Der 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt sich derzeit mit dem Nordkreuz-Komplex. Viele Zeug*innen zu diesem Thema thematisierten die Gefahr, die von dem Netzwerk ausging und äußerten Unverständnis dafür, dass die Bundesanwaltschaft ihr Verfahren nicht erweiterte und so nicht wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelte. Die vier Zeug*innen der letzten beiden Termine in Schwerin schlossen sich dieser Dringlichkeit nicht an.
Am 24. Februar sagten der Leiter der Staatsanwaltschaft Rostock, Gä., und die Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft Mecklenburg-Vorpommern aus. Letztere beschrieb ihre Tätigkeit im Wesentlichen als ein Weiterleiten der Post zwischen Bundesanwaltschaft und mecklenburg-vorpommerischen Staatsanwaltschaften.
Von der Staatsanwaltschaft Rostock wiederum hätte man eine größere Rolle bei den Ermittlungen zu Nordkreuz erwarten können. Schließlich war sie 2017 zur Staatsschutz-Schwerpunktstaatsanwaltschaft geworden und ist seitdem für entsprechende Verfahren im ganzen Bundesland zuständig. Ihr Leiter sagte dagegen erstaunlicherweise aus, dass die Staatsanwaltschaft Rostock nur am Rande mit dem Komplex befasst gewesen sei und er davon aus den Medien erfahren habe.
Gä. fühlt sich offenbar bis heute nicht wirklich zuständig für das Thema. Zur Begründung, warum er es ablehnte, Maßnahmen zu ergreifen, als der leitende LKA-Ermittler ihn bei zwei Treffen darum bat, verwies Gä. auf juristische Abläufe und Zuständigkeiten. Die Zuständigkeit habe bei der Bundesanwaltschaft gelegen. Gefragt nach dem Verfahren gegen Marko G., das durch die Schweriner Staatsanwaltschaft bearbeitet wurde, sagte Gä., er gehe davon aus, dass dieses keinen politischen Hintergrund und nichts mit Nordkreuz zu tun gehabt habe, weil es ihnen ja nicht zugeteilt worden war.
Auch die Verfahren gegen eine weitere zentrale Figur, den Schießplatzbetreiber Frank T., stufte Gä. als unpolitisch ein. Es sei schließlich beispielsweise um Munition gegangen. Abgeordnete machten dagegen darauf aufmerksam, dass die Staatsanwaltschaft Rostock die Verfahren gegen T. nicht gesammelt betrachtet habe und diese fast komplett eingestellt hätten. Eine gemeinsame Betrachtung hätte womöglich ein anderes Bild ergeben.
Auch die Verfahren gegen die vormaligen Hauptverdächtigen des Verfahrens der Bundesanwaltschaft, Haik Jaeger und Jan Hendrik Hammer, sind inzwischen abgeschlossen. Nachdem die Bundesbehörden die Ermittlungen eingestellt hatten, erhielt Jäger einen Strafbefehl von 50 Tagessätzen á 100 Euro. Erst ab 60 Tagessätzen wird ein Urteil relevant für das Recht eine Waffe zu tragen. Hammer wurde von einem Schöffengericht zu 80 Tagessätze zu je 50 Euro verurteilt.
In der Ausschusssitzung wurde auch deutlich, dass den Betroffenen der Nordkreuz-Feindeslisten unterdessen die Möglichkeit von Anzeigen genommen wurden. Sie hätten Strafanzeige wegen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz stellen müssen. Dies ist ein Antragsdelikt, Behörden werden hier nicht selbstständig tätig. Die Betroffenen wurden darüber allerdings gar nicht informiert – die Straftaten sind inzwischen verjährt.
Am 3. März sagte der ehemalige Leiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Dr. Christof Gramm aus. Seine Vorbereitung belief sich laut eigener Aussage darauf, sich bei einer Tasse Kaffee entspannt mit seinem ehemaligen Büroleiter darüber zu unterhalten, was Nordkreuz war. Gramm machte deutlich, dass nach den Fällen Franco Albrecht und Nordkreuz die Behörden ihre Zusammenarbeit verbessert hätten. Bei Nordkreuz sei es beispielsweise so gewesen, dass viele Reservisten beteiligt gewesen seien. Für die sei der MAD aber nur zuständig, wenn sie sich bei einer Übung befinden, sonst bearbeite sie der Verfassungsschutz. Viel mehr konnte Gramm zu Nordkreuz nicht sagen, obwohl sich mehrere ehemalige Bundeswehr-Soldaten an den Chatgruppen beteiligt hatten. Er führte aber aus, dass Bundeswehr und Polizei insgesamt ein anderes Klientel anzögen als beispielsweise die „Hungerhilfe“.
Ziemlich unaufgeregt berichtete auch Wilfried Kapischke, Inspekteur a.D. der Landespolizei und außerdem Leiter der nach dem Bekanntwerden von Nordkreuz vom Innenminister einberufenen „Prepperkomission“. Auf Fragen der Abgeordneten bestätigte er, dass diese Kommission sich nur am Rande mit Nordkreuz befasste. Vielmehr sei es um eine Begriffsdefinition gegangen. Demnach seien „Prepper“ diejenigen, die sich beispielsweise mit Konserven eindecken. Diejenigen, die zusätzlich Waffen horten und die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, nenne man von nun an „radikale Prepper“.
Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!