„Ich hab noch nie einen Neonazi auf einem Fahrrad gesehen“

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Vorläufiges Fazit aus der Beobachtung des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses 2012/2013

von Birgit Mair [1]

Am 19. Februar 2013 präsentierte sich der Münchner Kriminaloberrat a.D. Franz-Josef Wilfling im Bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss mit einer bemerkenswerten und prototypischen Aussage: Er habe noch nie einen Neonazi auf einem Fahrrad gesehen.

Wilfling war Leiter der 5. Mordkommission in München und zuständig für die Aufklärung des Mordes an dem türkischstämmigen Obst- und Gemüsehändler Habil Kılıç, der am 29. August 2001 in seinem Geschäft in der Bad-Schachener-Straße München ermordet wurde. Man habe die in Tatortnähe beobachteten Radfahrer „zwar einbezogen“, gefahndet worden sei aber zunächst nach dem Fahrzeug „mit dem Mischling“. Obwohl Wilfling mittlerweile davon ausgeht, dass es sich bei den Radfahrern um die wahren Täter handelte, relativierte er die von ZeugInnen gemachten wichtigen Beobachtungen in der Nähe des damaligen Tatortes. „Mir war es lieber, dass die Ermittlungen in Bayern geführt wurden, (…) weil ich die für kompetenter halte“ [2]. Auf die Frage einer Abgeordneten, ob er aus heutiger Sicht etwas anders machen würde, antwortete er konsequenterweise: „Nein“ [3].

Demonstration für die NSU-Opfer am 13. April 2013 in München (Foto: Birgit Mair)

Demonstration für die NSU-Opfer am 13. April 2013 in München (Foto: Birgit Mair)

Eine erste Analyse der bisherigen Arbeit des bayerischen Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ führt zu dem Ergebnis, dass die neonazistische Szene sowohl durch die Ermittlungsbehörden als auch durch den Verfassungsschutz systematisch falsch eingeschätzt bzw. verharmlost wurde. Polizeilich ermittelt wurde fast ausschließlich im persönlichen und beruflichen Umfeld der Mordopfer. Weiterhin waren rassistische Einstellungen bei einem relevanten Teil der vernommenen bayerischen Beamten zu verzeichnen.

Meine Analyse beruht auf der Auswertung von 77 Sitzungsstunden des Untersuchungsausschusses; die Beobachtungsprotokolle umfassen mehr als fünfhundert Seiten (Stand 5. Juni 2013). In öffentlicher Sitzung wurden bis dato 43 verschiedene ZeugInnen befragt. Bis auf drei externe Sachverständige in der Anfangsphase und in der Endphase Angehörige der Opfer waren dies ausschließlich Polizisten, Mitarbeiter des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie in Nürnberg und München ansässige Staatsanwälte. Inhaltlicher Fokus war die Aufklärung von Ermittlungsfehlern bei der Mordserie an bundesweit neun Migranten, davon fünf in Bayern. [4]

Ermittlungen hauptsächlich im Umfeld der Opfer

Dreh- und Angelpunkt des Skandals ist, dass jahrelang nicht in Richtung extreme Rechte ermittelt wurde, obwohl in den Jahren 2000 bis 2006 bundesweit neun Migranten mit derselben Waffe ermordet worden sind. Von den ermittelnden Polizeibeamten wurde vor dem Untersuchungsausschuss unisono erklärt, es habe seinerzeit keine Hinweise auf rassistische Hintergründe der Taten gegeben.

Von fast allen Zeugen wurde das Fehlen von einschlägigen Bekennerschreiben ins Feld geführt. Wer so argumentiert, hat wenig Ahnung von rechtem Terror oder will wenig Ahnung davon haben, denn Bekennerschreiben oder Ähnliches waren und sind bei den von Neonazis begangenen Morden oder Gewalttaten kaum üblich. Als bayerische Beispiele können das Oktoberfest-Attentat in München 1980, die Ermordung von Shlomo Lewin und Frieda Poeschke in Erlangen 1980 sowie der Brandanschlag in Schwandorf 1988 auf ein vorwiegend von TürkInnen bewohntes Haus dienen.

Von Anfang an wiesen Angehörige der NSU-Mordopfer auf ihren Verdacht hin, es könnten rassistische Tatmotive vorliegen, so die Familie des ersten Mordopfers, Enver Şimşek. [5] Derartige Hinweise wurden offensichtlich generell nicht ernst genug genommen. Dafür gab es bereits nach dem ersten Mord „mehrfach Abfragen“ [6] beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, ob es „Erkenntnisse zum Mordopfer“ [7] gäbe.

Allgemeine Verharmlosung der Neonazi-Szene

Neben der Ausblendung rassistischer Tatmotive beeindruckte die allgemeine Verharmlosung der Neonazi-Szene. Eine derartige Mordserie schienen die staatlichen Behörden den Neonazis nicht zugetraut zu haben. Wie konnte es zu einer derartigen Fehleinschätzung kommen, obwohl zum Beispiel die neonazistische Gruppe um Martin Wiese im Jahr 2003 einen massiven terroristischen Anschlag in München geplant hatte und diese Tatplanung zum Glück rechtzeitig aufgedeckt worden war? Von den bereits erwähnten neonazistischen Bluttaten ganz zu schweigen.

