„Für mich war Blood&Honour immer nur Musikveranstalter.“ – Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 4. März 2024

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Am 4. März 2024 sagt zunächst ein ehemaliger Neonazi und ehemaliges Mitglied der Rechtsrock-Band „Nordmacht“ aus. Er spielt seine Rolle herunter und sagt nichts über andere Neonazis, außer dass er sie beispielsweise mal in der Kneipe getroffen habe. Danach sagt mit „VS 15“ ein weiterer V-Mann-Führer des ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden Michael Grube aus. Im Gegensatz zu seinem Kollegen „VS 14“ [siehe Sitzung vom 19. Februar 2024] verweist dieser immer wieder auf die Befragung in der nicht-öffentlichen Sitzung, um Fragen zu beantworten.

Als erster Zeuge sagt heute der ehemals aktive Neonazi André Lü. aus, er wird von einem Rechtsbeistand begleitet. Die Vorsitzende sagt, man habe Lü. geladen, weil er zwei Alben mit der Band Nordmacht aufgenommen habe. Nordmacht sei eine Band aus der Blood & Honour-Struktur in Mecklenburg-Vorpommern gewesen und Blood & Honour sei vom Thüringer Untersuchungsausschuss als wichtigste Unterstützungsstruktur des NSU ausgemacht worden. Gefragt nach seinen Personalien gibt der Zeuge an, er sei 45 Jahre alt und KFZ-Techniker. Gefragt nach der Vorbereitung sagt der Anwalt, Lü. habe sich am 9. Januar bei ihm gemeldet und habe ihm seine Ladung mitgeteilt, woraufhin er als Anwalt ein Schreiben an den Ausschuss übersendet habe. Lü. und er hätten auch zu den Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung Gespräche geführt. Aber sein Mandant sei heute hier, um zu sagen, was er noch wisse. Er werde hier „nach bestem Wissen und Gewissen aussagen“.

Der Zeuge sagt, er sei erstmal überrascht von der Vorladung gewesen, „die Dinge liegen schon zurück und bin lange aus der Szene raus“. Er habe sich durch Internetrecherche vorbereitet, sei in sich gegangen und habe mit seinem Rechtsbeistand gesprochen und ein Eingangsstatement vorbereitet. Er habe 1993/1994 das erste Mal durch Kassettentausch auf dem Schulhof in Rostock-Schmarl Kontakt mit der rechten Szene bekommen. Dann habe er Kontakt zum örtlichen Kreisverband der NPD gesucht und sei dann der NPD beigetreten. Er habe diese wieder verlassen, weil es zu wenig Zusammenarbeit mit Kameradschaften gegeben habe. Dann habe er Musik gemacht, auch Alben. Er habe die ganze Zeit nicht vom NSU gewusst auch nicht von Mordanschlägen, das wisse er alles aus den Medien. Insgesamt sei er 12 Jahre in der Szene gewesen, bis er Zweifel entwickelt habe. Deswegen habe er die Szene Ende 2006 verlassen.

Michael Noetzel (Linksfraktion) wendet sich an den Zeugen und sagt zur Einordnung, der Ausschuss beschäftige sich vor allem mit dem NSU-Komplex, aber auch mit der rechten Szene. „Es geht uns darum zu verstehen, wie die Szene getickt hat und wie der NSU entstehen konnte.“ Da interessiere sie Blood & Honour. Er fügt hinzu, dass sich Lü. aus ihrer Sicht glaubhaft von der Szene getrennt habe. Er sei aber ein herausgehobener Protagonist gewesen und deswegen gehe es ihnen um die 1990er Jahre. Er fragt, wie man sich die Szene in Schmarl vorstellen müsse. Der Zeuge antwortet, es habe tatsächlich nach der Wende bis Mitte der 1990er eine eigenartige Zeit gegeben. Bei den Leuten, die in die Schule gegangen seien, habe es Punker gegeben, viele Leute mit rechter Einstellung, einige Hooligans. Die grundsätzliche Einstellung sei aber rechts gewesen, „muss ich sagen“. Die Kassetten seien im Umlauf gewesen, „alle fanden die toll“, die allgemeine Akzeptanz sei sehr hoch gewesen. Noetzel fragt, ob die rechten Szenen in der Stadt getrennt gewesen seien. Der Zeuge sagt, die Schmarler seien unter sich gewesen, sie seien zusammen zur Schule gegangen und hätten miteinander rumgehangen, sie hätten keinen Kontakt in die Stadt gehabt: „Alle Viertel hatten ihre Szene.“ Mit den Kassetten das sei nicht so politisch, eher rebellisch gewesen. Noetzel fragt nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen. Lü. sagt, damit habe er noch nichts zu tun gehabt. Es sei komisch gewesen, er habe die Hubschrauber wahrgenommen. Noetzel fragt weiter nach dem Jugendclub MAX. Lü. antwortet, dort sei er später erst gewesen, „da war ich schon richtig drin in der Szene“, da habe man gewusst, dass sich da die Leute treffen. Das sei zwischen 1998 und 2000 gewesen. Auf Nachfrage sagt er, er wisse nicht, ob er da noch in der NPD gewesen sei. Er sei anderthalb bis zwei Jahre in der NPD gewesen, es sei ca. 1999 gewesen, als er aus der NPD ausgetreten sei. Er sei definitiv nicht Kreisvorsitzender gewesen, antwortet er auf weitere Nachfrage. Er sei zu allen Veranstaltungen in Bad Doberan gegangen, habe Leute kennengelernt, sei schnell Mitglied geworden und habe dann Demonstrationen besucht. Noetzel fragt nach der Familie Fischer aus Rostock. Maik Fischer sei der Gründer des „Weissen Wolfs“ gewesen. Der Zeuge antwortet, über deren Rolle in der rechtsextremen Szene könne er nichts sagen, sie seien bekannt in Schmarl gewesen, aber dazu dass die in der rechten Szene gewesen seien, könne er nichts sagen. Noetzel fragt nach dem Tod des Bruders André Fischer und ob darüber als politischen Mord gesprochen worden sei. Der Zeuge sagt, er wisse nur, dass er erstochen wurde und dass der, der das gemacht habe, glimpflich davongekommen sei. Es sei eine schwere Zeit gewesen, aber dass das instrumentalisiert worden sei, könne er nicht sagen. Noetzel fragt den Zeugen, wie er Musiker geworden sei. Dieser sagt, das sei schon 1993/94 gewesen, da habe er das erste Mal eine Gitarre in der Hand gehabt und da sei es gleich losgegangen. Er bestätigt, dass das gleich auch politisch gewesen sei. Der Abgeordnete fragt weiter nach den ersten Auftritten. Lü.: „Keine Ahnung.“ Er wisse nur von ein paar Auftritten, das sei total austauschbar, immer der gleiche Ablauf. Im Schmarler Jugendclub sei er nur zweimal gewesen, sagt der Zeuge auf Frage. Noetzel hakt nach, wie Lü. in seine erste Band gekommen sei. Dieser sagt, er sei im Freundeskreis gefragt worden, nachdem aus einer bestehenden Band der Bassist ausgestiegen sei.

