Protokoll 57. Verhandlungstag – 19. November 2013

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Einzige Zeugin an diesem Tag war , Mutter von Uwe Böhnhardt. Sie berichtete – diverse Behörden beschuldigend– über den Werdegang ihres Sohnes als Kind und Jugendlicher, über den Tag seines Untertauchens im Januar 1998 und über den Kontakt, den sie selbst per Telefon und bei drei persönlichen Treffen zu ihrem Sohn sowie Uwe und Beate Zschäpe bis 2002 hatte.

Zeugin: Brigitte Böhnhardt

Der Verhandlungstag beginnt um 9.46 Uhr. Einzige Zeugin ist heute Brigitte Böhnhardt, die Mutter von Uwe Böhnhardt. Richter Götzl bittet Böhnhardt von ihrem Sohn, dessen Verhältnis zu den Angeklagten und zu zu berichten sowie zur Entwicklung des Sohnes und ihren Kontakten zu ihm nach Januar 1998.
Brigitte Böhnhardt beginnt, Uwe sei ihr dritter Sohn gewesen, ein Nachzügler, „wenn Sie so wollen, ein Wunschkind“. Uwe sei ein „aufgewecktes Kerlchen“ gewesen und von allen geliebt worden. Er sei vielleicht auch ein wenig verwöhnt worden. Das Lernen sei ihm nicht leicht gefallen, ab der 5. Klasse, als Fachunterricht begann und Russisch dazu kam, habe er Probleme bekommen. Zu den Lern- seien Disziplinschwierigkeiten gekommen, die sich in der 6. Klasse verstärkt hätten. Er habe die Klasse wiederholen müssen. Das sei für sie als Familie aber keine Schande gewesen, sondern eine Chance für ihn aufzuholen. Leistungsvermögen und Verhalten hätten sich verbessert im Schuljahr 1990/91.
1991/92 sei dann ein großer Einbruch gekommen. Die Schulreform sei im Osten ohne Vorbereitung und ohne Rückhalt in der Bevölkerung und bei den Lehrern gekommen. Klassen seien auseinander gerissen worden, es sei getrennt worden in gute und weniger gute Schüler. Die weniger Guten hätten in der Regel- oder Hauptschule bleiben müssen. Die Lehrer hätten alle ans Gymnasium gewollt. Und wenn Lehrer nicht die richtige Überzeugung und den richtigen Willen hätten, würden Schüler das sofort merken, auch Uwe. In der 7. Klasse habe ihr Sohn angefangen, zu „bummeln“, erst stunden- und dann tageweise. Sie hätten davon nichts erfahren, obwohl es, das wisse sie als Lehrerin, die „verdammte Pflicht“ der Lehrer sei, die Eltern zu informieren, wenn Schüler schwänzen. Es habe keine Sprechstunde und keinen Elternabend gegeben, die Klassenlehrerin habe sie nie kennen gelernt. Böhnhardt: „Da begannen unsere massiven Probleme mit Uwe.“ Er habe sich einer Gruppe älterer Schüler angeschlossen und die ersten Diebstähle begangen. In der Gruppe habe er sich sehr wohl gefühlt: wenn ein 14-Jähriger 18-jährige Freunde habe und anerkannt werde, sei das so. Die Älteren hätten ihn vorgeschoben, wenn sie erwischt worden seien. Er habe sie nicht verraten. Er sei dann nur noch sporadisch und irgendwann gar nicht mehr in Schule gegangen. Sie seien als Eltern vollkommen allein gelassen worden. Keine Schule sei bereit gewesen, Uwe aufzunehmen, die alte Schule habe ihn auch nicht gewollt. Sie sie dann nochmal zum Jugendamt und habe gefragt, was es für Möglichkeiten gebe. Die einzige Möglichkeit, so sei ihr gesagt worden, sei ein Kinderheim. Sie hätten sich beraten, dann sei Uwe in ein Heim 50km von Jena weg. Es habe nicht lange gedauert und er habe auch da „gebummelt“, so dass sie ihn wieder hätten abholen müssen. Dann hätten sie wieder einen Platz suchen müssen und ihn schließlich auf einer Förderschule angemeldet, auf die er ab September 1992 gegangen sei. Die Schule sei ein „Sammelbecken von Problemfällen“ gewesen. Nach einem Einbruch in der Schule am Wochenende sei ihr Sohn von der Schule geflogen. Vom Schulamt und vom Jugendamt sei nur „Schulterzucken“ gekommen. Sie seien mit ihm in Urlaub gefahren, „um zu zeigen, wir haben dich trotzdem lieb“. Im Februar 1993 sei er dann in U-Haft genommen worden wegen Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Widerstand. Das sei die bis dahin schlimmste Zeit gewesen, sie als Eltern seien am Ende gewesen mit den Nerven. Sie seien der Meinung gewesen, dass er es eigentlich verdient habe. Sie hätten ihn im Gefängnis besucht und aus dem „großschnäuzigen Kerl“ sei wieder „der kleine Uwe“ geworden. Sie hätten gedacht, dass er jetzt vielleicht den Willen habe, etwas aus seinem Leben zu machen. Sie sei dann wieder zum Schulamt gegangen und habe gedroht, sie bleibe da sitzen bis eine Möglichkeit für ihren Sohn gefunden wird. Es bestehe Schulpflicht, also seien sie auch verpflichtet, eine Schule zu finden.