Im Untersuchungsausschuss wurde nie geklärt, warum von den 682 Neonazis im Großraum Nürnberg, die der BAO Bosporus vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz nach monatelangem Zögern genannt wurden, nur neun persönlich kontaktiert worden sind. Während die BAO Bosporus nach dem letzten in Bayern begangenen NSU-Mord im Jahr 2005 die Münchener Wohnung und den Schrebergarten des Mordopfers mit Spürhunden durchsuchen ließ, das Telefon dessen Bruders abhörte[8] und den Opferangehörigen falsche JournalistInnen unterjubelte [9], begnügte man sich bei den Ermittlungen in der rechten Szene mit einer Alibi-Überprüfung „bei einer zentralen Figur der Nürnberger Neonazi-Szene“ [10] und so genannten Gefährderansprachen bei neun Szenegrößen im Nürnberger Raum. Dies waren unter anderem der damalige bayerische NPD-Vorsitzende und Stadtrat der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA), Ralf Ollert aus Nürnberg [11], der Nürnberger Ex-NPD-Aktivist Rainer Biller sowie der Fürther Szeneanwalt [12]. Ergebnis der oberflächlichen Recherchen in der rechten Szene, wie nicht anders zu erwarten, gleich Null. Auch die staatlich bezahlten Neonazis, die so genannten „V-Leute“, hätten nichts Relevantes berichtet. Unbegreiflich bis heute die naiven Vorannahmen der ErmittlerInnen: Wieso sollten organisierte Neonazis die Wahrheit sagen, wenn es um Morde an den ihnen verhassten Migranten geht? Den bayerischen ErmittlerInnen fehlte – was die Neonaziszene anbelangte, jegliche Phantasie. Doch wenn es darum ging, die vermeintlichen Killer in der türkischen Community aufzuspüren, wurden in München und Nürnberg sogar falsche Dönerimbisse betrieben. Dies ist umso erstaunlicher, da nur eines der bayerischen Mordopfer in dieser Branche tätig war. Bundesweit waren es nur zwei.

Kriminelle „V-Leute“ wurden vom Staat geschützt

Eines wurde im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss deutlich: Der Staat schützte die von ihm in ihrer Funktion als „V-Leute“ bezahlten Neonazis selbst dann, wenn es um Mord ging. Dies wurde dann „Quellenschutz“ genannt.

Kai Dalek (Mitte-rechts mit dunklem Shirt, Brille, Stoppelbart und Ordnerbinde) bei einem Rudolf-Heß-Aufmarsch in Bayreuth, vermutlich 1991. Mit dabei: Christian Worch und der mittlerweile verstorbene Neonazianwalt Jürgen Rieger (Foto: privat)

Kai Dalek (Mitte-rechts mit dunklem Shirt, Brille, Stoppelbart und Ordnerbinde) bei einem Rudolf-Heß-Aufmarsch in Bayreuth, vermutlich 1991. Mit dabei: und der mittlerweile verstorbene Neonazianwalt Jürgen Rieger (Foto: privat)

Von zwei „V-Leuten“ war im Untersuchungsausschuss immer wieder die Rede: Während der Name Tino Brandt von Zeugen und Abgeordneten offen ausgesprochen wurde, wurde um Kai Dalek ein Geheimnis gemacht wie um die Figur des Lord Voldemort in den Harry-Potter-Romanen. Die Landtagsabgeordnete Tausendfreund beging schließlich in der 22. Ausschusssitzung am 17. April 2013 einen Akt der Zivilcourage, wogegen der Ausschussvorsitzende Schindler protestierte. Unter Berufung auf eine Zeugenaussage vor einem anderen NSU-Untersuchungsausschuss verkündete sie, dass gegen den „“ Dalek drei Ermittlungsverfahren gelaufen seien, eines davon wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Hinblick auf seine „V-Mann-Eigenschaft“ seien die Ermittlungsverfahren jedoch alle eingestellt worden.

Kai Dalek war AntifaschistInnen bereits Anfang der 1990er Jahre ein Begriff. Er betrieb vom oberfränkischen Kronach aus einen so genannten Netzknoten des „Thule-Netzes“[13]. Über dieses Computernetzwerk waren persönliche Informationen über Nazi-GegnerInnen verbreitet und diese bedroht worden. Es besteht der Verdacht, dass dieses neonazistische Computernetzwerk auch mit Hilfe staatlicher Gelder aufgebaut worden ist und Dalek eine führende Rolle bei der Bespitzelung von Linken für die Neonazis („Anti-Antifa“) und gleichzeitig für den Staat spielte. Zudem war er offensichtlich führender Funktionär verschiedener neonazistischer Gruppen wie der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) [14] und spielte zeitweise eine maßgebliche Rolle bei der Organisation der Rudolf-Heß-Demonstrationen [15].
Die Öffentlichkeit würde sicher gerne Genaueres über weitere Aktivitäten dieses „V-Mannes“ in staatlichen Diensten erfahren: Immerhin stand der damals in Oberfranken lebende Neonazi auf den 1998 von der Thüringer Polizei gefundenen „Garagenlisten“ des Uwe .