Bernd Lange (SPD) fragt nach der rechten Jugenclubszene in Rostock. Der Zeuge antwortet, seines Erachtens habe es keine rechte Jugendclubszene gegeben. Es habe den Club MAX gegeben, da sei er öfter mal gewesen aber nicht oft. „Donnerstags, da wusste man, die Leute treffen sich da“. [Anm.: Es ist bekannt, dass sich donnerstags immer die rechte Szene im Jugendclub MAX traf, siehe u.a. im Artikel zur Bilanz der Untersuchungsausschüsse]. Er sei ungefähr 1998-2000 im Club MAX aktiv gewesen, sagt der Zeuge auf Frage. Lange fragt, ob die Betreiber des Jugendclubs von den Inhalten gewusst hätten. Lü. antwortet, das wisse er nicht, er habe zu denen keinen Kontakt gehabt. Lange fragt, ob Lü.s ehemalige Band Nordmacht dem Blood & Honour Netzwerk nahegestanden habe. Lü.: „Möglicherweise“, und sagt er müsse etwas revidieren, er habe gesagt, er sei an zwei CDs beteiligt gewesen, es sei aber nur die zweite CD gewesen, die erste sei schon aufgenommen gewesen. „Für mich war Blood & Honour immer nur Musikveranstalter“, es habe ja keine Mitgliedsausweise gegeben. Sie hätten da auf Konzerten gespielt, da hätten deren Banner an der Wand gehangen, „aber mehr war das nicht“.

Die Frage, ob er an einem Aussteigerprogramm teilgenommen habe, verneint der Zeuge, er habe den Ausstieg ganz allein gemacht. „Man geht oft in sich, sieht viele Widersprüche, sieht immer die Opfermentalität, die anderen sind immer schuld, wir sind super“, es habe keine Begründung für Rassismus und Homophobie gegeben. Er bejaht, dass die Behörden auf ihn zugekommen seien. Zweimal sei er angesprochen worden, das erste Mal auf einem Parkplatz, der Beamte sei aus Köln gewesen und habe gefragt, ob er, Lü., Informationen weitergeben wolle. Ob es beim zweiten Mal der gleiche gewesen sei, wisse er nicht, er habe sich genauso vorgestellt. Er, Lü., habe beide Male nein gesagt. Es habe keine offizielle Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gegeben, „das war für mich nicht drin“. Auf die Frage, warum er aus der NPD ausgestiegen sei, sagt Lü., die einen seien gemäßigt und festgefahren gewesen und ein zweiter Flügel habe mit Kameradschaften zusammenarbeiten wollen, „das fand ich gut, als große Gemeinschaft kann man mehr erreichen“. Er sei dann aber ausgetreten, so 1998, sei aber immer noch in der rechtsextremen Szene gewesen. Er habe Gitarre und Bass gespielt, sagt der Zeuge auf Frage. Und auf die Frage, ob er einschätzen könne, wie prominent er in der Szene gewesen sei, flüstert der Zeuge „Oh Gott, oh Gott“ und sagt dann, er denke, sein Name sei bekannt gewesen. Auf weitere Fragen antwortet Lü., er wisse nicht, wie viele Konzerte sie gespielt hätten. Es sei üblich gewesen, dass auf Konzerten Geld gesammelt wurde, in Sangerhausen sei beispielsweise für die HNG [Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener] gesammelt worden. Gefragt nach seiner momentanen politischen Verortung, sagt der Zeuge, er sei nicht politisch aktiv. „Ich habe meine Meinung“, er sei „menschlicher, wesentlich menschlicher“, als was er damals gemacht habe.

Ann Christin von Allwörden (CDU) fragt, wie wichtig Rechtsrock für die Szene sei. Der Zeuge antwortet, sehr wichtig, Musik spiele mit Emotionen. „Je radikaler, desto mehr kriegt man aus den Leuten rausgekitzelt“ und das sei das Wichtigste gewesen. Er bejaht, dass Rechtsrock auch die Ideologie festige. Als Bandmitglieder hätten sie Spritgeld bekommen. Von Allwörden fragt, ob der Zeuge weiß, was mit dem Geld passiert sei. Dieser verneint, sie seien in die Organisation der Konzerte nicht involviert gewesen. Er habe darüber nicht nachgedacht, heute würde es ihn interessieren, aber damals nicht. Die Abgeordnete fragt, ob er Berührung mit der Polizei gehabt habe. Das bejaht der Zeuge, es habe Ermittlungsverfahren gegeben und das LKA habe Durchsuchungen gemacht. Es habe die Problematik gegeben, dass die Konzerte sehr häufig gestürmt worden seien oder die Personalien im Vorfeld kontrolliert wurden.

Constanze Oehlrich (Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob der Zeuge Kontakt zu Eisenecker gehabt habe. Das verneint dieser. Oehlrich sagt, bei einer Wahlkampf-Veranstaltung am 30. August 1997 mit Daniel Eggers in Teterow sei in Liedern zu Straftaten aufgerufen worden und fragt, welchen Charakter die Veranstaltung gehabt habe, wozu das Publikum motiviert werden sollte. Lü.: „Sicherlich nicht dazu, Straftaten zu begehen“, es habe mit Sicherheit keiner gewollt, dass Leute erschossen werden. Ansonsten sei das zu lang her. Oehlrich fragt weiter nach, bis wann Lü. Teil von Nordmacht gewesen sei. Dieser antwortet, 2001-2002, zwei Jahre bis kurz nach dem zweiten Album. Oehlrich sagt, Lü. sei sowohl einzeln als Liedermacher unterwegs gewesen, als auch Teil der Band und fragt, wie seine Rolle in der Band gewesen sei. Der Zeuge sagt, er sei Bassist gewesen und habe Bass gespielt. Er habe keine große Rolle gespielt. Oehlrich sagt, Nordmacht sei die „Hausband“ von Blood & Honour gewesen, die Organisation habe ein elitäres Selbstverständnis. Sie fragt, welche Rolle er in der Bewegung gespielt habe. Lü. wiederholt, er habe Musik gemacht und habe Blood & Honour als Musikveranstalter gesehen. Oehlrich hakt nach, dass über Musik Inhalte transportiert werden und fragt, wie Nordmacht die Rolle gesehen habe, das Programm zu transportieren. Lü. antwortet, die Ideologie sei größer als diese Organisation gewesen, sie hätten Text gespielt, aber dass sie Blood & Honour hochgehoben hätten, sei „Käse“. Oehlrich sagt, nach der Veröffentlichung der CD von Nordmacht „Ihre Ehre hieß Treue“ im Jahr 2000 habe es bei den Mitgliedern Durchsuchungen gegeben. Sie fragt nach den Auswirkungen. Lü. sagt, er glaube, das habe nach dem Verbot von Blood & Honour stattgefunden. Man sei vorsichtiger gewesen, was die Verwendung von Symbolen anging, „sonst blieb es gleich“. Auf Frage sagt der Zeuge, es habe bei Nordmacht keinen Chef gegeben, es seien alle gleich gewesen. Oehlrich fragt, ob alle bei Blood & Honour aktiv gewesen seien. Lü. antwortet, er wisse von keinem einzigen, der Mitglied gewesen sei.

