„Da bin ich sofort im Methodenschutz“ – 35. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (20. September 2024)

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In der 35. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses („Neukölln II“) des Abgeordnetenhauses ging es weiter mit der Befragung von Beschäftigten der Abteilung 2 der Senatsinnenverwaltung, also des Berliner Verfassungsschutzes. Der größte Teil der Sitzung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Senatsverwaltung für Inneres statt. Lediglich die öffentliche Befragung der ersten Zeugin mit der Codierung „Z-7“ wurde im Abgeordnetenhaus durchgeführt. Z-7 leitete von 2020 bis 2022 das Referat Beschaffung des Verfassungsschutzes. Auch in ihrer Befragung ging es wie bei den vorherigen Zeug*innen aus der Abteilung 2 unter anderem um die Frage, wie die Behördenzeugnisse (also die Informationsweitergabe) an die Strafverfolgungsbehörden ausgestaltet waren. Auch die Observation am „Ostburger Eck“ 2018 war Thema. Bei dieser Observation will der Verfassungsschutz wahrgenommen haben, dass Sebastian Thom zu einem LKA-Beamten ins Auto stieg. Die Befragung der Zeugin war allerdings ähnlich schwerfällig und genau so wenig ergiebig wie die der letzten Zeug*innen aus dem Verfassungsschutz. Es steht zu befürchten, dass das auch bei den weiteren Mitarbeiter*innen des Geheimdienstes, die der Ausschuss anhört, so bleibt.

Wie an jedem Sitzungstag des Ausschusses gab es auch heute wieder eine antifaschistische Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus. Diese stand diesmal ganz im Zeichen des Gedenkens an Luke Holland. Vor genau neun Jahren, am frühen Morgen des 20. September 2015, wurde Luke Holland in der Neuköllner Ringbahnstraße von dem Neonazi Rolf Z. ermordet. Am Abend fand am Tatort des Mordes außerdem eine weitere Gedenkkundgebung statt. Auf der Kundgebung vor dem Gebäude des Landesparlamentes wurde unter anderem ein Grußwort von Luke Hollands Vater Philip verlesen:

„After Rita died, I found a short letter that she had written, I fear that there will now, be nobody to mark the time and place of Luke’s murder. That is why am so grateful to all of you, for attending and remembering Luke and that terrible moment that ended his short life. Lets hope the parliamentary enquiry brings some justice for all the people affected by the recent atrocities. Rita ended her letter, Such profound grief erodes the spirit and soul.“

(Instagram-Profil der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş)

[Übersetzung von NSU-Watch: „Nachdem Rita gestorben war fand ich einen kurzen Brief, den sie geschrieben hatte. Darin stand: ‚Ich befürchte, dass es nun niemanden mehr geben wird, der an die Zeit und den Ort des Mordes an Luke erinnern wird.“ Deshalb bin ich euch allen so dankbar, dass ihr an dem Gedenken teilnehmt und an Luke und den schrecklichen Moment, der sein kurzes Leben beendete, erinnert. Lasst uns hoffen, dass die parlamentarische Untersuchung etwas Gerechtigkeit für all die Leute bringt, die von den jüngsten Taten betroffen sind. Rita beendete ihren Brief mit den Worten: ‚Solch eine tiefe Trauer höhlt Geist und Seele aus.‘“]

Zu Beginn der Sitzung teilt Vorsitzender Vasili Franco (Grüne) mit, dass die heutige Sitzung zum größten Teil nicht-öffentlich sein und in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport stattfinden wird – der Ausschuss wird also für diese Sitzung komplett in das Gebäude der Senatsverwaltung in der Klosterstraße umziehen. Die erste Zeugin mit dem codierten Namen „Z-7“ wird demnach zunächst öffentlich gehört und anschließend in der Senatsverwaltung in geheimer Sitzung. Alle weiteren Zeug*innen sollen ausschließlich in geheimer Sitzung in der Senatsverwaltung vernommen werden.