„… als nicht gewaltbereit einzustufen“

Genau wie Dalek hatte der aus Thüringen stammende, aber auch in den bayerischen Städten Regensburg und Coburg aktive Neonazi und „V-Mann“ Tino Brandt Kontakt zu den späteren NSU-TerroristInnen. Nachweislich baute Brandt den neonazistischen „Thüringer Heimatschutz“ (THS) mit auf. In dieser militanten Nazi-Truppe wurden , Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt politisch sozialisiert. Später spielte Brandt dann von Coburg aus – er arbeitete zu dieser Zeit beim extrem rechten Verlag Nation und Europa – eine wichtige Rolle bei der Gründung des „Fränkischen Heimatschutz“ (FHS) Coburg. Unter diesem Namen sind auch heute noch bzw. wieder Neonazis aktiv. [16]  Immerhin kam im Untersuchungsausschuss zur Sprache, dass die Kriminalpolizeiinspektion Coburg gegen den Gründer des „Fränkischen Heimatschutzes“, Tino Brandt, zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte. Einmal ging es um eine Fahne mit Sigrunen (SS-Runen), die von außen sichtbar in seiner Coburger Wohnung gehangen sei, aber bei der Hausdurchsuchung plötzlich verschwunden war. Beim anderen Mal hatte der Zoll eine Lieferung von zehn an Brandt adressierten Büchern abgefangen. Die Bücher behandelten Themen wie das Führen von Kleinkriegen, das Basteln von Rohrbomben oder den Umgang mit Sprengstoff. Brandt behauptete erfolgreich, er habe die kriminellen Machwerke gar nicht bestellt. Das einschlägige Ermittlungsverfahren wurde wie fünfunddreißig andere Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt. Zur Erinnerung: Rohrbomben waren auch 1998 in einer der angemieteten Garagen der späteren NSU-Mörder in Jena gefunden worden.

Ein weiteres pikantes Detail zum „V-Mann“ Brandt: Obwohl der im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss angehörte Coburger Staatsschutzbeamte eigentlich wissen musste, dass gegen Brandt in Thüringen vielfach polizeilich ermittelt worden war, unter anderem auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, sagte er:
„Ich war der Meinung, dass unsere Szene in Coburg als nicht gewaltbereit einzustufen war und der Meinung bin ich auch heute noch.“ [17] Seltsamerweise führte keines der insgesamt 35 Ermittlungsverfahren gegen Brandt zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung. [18]

V-Mann und Neonazi Tino Brandt (Mitte, schwarze Bomberjacke, Brille, weiße Ordnerbinde) auf einem Treffen der „Nation-Europa-Freunde e.V.“ im oberbayerischen Kösching am 2. November 1997 (Foto: Antifaschistisches Infoblatt)

V-Mann und Neonazi Tino Brandt (Mitte, schwarze Bomberjacke, Brille, weiße Ordnerbinde) auf einem Treffen der „Nation-Europa-Freunde e.V.“ im oberbayerischen Kösching am 2. November 1997
(Foto: Antifaschistisches Infoblatt)

Rassismus: Kein „ideologischer Überbau“ der extremen Rechten?

Mitarbeiter des Bayerischen Verfassungsschutzes sprachen den Neonazis eine relevante gemeinsame Ideologie und den Willen zur revolutionären Veränderung dieser Gesellschaft ab. Der militante Rassismus der extrem Rechten und Neonazis sei jedenfalls kein bedeutsamer ideologischer Überbau der Rechten. Ebenso wurde unisono behauptet, der NSU sei nur eine kleine abgeschottete Gruppierung gewesen. Den meisten der befragten Polizeibeamten und Verfassungsschützer waren auch neonazistische Strategien wie der „Führerlose Widerstand“ oder rechtsterroristische vorbildhafte Gruppierungen wie „“ nicht bekannt. Sie hätten es besser wissen können: Ein mittlerweile im Internet nachzulesendes 47 Seiten umfassendes Papier des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Jahr 2004 befasste sich detailliert mit derartigen Strategien und Gruppierungen. Auch die Personen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe waren in der VS-Broschüre u.a. im Zusammenhang mit den in ihrer Garage gefundenen funktionsfähigen Rohrbomben und ihrem Abtauchen namentlich erwähnt.

Rassistische Einstellungen und geradezu peinliche Fehleinschätzungen bei Behördenmitarbeitern

Am 15. Juni 2005 waren allein in Bayern bereits fünf unschuldige Menschen innerhalb dieser unaufgeklärten Mordserie hingerichtet worden. Die Ermittler wussten, dass es eine Mordserie war, weil alle mit derselben Waffe ermordet worden waren. Die Morde waren in München, der ehemaligen Hauptstadt der Hitler-Bewegung und in Nürnberg, der ehemaligen Stadt der NSDAP-Reichsparteitage, in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes begangen worden. Alle bayerischen Mordopfer lebten bereits seit langer Zeit in Bayern. Abdurrahim Özüdoğru beispielsweise hatte kurz vor seinem Tod sein 25-jähriges Dienstjubiläum bei einer großen Nürnberger Firma gefeiert, bei der er fest angestellt war. [19] Unter den bayerischen Mordopfern war mit Theodorus Boulgarides auch ein griechischer Staatsangehöriger. Umso erstaunlicher war es, dass die ab 1. Juli 2005 in Nürnberg angesiedelte polizeiliche „Besondere Aufbauorganisation Bosporus“ (BAO) nicht den Namen eines deutschen, sondern den eines türkischen Gewässers bekam. Dies zeugt unter anderem von einer strukturell rassistischen Denkstruktur innerhalb der Ermittlungsbehörden. Bereits im Vorfeld war eine polizeiliche Sonderkommission „Halbmond“ genannt worden, obwohl die Mordopfer in Deutschland gelebt hatten.