Noetzel fragt nach dem zweiten Album der Band, „Verlorenes Erbe“, und dass auf dem Cover „Heil 28“ stehe, was für Blood & Honour stehe. Lü.: „Klar ist mit diesen Symbolen gespielt worden.“ Noetzel sagt, aus seiner Sicht habe Nordmacht bei Blood & Honour eine große Rolle gespielt, sie hätten auf dem Cover auch etliche Blood & Honour Sektionen gegrüßt. Er fragt den Zeugen, wie er das einordne. Lü. sagt, man habe Kontakt gehabt, es habe die Hammerskins und Blood & Honour gegeben, ihr Kontakt sei eher zu Blood & Honour gewesen, er könne es nur so erklären. Noetzel sagt, er erinnere sich an ein Interview von zwei Nordmacht-Mitgliedern, die sich sehr explizit auf Blood & Honour bezögen und gesagt hätten, dass sie sie unterstützen. Er fragt, wie Lü. Blood & Honour in Mecklenburg-Vorpommern beschreiben würde. Dieser antwortet, das könne er nicht sagen, „es soll Sektionen gegeben haben“. Es habe keinen Landesparteitag, keine Mitgliedsausweise gegeben. Es seien Leute in deren T-Shirts rumgelaufen, aber die könne sich ja jeder anziehen. Das Interview sei vielleicht vor seiner Zeit gewesen. Noetzel fragt, ob über das Verbot von Blood & Honour gesprochen worden sei. Lü.: „Klar“, es habe bei Leuten, die man kannte, Durchsuchungen gegeben. Er habe nicht mit Leuten zusammengesessen, überlegt, wie man das machen müsste, sondern jeder habe für sich auf Symbole verzichtet. Noetzel fragt, wer der Ansprechpartner in der Band gewesen sei. Lü. antwortet, es habe eine Telefonnummer gegeben, man konnte per SMS oder auf Konzerten fragen, ob sie Zeit hätten und dann sei es über SMS gegangen. Noetzel fragt, was sie mit dem Geld aus den CD-Verkauf gemacht hätten. Der Zeuge sagt, das wisse er nicht, das habe das Label mit seinem Versandhandel gemacht. Der Abgeordnete fragt, welchen Betrag sie dafür bekommen hätten. Der Zeuge antwortet, sie hätten 2000 Frei-CDs bekommen, die sie dann verkauft hätten. Das Geld hätten sie in Instrumente investiert, so der Zeuge auf Nachfrage. Noetzel fragt Namen von den Bekanntschaften der NSU-Mitglieder in Rostock vor dem Abtauchen ab, aber der Zeuge verneint, sie zu kennen. Er bestätigt, dass der Donnerstags-Treffpunkt im Club MAX schon etabliert gewesen sei, als er dort hingegangen sei. Noetzel hakt nach, ob er dorthin gegangen sei, weil die anderen Bandmitglieder dort waren. Lü. sagt, er sei dorthin gegangen, weil Leute schon dort gewesen seien, aber wer genau, das wisse er nicht. Er sei in mehreren Jugendclubs gewesen, diese sähen alle gleich aus. Er sei ab und zu im MAX gewesen, nicht regelmäßig. Er verneint, dass Nordmacht dort mal einen Auftritt gehabt habe. Die „Crazy Boys“ seien aufgetreten, die seien nach seinem Eindruck aber unpolitisch. [Siehe Sitzung vom 20. November 2020] Er sei auch da gewesen, bestätigt er auf Nachfrage, aber sie hätten nicht gespielt. Er wisse nicht, zu welchem Anlass das Konzert stattgefunden habe. Er bestätigt, Oliver Do. zu kennen, verneint aber dass dieser etwas mit der Band zu tun gehabt hätte. Noetzel: „Hatte der was mit Blood&Honour zu tun?“ Lü.: „Das müssen sie ihn fragen.“ Er habe Do. erst im Club MAX kennengelernt, er wisse nicht, wie dieser nach Rostock gekommen sei, so Lü. auf Fragen.

Die Frage, ob es zwar keine offizielle Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz aber eine inoffizielle gegeben habe, verneint der Zeuge. Er sagt auf Frage, er würde sagen, es sei eine Person vom Verfassungsschutz gewesen, eine Person habe währenddessen im Auto gesessen. Auf die Frage, warum er das abgelehnt habe, sagt Lü., er habe das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können. Er habe gesagt, man könne sich gern zum Essen treffen, aber es werde keine Zusammenarbeit geben. Beim zweiten Mal sei das genauso gewesen. Er bestätigt, dass er mit Kameraden darüber gesprochen habe. Er habe ein Gedächtnisprotokoll gemacht, habe das vorgetragen, alle hätten gesagt, das sei ja deren Masche, aber es sei dem keine Bedeutung zugemessen worden. Gefragt, wie er die Durchdringung der Szene durch den VS eingeschätzt habe, sagt Lü., man sei grundsätzlich davor gewarnt worden, es habe einen beschäftigt. Es seien vermeintlich wichtige Personen als V-Leute aufgeflogen, da habe man gewusst, „die fragen nicht nur bei den Kleinen“. Auf die Frage, was er bei der Selbstenttarnung des NSU gedacht habe, sagt der Zeuge, „das geht gar nicht“, er habe nicht verstehen können, wie in der rechten Szene so lange „so ein Scheiß“ gemacht worden sei. Er habe das nicht kommen sehen. Auf Frage bestätigt der Zeuge, dass in der Szene viel geredet würde, es blieben wenige Geheimnisse. Er sagt auf Fragen, dass der weit entfernteste Ort eines seiner Konzerte Budapest gewesen sei und dass sie auch in Thüringen gespielt hätten. Er kenne auch den Thüringer Heimatschutz.

Von Allwörden fragt, wie Vertrauen untereinander möglich sei, wenn man immer mit einer Anwerbung durch den Verfassungsschutz rechnen müsse. Lü. antwortet, Vertrauen sei das wichtigste, aber man habe einfach weitergemacht mit „gesundem Misstrauen“. Von Allwörden fragt, ob er sich erklären könne, wie das Trio so habe agieren können, wenn in der Szene wenig geheim bleibe. Der Zeuge entgegnet, dafür habe er keine Erklärung, „das ist irre“. Er wisse nicht, ob das in der Szene Thema gewesen sei, er sei 2006 raus gewesen.