Für die übliche nicht-öffentliche Beratung zu Beginn der Sitzung muss die Öffentlichkeit den Saal wieder verlassen.

Nachdem um 9:34 Uhr die Öffentlichkeit wieder hergestellt ist, spricht Franco einige Wort in Gedenken an Luke Holland. Er schließt damit, dass die Anteilnahme des Ausschusses Philip Holland, Luke Hollands Mutter Rita, die sich aus Trauer um ihren Sohn das Leben genommen hat, und Luke Hollands Freunden gelte. Dann bittet er um eine Schweigeminute, für die sich alle im Saal erheben. Einige Personen im Publikum haben sich eine Karte mit Luke Hollands Konterfei ans Revers geheftet, eine Person hält ein Schild mit Hollands Konterfei.

Nach der Schweigeminute nehmen alle wieder Platz.

Zeugin Z-7

Es beginnt die Vernehmung von Z-7. Als Rechtsbeistand für Z-7ist Rechtsanwältin Dr. Bertheau anwesend.

Nach der Belehrung beginnt Franco die Befragung. Z-7 verzichtet auf einleitende Bemerkungen und berichtet auf Frage, dass sie von Mai 2020 bis zum Mai 2022 Referatsleiterin im Bereich Beschaffung der Abteilung 2 des Berliner Verfassungsschutzes [im Folgenden: „VS“]  gewesen sei. Außerdem sei sie Vertreterin des Leiters der Abteilung 2 gewesen. Bereits Francos zweite Frage – wie sie auf die Position gekommen ist – möchte die Zeugin mit Verweis auf ihre Aussagegenehmigung nicht beantworten. Dem widerspricht Franco, so dass die Zeugin nach Beratung durch Dr. Bertheau antwortet, dass sie in der Senatsverwaltung mit ihrem Einverständnis auf eine gleichwertige Position „umgesetzt“ worden sei, vorher sei sie in der Abteilung 1 gewesen. Franco: „Wussten Sie, warum Sie umgesetzt wurden?“ Sie habe einen Veränderungswunsch signalisiert und da habe sich „diese Chance aufgetan“, so Z-7; die vorherige Referatsleiterin in der Beschaffung [vermutlich geht es um Zeugin Z-4, siehe Bericht zur 34. Sitzung]  sei bereit gewesen mit ihr zu tauschen. Auf die Frage, wann sie das erste Mal in Berührung mit dem Neukölln-Komplex gekommen sei, fragt die Zeugin zunächst zurück, ob mit Neukölln-Komplex die Anschläge gemeint seien, die hier Untersuchungsgegenstand sind. Franco entgegnet, Anschläge seien ja Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, der VS müsseja Bestrebungen beobachten und das habe er auch im Zusammenhang mit der rechtsextremen Serie in Neukölln. Er wolle wissen, so Franco, wann Z-7 das erste Mal mit der rechtsextremen Szene in Neukölln befasst war. Z-7: „Der Rechtsextremismus in Neukölln spielte in der hier relevanten Phase durchgehend eine große Rolle in derAbteilung und auch in meinem Referat Beschaffung.“ Auf die Frage, ob das schon von Beginn an im Jahr 2020 Thema gewesen sei, verweist die Zeugin darauf, dass das die Coronahochzeit gewesen sei, und Kontakte möglichst vermieden werden sollten, Arbeitszeiten seien so eingerichtet gewesen, dass man sich möglichst wenig begegnet. Sie habe aber natürlich Gespräche mit dem Abteilungsleiter gehabt „über die Themen die grundsätzlich anstehen“. Franco: „Neukölln war Thema in welcher Form?“ Z-7: „Daran erinnere ich mich nicht mehr, das tut mir leid.“ Im Folgenden berichtet die Zeugin auf Fragen, dass eine ihrer Aufgaben die Zusammenarbeit mit den beiden Sonderermittler*innen der „Kommission Neukölln“ Uta Leichsenring und Herbert Diemer gewesen sei. Sie habe auch gemeinsam mit dem Abteilungsleiter an Gesprächen mit den beiden teilgenommen. Sie habe das organisatorisch begleitet, nicht inhaltlich, habe auch nicht nochmal gesehen, was von ihren Sachbearbeiter*innen an die Kommission ging.

