„Dieses Vorwort hat mir zu denken zu geben.“ – Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Oktober 2023

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In der Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschusses werden am 02. Oktober 2023 zwei Zeug*innen des Landesamtes für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern befragt. Die erste Zeugin, „VS 34“, fand nach dem Bekanntwerden des sogenannten „Gruß an den NSU“ 2012 in der 18. Ausgabe des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ (Hintergründe) in der Amtsdatei eine Quellenmeldung zu einer Spende an den „Weissen Wolf“ von 2002. Diese Spende wird heute dem NSU zugerechnet. Sie beschreibt, dass dieser Fund dann weiter an andere Ämter geleitet wurde und dass sie anwies, die Akten des Landesamtes erneut nach dem Stichwort „Weisser Wolf“ zu durchsuchen. Das habe allerdings kein Ergebnis erbracht. Der zweite Zeuge, „VS 45“ war nach der Selbstenttarnung des NSU in die Aktensichtung eingebunden. Er war allerdings eher für das „Tagesgeschäft“ zuständig: Er wertete Neonazis und die subkulturelle Szenen im Westteil des Landes aus. Zwischenzeitlich berarbeitete er auch den Ostteil, weil Kollegen in die Aufarbeitung des NSU eingebunden waren.

Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschusses ist am 02. Oktober 2023 für die Öffentlichkeit nur akustisch wahrzunehmen, sie wird in einen anderen Raum des Landtags übertragen. Die erste Zeugin „VS 34“ erscheint mit Rechtsbeistand Dr. Butz Peters. Die Vorsitzende Martina Tegtmeier (SPD) sagt zu ihrer Ladung, dass sie nach der Enttarnung des NSU beim LfV Mecklenburg-Vorpommern mit dem Neonazifanzine „Der Weisse Wolf“ befasst gewesen sei und eine Ansprechpartnerin für die BAO Trio MV beim LKA gewesen sei. Zu ihrer Vorbereitung sagt die Zeugin, sie habe Akteneinsicht genommen und sei über die Aussagegenehmigung belehrt worden. Sie habe versucht, sich zu erinnern und habe sich mit ihrem Anwalt besprochen.

In ihrem Statement sagt die Zeugin, dass sie nach dem Bekanntwerden des „Grußes an den NSU“ in Ausgabe 18 von „Der Weisse Wolf“ Recherchen in der Amtsdatei vorgenommen habe. Sie habe außerdem nach November 2011 Erkenntnisanfragen anderer Behörden beantwortet. Sie habe auch Antworten an den Bundestagsuntersuchungsausschuss geschickt und aktuelle Bestrebungen der rechtsextremen Szene bearbeitet. Die Zeugin sagt zu ihrem Werdegang, sie sei in der Sachbearbeitung tätig, habe ihre Ausbildung in Güstrow gemacht. Vor ihrer Tätigkeit beim Verfassungsschutz sei sie in anderen Abteilungen des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt gewesen. „Das Bekanntwerden des NSU habe ich als Zäsur in der Arbeit des Verfassungsschutzes wahrgenommen.“ Terroristische Bestrebungen seien in den zwei Jahren ihrer vorherigen Tätigkeit nicht angefallen.