Oehlrich sagt, bei der Durchsuchung am 6. März 2001 bei ihm und anderen Nordmachtmitgliedern seien diverse Materialien von Blood & Honour bei ihm gefunden worden. Sie fragt, wie er daran gelangt sei. Lü. sagt, das sei weitergegeben, auf Konzerten verkauft oder im Versandhandel bestellt worden. Man habe das vor dem Verbot legal kaufen können. Es seien Zeitschriften beschlagnahmt worden. Oehlrich fragt nach Matthias Brü. aus Bad Doberan. Lü. antwortet, sie hätten zusammen Musik gemacht. Die Abgeordnete fragt nach weiteren führenden Köpfen von Blood & Honour, aber der Zeuge sagt, er wisse dazu nichts. Von Johannes Kn. wisse er nur, wie er aussehe. Oehlrich fragt nach der Rolle von Carsten Ge., dem Bassisten von Nordmacht bis 1999 bei Blood & Honour, er habe das Postfach der Sektion Mecklenburg verwaltet. Lü. antwortet, das wisse er nicht, das müsse Ge. sagen. Oehlrich fragt weiter nach Thomas Dü. und seiner Rolle. Lü. sagt, für ihn habe Dü. keine große Rolle gespielt, er habe ihn immer mal auf Veranstaltungen gesehen. Oehlrich hakt nach, Dü. habe gute Kontakte nach Niedersachsen gehabt, zu Hannes Fr. und Johannes Kn. [beide B&H]. Der Zeuge antwortet, er habe sie immer mal zusammen gesehen, sonst nichts. Er wisse nicht, ob Hannes Fr. in Rostock gewesen sei.

Noetzel fragt weiter nach Konzerten im MAX, es gebe einen Bericht der Polizeieinheit MAEX [Mobilen Aufklärung Extremismus]. Der Zeuge sagt, die MAEX habe irgendwann vor dem Club MAX gestanden und habe Aktivitäten von ihnen begleitet. Noetzel hält aus einem Bericht aus dem Jahr 2000 vor, dass es eine Skinparty gegeben habe mit Konzerten am 29. Januar 2000. Der Zeuge antwortet, wenn da stehe, dass Nordmacht gespielt habe, wisse er es nicht. Noetzel fährt fort, dass dann die Polizei vor Ort gewesen sei und auch Kontakt mit der Leiterin des Clubs gehabt habe [siehe auch Sitzung am 20. November 2020]. Der Zeuge sagt, die kenne er nicht, Herrn Mucha [heute SPD-Abgeordneter, früher Mitarbeiter im MAX]habe er da mal gesehen, sonst niemanden. Noetzel hält weiter vor, dass auf einer Geburtstagsfeier erst eine Nachwuchsband und dann Nordmacht gespielt hätten. Das Equipment sei mit dem Auto des Jugendclubs aus den Räumlichkeiten des Herrn Brü. geholt worden. Lü. sagt, sie hätten dort geprobt. Noetzel zitiert die MAEX, dass zwischendurch der Liedermacher André Lü. aufgetreten sei. Dieser sagt, das wisse er nicht mehr, es habe viele Auftritte gegeben, das habe alles gleich ausgesehen. Noetzel hält vor, dass ein Teil des Personenkreises, der sich am „Glatzendonnerstag“ getroffen habe, an der Demonstration zum Todestag von Rudolph Hess in Rostock-Warnemünde festgestellt worden sei. Der Zeuge bestätigt, dass er da teilgenommen habe, es habe Polizeikontrollen danach gegeben. Er wisse nicht, wer das geplant habe, das sei spontan durchgezogen worden. Er sei allein mit dem Auto dahin gekommen. Noetzel zitiert einen Brief von Mundlos, dass es in Rostock einen billigen Waffenladen gebe. Lü. antwortet, das habe er auch gelesen, es habe nur Frankonia und einen Militärladen gegeben. Er wisse nicht mehr, ob Waffen eine Rolle gespielt hätten, das habe er nicht mitgekriegt, sagt der Zeuge auf Frage. Auf die Frage, ob er V-Leute kenne, nennt der Zeuge Sven Schn. und sagt in Mecklenburg-Vorpommern sei über Matthias Meier geredet worden. Noetzel fragt, wie der Donnerstag im Club MAX abgelaufen sei, ob man sich am Tresen ein Bier geholt und dann angefangen hätte zu quatschen. Das bestätigt der Zeuge. Er verneint, dass Rechtsrock gehört worden sei.

Lange fragt, ob der Zeuge Schriften, Fanzines in die Hand bekommen hätte, was dieser bestätigt. Er verneint, vom NSV gehört zu haben und Schulungen zu den Texten gehabt zu haben, diese seien aus dem Bauch raus gekommen.

Auf die erneute Frage, was bei dem Verkauf der CDs rumgekommen sei, sagt der Zeuge, es sei keine Summe gewesen, mit der man hätte seine Miete zahlen können, das habe man auch nicht gewollt, er habe einen Job gehabt. Auf Frage sagt er, er wisse nicht mehr, was das Angebot des Verfassungsschutzes gewesen sei, sie hätten bestimmt gesagt, das sei lukrativ, „aber das weiß man ja“.

Oehlrich fragt nach der Rolle des Neonazifanzines „Der Weisse Wolf“. Lü. antwortet, das sei für ihn ein Fanzine wie alle anderen auch gewesen, „ich fand es plump“, er habe eine Nummer zuhause gehabt, die habe er durchgeblättert und das wars. Auch in der Szene in Rostock habe der „Weisse Wolf“ keine große Rolle gespielt, er wisse auch nicht, wer dafür verantwortlich war oder wie es finanziert wurde, sagt der Zeuge auf weitere Fragen. Er verneint, dafür gespendet zu haben. Oehlrich hält vor, dass sich in Ausgabe 9 für 110 DM Spenden unter anderem bei André Lü., „Zappi“ und weiteren bedankt worden sei. Lü. sagt, er habe keine Erinnerung daran, wenn es drinstehe, könne es sein, dass er gespendet habe, aber es sei zu unwichtig, als dass er das noch wisse. Auf Frage sagt er, seines Erachtens habe es keine Bezüge vom „Weissen Wolf“ zu Nordmacht gegeben. Er wisse nicht, welche Bezüge der „Weisse Wolf“ zur Blood & Honour-Sektion gehabt habe. Oehlrich fragt nach der Rolle der „Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock“. Lü. antwortet, die kenne er, sie sollten Flugblätter für die verteilen, aber die seien so schlecht gewesen, dass er sie in die Mülltonne geschmissen hätte. Er wisse nicht genau, was die gemacht hätten, solche Verteilaktionen zum Beispiel. Die Flyer seien nicht gut gewesen, qualitativ schlecht gemacht, aber er wisse nicht, wer die Akteure gewesen seien, so der Zeuge auf Frage.