CDU-Abgeordneter Stephan Standfuß fragt, was die Aufgaben von Z-7 im Hinblick auf den Neukölln-Komplex beziehungsweise rechtsextremistische Straftaten in Neukölln gewesen seien. Nach Beratung mit Bertheau sagt Z-7: „Es tut mir leid, da bin ich als Referatsleiterin Beschaffung sofort im Methodenschutz, deswegen kann ich dazu nicht weiter ausführen.“ Standfuß fragt dann, wie Covid-19 die Arbeit behindert habe. Man habe, antwortet Z-7, beim VS nicht im Home Office arbeiten können, deswegen habe man sich abgewechselt damit, wer im Büro arbeitet. Sie habe „großes Engagement und Flexibilität“ erlebt, so Z-7, aber es habe die Zusammenarbeit und für Neue wie sie selbst die Einarbeitung erschwert. Auf die Frage, was speziell bei der Beschaffung die Probleme gewesen seien, sagt Z-7, dass ja keine Veranstaltungen stattgefunden hätten und von daher auch weniger Informationen tatsächlich hätten beschafft werden können. Standfuß fragt, ob der Schwerpunkt verlagert worden sei, etwa mehr ins Internet oder zu Social Media. Der Bereich Social Media und und Internet betreffe weniger die Beschaffung, so Z-7, sondern das werde in den Fachbereichen sehr eng begleitet. Das spiele unabhängig von Corona eine Rolle, weil sich immer mehr dahin verlagere. Standfuß fragt nach der Zusammenarbeit zwischen Beschaffung und Auswertung. Z-7: „Tut mir leid, da sind wir wieder im Methodenschutz.“ Standfuß: „Dann nehme ich die Frage für später mit.“ Auf Frage nach der Zusammenarbeit mit anderen Referaten insgesamt sagt Z-7, dass der Referat Rechtsextremismus alle Beobachtungsobjekte in diesen Themenbereich im Fokus habe und öffentlich zugängliche Informationen dazu auswerte: „Und wenn das Referat nicht weiterkommt, dann tritt es an die Beschaffung heran und dann wird gemeinsam überlegt, ob es auch andere Möglichkeiten gibt, an Informationen zu kommen.“ Standfuß fragt, ob die Berichte der Kommission und der BAO Fokus bei ihr im Referat ausgewertet und umgesetzt worden seien. Solche Berichte würde das Referat Rechtsextremismus auswerten, antwortet Z-7. Auf die Frage, ob sie konkreter sagen könne, welcher Informationsquellen sich das Referat für die Beschaffung bedient habe. Nach Beratung antwortet die Zeugin: „Kann ich nicht sagen, aber allgemein wissen Sie ja, welche Möglichkeiten der Verfassungsschutz hat und sämtliche wurden natürlich grundsätzlich vom Berliner Verfassungsschutz auch angewendet.“ Die Frage nach der Relevanz der letztlich beschafften Informationen sagt die Zeugin, dass das Referat Beschaffung nicht bewerte, sondern beschaffe, die Bewertung übernehme dann der Fachbereich. Auch die Zusammenarbeit mit dem LKA laufe über das Referat Rechtsextremismus, so Z-7 auf Frage.