Jahrelang und mit großer Phantasie wurde in der Folge, wie bekannt, ausschließlich das Umfeld der Opfer krimineller Verstrickungen verdächtigt. Erst als bis zu 160 BeamtInnen jahrelang erfolglos Spuren hinein ins berufskriminelle Milieu verfolgt hatten, wurde ein so genannter Fallanalytiker beauftragt, nach weiteren Mordmotiven zu suchen. Das Ergebnis der in Polizeisprache so genannten „Operativen Fallanalyse“ (OFA) von Alexander Horn im Frühjahr 2006 war, dass es auch ein oder mehrere Einzeltäter sein konnten, die aus Hass Türken töteten. [20] Doch statt jetzt endlich verstärkt nach Neonazis zu suchen, wurde eine weitere Fallanalyse in Auftrag gegeben, die vor Rassismus nur so strotzte. Zitat aus dem im Ausschuss vorgelesenen Text:

„Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verankert ist“ [21].

Mit dieser Wertung war die Analyse von Horn relativiert und es wurde weiter auch im Umfeld der Opfer ermittelt.

Eine abenteuerliche und brandgefährliche Argumentation brachte Ministerialdirigent a.D. Dr. Wolf Dieter Remmele, vormals Abteilungsleiter beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, bei seiner Vernehmung vor. Der Anstieg der rechtsextremen Gewalttaten und der Anstieg der Asylbewerberzahlen seien synchron verlaufen, so seine Argumentation. Der 1993 durch den Deutschen Bundestag beschlossene „Asylkompromiss“ – die De-Facto-Abschaffung des grundgesetzlich garantierten Asylrechts – habe folgerichtig einen „Abfall rechter Gewalt“ [22] bewirkt. Hartes Vorgehen gegen MigrantInnen wurde hier noch im Nachhinein gerechtfertigt.

Besagter Dr. Remmele hob sich auch noch in anderer Hinsicht von den blumigen und nebulösen Aussagen anderer Verfassungsschutz-Kollegen hervor. Er behauptete, der „Nationalsozialistische Untergrund“ könne gar nicht aus militanten Nazistrukturen wie „“ hervorgegangen sein. „Blood & Honour“ sei nämlich „rechtzeitig verboten“ [23] worden, also bereits vor der NSU-Gründung. Ein informelles Weiterbestehen dieser Strukturen wurde also ausgeschlossen oder verleugnet.

Opfer und Angehörige wurden noch einmal vor dem Untersuchungsausschuss verunglimpft

Obwohl die ErmittlerInnen bereits seit November 2011 wussten, dass die Täter Neonazis waren, wurden die Opfer und deren Angehörige vor dem Ausschuss weiterhin in alter Manier verleumdet und verunglimpft. So behauptete ein damaliger Ermittler des Polizeipräsidiums Mittelfranken in der 13. Sitzung des Ausschusses am 5. Februar 2013, dass das Mordopfer X. – der Name soll hier bewusst nicht genannt werden – „eine kriminelle Figur in jeder Richtung“ [24] gewesen sei. Meine Recherchen, unter anderem ein Interview mit der Opferanwältin der Angehörigen dieses Mordopfers, ergaben unter anderem, dass X. nicht ein einziges Mal gerichtlich verurteilt worden war und auch die sonstige Einschätzung seiner Person grundfalsch war.

In der 14. Sitzung des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses am 19. Februar 2013 äußerte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums München ganz unverhohlen, es gebe eine „türkische Drogenmafia mit Sitz in Holland, die wie eine Krake ihre Fühler über ganz Europa“ [25] ausbreiten würde. Bewusst oder unbewusst gab der Ermittler hier ein altbekanntes antisemitisches Stereotyp wieder und stülpte es der „türkischen Drogenmafia“ über. Derselbe Münchner Polizist berichtete dann noch von einem „Mischling“, der angeblich von zwei Zeuginnen am Tatort in der Bad-Schachener-Straße in München gesehen worden war. Später stellte sich heraus, dass die Zeuginnen gelogen hatten. Der Begriff „Mischling“ ist allenfalls im Tierreich noch angebracht, nicht aber bei Menschen, erinnert er doch an die 1935 in Nürnberg von den Nationalsozialisten verabschiedeten „Rassengesetze“ [26].

Angesprochen auf Türkenfeindlichkeit als mögliches Mordmotiv antwortete derselbe Beamte: „Eher dann in Richtung PKK, aber nicht passend zur rechtsradikalen Szene“ [27]. Ein Kommentar erübrigt sich hier.