Noetzel fragt nach Martin Ha., der ebenfalls vor den Untersuchungsausschuss geladen war. Lü. sagt, er kenne ihn seit 30 Jahren, aus der Parallelklasse. Sie hätten sich zum Musikmachen und -hören getroffen. Es habe sich dann im Club MAX verlaufen, sie hätten beide ihren „Kram“ gemacht. Noetzel fragt nach Kathleen Fi. Aber Lü. Bestätigt lediglich, dass sie für ihn unpolitisch und nicht organisiert gewesen sei. Ob sie beim „Weissen Wolf“ gewesen sei, wisse er nicht. Noetzel fragt nach einem Konzert im Raum Hildesheim im November 2000. Lü. sagt, das werde so gewesen sein, aber er könne sich nicht erinnern. Der Abgeordnete fragt nach, wie oft sie bei Brü. im Proberaum geprobt hätten und ob da noch andere Leute vor Ort gewesen seien. Der Zeuge sagt, er wisse nicht mehr wie oft und sagt, dass nur die Band da gewesen sei, weil es ein kleiner Raum gewesen sei. Er bestätigt, dass er auf Konzerten von anderen Bands war. Noetzel fragt nach einem Konzert 1998 in Rom bei Parchim, der Zeuge sagt, er erinnere sich nicht. Noetzel fügt an, dass dieses Konzert von Blood & Honour Sachsen organisiert worden sei, was ungewöhnlich sei. Er fragt, ob Lü. mitbekommen habe, wenn andere Blood & Honour Sektionen in Mecklenburg-Vorpommern Konzerte organisiert hätten. Der Zeuge verneint. Noetzel fragt nach dem „Tag der Ehre“ in Budapest 1999 und 2000, ihm lägen Informationen vor, dass Lü. in diese Richtung unterwegs gewesen sei. Lü sagt, einmal hätten sie als Besucher hinfahren wollen, seien aber festgenommen und ihnen sei die Ausreise verweigert worden. Ein anderes mal hätten sie unabhängig von Tag der Ehre in Budapest gespielt. Sie seien mit dem Auto nach Berlin gefahren und von Berlin mit dem Bus, der sei aber aufgehalten worden. Er wisse nicht, wer aus Rostock dabei gewesen sei. Zu dem eigenen Konzert in Budapest seien sie mit einem Mietwagen gefahren, sagt der Zeuge auf Frage.

Auf die Frage, wer im Club MAX die Kontrolle über die Musik gehabt hätte, antwortet der Zeuge, das wisse er nicht, das seien wahrscheinlich die Sozialarbeiter gewesen. Er verneint, dass diese repressiv aufgetreten seien, sie seien „superfreundlich“ gewesen und hätten „Getränke rübergereicht“. Auf Nachfrage, ob sie gegen rechts eingewirkt hätten, verneint der Zeuge, „sowas gabs da nicht“, das hätten sie auch nicht gemacht, „die anderen waren in der Überzahl“ und die Sozialarbeiter wollten den Frieden wahren. Auf Fragen nach der Polizei sagt Lü., die MAEX sei da gewesen, aber nur draußen, er habe keine Observationen wahrgenommen.

Oehlrich fragt nach den Beziehungen mit der Musikszene nach Sachsen. Lü.: „Man kannte sich“, mehr könne er dazu nicht sagen, sie seien dahingefahren und hätten Konzerte gespielt. Sie als Band hätten den Kontakt dafür gepflegt. Die Abgeordnete fragt nach Yves Ra., er sei der Kopf von Frontrecords und da habe es eine Aufnahme gegeben. Der Zeuge sagt, er habe ihn öfter mal auf Veranstaltungen getroffen. Es habe einen Sampler-Beitrag bei Frontrecords gegeben habe, aber das heiße nicht, dass es da freundschaftliche Kontakte gebe. Oehrlich fragt nach Hendrik Lasch, da Lü. als Liedermacher auf einer CD von dessen Label vertreten sei. Der Zeuge antwortet, er habe kein Gesicht vor Augen, aber der Name sage ihm etwas. Oehlrich fragt nach Jan Werner und Thomas Starke. Lü. sagt, Werner habe ein Fanzine und Movement Records gemacht, zu Starke könne er keine Meinung sagen, sie hätten sich oberflächlich gekannt, sich Hallo gesagt und Sachen abgesprochen, wie, dass man ein Interview miteinander mache.

Noetzel fragt nach Anke Za. und Lü. sagt, sie hätten sich gekannt und bestätigt, dass sie sich von den Donnerstagen im Club MAX kannten. Er verneint, dass sie eine besondere Beziehung zu Nordmacht gehabt habe. Noetzel fragt, warum Lü. bei Nordmacht ausgeschieden sei und dieser antwortet, die Band habe sich aufgelöst. Er bestätigt, dass er beim Nachfolger „Path of Resistance“ mitgespielt habe. Es seien bis auf den Schlagzeuger die gleichen Leute gewesen. Noetzel fragt, ob es eine bewusste Entscheidung von Lü. gewesen sei, unter Klarnamen aufzutreten. Lü. sagt, das sei eine dumme bewusste Entscheidung gewesen, vielleicht habe er sich dabei an Frank Rennicke orientiert. Noetzel fragt, ob im Proberaum ein Hakenkreuz auf dem Boden gewesen sei. Lü: „Nein um Gottes Willen.“ Noetzel fragt nach Clemens Ot. Der Zeuge bestätigt, er habe ihn bei einer Sonnenwendfeier in Niedersachsen kennengelernt, er sei ein cooler Typ gewesen, aber auch schon lange raus. Er könnte nicht 100% sagen, ob Ot. auch Konzerte organisiert habe, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Gefragt nach Combat18 sagt der Zeuge, die kenne er nur aus den Medien. Marcel Degner kenne er nicht. Zur Frage nach der Band Oidoxie sagt Lü., er habe bei einem Auftritt in Dortmund den Sänger Marko Gottschalk kennengelernt. Er habe bei seiner Recherche vor dem Ausschuss gesehen, dass Martin Krause da spiele. Den kenne er flüchtig noch aus Schmarl. Noetzel fragt, ob dieser auch im Club MAX gewesen sei. Lü. antwortet, das glaube er nicht. Er glaube, dass Krause nach Hamburg gegangen sei. Noetzel sagt, es habe auch Grüße von Nordmacht an Oidoxie gegeben und fragt, ob Lü. dafür verantwortlich gewesen sei. Lü.: „Denke schon.“ Zwischen Nordmacht und Landser sei ihm kein Kontakt bekannt, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Noetzel hakt nach dem persönlichen Verhältnis nach und Lü. sagt, er habe Lunikoff in der Kneipe getroffen und man habe sich auch gegrüßt. Von einer Spendenaktion in Mecklenburg-Vorpommern während des Verfahrens gegen Landser wisse er aber nichts, sagt der Zeuge auf Nachfrage, und auch nichts von der persönlichen Bekanntschaft von Anke Za. mit der Band Landser. Noetzel sagt, der Donnerstag im Jugendclub MAX sei irgendwann weggefallen und fragt, wo andere Treffpunkte gewesen seien. Der Zeuge nennt Warnemünde, in einer Kneipe „Zapfhahn“. Noetzel sagt im Durchsuchungsbericht von 2001 wegen Volksverhetzung werde als Grund ein unangemeldetes Konzert in Annaburg auf einem ehemaligen NVA-Gelände am 25. November 2000 angeführt. Die Polizei sei attackiert, die Mitglieder von Nordmacht seien festgenommen und die Musikinstrumente beschlagnahmt worden. Der Zeuge sagt, er könnte sich nicht an das Konzert erinnern. Noetzel fragt, ob ihm andere Konzerte in Erinnerung seien. Der Zeuge bejaht, beispielsweise eins im Großraum Hamburg bei einer Geburtstagsfeier in einem türkischen Kulturzentrum, das sei gestürmt worden. Noetzel bestätigt, dass dies ein Konzert 2001 in Rothenburgsort gewesen sei.