Eine Schule in Jena-Winzerla sei bereit gewesen, Uwe sechs Wochen aufzunehmen, damit er seine Schulpflicht erfüllt. Es habe keine Noten für ihn gegeben, er sei ging regelmäßig hin gegangen. Im Nachhinein glaube sie, dass er dort Jugendliche kennengelernt hat aus Winzerla. Er habe am Jugendclub Hugo vorbei gemusst. Sie hätten ihnen dann einen Platz besorgt im BVJ [= Berufsvorbereitungsjahr], das sei für Schüler ohne Abschluss zur Berufsorientierung. Dann sei die zweite U-Haft gekommen von September bis Dezember, wieder in Hohenleuben [JVA]. Das habe sie und ihn bedrückt, sie hätten aber weiter zu ihm gehalten. Die Schule habe den Platz frei gehalten bis Dezember und er habe sich für Baugewerbe entschieden. In diesem Jahr habe er zum ersten mal wieder regelmäßig Schule besucht. Sie hätten gedacht, er habe „den Ernst der Lage erkannt“ Er habe einen guten Abschluss gemacht und sie hätten sich um eine Lehrstelle als Hochbaufacharbeiter, Spezialgebiet Maurerarbeiten, bemüht. Sie habe sich gedacht, Bauarbeiter sei ein anständiger Beruf und mit der Facharbeiterausbildung habe er hoffentlich eine Chance später. „Schließlich muss ja irgendjemand die Häuser der Schönen und Reichen auch bauen.“ Die Lehre habe er mit „Gut“ abgeschlossen, sie hätten ihm ein Auto gekauft und den Führerschein bezahlt.

Nach der Lehre habe er kurz Arbeit gehabt, dann sei er ein Dreivierteljahr arbeitslos gewesen, dann habe er wieder kurz Arbeit gehabt und sei schließlich wieder arbeitslos geworden und geblieben. Einmal seien sie auf eine Drückerkolonne rein gefallen. Sie seien häufig auf dem Arbeitsamt gewesen. Sie denke, dass da die Zeit begonnen habe, wo er sich mit anderen Freunden getroffen habe. Er habe die Freunde mitbringen dürfen. Sie hätten die Freunde, , Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gemocht. Böhnhardt: „Das war die Entwicklung. Vielleicht langwierig, aber man muss ja auch die Anfänge kennenlernen.“ Das mit der Drückerkolonne könne im Frühjahr 1997 gewesen sein.1997 sei auch die „Reko“ [Rekonstruktion] im ganzen Wohnblock und damit allgemeines Chaos gewesen. Ihr Mann und sie selbst seien zum älterem Sohn gezogen. Uwe habe, „Gott sei Dank“, Beate gehabt, dafür sei sie heute noch dankbar. Uwe habe bei der Renovierung der Küche geholfen. Die Dämmplatten und Röhren, die später in ihrer Garage gefunden worden seien, seien die Reste aus der Küche gewesen. Uwe habe ihnen nicht gesagt, wen er trifft, wenn er aus dem Haus gegangen sei. Er habe auch nicht gesagt, an welchen Demos er teilnimmt. Das hätten sie erst im November 2011 erfahren, an was er „teilgenommen haben soll“. Sie hätten sich gefragt, wie er das bezahlt habe und hätten später erfahren, dass das Tino Brandt oder der bezahlt habe. Es habe 1997 die nächste Anklage angestanden. Ihnen sei wichtig gewesen, dass Uwe bei ihnen wohnen blieb, weil sie dachten, dass sie ihn so besser unter Kontrolle hätten.