Zeugin „VS 34“ führt detaillierter aus, im März 2012 sei ihnen durch eine Internetveröffentlichung der „Gruß an den NSU“ im „Weissen Wolf“ bekannt geworden. Die Ausgabe sei ihr bis dahin nicht bekannt gewesen, bis dahin habe sie keine Berührung mit Fanzines gehabt. Deren Bedeutung sei zurückgegangen. „Dieses Vorwort hat mir zu denken gegeben“, daher habe sie den „Weissen Wolf“ in der Amtsdatei abgefragt. Darin seien alle Erkenntnisse zu Rechtsextremismus abgelegt. Bei der Abfrage habe sie verschiedene Schreibweisen und Eingabefelder benutzt. Dann habe sie in einem Textfeld den Hinweis auf die Spende gefunden, das Kürzel NSU aber nicht. „Der Eintrag erschien mir relevant“, also habe sie ihren Referatsleiter informiert und der habe das gesichert/oder gesichtet. Aus dem Hinweis sei hervorgegangen, dass 2.500 € an den „Weissen Wolf“ gingen, dem sollte ein Brief folgen mit dem Tenor: ‚Macht weiter so, das Geld ist bei euch gut aufgehoben‘. Die Zeugin führt aus, es sei nicht sichtbar gewesen, dass die Meldung auch an das Bundesamt gegangen sei, der leitende Sachbearbeiter habe das dann veranlasst. Das Parlament sei auch unterrichtet worden. Die Erkenntnis sei zudem Bestandteil des GBA-Verfahrens geworden. Sie habe in einer internen Mail darauf hingewiesen, dass man bei der Aktendurchsicht im LfV darauf gucken müsse, ob etwas zum „Weissen Wolf“ und zur Ausgabe 18 darin sein. Die Antworten seien aber nur Fehlanzeige gewesen. „Die Ausgabe war nicht da“, die Gründe dafür seien nicht bekannt. Die Zeugin sagt, ab Mitte 2012 habe sie andere Aufgaben gehabt.

Auf Frage der Vorsitzenden sagt die Zeugin, sie habe die Lageberichte des BfV und des BKA bekommen und habe die Zusammenstellung für die Parlamentarische Kontrollkommission gemacht. Tegtmeier fragt weiter nach der Aktendurchsicht, die auf die Selbstenttarnung des NSU folgte. Die Zeugin antwortet, diese habe nach ihrer Erinnerung unmittelbar nach der Enttarnung angefangen, auch weil schnell Erkenntnisanfragen des GBA ankamen. Die beigefügte Personenliste habe erst ca. 39 und dann 70 Personen umfasst. Diese sei an alle Mitarbeiter gegangen, die Akten gesichtet haben. „Der Weisse Wolf“ sei nicht auf Liste gewesen, daher habe sie später per Mail darum gebeten. Sie hätten erst die Personenliste abgearbeitet.

Bernd Lange (SPD) fragt, in welchem Bereich die Zeugin eingesetzt gewesen sei. Diese antwortet, sie habe neonazistische Bestrebungen bearbeitet, aber nur im östlichen Bereich. Ralf Mucha (SPD)
fragt, ob Papieraktenbestände bis 2004 reichten und danach nur noch digital gearbeitet wurde. Das bestätigt die Zeugin.

Auf Frage, warum die Ausgabe 18 des „Weissen Wolf“ nicht in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen hätte, sagt die Zeugin, dazu könne sie nur spekulieren, das sei vor ihrer Zeit gewesen. Es seien aber längst nicht alle Ausgaben bei ihnen gewesen, nur ein paar. Damals sei man digital noch nicht soweit gewesen, Zeitschriften digital abzulegen. Auf weitere Frage sagt sie, der Rechercheauftrag sei erweitert worden, dann habe man andere Ausgaben gefunden und habe sie dazu gespeichert.