Oehlrich fragt nach der Konzertscheune in Salchow. Lü. sagt, dort habe es ein Symbol im Boden gegeben, er habe den Ort in Erinnerung, weil man da gut habe parken können. Sonst sei das ein Veranstaltungsort wie andere auch gewesen. Er wisse weder, wer den Ort gemanaged habe, noch wer wichtig für die Szene in Anklam gewesen sei, sagt der Zeuge auf Nachfragen. Die Abgeordnete fragt, ob es Gespräche dazu gegeben habe, wie mit dem ihn betreffenden Anquatschversuch umgegangen werden könnte. Das verneint der Zeuge, es sei hingenommen worden. Es habe nur mal Handouts gegeben, wo man darauf hingewiesen worden sei, dass das passieren könne und wie man sich verhalten sollte.

Auf Frage Noetzels verneint der Zeuge, Tino Brandt, Ralph Wohlleben, Lutz Gi. oder Christoph Go. zu kennen. André Schrö. sei zu Konzerten von ihnen mitgekommen, aber ob er Konzerte organisiert habe, das müsse man ihn selbst fragen. Noetzel fragt nach dem Fanzine „Zentralorgan“. Der Zeuge sagt, das sei nicht so stumpf gewesen, es sei intelligenter gewesen, habe eine andere Ausrichtung gehabt. Da sei es auch darum gegangen, mit Linken zusammen zu arbeiten, das habe ihn immer interessiert. Er verneint aber, damit etwas zu tun gehabt zu haben. Noetzel hält aus einem polizeilichen Dokument eine Liste von „Rädelsführern der rechtsextremen Szene“ vor. Darunter Petereit, Martin Krause, Thomas Dü., Anke Za. und auch André Lü. Dieser sagt, da seien Leute dabei, die deutlich organisierter gewesen seien. Es sei ihm neu, dass er als Rädelsführer gehandelt worden sei. Er sehe das auch nicht so, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Noetzel fragt Lü., ob er den Hamburger Thomas Wulff und den Rostocker Lars Ja. kenne. Der Zeuge bejaht, er kenne sie von Konzerten und Liederabenden. Der Zeuge bestätigt, dass er an Demonstrationen teilgenommen habe. Noetzel fragt nach den Schulfhof-CDs der NPD. Der Zeuge sagt, er wisse nicht, wer diese gemacht habe. Er wisse nicht, auf wie vielen CDs er vertreten sei, die Lieder seien einfach genommen worden. Noetzel fragt, ob man da nicht gefragt worden sei. Lü. sagt, nach seinem Ausstieg auf keinen Fall, von davor wisse er es nicht genau. Noetzel fragt nach einer Mail von David Petereit vom 17. August 2007 zum Ausstieg von Lü. Dieser sagt, er habe nur einen Forenbeitrag im Internet gesehen, in dem dieser gegen ihn gewettert habe. Auf die Frage nach seiner Verbindung mit Petereit sagt der Zeuge, er habe ihn flüchtig gekannt, habe ihn ein paar mal getroffen und ihm die Hand geschüttelt. Noetzel fragt, warum Petereit gewettert habe. Lü sagt, das passe nicht zu seiner Weltanschauung. Der Abgeordnete hakt nach, wie Petereit dazu komme und ob Lü. seinen Ausstieg öffentlich gemacht habe. Der Zeuge verneint, er habe für sich einen Schlussstrich gezogen, aber nie ein Statement gemacht. Aber ein Jahr später habe es sich wahrscheinlich rumgesprochen. Noetzel fragt, ob er Probleme bekommen habe. Lü. verneint. Er habe gehört, dass Leute gesagt hätten, es sei sein Ding und fertig. Der Zeuge wird entlassen.

Der nächste Zeuge, „VS 15“, erscheint mit seinem Zeugenbeistand RA Dr. Butz Peters. Die Vorsitzende sagt, nach ihren Unterlagen sei dieser von 1997 bis 1999 Quellenführer von Michael Grube alias V-Mann Martin gewesen, dieser sei NPD-Kreisvorsitzender gewesen. Sie erinnert daran, dass Ralf Wohlleben und Carsten Schultze den NPD-Landesvorsitzenden Rechtsanwalt Hans Günter Eisenecker 1999 aufgesucht hätten. Sie sagt, der Ausschuss gehe von einem Kennverhältnis zwischen Grube und Eisenecker aus.

Zu seiner Vorbereitung sagt der Zeuge, er habe sich beraten lassen und habe Akteneinsicht genommen. Er sagt in seinem Statement, er habe von August 1991 bis März 2021 beim Verfassungsschutz gearbeitet. Er sei in der politischen Auswertung und Beschaffung tätig gewesen. Zur Zeit der Observation vom Treffen zwischen Eisenecker, Schultze und Wohlleben könne er nichts sagen, er sei da in der Beschaffung gewesen. Er habe V-Mann Martin insgesamt acht Mal getroffen, die Berichte dazu seien VS Vertraulich, dazu könne er sich öffentlich nicht weiter äußern.

Die Vorsitzende sagt, man werde trotzdem mit der Befragung öffentlich beginnen.

Noetzel fragt nach dem Werdegang des Zeugen. „VS 15“ sagt, er habe eine Ausbildung als Polizeibeamter bei der Bundespolizei gemacht und sei nach der Wende aus Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Noetzel hakt nach, ob er innerhalb des Verfassungsschutzes weitergebildet worden sei. Das bestätigt der Zeuge, er habe zahlreiche Seminare besucht. Noetzel fragt, ob der Zeuge an der Auswahl von Michael Grube beteiligt gewesen sei. „VS 15“ sagt, er sei „ganz maßgeblich“ beteiligt gewesen. RA Butz Peters sagt, alles Material sei VS Vertraulich, vielleicht sei das eine Frage an den Vertreter des Innenministeriums. Dieser sagt, im Prinzip habe Peters recht, aber sie hätten ja schon ein paar Punkte öffentlich verhandelt, daher könne der Zeuge Rahmendaten angeben. Peters fragt zurück, ob es ok sei, dass der Zeuge fortfahre und wenn der Vertreter des Innenministeriums Probleme sehe, dieser einschreite. Dieser bejaht.