Dann geht es um die Durchsuchung am 26. Januar 1998. Ins Protokoll seien von der Polizei Unwahrheiten geschrieben worden, so Böhnhardt. Das sei das Problem, wenn die Zeugen das Protokoll nicht sehen könnten. Die Polizei sei gegen 7 Uhr gekommen. Es seien mehrere Leute gewesen. Es sei auch um die Garage gegangen, obwohl das nicht Uwes Garage gewesen sei. Die Polizisten seien teilweise alleine im Zimmer gewesen. Sie seien schon bei anderen Durchsuchungen der Meinung gewesen, dass die Polizei Sachen gefunden habe, die vorher gar nicht da gewesen seien. Die Polizei Jena sei mindestens zweimal ohne ihre Anwesenheit in der Wohnung gewesen und habe dort Sachen versteckt, der Meinung sei sie. Am 26. Januar sei ihr Mann nicht mehr da gewesen und sie vermute, dass die Polizei auch gedacht habe, dass sie selbst nicht da sei. Sie wisse nicht, wer als erstes runter gegangen sei, meine aber, dass sie Uwe den Schlüssel zu der Garage gegeben habe. Uwes Auto habe niemals in der Garage gestanden. An einen Hund, wie es im Bericht stehe, könne sie sich nicht erinnern. Sie habe Uwe gesagt, laut und deutlich: „Pass auf, Uwe, dass sie nichts finden, was vorher nicht drin war.“ Sie habe kein Vertrauen in die Polizei gehabt. In der Garage sei nichts gefunden worden. Dann hätten sie noch die Nebengarage öffnen lassen, das habe sie nicht mitgekriegt, weil sie zum Dienst gemusst habe. Uwe habe die Schlüssel [zu Böhnhardts Garage]gehabt.
Was sie jetzt sage, habe sie von Uwe erfahren. Er habe gewartet, bis der Schlüsseldienst gekommen sei. Nach zwei Stunden seien sie mit den Garagen fertig gewesen, Uwe habe abgeschlossen, sei dann in die Wohnung gegangen, habe seinen Autoschlüssel geholt, sei zu seinem Auto gegangen, weil die Polizei gesagt habe, es müsse noch eine andere Garage [gemeint ist wohl eine dritte, nämlich die von Zschäpe]durchsucht werden und er müsse mit. Er sei mit hin gefahren und als sie zusammen zu der Garage gegangen seien, habe ein Polizist ihm zugeraunt: „Jetzt bist du fällig.“ Dann habe er sich umgedreht, sei ins Auto gestiegen und weg gefahren.
Im Polizeibericht stehe, er habe nach einer halben Stunde gefroren und sei hochgegangen, das stimme schon nicht, niemand gehe im Januar ohne Jacke runter. Böhnhardt fragt rhetorisch, wer dann den Schlüssel hoch gebracht habe. Sie sagt, die Polizei müsse also wieder in die Wohnung gegangen sein. Der Schlüssel habe an seinem alten Platz gelegen. „Was stimmt nun, die Version von meinem Sohn oder von der Polizei? Weiß ich nicht. Wem soll man glauben, weiß ich auch nicht?“
Laut Polizeibericht sei sie um halb fünf nach Hause gekommen, das müsse aber halb vier gewesen sein. Dann hätten sie in der Wohnung nach Uwe gesucht. Da hätten sie wohl das weggenommen, was sie morgens hingelegt hätten, so Böhnhardt. Dann sei die Polizei laut Bericht mit ihrem Mann in den Garten gefahren, um da zu suchen. Das sei eine „glatte Lüge“. Am 26. Januar sei es stockdunkel zu dem Zeitpunkt, da springe niemand in einem unbeleuchteten Garten herum. Ihr Mann und sie selbst seien von der Polizei auch auf ihren Arbeitsstellen belästigt worden. Anschließend seien öfters Beamte zu ihnen nach Hause gekommen und hätten nach Uwe gefragt, sie hätten aber nicht gewusst, wo er war. Wenn „der Herr Mundlos“ [gemeint ist vermutlich Siegfried Mundlos, der Vater von Uwe Mundlos]jetzt behaupte, sie hätten ihm erzählt, die drei seien in Mecklenburg-Vorpommern, dann sei das eine „gottverdammte Lüge“. Sie hätten Freunde gefragt, Ralf Wohlleben und André K., der im Nachbarhaus gewohnt habe. Sie habe auch Frau Mundlos angerufen, von Zschäpes Mutter habe sie aber keine Nummer gehabt. Keiner habe Bescheid gewusst. Und dann sei endlich der „erlösende Anruf“ gekommen. Sie hätten einen Zettel im Briefkasten gehabt mit einer bestimmten Telefonzelle und einer bestimmten Zeit und da habe Uwe angerufen. Sie hätten geheult und seien froh gewesen, etwas von ihm zu hören und zu wissen, dass er lebt und nicht, wie Polizisten gedroht hätten, auf der Flucht erschossen worden sei. Er habe gesagt, sie seien alle drei zusammen, es gehe ihnen soweit gut, er könne nicht sagen, wo sie seien und sie solle sich keine Sorgen machen. Sie habe eigentlich nicht wirklich wissen wollen, wo sie sind. Aber: „Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Wir haben immer verlangt, dass sie sich stellen.