Dann fragt Abgeordneter André Schulze von den Grünen. Er will wissen, welche Rolle das Beschaffungsreferat bei der Zusammenarbeit mit den Sonderermittler*innen gespielt habe, der größere Teil dürfe ja vom Referat Rechtsextremismus gekommen sein. Z-7 sagt, dass der größte Teil der Informationen, die aus der Beschaffung gekommen seien, G10-Protokolle gewesen seien [G10 = nachrichtendienstliche Telekommunikationsüberwachung]. Ob es Gespräche mit den Mitarbeiter*innen des G10-Bereichs im Beschaffungsreferat gab, wisse sie nicht mehr. Gefragt, ob es Konsequenzen für ihre Arbeit aus dem Bericht der Sonderermittler*innen gegeben habe, sagt Z-7: „Für den hier relevanten Zeitraum: Nein. Danach darf ich es Ihnen nicht sagen.“ Sie bejaht nach anfänglicher Weigerung die Frage, ob sie sich mit dem Teil des Berichts [unklar welcher, vermutlich zum Umgang mit G10-Mitschnitten in der Beschaffung]beschäftigt habe. Auf die Frage, warum manche Informationen nicht vorher schon Gegenstand von Behördenzeugnissen ans LKA gewesen seien, sagt Z-7: „Weil deren Relevanz für die Ermittlungsverfahren erst mal nicht so gesehen wurde.“ Schulze: „Von Seiten des Verfassungsschutzes?“ Z-7: „Richtig.“ Schulze: „Welche Rolle hat denn die Neuköllner Szene für die Beschaffung während Ihrer Zeit gespielt, 2020 bis 2022?“ Z-7: „Die Neuköllner Szene war vom Bereich Rechtsextremismus weiter stark im Fokus, von daher gab es auch weiterhin Aufträge an die Beschaffung.“ Schulze fragt, ob das Referat Rechtsextremismus der Beschaffung nähere Informationen gebe, wer der interessierende Personenkreis, wer das Umfeld ist, oder ob sich die Beschaffung selber die Szenekenntnis aufbaue. Die Beschäftigten aus dem Bereich Rechtsextremismus und aus der Beschaffung seien miteinander im Gespräch, außerdem bauten sich über die Zeit auch die Kenntnisse bei den Mitarbeitern der Beschaffung auf, wenn bestimmte Personen länger im Fokus stehen. Schulze: „Ist es so, dass die Mitarbeiter*innen phänomenbereichsspezifisch eingesetzt werden oder nach Auftragslage?“ Z-7 berät sich mit Dr. Bertheau und sagt dann: „Da könnte ich im geheimen Teil ein bisschen mehr dazu sagen.“ Schulze beharrt auf der Beantwortung der Frage und erläutert, dass es um die Möglichkeit des Aufbaus einer Szenekunde und eine eventuelle Schulung der Personen geht. Z-7 verweist auf die vorherige Antwort zum Austausch zwischen den Mitarbeitern der Referate. Sie würde es, so Z-7 weiter, nicht Schulungen nennen, sondern „kollegialer Austausch“. Da das Thema Rechtsextremismus eine große Rolle gespielt habe, sei da „schon auch eine relativ große Qualität“ beim Wissen aufgebaut worden. Schulze fragt zur Abstimmung zwischen Observationskräften aus dem Beschaffungsreferat, aber auch aus den Fachreferaten und aus dem LKA, wie man verhindere, dass „man sich gegenseitig auf den Füßen steht“. Z-7: „Im Verfassungsschutz gibt es eine zentrale Observation, jedenfalls in dem hier interessierenden Zeitraum, und mit dem LKA fanden wöchentliche Kurzabstimmungen dazu statt, wo wer observiert.“ Schulze: „Wurden auch Gründe ausgetauscht, warum man Observationsmaßnahmen macht?“ Z-7 sagt, es seien nur die Informationen ausgetauscht worden, die die andere Stelle wissen müsse, „damit man sich, wie Sie gesagt haben, nicht gegenseitig auf die Füße tritt.“ Auf die Frage, wann aus ihrer Sicht das Beschaffungsreferat erfolgreiche Arbeit im Phänomenbereich durchgeführt hat: „Wenn wie hier das Referat Rechtsextremismus dem Referat Beschaffung sagt: ‚Das waren wertvolle Informationen, die wir bekommen haben, die wir sonst nicht bekommen hätten, das hilft uns weiter.‘“ Auf die Frage, ob die Maßnahmen zur Neuköllner Szene als erfolgreich betrachtet wurden, sagt Z-7: „Für den Zeitraum, in dem ich die Referatsleitung war, waren die Erkenntnisse aus den Beschaffungsmaßnahmen begrenzt. Und da wurde schon immer wieder überlegt, welche neuen umgesetzt werden können.“ Auf die Frage, ob die Erkenntnisse begrenzt gewesen seien, weil sich die Szene schon drauf eingestellt habe, dass sie im Fokus steht, sagt die Zeugin, da müsse sie mutmaßen, aber dem Personenkreis sei natürlich bewusst gewesen, dass er im Fokus der Sicherheitsbehörden steht und er habe sein Verhalten darauf eingerichtet.