Michael Noetzel (Linksfraktion) fragt nach Kontakt der Zeugin zu anderen Behörden. „VS 34“ antwortet, sie habe nur mit dem LKA Kontakt gehabt. Es habe schriftliche Erkenntnisanfragen gegeben und es habe ja einen regulären Verbindungsbeamten gegeben. Auch sie und ihr Kollege seien dort benannt worden, weil sie auch zum NSU gearbeitet hätten. Es habe aber im Landesamt kein Sondergremium zum Thema gegeben, sie hätten auch ihre reguläre Arbeit weiter durchführen müssen. Die Anfragen hätten sie priorisieren müssen, sagt sie auf Nachfrage Noetzels. Der Abgeordnete fragt nach der Befragung von Mitarbeitenden der „BAO Trio MV“, in der diese u.a. die Zusammenarbeit mit dem Landesverfassungsschutz bemängelt hatten. Die Zeugin gibt an, diese sei ihr nicht bekannt. Sie hätten sich ja teilweise auch für verspätete Antworten entschuldigt, aber sie hätten auch andere Aufträge gehabt und seien nur eine handvoll Leute gewesen. Da hätten sie nicht jeden Termin wahrnehmen können: „Fand die Polizei bestimmt nicht gut“. Das sei bestimmt auch Thema in Besprechungen gewesen, sagt die Zeugin auf Frage. Zu einem Arbeitsgespräch am 23. November 2011 hat die Zeugin keine Erinnerung, obwohl sie laut Aktenlage dabei war. Es folgt eine Diskussion, weil ein Dokument, aus dem Noetzel vorhalten will, aus einem Ordner stammt, der nicht eingestuft ist, das Dokument selbst ist aber eingestuft. Laut Vertreter des Innenministeriums gelte die kleinste Einheit, also das Dokument. Aber man habe sich ja offen gezeigt, was Herabstufung angehe.

Constanze Oehlrich (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach dem Thema „Weisser Wolf“ und wie das bearbeitet worden sei. Die Zeugin sagt, das Fanzine sei schon 2005 eingestellt worden, sie wisse nicht, wie das früher gewesen sei. Für die nachträgliche Auswertung nach dem November 2011 habe es keine Projektgruppe oder Sonderauswertung gegeben. Die wenigen Mitarbeiter, die man gehabt habe, hätten auch ihre reguläre Arbeit machen müssen. Oehlrich fragt, wie man Doppelarbeit vermieden habe, wenn es keinen Austausch gegeben habe. Die Zeugin sagt, der Referatsleiter habe die Entscheidungen getroffen. Sie selbst habe die Ausgaben des „Weissen Wolf“ die gefunden wurden, nicht ausgewertet, das habe der Referatsleiter zur Chefsache gemacht, sagt sie auf Nachfrage. Oehlrich sagt, im Schreiben an das BfV sei ein Hinweis auf einen Artikel in Ausgabe 20 des „Weissen Wolf“ zu „Führerlosen Widerstand“. Dazu kann die Zeugin nichts sagen.

René Domke (FDP) fragt, ob die Zeugin überhaupt in die Auswertung eingebunden gewesen sei. Die Zeugin fragt den Vertreter des Innenministeriums, ob sie sagen dürfe, was sie ab Mai 2012 gemacht habe. Als dieser bestätigt, sagt sie, sie habe sich dann nur noch mit der NPD beschäftigt, um dem NPD-Verbotsverfahren zuzuarbeiten. Domke fragt, was die Reaktion des Referatsleiters auf die Meldung zur Spende gewesen sei. Die Zeugin antwortet, er sei „absolut entsetzt“ gewesen, er habe die Meldung noch nie gesehen. Es habe dann Telefonate mit dem BfV gegeben, die auch entsprechend nervös gewesen seien. Sie hätten die Meldung nachträglich ans BfV geschickt, weil es bis dahin versäumt worden sei. Domke fragt, was passiert wäre, wenn sie die Meldung nicht gefunden hätte. „VS 34“: „Dann gehe ich davon aus, dass die jemand anderes gefunden hätte.“ Domke fragt, warum es nicht mehr Personal gegeben habe. Die Zeugin sagt, sie hätten es intern besprochen, dass sie überlastet seien, aber dass Überlastungsanzeigen gestellt worden seien, sei ihr nicht erinnerlich.

Die Vorsitzende hält vor, in der internen Mail, die anweist, nach dem „Weissen Wolf“ in Akten zu suchen, stehe, „Fehlanzeige ist erforderlich“. Sie fragt, was das heißt. Die Zeugin das, das drücke aus, dass eine Antwort auf jeden Fall erforderlich sei.

Lange fragt nach ihrer Tätigkeit als Verbindungsbeamtin mit dem LKA. Die Zeugin sagt, später habe es einen anderen Verbindungsbeamten gegeben, „der musste ja ständig zum LKA“.