“ Sie hätten für den Fall ihre Unterstützung angeboten, auch Mundlos und Zschäpe. Uwe habe geantwortet: „Nein, Mutti, jetzt sowieso nicht.“ Irgendwann im Herbst 1998, dazwischen seien zwei oder drei Telefonate gewesen, habe sich der ehemalige Anwalt von Uwe gemeldet, Herr Ta. Der habe gesagt, der Verfassungsschutz sei an ihn heran getreten, ob er Verbindung aufnehmen könne, die drei sollten sich stellen. Es habe drei Treffen gegeben, zweimal in Jena in Cafés, weil sie vermuteten, abgehört zu werden, und einmal in Gera bei der Staatsanwaltschaft. Der Staatsanwalt habe zunächst von 10 Jahren Haft gesprochen, eine „irrwitzige Zahl“. Damit habe er sie sicherlich „klein machen“ wollen: „Zehn Jahre, das kriegt ja nicht mal ein Kinderschänder, der schon fünf Kinder getötet hat.“ Dann sei er auf fünf Jahre runter gegangen, die bei guter Führung nach zweieinhalb Jahren sicher zur Bewährung ausgesetzt würden. Von den anderen beiden habe der Staatsanwalt nicht sprechen wollen. Sie habe auch nicht erfahren, ob mit den anderen Eltern verhandelt wurde. Später habe sie erfahren, dass die drei nicht als kriminelle oder terroristische Vereinigung angeklagt gewesen seien, deswegen sei auch zunächst der Haftbefehl abgelehnt worden. Da sei sie „als Nicht-Fachmann“ über den Tisch gezogen worden. Die Hauptaufgabe von Ta. sei sicherlich gewesen, über sie heraus zu kriegen, wo die drei sind. Sie seien dann hingehalten worden, bis Ta. gesagt habe, dass der Verfassungsschutz und der Staatsanwalt das abgelehnt hätten. Die seien der Meinung gewesen, dass sie die drei auch so kriegen.

Als sie sie doch nicht bekommen hätten, hätten „massive Bedrohungen“ begonnen. Zwei Männer vom LKA seien bei ihnen gewesen und einer habe gesagt, wenn die Polizei die drei aufspüre und die würde nur zucken, dann seien die Polizisten schneller mit der Waffe. Die hätten natürlich gewusst, dass sie das ihrem Sohn erzählen würden und hätten wohl bezweckt, dass sie sich dann nicht stellen. Sie sei der Meinung, dass „verschiedene Kreise oder Behörden“ nicht gewollt hätten, dass die drei sich stellen. Sie frage sich seit 14 Jahren, wer das nicht gewollt habe. Dann sagt Böhnhardt, sie habe nie mit Roewer [Helmut, Ex-Präsident des Thüringischen Verfassungsschutzes] gesprochen, auch wenn der das in seinem Buch behaupte. Sie hätten Uwe von dem Angebot von Ta. erzählt, so Böhnhardt auf Frage Götzls, und der habe versprochen, dass er mit den anderen beiden redet. Bereitschaft sei nur von Zschäpe und „meinem Uwe“ da gewesen, Mundlos habe dem von Anfang an nicht getraut und ja auch Recht behalten. Es habe sich auch ein Anwalt für Zschäpe gemeldet und 800 DM verlangt. Das könne aber auch beim zweiten Mal gewesen sein, als sie sich hätten stellen wollen, beim Herrn [verstorbener Szene-Anwalt], das wisse sie nicht mehr. Es folgt eine Unterbrechung bis 11.25 Uhr.

Auf Frage Götzls sagt Brigitte Böhnhardt, das erste Telefonat sei vielleicht im Februar oder März [1998] gewesen, bis zum Anruf von Ta. habe es maximal zwei oder drei weitere Telefonate gegeben. Bei den Telefonaten habe Uwe sicherlich auch nachgefragt, ob man uns durch die Behörden bedränge, aber sie habe wohl nicht alles gesagt, um ihm keine Sorgen zu machen. Dann sei es darum gegangen, wie es der Familie geht, dem Bruder und der kleinen Nichte. Ihr Sohn habe gesagt, dass er Angst vor dem Gefängnis habe. Sie habe gesagt, Mundlos und Zschäpe könne man nichts vorwerfen. Er habe aber gesagt, dass die drei zusammen bleiben würden.