VS 15“ sagt, der Vorfall in Leisten sei die Grundlage gewesen, Herrn Grube anzuwerben. Noetzel entgegnet, das sei merkwürdig, jemand werde straffällig, dann komme der VS und fragt ihn, ob er V-Mann werden möchte. Noetzel fragt, was der Zeuge vom Vorleben Grubes gewusst habe. „VS 15“ sagt, Grube sei in Leisten „ganz marginal“ straffällig geworden, sei „ein Mitläufer maximal“ gewesen. Er wisse nicht, ob er angeklagt worden sei. Noetzel fragt nach einem Spiegel-Artikel von 2001 , darin heißt es: „Von 1997 bis 1999 spitzelte Michael Grube alias „Martin“ für den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern. Grube, ehemaliger NPD-Kreisvorsitzender in Wismar, beteiligte sich an einem Brandanschlag auf eine Pizzeria in Grevesmühlen. Später prügelte er einen Jugendlichen halb tot. 1999 trat er – auch auf Wunsch der Behörde – einer ultraradikalen Gruppierung bei. Begründung seines V-Mann-Führers: ‚In der NPD gibt es schon genug Spitzel.‘“ Der Zeuge sagt, den Artikel werde er sicher kennen, sie hätten das verfolgt. Aber zu Herrn Grube ginge man hier in die Tiefe, da könne er öffentlich nichts zu sagen. Noetzel entgegnet, Grube habe vor Gericht selbst angegeben, dass er für den VS gearbeitet habe und fragt, wie das angekommen sei. Der Zeuge sagt, er sei nicht bei der Gerichtsverhandlung gewesen. Noetzel nimmt Bezug auf die „ultraradikale Gruppierung“ und fragt, ob Grube so zur Sozialistischen Volkspartei gekommen sei. Der Zeuge sagt, in der Zeit habe er mit dem V-Mann nichts zu tun gehabt, da müsse man „VS 16“ fragen.

Lange fragt wie immer nach dem Werdegang des Zeugen, danach wie mit unbekannten Kürzeln umgegangen wurde und ob der Zeuge das Kürzel „NSV“ kenne.

Auf die Frage, welche Akten er sich zur Vorbereitung angesehen habe, sagt der Zeuge, es seien seine eigenen Unterlagen, Unterlagen zum V-Mann im Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern und Berichterstattung gewesen. Gefragt nach dem Grund, warum er sowohl in der Beschaffung als auch in der Auswertung tätig gewesen sei, antwortet der Zeuge, jede Behörde habe personelle Fluktuation, da greife man auf kompetente Leute zurück. Auf die Frage, was bei einem Wechsel in die Auswertung mit den V-Leuten passiere, sagt der Zeuge, diese würden übergeben, und dann habe man nichts mehr mit denen zu tun, „dann geht’s in die Abschottung“. Die Frage, ob er nur im Phänomenbereich rechts tätig gewesen sei, sagt der Zeuge, das gehe über den Bereich des Untersuchungsausschusses hinaus. Auch die Frage, was Grube für eine Person gewesen sei, möchte der Zeuge mit Verweis auf die Öffentlichkeit nicht beantworten.

Von Allwörden fragt nach den Verbindungen des V-Manns zur rechten Szene. Der Zeuge nennt die Tätigkeit in der NPD, „da kannten sich alle“. Der Zeuge sagt auf Nachfrage, sein letzter Treff sei am 1. August 1998 gewesen, dann habe die Übergabe an den V-Mann-Führer stattgefunden. Er habe ihn nur in der Werbungsphase fünf Mal getroffen und dann noch sporadisch zweimal. Die Abgeordnete fragt nach dem Kameradschaftsbund Anklam. Der Zeuge antwortet, natürlich sage ihm das was, das seien ja damals ihre Hauptbeobachtungsobjekte gewesen. Ob es darüber auch Erkenntnisse durch Michael Grube gegeben habe, möchte der Zeuge nicht öffentlich sagen.

Oehlrich fragt nach den Arbeitsbereichen des Zeugen. Dieser sagt, das seien gewaltbereiter Rechtsextremismus, neonazistische Gruppierungen und die partei-ungebundene Szene gewesen. Er sei für den westlichen Teil MVs zuständig gewesen, „VS 12“ habe den Ostteil bearbeitet. Oehlrich fragt nach dem Ziel der Anwerbung von Grube. Der Zeuge antwortet, das Ziel sei natürlich gewesen, Zugang zu Wismarer Szene zu bekommen, aber er könne das öffentlich nicht weiter ausführen. Auf Nachfrage sagt der Zeuge, man habe zwischen Partei und freiem Milieu nicht so unterschieden, man habe nicht gewusst, „sind sie schon Mitglied der Partei oder nicht?“. Oehlrich sagt, Grube sei erst in der linken Szene in Wismar gewesen und dann aber rechts. Er sei nach Linken gefragt worden. Oehlrich fragt, wie sichergestellt wurde, dass Grube keine politisch motivierten Falschangaben gemacht habe. Der Zeuge sagt, das wolle er nicht-öffentlich beantworten.

Auf Frage Noetzels, ob Grube für die BAO Trio MV interessant gewesen sei, sagt der Zeuge, er persönlich schließe aus, dass er Berührungspunkte zum NSU hatte. Noetzel fragt nach der Motivation von Grube, mit dem Verfassungsschutz zusammenzuarbeiten. Peters verweist auf den nicht-öffentlichen Teil und der Zeuge schließt sich an. Die Vorsitzende sagt, das könne sie nicht nachvollziehen. Der Vertreter des Innenministeriums sagt, wenn der Zeuge für seine Einschätzung Aussagen anführen könnte, sei es ok, sonst nicht. Der Zeuge sagt, Grube habe sich dazu nicht geäußert. Seine Erkenntnis nach den Treffen sei gewesen, dass er es als Anerkennung empfunden habe und es habe auch private Gründe gegeben. Es sei auch ein pädagogischer Prozess, man kümmere sich, gebe Ratschläge und das „nimmt ein junger Mann gern mit“. Der finanzielle Aspekt sei weniger ein Punkt gewesen. Gefragt nach den privaten Problemen sagt der Zeuge, dazu wolle er nicht in die Tiefe gehen. Noetzel zitiert aus einem weiteren Artikel, der den damaligen VS-Chef Ruhlich zitiert, dass die Quelle aus dem Ruder gelaufen sei, Grube habe als Topquelle gegolten. Der Zeuge sagt, mit Topquelle wäre er vorsichtig, das könne man eigentlich erst nach fünf Jahren sagen. Auf die Frage, was mit „aus dem Rufer gelaufen“ gemeint sei, sagt er Zeuge, das meine abstrakt, dass sich nach dem Misserfolg der NPD bei den Landtagswahlen 1998 ein Flügel radikalisiert habe, auf der andere Seite habe Eisenecker mit einer dogmatischen Herangehensweise gestanden. Die Radikalität hätte auf ihren V-Mann abgefärbt.

Lange fragt, ob sie nach der Selbstenttarnung Quellen nach dem NSU gefragt hätten. Der Zeuge bestätigt, dass sei „ständige Auftragslage“ gewesen.

Auf Frage von Oehlrich sagt der Zeuge, er sei mit den beiden Vorfällen, der Körperverletzung in Schönefeld und dem Brandanschlag Grevesmühlen, nur im Rahmen der Abschaltung befasst gewesen, die habe er auch forciert. Auf weitere Frage sagt er, es habe in seiner Zeit die Weisung „von ganz oben“ gegeben, V-Leute aggressiver zu werben. Oehlrich fragt, ob man also mehr auf Masse als auf Klasse geachtet hätte. Der Zeuge entgegnet, das sei eine Bewertung, es sei immer um Klasse gegangen, um Qualität.

