Die letzte Sitzung des „1. Untersuchungsausschusses (‚Neukölln‘)“ des Berliner Abgeordnetenhauses vor der Wahlwiederholung war, bezogen auf den Neukölln-Komplex, wenig ergiebig. Befragt wurde der Opferbeauftragte von Berlin.
Der als Zeuge geladene Leiter der polizeilichen BAO Fokus hatte krankheitsbedingt abgesagt. Einziger Zeuge in der Sitzung ist daher der ehrenamtliche Opferbeauftragte des Landes Berlin, Roland Weber. Weber ist Rechtsanwalt und als solcher vor allem in der Opfervertretung tätig. Laut Webseite der zuständigen Senatsverwaltung für Justiz soll der Opferbeauftragte Folgendes leisten: „Koordination und Erweiterung des Netzwerks zwischen Betroffenen und Opferhilfseinrichtungen. Analyse, Kritik und Verbesserungsvorschläge zu den Rechten und Möglichkeiten der Opfer. Auskunft zu den bestehenden Opferhilfseinrichtungen in Berlin und den Weg zur Hilfe. Entgegennahme von Hinweisen zu fehlenden Opferhilfsangeboten oder Problemen bei der praktischen Wahrnehmung.“ Der Opferbeauftragte macht in konkreten Fällen also keine eigene Beratung für Betroffene, sondern soll an entsprechende Beratungseinrichtungen verweisen.
Weber macht gleich zu Beginn seiner Aussage klar, dass er konkret zum Neukölln-Komplex nichts beitragen kann. Mit Betroffenen aus dem Neukölln-Komplex hatte er nicht zu tun. Weber: „Also ich kann mich zu dem Komplex Neukölln gar nicht äußern, weder als Opferbeauftragter noch als Anwalt. Insofern kann ich zu konkreten Dinge, die ich aus eigener Wahrnehmung gemacht habe dazu, nichts beisteuern.“ Es stellt sich daher die Frage, warum der Ausschuss Weber überhaupt geladen hat.
Im Wesentlichen ließen sich die Ausschussmitglieder dann von Weber dessen Arbeitsweise als Opferbeauftragter erklären. Weber plädierte dabei wiederholt für einen „proaktiven“ Ansatz beim Opferschutz und die Ausdehnung eines entsprechenden Pilotprojekts auf ganz Berlin. Bei seinen Ausführungen geht er immer wieder darauf ein, was in der Folge des islamistischen Anschlags auf dem Breitscheidplatz 2016 beim Opferschutz falsch gemacht worden und was seitdem besser geworden sei. Als Beispiel, dass es heute besser laufe, nennt er den Umgang mit den Betroffenen der Amokfahrt an Kurfürstendamm und Tauentzien im Juni 2022. Er kritisiert die häufig zu lange Verfahrensdauer in der Justiz und auch in Behörden wie dem Versorgungsamt. Gegen Ende seiner Befragung übt Weber deutliche Kritik am Zustandekommen der Polizeilichen Kriminalstatistik, diese sei „höchst unglücklich ausgestaltet“. Auf Frage unterstreicht Weber auch, dass Betroffene rassistischer Gewalt und deren Familien mindestens bis zu einem Urteil im die Tat betreffenden Verfahren vor einer möglichen Abschiebung geschützt sein müssten.
Tatsächlich streifte er damit den Neukölln-Komplex. Denn der Polizist Stefan K., bis 2016 dienstlich mit dem Neukölln-Komplex befasst und Ansprechpartner für Betroffene, war an einer rassistischen Attacke beteiligt. Sein Opfer wurde trotz bestehender Bleiberechtsregelung für Betroffene rassistischer Gewalt vor Prozessende abgeschoben (Podcast „Aufklären & Einmischen“ / „Vor Ort“).
Nach dem Ende der Befragung von Roland Weber bedankt sich der Ausschussvorsitzende Florian Dörstelmann bei allen Beteiligten; er hoffe, dass man die „gute Arbeit“ des Untersuchungsausschusses nach der Wahlwiederholung fortsetzen könne. Auch seinen Mitgliedern war offenbar unklar, wie es mit dem Ausschuss nach dem 12.Februar weitergeht. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes kommt zu dem Schluss, dass die Ausschüsse neu eingesetzt und neue Mitglieder gewählt werden müssten.