Götzl fragt nach den Verurteilungen. Bei der ersten sei es um Einbruch und Fahren ohne Fahrerlaubnis gegangen, bei der zweiten wahrscheinlich um Fahren ohne Fahrerlaubnis, Widerstand und „Tragen von verbotenen Symbolen“. Bei der letzten sei es um „Verbreitung von rechtsradikalen Ideen“ gegangen, sie kenne die genauen Begriffe nicht. Ihr Sohn habe eine CD gekauft, die habe sie ihm verboten. Dann habe er sie übers Telefon versucht, zu verkaufen. Das habe man ihm vorgeworfen. Sie hätten nicht gewusst, dass sie abgehört werden. Die letzte Strafe habe auf zwei Jahre und ein paar Monate gelautet. Sie sei erstaunt gewesen, dass sich der Haftantritt so lange hingezogen habe, das Urteil sei ja gesprochen gewesen. Einige Sachen, die bei Durchsuchungen gefunden worden seien, könnten nicht stimmen, so Brigitte Böhnhardt. Zum Beispiel die Armbrust. In einem Kinderzimmer von 3 mal 3 Metern könne man so etwas nicht verstecken, sie habe das Zimmer ihres Sohnes auch hin und wieder durchsucht. Sie habe panische Angst vor Klingen, deswegen habe ihr Sohn sicher keine drei Dolche gehabt:“das hätte er niemals getan“. In der Garage sei 1998 nichts gefunden worden. Dass Beate Zschäpe eine Garage in Burgau gehabt habe, habe sie gar nicht gewusst. Sie habe erst aus der Zeitung erfahren, dass dort Sprengstoff gefunden worden sein soll. Götzl fragt, ob sie ihren Sohn in den Telefonaten darauf angesprochen habe. Der habe gesagt, so Böhnhardt, sie sollten nicht so naiv sein, das sei erst hingelegt und dann gefunden worden, sie wüssten doch, wie das in der Wohnung gewesen sei. Sie sei vielleicht auch naiv gewesen und habe anfangs den Beamten manchmal noch geglaubt. Dann spricht sie wieder von Protokollen, die sie nicht habe sehen dürfen. Götzl fragt, was sie meine. Sie sagt, es gehe um die polizeiliche Vernehmung am 6. November [2011]. Da hätten sie die Beamten der Polizei Gotha befragt. ein Mitarbeiter habe das dann mit seinen Worten auf das Band gesprochen und anschließend sei davon ein Protokoll geschrieben. Sie hätten keine Durchschrift bekommen. Später hätten alle Zeitungen das Protokoll gehabt.

Götzl fragt zu den weiteren Telefonaten 1998. Böhnhardt erzählt, anfangs sei die Rede davon gewesen, dass die drei nicht in Deutschland seien. Irgendwie sei auch ein Angebot von jemandem, sie denke vom LKA, gekommen, der gesagt habe, sie sollten alle drei überreden, sich zu stellen, das LKA würde dafür sorgen, dass sie an der Grenze nicht kontrolliert werden. Sie habe gefragt: „Welche Grenze?“ Das müsse sie sagen, so der Beamte. Darauf habe sie nicht geantwortet, sie zwar „blond, aber nicht blöd“. Sie sei der Meinung gewesen, die drei seien im Ausland. Ob Uwe das gesagt habe, oder sie selbst so gefragt habe und er sie im Glauben gelassen habe, wisse sie nicht. Sie hätten sich immer Sorgen gemacht, wovon die drei leben. Uwe habe gesagt, sie hätten Freunde, die sie unterstützen. Artzbesuche seien erst später Thema gewesen, die Telefonate seien kurz gewesen, 10, maximal 15 Minuten. Die Hälfte der Zeit sei mit Heulen vorbei gegangen. Dass sie sich stellen sollten, sei schon beim ersten Telefonat Thema gewesen. Er habe die anderen auch fragen sollen, ob ihr Mann und sie sich mit den anderen Eltern in Verbindung setzen sollen, um gemeinsam eine Lösung zu suchen. Zwischen den ersten beiden Gesprächen seien zwei bis drei Monate gewesen. Eins sei möglicherweise vor den Sommerferien gewesen, dann vielleicht nochmal eins im Herbst, das würde sie aber nicht beschwören. Zum Inhalt sagt sie, dass er gesagt habe, dass sie auf keinen Fall Kontakt zu den anderen Eltern herstellen solle. Sie solle aber einmal nach der Mutter von Mundlos schauen, ob die noch Arbeit habe. Es habe vielleicht eine „Gefahr der Sippenbestrafung“ bestanden. Das sei nicht so gewesen, aber bei den Auftritten der Polizei beim Betrieb des Mannes und ihrer Schule habe sie schon gedacht: „Man will uns ein wenig mit bestrafen.“

Die Familie Mundlos hätten sie mal zufällig getroffen. Der Vater habe gemeint, dass Uwe Böhnhardt an allem schuld sei. Das sei vielleicht seine Art, damit zurecht zu kommen. Die drei seien alle erwachsen gewesen, auch Zschäpe und Uwe Mundlos hätten nein sagen können. Das sei im Herbst 1998, vielleicht auch nach dem erstem Treffen gewesen. Götzl will wissen, ob beim Telefonat das Stellen Thema gewesen sei. Sie gehe davon aus, dass sie die Frage gestellt hätten, zumindest habe Uwe verneint. Sie habe gesagt, die Situation werde nicht besser, je länger sie wegbleiben, „da knallen sie noch was drauf“. Uwe habe sich der Haft entzogen. Sprengstoff sei Thema gewesen. Sie habe ihrem Sohn von Berichten in Zeitungen erzählt, und der habe gesagt, sie hätten auch Zeitungen und sie solle doch nicht alles glauben was da steht. Sie sei davon ausgegangen, dass sie im Ausland sind und habe sich gefragt, ob es dort auch deutsche Zeitungen gebe. Im Nachhinein sei es für sie“der Super-GAU“, dass sie immer nur anderthalb Stunden entfernt gewesen seien [von Jena]. Über den Aufenthaltsort sei nicht geredet worden. Er hab gesagt: „Mutti, das musst du nicht wissen.“ Es habe evtl. ein weiteres Telefonat gegeben, das wisse sie nicht mehr. Das könne nur Ende des Jahres gewesen sein.