SPD-Abgeordnete Wiebke Neumann sagt, dass ein Punkt bei den Empfehlungen der „Kommission Neukölln“ gewesen sei, dass bei den G10-Vorauswertungen eine strukturelle Schwäche attestiert wurde wegen geringer personeller Stärke: „Gab es da einen Personalaufwuchs?“ Z-7 sagt, sie sage dazu gern mehr in geheimer Sitzung. Neumann; „Ein Punkt war auch immer die Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, dass es da Verbesserungspotenzial gab. Sind Ihnen da Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit in Ihrer Tätigkeit bekannt?“ Z-7: „Aus meiner spezifischen Tätigkeit: Nein.“ Neumann fragt nach einer prozentualen Einschätzung des Anteils des Themas Rechtsextremismus an der Arbeit des Beschaffungsreferats [unsicher]. Z-7: „Ich glaube, ich bin überfordert, etwas zum prozentualen Anteil zu sagen. Wenn Sie mich so fragen: Im Referat insgesamt etwa ein Drittel, würde ich sagen, aber nur als grobe Orientierung, weil ich das schwierig finde, das prozentual festzulegen.“ Neumann; „Wir werden Sie nicht auf Prozente festnageln, ein Drittel ist eine Orientierung. Der Rest dann im geheimen Teil.“