In der 13. Sitzung am 5. Februar 2013 beschrieb ein damaliger Ermittler des Polizeipräsidiums Mittelfranken den NSU-Tatort in Kassel als „Türkenmeile“ [28] und wiederholte sodann die zwischenzeitlich enttarnte Lüge eines „Kronzeugen“, wonach das erste Mordopfer, Enver Şimşek, Streckmittel für Heroin über die holländische Grenze transportiert habe [29]. Von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses intervenierte niemand. Anfang März 2013 erschien Semiya Şimşeks Buch  „Schmerzliche Heimat“. Die Tochter des ersten NSU-Mordopfers schrieb in diesem Buch, dass dieser Polizeiinformant im Jahr 2006 als Lügner überführt worden war: „Jahrelang war für die Nürnberger Ermittler Enver Şimşeks angebliche Heroinstreckmittelfahrt aus der Geschichte Yildirims [des „Kronzeugen“, A.d.V.]der wichtigste Grundstein gewesen, auf den sie ihre Drogentheorie aufbauten. Aber erst im Jahre 2006 erledigte ein (…) Beamter endlich die polizeilichen Hausaufgaben. Mit fünf Jahren Verspätung übernahm dieser Ermittler den überfälligen Routinejob, die Aussagen des angeblichen Zeugen Yildirim (…) auf ihren Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen.“ [30]

Dass die im Jahr 2006 endlich widerlegte Lüge noch im Jahr 2013 vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wiederholt wurde, ist bemerkenswert. Dass niemand den Beamten wegen übler Nachrede oder Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener anzeigte, ebenfalls.

Nachdem ich einige Mitglieder des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses über die genannten Hintergründe informiert hatte, kam es zu folgendem Wortwechsel. Vernommen wurde am 10. April 2013 der damals für die Mordserie verantwortliche Nürnberger Oberstaatsanwalt Dr. Walter Kimmel:

„Abgeordnete: Herr Şimşek wurde immer wieder verdächtigt, Drogendealer zu sein. Es gab einen Hinweisgeber, aufgrund dessen ermittelt worden ist. Aber seine Angaben sind erst fünf Jahre später, 2006, überhaupt hinterfragt und überprüft worden. Warum so spät?

Staatsanwalt: Man hat sich zunächst mit den aktuellen Fällen befasst. Erst dann hat man alles, was man mittlerweile schon ermittelt hatte, nochmal überprüft, gerade weil man nicht weitergekommen ist.

Abgeordnete: Es haben sich die Angaben des Hinweisgebers als falsch dargestellt. Das heißt, man hat fünf Jahre lang aufgrund falscher Hinweise ermittelt.

Staatsanwalt: Das war eine Spur. Wenn sich später herausstellt, dass die Spur falsch ist…“ [31]

Dr. Kimmel war dafür verantwortlich, dass das Kölner Nagelbombenattentat 2004 und die Mordserie nicht in einen vertieften ermittlungstechnischen Zusammenhang gebracht worden sind. Hier ein weiterer Dialog aus dem Untersuchungsausschuss zu der Frage an Dr. Kimmel, warum die Taten in Köln (2004) und Nürnberg (2005) nicht professionell verglichen worden sind. Besonders brisant ist dies deshalb, weil eine Nürnbergerin auf dem Video von der Kölner Keupstraße einen der beiden Männer mit Fahrrad und Basecap wiedererkannt hatte, die sie beim Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005 in der Nürnberger Scharrerstraße beobachtet hatte. [32]

„Abgeordneter: Inwieweit sind die Erkenntnisse der Ermittlungsarbeit des Kölner Nagelbombenanschlags in die Ermittlungsarbeit eingeflossen?

„Staatsanwalt: Es gab eigene Operative Fallanalysen. OFA München und OFA Köln. Ein Vergleich der beiden Taten bringt nix, weil die Taten zu unterschiedlich sind. Das haben die OFA-Analysten Bayern und Köln übereinstimmend vorgetragen. Wenn die OFA-Spezialisten das so bewerten – was soll ich denn da eine Analyse in Auftrag geben, wenn mir von vorn herein gesagt wird, das bringt nix.

Abgeordneter: Aber der Oberstaatsanwalt hätte doch die Möglichkeit gehabt, das zu vergleichen, gerade weil man seit Jahren nicht vorangekommen ist. Und jetzt hatten wir doch Videoaufnahmen und wieder waren Ausländer die Opfer. Da wäre das mit den Radfahrern aufgefallen.

Staatsanwalt: Die Radfahrer hatten wir ja beim Fall Yaşar, das war der erste konkrete Hinweis auf die zwei Radfahrer. Aber es gibt weiß ich nicht wie viele Millionen Männer mit Basecaps, die halt mal ein Fahrrad schieben. Aufgrund des Tatablaufs war es völlig anders. Wenn die reingegangen wären in einen Laden und hätten jemand erschossen, wäre es anders gewesen.“

Dr. Walter Kimmel, der in leitender Funktion für die Aufklärung der Mordserie zuständig war, wurde mittlerweile zum Chef der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth befördert. [33]

Untersuchungsausschuss: Leider nicht nachgebohrt…

Nicht nur in Bayern, auch anderenorts gaben die BehördenvertreterInnen meist nur das zu, was ihnen von anderer Seite (Medien, AntifaschistInnen, einzelne ParlamentarierInnen) nachgewiesen worden war. Inhaltsleere Monologe und endlose Selbstrechtfertigungen waren an der Tagesordnung.