Sie wisse nicht genau, wann der Anwalt Ta. auf sie zugekommen sei, im Oktober oder November [1998]. Zum Angebot von Ta. befragt, sagt sie, sie hätten sich bei ihnen getroffen und seien dann mit einem anderen Auto in ein Café in Lobeda-Ost gefahren. In einer Nische habe Ta. das Angebot vorgebracht. Ta. habe wissen wollen, wo die drei seien, das hätten sie ihm aber nicht beantworten können und er habe wissen wollen, wie sie die Verbindung hielten. Es seien Mitarbeiter des VS auf ihn zugekommen. Deren Angebot sei gewesen, dass sie, die Eltern, einen Kontakt zu den Kindern herstellen und diese sich stellen. Dafür gebe es eine Reduktion der Strafe. Es sei noch nicht über die Höhe gesprochen. Danach hätten sie mit Uwe gesprochen. Das zweite Treffen mit Ta. sei in einem Café in Jena-Drackendorf gewesen. Sie seien nicht bereit gewesen, den Kontakt zu den Untergetauchten herzustellen, bevor sie nicht konkret etwas in der Hand hätten, dass man das Strafmaß reduziert. Das dritte Treffen mit Ta. sei dann beim Staatsanwalt gewesen. Sie hätten etwas schriftlich haben wollen, um es evtl. vorlegen zu können. Ihr sei nicht klar gewesen, was man ihnen vorwirft: „Na gut, man hat das in der Garage gefunden, war mir im Moment entfallen.“ Der Kontakt mit dem Sohn sei dann evtl. nach dem zweiten Gespräch gewesen. Er habe gesagt: „Mutti, pass gut auf.“ Sie denke mal, dass ihr Sohn „auch“ kein Vertrauen in die Justiz gehabt habe. Befragt, wann der Kontakt zum Sohn nach dem dritten Treffen war, sagt Böhnhardt, sie wisse nicht mal mehr, wann das Treffen in Gera war. Im Frühjahr 1999 habe Ta. gesagt, dass der Staatsanwalt das Angebot zurück ziehe. Vorher habe sie nicht nochmal Kontakt zu Uwe gehabt.

Es folgt die Mittagspause und um 13.31 Uhr geht es weiter.
Götzl sagt zu Böhnhardt, im Frühjahr 1999 habe laut ihrer Aussage die Staatsanwaltschaft ihr Angebot zurückgezogen und sie habe zwischenzeitlich keinen Kontakt zu ihrem Sohn gehabt. So sei ihre Erinnerung, sagt die Zeugin. Von der Entscheidung habe sie durch Herrn Ta. erfahren. Der Anwalt für ihren Sohn habe festgestanden, es sei Herr Ta. gewesen. Wie sie zu dem anderen Anwalt gekommen seien, wisse sie nicht mehr ganz genau. Man habe gesagt, man würde „für Beate“ auch einen Rechtsanwalt finden. Sie wisse den Namen nicht mehr. Der Anwalt habe ihnen einen Brief geschrieben, aber den habe sie vernichtet. Er habe nie wieder von sich hören lassen. Sie denke, dass das Anfang 1999 gewesen sei, als das Angebot von VS und Staatsanwaltschaft noch im Gespräch gewesen sei. Sie denke schon, dass sie die Strafvorstellungen der Staatsanwaltschaft mit ihrem Sohn erörtert habe. Götzl fragt, für was die fünf Jahre Strafe gewesen wären. Böhnhardt antwortet, für die Strafe vorher und die Strafe für das Abtauchen. Nach der Absage hätten sie erstmal telefonisch keinen Kontakt mehr gehabt. Dann hätten sie einen kleinen, unscheinbaren Zettel im Briefkasten gefunden, dass es zu einem ersten Treffen kommen könnte. Die Schrift habe sie nicht erkannt. Das wolle sie aber auch bis heute nicht wissen, sie sei demjenigen nur dankbar, weil sie Angst gehabt habe, dass der Kontakt abgebrochen sei. Im späteren Frühjahr 1999 sei es zum ersten  Treffen [mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe]in Chemnitz gekommen. Sie hätten die Information gehabt, dass sie die erste Abfahrt nehmen sollen. Dort sei ein Park gewesen. Der Treffpunkt sei wohl deswegen gewählt worden, um anschließend auch schnell weg zu kommen über die Autobahn. Die drei seien schon da gewesen, sie habe ihren Sohn trotz Mütze sofort wiedererkannt. Zschäpe und Mundlos hätten ihnen erstmal Zeit mit Uwe gelassen, dann hätten sie auch die anderen begrüßt. Dann hätten sie sich über die Enttäuschung gesprochen, dass das nicht geklappt hat: „Und ich muss mir immer wieder die Frage stellen, was man alles verhindert hätte, wenn man zu seinem Wort gestanden hätte.