Der Abgeordnete Niklas Schrader von der Linken fragt, was angesichts des laut der Zeugin begrenzten Erkenntnisaufkommens zum Thema des Untersuchungsausschusses in der Zeit, wo sie verantwortlich war, neue Ideen gewesen seien und welche Defizite man festgestellt habe. Z-7: „Tut mir leid, dazu kann ich öffentlich gar nichts weiter sagen.“ Schrader fragt, ob die Mittel ausgeschöpft gewesen seien oder es zu wenig Personal oder Ressourcen gegeben habe. Z-7: „Es ging nicht um Ressourcen, sondern um neue Ansätze, zu Erkenntnissen zu kommen.“ Sie bejaht, dass es um den Mix an Methoden, die der VS anwende, gehe. Schrader: „Gab es zu dieser Frage auch Rückmeldungen, Meinungen, Einschätzungen aus dem Bereich der Auswertung?“ Z-7: „Die Kolleginnen und Kollegen aus Rechtsextremismus haben den Bedarf und den Überblick und die Stoßrichtung, wo sie weiter hin wollen.“ Schrader: „Wenn es aus dem Bereich Rechtsextremismus den Bedarf nach Informationen gibt, schlagen die die Methode dann vor, oder sagen die nur welche Informationen sie wollen, und Sie entscheiden dann?“ Z-7: „Vorschläge kommen schon, aber das Referat Beschaffung muss dann sehen, ob und wie es dem nachkommen kann.“ Schrader fragt, ob die Beschaffung entscheide, ob etwa eine V-Person angeworben wird oder ob die Auswertung da mitrede, weil die ja Ideen haben könnten, wen man anwerben könnte. Z-7: „Können wir gerne in der geheimen Sitzung nochmal aufrufen.“ Auch die Frage, ob es seitens der beobachteten Personen eine Anpassung des Verhaltens gegeben habe, dass sie schwerer fassbar gewesen seien oder bestimmte Kommunikationswege eingeschränkt hätten, will die Zeugin erst in geheimer Sitzung beantworten. Schrader: „Es geht ja nicht um Methoden, sondern um das Verhalten der Zielpersonen.“ Z-7 berät sich mit Dr. Bertheau. Dann sagt sie: „Aber es geht um Auswirkungen auf mögliche andere Zielpersonen.“ Schrader: „Das verstehe ich jetzt nicht.“ Z-7 sagt, es könne sich auf andere mögliche Zielpersonen oder auch auf diese [unsicher]  auswirken. Zur Frage, ob sie an der Aufarbeitung des Vorfalls am „Ostburger Eck“ beteiligt waren, berät sich die Zeugin zunächst mit Dr. Bertheau und verweist dann auf die geheime Sitzung. Schrader entgegnet, dass die Zeugin hier sagen müsse, ob sie damit befasst war. Z-7 antwortet, sie sei persönlich damit nicht befasst gewesen, sei aber bei einem Gespräch dabei gewesen. Schrader: „Kannten Sie die beteiligten Personen aus dem Verfassungsschutz gut?“ Z-7: „Nein, kannte ich nicht.“ Schrader: „Sie konnten also keine fachliche Einschätzung zu deren Arbeit abgeben?“ Z-7: „Exakt.“ Schrader: „Waren an den Gesprächen auch Personen von außerhalb des Verfassungsschutzes beteiligt, also etwa von der Hausleitung SenInn [= Senatsverwaltung für Inneres] oder der Polizei?“ Z-7: „Ein Gespräch erinnere ich wie gesagt und das war gemeinsam mit der Polizei, ohne Hausleitung.“ Zum Thema des Gesprächs sagt Z-7, dass es darum gegangen sei, die verschiedenen Sichtweisen von Polizei und VS in Bezug auf diese Observation auszutauschen und zu sehen, ob man die Positionen annähern kann.“ Schrader sagt, dass es die vielfach geäußerte Verwechslungstheorie gebe, dass es sich bei der Person, die mit dem Polizeibeamten in das Auto gestiegen ist, um den Freund des Beamten gehandelt habe: „Diese These lässt den Verfassungsschutz nicht gerade gut aussehen. Wie haben Sie das persönlich eingeschätzt?“ Z-7: „Das entzieht sich meiner Bewertung.“ Schrader: „Gab es einen Dissens zwischen Verfassungsschutz und Polizei in diesen Fragen?“ Z-7: „Den gab es, den haben Sie ja gerade geschildert.“ Schrader: „Ist der aus Ihrer Sicht ausgeräumt oder besteht der weiterhin in ihrem letzten Stand?“ Z-7: „Dazu kann ich nichts sagen, dazu weiß ich nichts.“ Schrader entgegnet, es müsse doch dazu Diskussionen gegeben haben. Z-7 antwortet, daran erinnere sie sich tatsächlich nicht mehr: „In dem Gespräch gab es einen Dissens.“ Schrader: „Und das war dann danach nicht mehr groß Thema im Referat?“ Z-7: „Genau.“ Schrader fragt, ob Z-7 nicht noch an Gesprächen oder anderer Kommunikation im Rahmen der Aufarbeitung des Vorgangs durch die Sonderermittler*innen teilgenommen habe. Z-7: „Nicht dass ich wüsste.“