Auf Frage, wieviel Zeit für das Thema NSU angesetzt gewesen sei, sagt sie, das Thema sei priorisiert worden. Die erste Aktenvorlage habe viel Zeit gebunden, sie hätten nicht nur gesichtet sondern auch geschwärzt werden müssen.

Die Zeugin bejaht die Frage von Michael Noetzel, dass David Petereit, so wie alle Landtagsabgeordneten der NPD, eine Rolle im NPD-Verbotsverfahren gespielt hätten. Der Abgeordnete fragt, ob sie Erkenntnisse zu Unterstützern in Mecklenburg-Vorpommern gewonnen hätten. Die Zeugin sagt, sie hätten Quellenbefragungen beauftragt, aber es sei nichts entsprechendes bekannt geworden. Noetzel fragt, ob sie mit dem Kameradschaftsbund Anklam (KBA) zu tun gehabt habe. Die Zeugin bestätigt, dieser sei auch im Osten des Landes angesiedelt gewesen. Als sie angefangen habe, sei die NPD sehr stark gewesen, es seien viele Neonazis in der NPD gewesen. Der KBA habe keine eigenen Aktivitäten entfaltet, sondern nur Musikveranstaltungen gemacht, „und die habe ich nicht bearbeitet“. Noetzel fragt zum Besuch der Eminger-Brüder in Salchow 2011. „VS 34“ sagt, der Konzert- und Musikbereich seien auf einem Arbeitsplatz gebündelt, aber nicht bei ihr.

Domke sagt, „VS 34“ hatte zum Zeitpunkt, an dem sie die Meldung fand, eigentlich eine andere Aufgabe und fragt, ob es ihr eigener Wunsch gewesen sei, sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen. „VS 34“: „Akte berührt, Akte geführt.“ Sie habe das gefunden, also sei sie zuständig gewesen, heute seien solche Abläufe genauer geregelt. Was das NPD-Verbotsverfahren betreffe, dazu sei sie angesprochen worden. Ihr Vorgesetzter sei der Auffassung gewesen, dass sie geeignet sei und sie habe daher zugestimmt.

Oehlrich fragt erneut nach der Zeit nach der Selbstenttarnung. Die Zeugin sagt, es seien ausführliche Aktenrecherchen betrieben worden, daher habe die gesamte Abteilung des Innenministeriums [Äquivalent zu den Landesämtern in anderen Bundesländern] nach den Personen auf der Personenliste recherchiert, ein Referat allein hätte das nicht allein schaffen können. Die Abgeordnete hakt nach, ob man auch eigeninitiativ tätig geworden sei. „VS 34“: „Was können wir machen?“ Man könne ja nur Aktenrecherchen und Quellennachfragen veranlassen. Letzteres habe man phänomenübergreifend getan.

Noetzel fragt nach Eisenecker und ob er Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes anwaltlich vertreten hätte. Das bejaht die Zeugin und antwortet auf weitere Fragen, dass Eisenecker Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Thüringen vertreten habe, die seien aber nicht vor Gericht aufgetaucht, Eisenecker habe den Prozess gewonnen. Sie wisse aber nicht, worum es gegangen sei.

