, ob Aufgaben fristgerecht bearbeitet werden konnten. Ja. sagt, man habe „an der ein oder anderen Stelle“ mal um eine Fristverlängerung gebeten. Die Fachkräfte des Staatsschutzes seien aus den Fachbereichen gekommen, man konnte nicht alle fähigen Leute abziehen. Die Zusammenstellung der Untergruppen sei teilweise ein kompliziertes Handwerk gewesen. Oehlrich hakt nach, dass berichtet worden sei, dass die Terminsetzungen aus dem BKA zu kurzfristig gewesen sei. Ja.: „Wenn wir Termine nicht halten konnten, dann haben wir das kommuniziert.“ Domke fügt an, es sei von einer hohen Arbeitsbelastung die Rede gewesen und fragt, ob es Überlastungsanzeigen gegeben habe. Ja. sagt, ihm seien keine bekannt.

Bernd Lange von der SPD fragt nach der Gliederung der BAO. Ja. antwortet, zu Beginn hätten sie gedacht, sie seien ein regionaler Einsatzabschnitt des BKA, da sie aber letztlich eine eigenständige BAO gewesen seien, seien sie nach Einsatzabschnitten aufgeteilt worden. Zu gemeinsamen Besprechungen sagt Ja., sie hätten sich regelmäßig auf den aktuellen Stand gebracht und Morgenbesprechungen gemacht. Mit der damaligen Praxis sei der Informationsfluss innerhalb der Führungskräfte gewährleistet worden, das werde auch heute noch praktiziert. Informationen „gehen von unten nach oben“. Im Bereich Staatsschutz sei vieles ja auch unter Verschluss. Auf Frage, ob das Ziel erreicht worden sei, Informationen über extrem Rechte und Strukturen zu sammeln, antwortet Ja., dazu könne er nichts sagen, da er nur ein halbes Jahr Teil der BAO gewesen sei.

Noetzel fragt nach, warum Mecklenburg-Vorpommern eine eigene BAO hatte und es hier keinen Teil der BAO des BKA gegeben habe. Ja. antwortet, er wisse nicht, warum. Es habe wenn dann daran gelegen, dass das BKA sie nicht dazu gemacht habe. Seine Wertung sei: „Ich hätte es für sinnvoll erachtet, ein Abschnitt des BKA zu sein, weil das Dinge vermutlich leichter gemacht hätte.“ Auf die Frage, ob das Thema „Aussagegenehmigung in Ausschüssen“ mal Thema gewesen sei, sagt der Zeuge, nicht dass er wüsste. Noetzel fragt nach der 10.000er-Liste. Der Zeuge antwortet, da habe es eine Gefährdungsbewertung durch das BKA gegben, aber durch den Tod des Kerntrios habe es keinen weiteren Handlungsbedarf gegeben.

Oehlrich fragt nach der fachlichen Qualifikation der Mitglieder der BAO und danach, wieviel Vorwissen es gegeben habe. Ja. antwortet, es seien verschiedene Qualifikationen vorhanden gewesen. Er könne keine Angaben zu Fortbildungen machen, dafür sei er nicht zuständig gewesen. Domke hakt nach, ob es sein könne, dass Leute ohne Fachkenntnisse in den Ermittlungsabschnitten auf sich selbst gestellt gewesen seien. Der Zeuge widerspricht, die Leiter*innen der Einsatzabschnitte hätten immer Phänomenkenntnis gehabt, „das heißt, es gab immer Ansprechpartner mit Phänomenkenntnis“. Wenn nicht, seien die Mitarbeiter immer angehalten gewesen, das zu melden. Die Arbeitsbelastung sei sehr groß gewesen. „Ich persönlich bin vermutlich auf eigenen Wunsch ausgeschieden wegen der hohen Arbeitsbelastung.“

Noetzel fragt zu den wiederholten Angaben des Zeugen zu unterschiedlichen Themen: „Was meinen Sie mit ‚keine Bezüge zum NSU‚?“ Ja. antwortet, damit meine er einen Bezug zum laufenden Verfahren des GBA im Bezug auf den NSU.