Schrader fragt, ob das Thema Behördenzeugnisse für sie als stellvertretende Leitung der Abteilung eine Rolle gespielt habe und er fragt nach Lehren aus der Aufarbeitung des Neukölln-Komplexes. Das habe ja eine Rolle gespielt in Bezug auf die Anschläge bei Herrn Koçak und Herrn Ostermann. Z-7: „Das war vor meiner Zeit, auch die Änderungen.“ Schrader: „Das war auch im Rahmen der Einarbeitung kein Thema?“ Das sei nach ihrer Erinnerung nicht mehr groß Thema gewesen, so Z-7. Sie habe die Behördenzeugnisse in Vertretung des Abteilungsleiters unterschrieben, wenn er nicht da war; das sei also nicht ihr täglich Brot gewesen. Schrader fragt zu den Observationen und der Abstimmung, dass man sich nicht in die Quere kommt. Man wisse ja, so Schrader, nicht, wohin einen eine Observation führen wird: „Also stimmt man sich nicht mit dem LKA bezüglich Zielpersonen ab?“ Z-7: „Kann ich wirklich inhaltlich nicht beantworten, weil nach meiner Erinnerung ging es um die Räume, in denen observiert wird. Ob daneben die Zielpersonen Thema waren, kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, weiß ich nicht.“ Das sei auch nicht über ihren Tisch gelaufen, so die Zeugin auf Frage. Wenn es da Friktionen gab, dann sei das auf der Arbeitsebene geklärt worden. Sie könne sich auch nicht an Meldungen erinnern, dass ein Konflikt mit der Polizei auf höherer Ebene hätte geklärt werden müssen. Schrader fragt, ob es während der Pandemie, wo die Leute sich auf die wichtigsten Kontakte beschränkt hätten, nicht möglicherweise so gewesen sei, dass man dort dann sehen könne, wo wichtige Kontakte bestehen. Z-7: „Wäre möglich gewesen, eine Chance, aber dazu müssten sich die Menschen auch irgendwo treffen, wo man sie dann wahrnimmt.“ Während der Zeit habe eben sehr wenig draußen stattgefunden. Schrader: „Die G10-Maßnahmen liefen weiter, gab es da ein höheres Aufkommen?“ Z-7: „Soweit ich mich erinnere nicht, nein.“

Franco will direkt zur Befragung durch die CDU weitergehen und übersieht zunächst den AfD-Abgeordneten Karsten Woldeit, der ungewöhnlicherweise schon zum zweiten Mal in Folge an einer Ausschusssitzung teilnimmt. Dann erteilt Franco Woldeit doch das Wort. Dieser fragt zunächst recht allgemein zur Arbeitsfähigkeit des Referates während des Lockdowns und erhält ebenso allgemeine Antworten. Dann fragt er noch zwei bereits zuvor gestellte und beantwortete Fragen zur Abstimmung zwischen Polizei und VS und zum Umgang mit möglichen Schwierigkeiten.

Danach erteilt Franco wieder Standfuß das Wort. Dessen Frage, ob ein Vorgang, wie er vermeintlich am „Ostburger Eck“ beobachtet worden sei, von Relevanz für den VS sei, bejaht die Zeugin, aber der Vorgang selbst sei vor ihrer Zeit gewesen. Standfuß fragt nach Erkenntnissen des VS zu rechtsextremistischen Verdachtsfällen in der Polizei. Z-7: „Da sehe ich den Zusammenhang zum Gegenstand nicht so richtig.“ Standfuß sagt, es sei ja unterschwellig darüber nachgedacht worden, inwiefern es vielleicht auch einen Austausch zwischen Polizei und Rechtsextremisten gibt. Z-7: „Jedenfalls ist mir kein Fall erinnerlich über das Ostburger Eck hinweg, aber wie Sie ja wissen, haben Verfassungsschutz und Polizei einen besonderen Fokus inzwischen auf mögliche Rechtsextremisten in den eigenen Reihen und insbesondere die Polizei hat ihre Anstrengungen da verstärkt.“