Die veritable „Mauer des Schweigens“ wurde im bayerischen Untersuchungsausschuss nur selten durchbrochen. Da tauchten Dokumente im Nürnberger Polizeipräsidium auf, die auf Kontakte der späteren NSU-TerroristInnen zur mittelfränkischen Neonaziszene hinwiesen. Die diversen „Garagenlisten“ von Uwe Mundlos wiesen in dieselbe Richtung. Vertieft wurde das Thema in der Folge kaum. Viele Fragen zur „Tiroler Höhe“, einem ehemaligen Nazitreffpunkt in Nürnberg Mitte der 1990er Jahre, sowie zu den eben erwähnten „Garagenlisten“ wurden nur am Rande behandelt.

Im zwischenzeitlich geschlossenen Gasthaus „Tiroler Höhe“, das sich in unmittelbarer Nähe der ehemaligen SS-Kaserne im Nürnberger Süden befand, fand am 18. Februar 1995 ein damals so genanntes „Skinheadtreffen“, d.h., ein Treffen der militanten Neonaziszene mit vielen TeilnehmerInnen aus den neuen Bundesländern statt. Es gab Randale, Verhaftungen, und im Nachgang eine Personenkontrolle des Uwe Mundlos.

Antifaschistische Demonstration am 12. April 1995 gegen die „Tiroler Höhe“ in Nürnberg. Hier verkehrten auch spätere NSU-Terroristen (Foto: privat)

Antifaschistische Demonstration am 12. April 1995 gegen die „Tiroler Höhe“ in Nürnberg. Hier verkehrten auch spätere NSU-Terroristen (Foto: privat)

Höhepunkt der überregionalen rechten Vernetzung in der „Tiroler Höhe“ unter Federführung der regionalen NPD war der bundesweite „Nazi-Gipfel“ am 25. März 1995 unter Anwesenheit von etwa 60 Neonazis. Neben NPD-Funktionären wie dem jetzigen Stadtrat der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ und früheren NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert waren auch VertreterInnen extrem rechter, „rechtspopulistischer“ Parteien sowie die Crème de la Crème der damaligen militanten Naziszene anwesend, beispielsweise , militanter Altnazi und u.a. ehemaliger Chef der zum Zeitpunkt des „Nazi-Gipfels“ bereits verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ ().

Trotz deutlicher NSU-Relevanz wurde hier zu wenig nachgebohrt und recherchiert. Der NSU entstand nicht aus dem Nichts, sondern war ein Spross der militanten Naziszene der 1990er Jahre. Vielleicht entstand einer der Teil-Sprosse in Nürnberg und Umgebung.

Eine weitere Frage: Warum waren die späteren NSU-Terroristen in den Jahren 1995 und 1996 im Visier der hiesigen Polizei (Autobahnkontrolle 18. Februar 1995, handgeschriebene Liste der Polizeidirektion Nürnberg vom 21. September 1996)? [34] Wer saß außer Mundlos noch im Auto? Und: War es ein Zufall, dass der langjährige bayerische NPD-Chef und Nürnberger Stadtrat Ralf Ollert im Jahr 1997 in Neuhaus am Rennweg (Thüringen) an der Spitze einer Neonazidemonstration lief, ganz in der Nähe zwei der drei Kern-NSUler und mindestens einer der „V-Männer“, die sich im Terror-Umfeld bewegten?

Matthias Fischer (links) und Ralph Ollert 1994 auf einer Neonazi-Demonstration in Erlangen. Beide waren kaum Thema im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss, der den Zeitraum rechtsextremer Umtriebe in Bayern ab 1994 beleuchten sollte. (Foto: privat)

Matthias Fischer (links) und Ralph Ollert 1994 auf einer Neonazi-Demonstration in Erlangen. Beide waren kaum Thema im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss, der den Zeitraum rechtsextremer Umtriebe in Bayern ab 1994 beleuchten sollte. (Foto: privat)

Auch die Rolle von Mandy Struck war im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss nur marginal beleuchtet worden. Sie hatte den drei Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 eine Wohnung bei ihrem damaligen Freund in Chemnitz vermittelt. Zur Zeit der ersten NSU-Morde lebte sie dann in Bayern und hatte u.a. Kontakt zur 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront (). Deren Anführer Matthias Fischer stand namentlich auf der 1998 gefundenen Kontaktliste („Garagenliste“) des späteren NSU.

Das Thema „Fränkische NSU-Unterstützer-Szene“ wurde im Ausschuss nebenbei abgehandelt, hiesige „V-Leute“ in öffentlicher Sitzung nicht befragt. In Bezug auf die himmelschreienden Skandale rund um die beiden involvierten Neonazi-“V-Männer“ Dalek und Brandt wurde kaum Druck ausgeübt, kaum vertieft.