Der zweite Zeuge des Tages ist VS 45“. Auch er erscheint mit dem Zeugenbeistand RA Butz Peters. Die Vorsitzende sagt zu seiner Ladung, er sei nach der Enttarnung des NSU im LfV dienstlich mit dem „Weissen Wolf“ und der rechten Szene in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt befasst gewesen. Er sei auch Ansprechpartner für die „BAO Trio MV“ gewesen. Zu seiner Vorbereitung sagt der Zeuge, er habe im Vorfeld Akteneinsicht gehabt. Kollegen hätten relevante Dokumente dafür zusammengestellt. Er habe auch mit seinem Rechtsbeistand gesprochen. In seinem Statement sagt der Zeuge, er habe in der Auswertung von Rechtsextremismus gearbeitet. Er sagt, nach der Selbstenttarnung seien Akten dahingehend gesichtet worden, ob damals entsprechende Erkenntnisse angefallen seien, die auf die Existenz des NSU hingedeutet hätten. Er sei aber erst im November 2011 nach langer Abwesenheit zurückgekehrt, daher habe er sich eher auf das Tagesgeschäft konzentriert. Zunächst seien Abfragen von Personen in der Verbunddatei und Personendatenzusammenstellungen ad hoc erfolgt, später habe das mehr Struktur gehabt. Er sei weniger eingebunden gewesen. Alle Akten zu Rechtsextremismus seien durchsucht worden, „alle Akten wurden auf den Kopf gestellt“. Das Ziel sei gewesen, zu schauen, ob es schon in der Vergangenheit Hinweise auf den NSU gegeben habe, die aber anders bewertet worden. Seines Wissens nach habe es dazu keine Erkenntnisse gegeben. Vom „Weissen Wolf“ Nummer 18 hätten sie erst durch die Presse erfahren. Dann seien alle Akten nochmal gesichtet worden. Im Verbund habe es nur einzelne Ausgaben gegeben, wie das in Mecklenburg-Vorpommern gewesen sei, wisse er nicht.

Auf Frage der Vorsitzenden sagt der Zeuge, die Aufarbeitung habe relativ schnell begonnen. Auch weit vor den ersten Diskussionen zum ersten Untersuchungsausschuss im Bundestag.

Bernd Lange fragt nach dem Werdegang des Zeugen. „VS 45“ antwortet, er habe im Oktober 2006 angefangen. Er sei nach seiner Aufnahmetätigkeit fachspezifisch geschult worden, er habe mehrere Lehrgänge zu Rechtsextremismus besucht. Er habe während seiner gesamten Tätigkeit in diesem Bereich ausgewertet.

Gefragt nach seinem Tagesgeschäft sagt der Zeuge, er habe Neonazis und die subkulturelle Szenen im Westteil des Landes ausgewertet. Zwischenzeitlich habe er auch den Ostteil bearbeitet, weil Kollegen in die Aufarbeitung des NSU eingebunden gewesen seien.

Noetzel fragt nach Kontakt mit anderen Behörden. Der Zeuge antwortet, die habe es gegeben, er würde den Kontakt als durchaus vertrauensvoll charakterisieren, dieser sei anlassbezogen gewesen. Auf Frage sagt der Zeuge, er habe von der Mitarbeiterbefragung in der BAO Trio MV gehört, aber er wisse inhaltlich nichts davon. Sie sei auch nicht mit ihm besprochen worden, antwortet er auf Frage Noetzels nach der dort geäußerten Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz. Noetzel hält aus einem Schreiben des LKA an das Innenministerium vom 13.12.2011 vor, wo beschrieben werde, dass u.a. eine dreiseitige Tabelle mit Daten zu Thomas Ri. ohne Anschreiben übergeben worden sei. Dieses Material sei nicht angenommen worden, weil keine Einordnung möglich gewesen sei. Der Zeuge sagt, das sei ihm „dunkel erinnerlich“. Noetzel hält weiter vor, dass telefonisch durch „VS 45“ versichert worden sei, dass das Anschreiben nachgereicht werde, das sei aber noch nicht passiert. Ohne Einordnung könne das Material aber nicht bearbeitet werden. Der Zeuge sagt, er könne sich an das konkrete Schreiben nicht erinnern, aber er gehe davon aus, dass sie das entsprechend bearbeitet und nachgereicht hätten. Noetzel fragt weiter zu einem Vermerk des LKA über ein Arbeitsgespräch mit dem LfV vom 22. Dezember 2011, dabei sei es um ein Ermittlungsverfahren gegen Sven Kr. gegangen. Noetzel fragt, worum es da gegangen sei. „VS 45“ sagt, er könne dazu nur vermuten: Sven Kr. sei eine der führenden Personen der Hammerskins, „gewesen muss ich ja jetzt sagen“. Es habe immer Spekulationen gegeben, dass die Hammerskins als wichtige Struktur der rechtsextremen Szene Kontakt zum NSU hatten.