Noetzel sagt, dass Grube „Listen von Linksextremisten“ vorgelegt worden seien. „VS 15“: „Ihm wurden keine Listen vorgelegt, sondern Namen vorgelesen“, die er gekannt habe. Aber darüber wolle er bitte nicht-öffentlich sprechen. Noetzel hakt nach, ob es üblich sei, dass man V-Personen aus dem rechten Bereich nach linken Personen frage. Der Zeuge antwortet, Grube sei aus der linken Szene gekommen. Er führt weiter aus, die Festnahme von Wolfgang Grams [RAF] sei ein Desaster gewesen, wenn man solche Personen gehabt habe, die noch keine Führung hatten, sondern sich in der Werbungsphase befanden, dann frage man alle Spektren ab. Man frage nach Personen, die er kenne, um den Nachrichtenwert von Personen zu prüfen. Noetzel fragt nach einem Vermerk, nach dem Grube einen KfZ-Unfall gehabt habe und ihm in Aussicht gestellt worden sei, ihn dabei finanziell zu unterstützen und ob es zusätzliche finanzielle Mittel gegeben habe. Der Zeuge sagt, der Sachverhalt sei ihm „randläufig“ bekannt, er könne das aber nicht konkret beantworten. Aber generell sei es so, dass Quellen mobil sein müssten. Wenn es im Rahmen bleibe, werde der Betrag vorgestreckt und mit späteren Prämien verrechnet. Auf Frage sagt der Zeuge, wenn eine Quelle Straftaten begehe, nehme der Verfassungsschutz mit der Staatsanwaltschaft Kontakt auf, man möchte den Zugang nicht verlieren, aber auch nicht mit kriminellen Quellen zusammenarbeiten. Es sei gängige Praxis, dass man sich da mit der Staatsanwaltschaft austausche, das sei inzwischen gesetzlich geregelt. Noetzel fragt, ob das zu dem Zeitpunkt nicht so gewesen sei. Der Zeuge antwortet, das wisse er nicht, aber generell sei das schon mit der Staatsanwaltschaft besprochen worden.

Die Frage nach einem behördeninternen Prämienkatalog beantwortet der Zeuge „grob abstrakt“, es gebe sehr viele V-Leute und konkrete Parameter habe es nicht gegeben und gebe es nicht. Zum Rahmen wolle er öffentlich nichts sagen. Auf die Frage, wenn sich V-Leute beispielsweise bei Volksverhetzung strafbar machen, ob das nicht die Statistik verzerre, sagt der Zeuge, wenn es sich um planbare Straftaten handele, bei denen man sich marginal beteiligen müsse, werde das vorher mit der Staatsanwaltschaft besprochen, denn bei §86 oder Volksverhetzung könne man nicht außen vorbleiben als V-Person. Wenn es mehr sei, müsse man gucken, „musste das wirklich sein“ und dann gucke man, ob man noch vertrauen könne. Auf Nachfrage, ob V-Leute also situativ mitziehen müssten, sagt der Zeuge, man vermeide generell V-Leute in Kreise zu steuern, in der sie sich strafbar machen, das sei eher der Personenbereich, der für die Polizei interessant sei. Sie hätten sich für den „politischen Bereich“ interessiert, wo man darauf bedacht sei, keine Straftaten zu begehen. Auf Nachhaken, ob so die Statistik verzerrt würde, sagt der Zeuge, das könne er nicht beantworten, das würde Rückschlüsse auf die Arbeitsweise zulassen. Er könne nur eins sagen, bei Straftaten hätten sie irgendwann die Reißleine gerissen, auch bei Propaganda etc. das werde grenzwertig, das würde man nie in Massen zulassen, „das ist ein Unding“. Auf die Nachfrage, wenn man Straftaten gewichte, gehöre §86 zum guten Ton und ob das dazu auch Körperverletzung gehöre, sagt der Zeuge, sie seien verpflichtet, bei der Staatsanwaltschaft Straftaten anzuzeigen, da gebe es Normierungen, mehr könne er nicht sagen, weil er sein Gesetz nicht dabeihabe. Auf die Frage, ob Grube bei Straftaten besser weggekommen sei, antwortet der Zeuge, das habe Grube mit umfangreichen Aussagen versucht, „aber wir haben ihn nicht geschützt“ und das sei auch Maßgabe der Abschaltung gewesen.

Noetzel hält zu einer Belehrung des V-Mannes Grube vor: Man habe ihm anlassbezogen vor Veranstaltung belehrt, nicht an Straftaten teilzunehmen. Man habe ihm gesagt, ‚Mach kein Scheiß‘, er solle sich nicht wieder ein blaues Auge wie in Leisten holen. Noetzel fragt, ob es in Sachen Leisten Kontakt mit dem Gericht gegeben habe. „VS 15“ antwortet, sie hätten nicht interveniert, sie hätten Kontakt gehalten. Insgesamt sei diese Belehrung „sehr volkstümlich“, eigentlich werde das professioneller gemacht. Sie hätten ihn belehrt, gar keine Straftaten zu begehen. Es sei nicht für ihn interveniert worden, aber Leisten sei wegen geringer Tatbeteiligung eingestellt worden. Noetzel fragt, ob dies das blaue Auge gewesen sei und der Zeuge sagt, die Formulierung sei ungewöhnlich. Noetzel fragt, wie ihnen die Tat am 3. März 1999 in Schönberg bekannt geworden sei. Der Zeuge antwortet, er habe mit „VS 16“ wegen der Abschaltung des V-Mannes wegen der Brandstiftung in Grevesmühlen telefoniert. Dieser sagte, dass es noch eine Schlägerei gegeben habe, bei der eine Person schwere Verletzungen davon getragen habe. Noetzel fragt, was zur Tatbeteiligung Grubes berichtet worden sei. „VS 15“ antwortet, es sei so gewesen, dass sie die gesamte Tatbegehung nicht als schwere Tatbegehung eingeschätzt hätten. Grube habe dann aber gesagt, dass er noch zweimal zugetreten habe, das sei ihm noch nicht bekannt gewesen. Noetzel fragt, ob das der Polizei schon bekannt gewesen sei, oder ob sie ihnen das gesagt hätten. Der Zeuge sagt, die hätten die Tat nur als Gewaltdelikt und nicht als Staatsschutzrelevant eingeordnet, das sei also beim LKA falsch sortiert worden und sei dann beim Staatsschutz nicht aufgelaufen. Noetzel fragt nach Blood & Honour und den Hammerskins, der Zeuge sagt, das seien Daueraufträge gewesen, weil sie an Zugängen zu diesen Organisationen sehr interessiert gewesen seien. Auf Frage sagt der Zeuge, er würde André Lü. eher am Rande von Blood & Honour verorten, Oliver Do. sei ein stadtbekannter Protagonist gewesen.