“ Götzl fragt, was sie damit meine. Böhnhardt sagt, die drei seien dann vielleicht zurückgekommen „und dann wäre all das nicht passiert, was ihnen jetzt vorgeworfen wird“. Anwalt Ta. habe nur gesagt, dass das Angebot nicht mehr bestehe und er wohl auch nicht mehr bezahlt werde. Götzl will wissen, was sich Frau Böhnhardt denn vorgestellt habe, wer die Entscheidungen trifft und ob sie der Meinung sei, dass man davon absieht, eine Strafe zu vollstrecken. Sie antwortet, was der Roewer andeute, dass sie gewollt hätten, dass die Strafe für ihren Sohn erlassen wird, stimme nicht. Sie hätten nur gewollt, dass für die Zeit der Verhandlungen die Fahndung ausgesetzt wird. Sie habe immer die Drohung im Hinterkopf gehabt, „wenn wir sie treffen, dann schießen wir“. Sie hätten gewusst, dass Uwe nicht straffrei ausgehen könne. „Und wenn man wirklich Sprengstoff gefunden hat, dann war uns schon klar, dass auch die beiden anderen nicht um einen Verurteilung drum rumkommen.“ Sie hätten auf eine Strafreduktion gehofft. Mundlos und Zschäpe hätten vielleicht noch eine zweite Chance bekommen, Mundlos und Zschäpe habe man „nicht einmal eine zweite Chance gegönnt“. Götzl fragt nach der Reaktion von Uwe Böhnhardt. Es sei ihr klar gewesen, dass er nicht ins Gefängnis gewollt habe. Er habe sie glauben lassen, dass er darüber nachdenkt und mit den Freunden redet. Nachdem das Angebot zurückgezogen worden sei, habe er dann gesagt, dass er ihnen, den Eltern, das gleich hätte sagen können. Uwe Mundlos werde sicher gedacht haben, er habe es von Anfang an gewusst. Auf Frage von Götzl sagt Brigitte Böhnhardt, das sei beim ersten Treffen gewesen. Sie, die Eltern, hätten mit allen drei geredet und hätten evtl. neu verhandeln wollen, aber das hätten die drei nicht gewollt. Mundlos habe dem gleich nicht getraut und es sei auch nie mehr ein Angebot gekommen. Den Ort des Treffens, so Böhnhardt, würde sie wieder erkennen. Der sonstige Inhalt der Gespräche sei privat gewesen. Es habe gewiss Fragen gegeben, wo sie leben, wie die drei zusammen irgendwo wohnen. Das hätten sie nicht mitteilen wollen, um sie, die Eltern, nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Dann habe die Freude überwogen. Sie hätten sich erkundigt, was in Jena gebaut wurde, ob sie noch Arbeit hätten. Ihr Sohn habe sich nach dem Bruder und der Nicht erkundigt. Sie hätten Bilder dabei gehabt. Die drei seien erstaunt gewesen über die Veränderung der Straßenzüge in Jena. Die drei hätten sich überhaupt nicht verändert, seien nur etwas älter gewesen. Sie seien an einem Parkplatz angekommen, das sei ein Park mit kleinen Tiergehegen und ein Café gewesen. Sie hätten dort „ihre Runden gedreht“ und geredet. Das Treffen sei maximal zwei Stunden lang gewesen. Sie selbst seien mit einem geliehenen Auto gefahren, so Böhnhardt auf Frage Götzls, weil sie nicht gewusst hätten, ob sie verfolgt werden. Sie hätten gefragt, ob die drei zusammen leben. Sie habe sich gedacht, dass es sicherlich schwierig sei, zu dritt zu leben ohne aufzufallen, deswegen hab sie angenommen, dass sie entweder alleine oder Beate mit einem der beiden zusammen lebe. Uwe habe erzählt, er sei mal beim Zahnarzt gewesen. Es gebe immer die Möglichkeit, sie würden unterstützt von Freunden. Sie habe gefragt, ob sie genug zu essen hätten und eine ordentliche Wohnung, so Brigitte Böhnhardt. Sie hätte nicht gewollt, dass Uwe stehlen geht, „da wären wir ja vom Regen in die Traufe gekommen“. Sie hätten gesagt, sie würden von Freunden versorgt. Die folgende Frage Götzls, ob sie auch selbst Unterstützung angeboten hätten, habe sie erwartet, so Böhnhardt. Vorsorglich belehrt Götzl die Zeugin nach § 55 StPO, sagt aber auch, dass eine Unterstützung zu fraglichem Zeitpunkt verjährt wäre. Sie sagt, es stehe in jedem VS-Bericht, dass die V-Leute gesagt hätten, dass sie ihren Sohn unterstützt hätten: „Wir haben ihm ’98 Geld gegeben mit dem Hintergedanken, dass er ja nicht wieder klaut.