Auch die Frage, ob Aufkleber der 2004 vom bayerischen Innenministerium verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ (F.A.F.) bereits zum Zeitpunkt des Mordes an Herrn Özüdoğru an den Fallrohren des Tatortes in der Siemensstraße/Gyulaer Straße Nürnberg registriert werden konnten, wurde bisher nicht ausreichend geklärt. Reste der Aufkleber mit der Aufschrift „Den Zionismus gemeinsam bekämpfen“ fanden sich jedenfalls noch 2011 auf den Fallrohren und wurden mittlerweile entfernt.

Alte Aufkleber der „Fränkischen Aktionsfront“ am NSU-Tatort Siemensstraße im Jahr 2011 (Foto: Birgit Mair)

Alte Aufkleber der „Fränkischen Aktionsfront“ am NSU-Tatort Siemensstraße im Jahr 2011 (Foto: Birgit Mair)

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Auch folgende Frage wurde im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss noch nicht befriedigend geklärt: Wer nahm an der NPD-Veranstaltung „Kunstgeschichtliche Stadtführung in Franken“ teil, die für den 9. September 2000 in Nürnberg angekündigt worden war? Ausgerechnet an dem Tag, an dem in Nürnberg auf den Blumenhändler Enver Şimşek geschossen wurde! Wo wurde diese Veranstaltung durchgeführt? Warum spielte diese Veranstaltung bis heute keine Rolle in der öffentlichen Debatte?

Die Rolle der NPD-Veranstaltung „Kunstgeschichtliche Stadtführung in Franken“ mit der Angabe „09.09.2000 Nürnberg“ am Tag des ersten NSU-Mordes (9.9.2000) wurde bisher nicht geklärt.

Nur ganz nebenbei sei erwähnt, dass es zur Frage einer Aktenschredderei in Bayern nach dem 4. November 2011 von Seiten der vernommenen VS-Beamten widersprüchliche Aussagen gab. Vereidigt wurde bis jetzt in dieser wie auch in anderen Angelegenheiten kein Zeuge.

Ist die NSU-Aufklärung in Bayern gescheitert?

Diese Frage ist mit einem klaren „Ja“ zu beantworten.

Viele der im Ausschuss bekannt gewordenen Fakten und Umstände waren nicht wirklich neu. Die vernommenen Behördenvertreter mauerten häufig, antworteten einsilbig, inhaltsleer oder im Gestus der Selbstrechtfertigung. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses initiierten – Ausnahmen bestätigen hier die Regel – kaum eigenständige Recherchen und betrieben oft sichtlich „Dienst nach Vorschrift“. Trotz des guten Willens eines Teils der Mitglieder des Untersuchungsausschusses wird dieser nur wenig zur Aufklärung der fünf rassistischen NSU-Morde und zum Versagen staatlicher Behörden in Bayern beitragen.

Häufig war die Öffentlichkeit im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss ausgeschlossen worden. (Foto: Birgit Mair)

Häufig war die Öffentlichkeit im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss ausgeschlossen worden. (Foto: Birgit Mair)

Es gab auch strukturelle Einschränkungen: Dass im Durchschnitt pro Zeuge weniger als zwei Stunden Zeit für die Befragung veranschlagt war und dass ein begrenzter und vorher zwischen allen Landtagsparteien „ausgehandelter“ Fragenkatalog abgearbeitet wurde bzw. abgearbeitet werden musste, zeigt die Grenzen eines solchen Verfahrens auf. Viele Sitzungen waren als „geheim“ oder „nicht öffentlich“ eingestuft, die JournalistInnen und BesucherInnen waren dann ausgeschlossen. Insbesondere wenn es um die so genannten „V-Leute“ des bayerischen Verfassungsschutzes ging, verschwanden die Abgeordneten im Münchener Maximilianeum ganz plötzlich in einen der Öffentlichkeit unbekannten Raum. Mitarbeiter des Bayerischen Innenministeriums wachten genauestens darüber, dass niemand folgte. Doch auch während der Sitzungen wachten diese Beamten darüber, dass ja niemand gegen die Auflagen der so genannten „Aussagegenehmigungen“ verstieß, die wohl eher den Namen „Aussageverweigerungen“ verdient hätten.

Ein indirekter Aufklärungsbeitrag wird jedoch bereits jetzt deutlich: Bei derart ignoranten und teilweise noch heute ihre groben Fehler und rassistischen Einstellungsmuster verteidigenden Behördenvertretern wird schon etwas klarer, warum es menschenverachtende Neonazis in Bayern teilweise derart leicht hatten und haben.

Ausblick [35]

Sehr erstaunt war ich, als am 18. Juni 2013, in einer der letzten Sitzungen des NSU-Untersuchungsausschusses, bekannt gegeben wurde, dass das Innenministerium dem Ausschuss die angeforderten Unterlagen zu weiteren Neonazi-V-Leuten immer noch nicht bereitgestellt hat. Auch das NSU-Bekennervideo und die dazu gehören- den Unterlagen haben die Abgeordneten noch nicht erhalten. Wenn man bedenkt, dass der Abschlussbericht am 17. Juli 2013 präsentiert werden soll, wundert man sich über diese Nachlässigkeit. Auch die Frage, wie der Wahrheitsgehalt der am 18. Juni 2013 im Untersuchungsausschuss getätigten Behauptung eines Polizeibeamten überprüft werden kann, blieb bisher ungeklärt. Der Beamte erklärte unter anderem, bei einer Besprechung der BAO Bosporus – mutmaßlich im Jahr 2007 – sei vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) als möglichem Urheber der Mordserie die Rede gewesen. [36]