In der folgenden Befragung durch Schulze geht es unter anderem um den Austausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden verschiedener Bundesländer, insbesondere Berlin und Brandenburg, bei Maßnahmen der Beschaffung in Bezug auf die Vernetzung der rechten Szene. Dieser findet laut der Zeugin auf Arbeitsebene statt, es gebe auch einen institutionalisierten Austausch zwischen den Landesämtern im Bereich der Beschaffung, der sich eher mit spezifischen Fragen der Methoden als etwa mit Zielpersonen beschäftige. Zielpersonen seien eher Thema beim Austausch der jeweiligen Phänomenbereiche. Zur Frage, nach welchen Kriterien bei der G10-Auswertung entschieden werde, welche Gespräche man protokolliert und weitergibt und welche nicht, beruft sich die Zeugin auf den Methodenschutz. Die Zeugin sagt auf Frage, sie habe eine andere Einschätzung als die Sonderermittler*innen, die bemängelt hatten, dass die Übertragung des Rohmaterials in gefiltertes Material, das an die Auswertung geht, nicht immer gründlich und effizient genug gewesen sei. Aus ihrer Sicht hätten die Sonderermittler*innen einen „sehr stark polizeilichen Blick“ gehabt in diesem Segment und eher nicht die spezielle Rolle des VS mit einkalkuliert. Das könne sie dann im geschützten Bereich noch etwas besser erläutern. Die Gefahr, dass relevante Informationen nicht an die richtigen Stellen gegangen sind, könne sie natürlich nicht ausschließen. Soweit es ihren Zeitraum betrifft, seien die ganzen Bänder mit dem Rohmaterial zu Neukölln nicht noch einmal gehört worden. Das sei oberhalb ihrer Ebene entschieden worden und die Gründe dafür kenne sie nicht.

Franco fragt dann noch einmal zum „Ostburger Eck“ und zum Dissens zwischen VS und Polizei: „Ganz ohne Wertung können Sie doch da nicht drauf blicken.“ Die Zeugin antwortet: „Das eine ist, dass es mich natürlich beschäftigt hat, aber ich konnte mir keine abschließende Einschätzung dazu bilden und kann es natürlich auch jetzt nicht mehr.“ Es sei so, dass es einen Dissens gegeben habe, und das sei für beiden Behörden nicht gut. Sie könne sich nicht groß erinnern, dass bei ihrem Antritt auf der Stelle groß thematisiert worden wäre, dass die Erkenntnisse des VS zur Verfolgung des Autos von Ferat Koçak an die Öffentlichkeit geraten waren. Franco: „Was hat das mit Ihnen gemacht als Führungsperson? Da muss ja was passiert sein vor Ihrer Zeit, wenn es Menschen gibt, die versuchen das nachzuvollziehen, es sogar Sondermittler gibt? Wie sind Sie damit umgegangen?“ Z-7: „Ich verstehe die Frage nicht so richtig. Das ist bei Führungspersonen auf diesen Ebenen ja jetzt nicht ungewöhnlich, dass da eine Menge vorher passiert ist und nicht immer nur Schönes.“ Franco: „Das ist also Standard auf der Ebene von Führungspersonen? Das wird also als gegeben hingenommen? Damit muss man rechnen, wenn man in diesem Job ist?“ Z-7: „Genau, damit muss man tatsächlich rechnen.“

Schrader fragt die Zeugin, ob Teile der Fragen vielleicht im NfD-Bereich gestellt werden könnten [NfD = Nur für den Dienstgebrauch; niedrigste Geheimhaltungsstufe]. Das verneint die Zeugin, es gehe nur im geheimen Bereich.

So endet der öffentliche Teil der Befragung von Z-7 und damit auch die heutige öffentliche Sitzung bereits um 10.59 Uhr.

(Text: scs / Redaktion: ck)