Oehlrich fragt, wie die Aktendurchsicht organisiert worden sei. Der Zeuge antwortet, jeder habe seinen Teil der Papierakten auf den Tisch bekommen mit der Ansage, diese nach vorgegebenen Gesichtspunkten durchzugucken. Oehlrich fragt, ab wann man da von einem Bezug des NSU nach Mecklenburg-Vorpommern gesprochen hätte. „VS 45“ sagt, das habe man im Einzelfall entscheiden müssen. Es habe die Frage im Raum gestanden, ob es nachhaltige Kontakte des NSU zur rechtsextremen Szene in Mecklenburg-Vorpommern gegeben habe. Oehlrich fragt, ob es auch den Auftrag gegeben habe, V-Leute nach NSU-Bezügen zu fragen. Das bejaht der Zeuge, das sei mit Sicherheit auch mehrfach erfolgt, nach unterschiedlichen Aspekten, je nachdem, wie halt die Aufklärung fortgeschritten war.

Domke fragt, ob die selben Mitarbeiter die selben Akten nochmal nach dem Aspekt „Weisser Wolf“ durchsucht hätten. Der Zeuge sagt, die beteiligten Personen seien die selben gewesen. Ob sie die selben Akten bekommen hätten, wisse er nicht, gehe aber nicht davon aus – er erinnere sich nicht, dass er etwas zweimal gesehen habe. Ob es aber eine Rotation gegeben habe, wisse er nicht. Der Zeuge antwortet auf die Frage nach der personellen Situation, „wir waren durchaus ausgelastet“, das sei zum Tagesgeschäft oben drauf gekommen. „Die Arbeitsbelastung war echt hoch.“ Gefragt nach Fanzines sagt „VS 45“, deren Hochzeit sei in den 90er Jahren gewesen. Als er angefangen habe, seien sie schon auf dem absteigenden Ast gewesen. Er könne sich nicht erinnern, bestimmte Fanzines auf dem Tisch gehabt zu haben. Die Musikszene sei aber von einer anderen Kollegin bearbeitet worden, in dem Bereich seien Fanzines angefallen. Sie hätten Fanzines auch nicht regelmäßig bekommen, man habe sie nicht abonnieren können: „Quellen haben mal was mitgebracht“. Auf Frage zum internen Austausch sagt der Zeuge, sie hätten im Kollegium miteinander gesprochen. Quellenmeldungen zu Konzerten seien auch anderen Kollegen vorgelegt worden.

Die Vorsitzende hält aus einem Schreiben der BAO Trio MV zu Ermittlungen zum Aufenthaltsort von Lutz Gi. vor. Diese hätten zu keinen neuen Erkenntnissen geführt, es habe eine Rücksprache mit „VS 45“ gegeben, ob er einer bundesweiten Suche zustimme. Dieser habe geantwortet, Gi. sei laut Information des BfV in der Schweiz, daher sei das hinfällig. Die Vorsitzende fragt, ob er immer noch der Meinung sei, dass sich das so erledigt habe, das scheine ihr oberflächlich. Der Zeuge antwortet, das könne er inhaltlich nicht sagen, aber er gebe ihr recht, dass es recht ad hoc klinge. Es sei ein mündlicher Austausch mit dem Bundesamt gewesen, inzwischen würde man zusagen, dass man das verschriftet. Zu Lutz Gi. sagt der Zeuge auf Frage, der sei oft aufgetaucht, „war einer unserer besseren Kunden“. Zu ihm habe es mehrfach im Jahr Erkenntnisse gegeben, er sei in die Szene eingebunden gewesen, er wisse nicht, ob er eine Führungsperson sei. Er sei offensichtlich überregional aktiv gewesen.