Spannend bleibt, wie mit den offenen Fragen rund um den erst kürzlich bekannt gewordenen mutmaßlichen NSU-Sprengstoffanschlag am 23. Juni 1999 in der Nürnberger Scheurlstraße umgegangen wird. Die betroffene Kneipe „Sunshine“ hatte damals einen türkischstämmigen Wirt. Auch hier konnten sich die Ermittlungsbeamten kein rassistisches Motiv vorstellen. [37]

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[1] Korrespondenzadresse: ISFBB e. V., Adamstr. 37, 90489 Nürnberg (www.isfbb.de).
Email: birgitmair@t-online.de. Die Autorin bedankt sich bei den Nordbayerischen Bündnissen gegen Rechts für den Fahrtkostenzuschuss. Auch den redaktionellen HelferInnen und allen, die die Protokolle erstellt haben, sei an dieser Stelle gedankt.
[2]  Aussage von Franz-Josef Wilfling vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. Februar 2013. Zum Zeitpunkt der Ermordung des Obst- und Gemüsehändlers Habil Kılıç am 29. August 2001 in der Bad-Schachener-Straße in München war Wilfling Leiter der 5. Münchner Mordkommission.
[3]  ebd.
[4]  Die ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter war während der seinerzeit laufenden Ermittlungen nicht in Verbindung mit der Mordserie an den Migranten gebracht worden, da eine andere Tatwaffe verwendet worden war. Deshalb spielte der Mordfall Kiesewetter im Bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss keine Rolle.
[5]  Aussage von Albert Vögeler vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 22. Januar 2013
[6]  ebd.
[7]  ebd.
[8]   Aussage von Harald Pickert vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 19. Februar 2013
[9]   Aussage von Dr. Walter Kimmel von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg in der 21. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 10. April 2013
[10]   Aussage von Wolfgang Geier vom Polizeipräsidium Unterfranken in der 15. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 20. Februar 2013
[11]   Aussage von Manfred Hänsler vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 5. Februar 2013
[12]   Aussage von Manfred Witkowski vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 18. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. März 2013
[13]   So auch die Aussage von Manfred Kellner vom Polizeipräsidium Oberfranken in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 22. Januar 2013
[14]  Vgl. http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/GDNF.htm
[15]   Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste, Drucksache 12/5598, 21. September 1993
[16]   Zum Beispiel trat am 20. August 2005 bei einem Neonaziaufmarsch in der Nürnberger Südstadt ein Neonazi mit dem T-Shirt „Fränkischer Heimatschutz“ auf. (Foto im Archiv der Verfasserin). Im Zeitraum ab 2010 bis 2013 traten Neonazis des „Fränkischen Heimatschutzes“ auf verschiedenen Demonstrationen mit Transparent auf. (Fotos im Archiv der Verfasserin)
[17]   Aussage von Manfred Kellner vom Polizeipräsidium Oberfranken in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 22. Januar 2013
[18]   Siehe die Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner (DIE LINKE), Drucksache 5/4198, 15. März 2012
[19]   Aussage von Werner Störzer vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 5. Februar 2013
[20]   Aussage von Alexander Horn vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 17. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 6. März 2013
[21]   Vom Ausschussvorsitzenden in der 20. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 9. April 2013 vorgelesen
[22]   Aussage von Dr. Wolf-Dieter Remmele, MinDirig a.D. StMI in der 9. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 18. Dezember 2012
[23]  Ebd.
[24]   Aussage von Werner Störzer vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 5. Februar 2013
[25]   Aussage von Josef Wilfling vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. Februar 2013
[26]   Zitat aus den rassistischen Nürnberger Rassengesetzen: „Jüdischer Mischling ist, wer von ein oder zwei der Rassen nach volljüdischer Großelternteilen abstammt, sofern er nicht nach §5 Abs.2 als Jude gilt. Als volljüdisch gilt ein Großelternteil ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat.“ Vgl. Internetseite des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/nuernbergergesetze/
[27]   Aussage von Josef Wilfling vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. Februar 2013
[28]   Aussage von Werner Störzer vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 5. Februar 2013
[29]  Ebd.
[30]  Semiya Şimşek/Peter Schwarz: Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater. Berlin 2013, S. 131ff sowie S. 151ff
[31]   Aussage von Dr. Walter Kimmel von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg in der 21. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 10. April 2013
[32]   http://www.endstation-rechts-bayern.de/2013/06/diese-dimension-konnte-man-sich-nicht-vorstellen/
[33]  http://www.nordbayern.de/nuernberger-zeitung/nurnberg/kimmel-wird-chef-der-staatsanwaltschaft-nurnberg-furth-1.2955667
[34]  Bündnis 90 / Die Grünen, Zwischenbilanz Untersuchungsausschuss „NSU — Rechtsterrorismus in Bayern“
[35]  Verfasst nach dem Ende des Analysezeitraums
[36]   Aussage von Konrad Pitz von der Kriminalpolizei Rosenheim bei der 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 18. Juni 2013
[37]   Nürnberger Nachrichten 25. Juni 1999