Lange sagt, laut Aktenlage sei der Zeuge Verbindungsbeamter zur BAO Trio MV gewesen. Das verneint dieser, er habe Kontakte zu einigen Kollegen gehabt, sei aber kein Verbindungsbeamter gewesen. Man habe sowohl informell als auch formell miteinander gesprochen. Wo man es gebraucht habe, habe man auch „Schrift geschaffen“, so habe man den Informationsaustausch so gestaltet, dass alle damit arbeiten konnten. Lange fragt zu Kontakten zwischen Hammerskins und dem NSU. „VS 45“ antwortet, er würde sich auf keinen Fall auf die Aussage einlassen, dass das ausgeräumt sei, „aber es wurde auch nicht bestätigt“.

Auf Frage Noetzels, warum die Polizei den Verfassungsschutz gefragt habe, wo Lutz Gi. sei, antwortet der Zeuge, das wisse er nicht, das müsse man die Polizei fragen. Auf Frage sagt er, in seinem beruflichen Alltag habe Blood&Honour keine Rolle gespielt. Für die Hammerskins sei er originär zuständig gewesen, da seien viele Erkenntnisse angefallen. Dazu hätten sie auch immer in den Verfassungsschutzbericht geschrieben, dass das eine bedeutende Struktur sei. Die Hammerskins hätten sich als Elite verstanden. Sie seien nicht darauf aus gewesen, möglichst viele Mitglieder zu haben, dafür aber zuverlässige Mitglieder. Sie hätten die Szene strukturiert, Musik und Konzerte seien ein entsprechender Wirtschaftsfaktor gewesen. Sven Kr. sei Eigentümer des Tinghauses, ein wichtiger Anlaufpunkt für die Szene. Dort habe man sich auch konspirativ treffen können.

Oehlrich fragt, was bei der Aktendurchsicht im Fall eines Treffers passiert sei. „VS 45“ sagt, es habe einzelne Treffer gegeben. Man habe die Dokumente markiert und den Kollegen Bescheid gegeben, die das dann weiter ausgewertet hätten. Dafür sei eine andere Struktur zuständig gewesen. Die Abgeordnete fragt, inwiefern der Zeuge in die Ermittlungen zur NSU-CD eingebunden gewesen sei. Dieser sagt, er habe habe nur Beschaffungsaufträge geschrieben, damit Quellen danach gefragt werden.

Ralf Mucha (SPD) fragt, was passiere, wenn man auf ein unbekanntes Kürzel stoße. Der Zeuge antwortet, man informiere sich, man versuche, das aufzulösen. Der erste Anlaufpunkt seien Quellen. Man tausche sich auch mit Kollegen und Polizei aus. Die Amtsdatei biete auch einen guten Überblick, weil dort alle 17 Ämter einspeichern. Wenn es da keinen Treffer gebe, dann spreche das dafür, dass es unbekannt sei. Mucha fragt, ob sich etwas bei der Beobachtung von David Petereit geändert habe, als dieser in den NSU-Ermittlungen eine Rolle gespielt habe. Das verneint der Zeuge, Petereit sei von Anfang an eine bedeutende Führungsfigur gewesen, daher habe man ihn schon immer auf dem Schirm gehabt.

Oehlrich fragt nach der NSU-CD in Krakow am See und ob man überprüft habe, wie sie dorthin gekommen sei und ob Steve Mi. Kontakte in die rechte Szene gehabt habe. Der Zeuge antwortet, er könne sich nicht erinnern, das man das habe aufhellen können. Insgesamt sei er aber nicht für Beschaffung zuständig gewesen.

Noetzel fragt nach einem Schreiben vom LKA an das LfV, dabei sei es um rechtsextreme Inhaber von Waffenscheinen gegangen. „VS 45“ sagt, das sei Thema gewesen, mit dem Ziel, sie zu entwaffnen. Es habe dazu verschiedene kleine Anfragen gegeben, das Thema sei virulent, aktuell sei es das mit Sicherheit immer noch. Er wisse aber nicht, warum man das in diesem konkreten Fall des Schreibens ermitteln wollte und wie es dann weitergegangen sei.