“ Nachdem die drei sich nicht hätten stellen wollen, hätten sie gesagt, dass es keine weitere Unterstützung gebe. Böhnhardt: „Sie können das auch so auffassen, dass wir die Schnauze voll hatten.“ Das seien 500 DM und dann nochmal 500 DM gewesen. Die Personen, die das Geld geholt hätten, hätten eine Parole gesagt, sie hätten sich unten getroffen und sie habe das Geld übergeben. Die Parole wisse sie nicht mehr. Dann nennt Böhnhardt doch eine Namen: André K. Den anderen habe sie nicht gekannt. K. sei einmal gekommen, der andere evtl. zweimal. K. habe ihren Sohn auch von der Drückerkolonne an der französischen Grenze abgeholt in ihrem Auftrag. Sie habe K. dafür Benzingeld gegeben. Seit wann sich Uwe und K. gekannt hätten, wisse sie nicht, sie wisse auch nicht, ob Uwe André K. als Freund bezeichnet hätte, wohl eher als Bekannten. Es sei ihr auch bei K. wichtig gewesen, dass er die Parole sagt, damit sie wisse, dass er tatsächlich von ihrem Sohn geschickt wurde. Sie habe die Parole von Uwe erfahren, es sei ein Wort, das nur sie hätten wissen können. So etwas präge sich ja ein, sagt Götzl. Schließlich nennt Böhnhardt das Losungswort: „Rippchen“. Uwe habe sich zwei Rippen gebrochen. Sie habe es nicht sagen wollen, weil sie nicht gewollt habe, dass das „tausendfach übers Internet durchgehetzt wird“. Auf Frage von Götzl sagt Böhnhardt, sie denke mal, dass eine Geldsendung nicht angekommen ist, das wisse sie aber nicht, sie wisse auch nicht, ob das die Sendung sei, die sie an K. gegeben habe. Sie habe keine Verbindung zu K. gehabt und habe auch keine aufnehmen wollen. Die andere Person sei ein junger, hübscher Mann gewesen, mehr habe sie nicht in Erinnerung, er sei nicht als Rechter zu erkennen gewesen. Sie wisse nicht einmal, ob es drei oder vier Übergaben gegeben habe. Der unbekannte junge Mann sei zumindest zweimal da gewesen. Dann sagt sie, sie würde die Zahl der Übergaben auf drei begrenzen, weil sie nicht jeden Monat 500 DM hätten abzweigen können. Begonnen habe die Unterstützung jedenfalls nach dem ersten Telefonat. Sie denke, ihr Sohn habe erstmal eine Vertrauensperson finden müssen. Götzl sagt, die Parole habe abgesprochen werden müssen, das setze einen Kontakt voraus. Der sei nur telefonisch gewesen so Böhnhardt. Die Telefonate seien nur noch sehr wenig gewesen, 1999 ein- oder zweimal. Bis sie sich dann 2000 wieder getroffen hätten. Zu dem Treffen sei es gekommen wie zum ersten. Es sei der gleiche Ort gewesen. Zum Ablauf sagt Böhnhardt, die Erleichterung habe überwogen, dass sie alle drei gesund und zusammen gewesen seien. Sie habe damals schon das Gefühl gehabt, sie würden vielleicht aus Deutschland und Europa ganz weggehen. Sie habe gedacht, das habe keine Zukunft, sich immer verstecken zu müssen, das sei ihr „als Mutter“ ein Gräuel gewesen. Sie hätten das angesprochen mit allen drei, sie habe sich auch den Uwe Mundlos zur Brust genommen, weil er der Älteste, vielleicht Klügste gewesen sei. Auch beim ersten Treffen sei das Thema gewesen, beim zweiten Mal seien sie emotional besser vorbereitet gewesen. Sie hätten sich gesagt: „Heute pauken wir mal auf die ein.“ Sie habe gesagt, dass auch Uwe Mundlos und Beate Zschäpe an ihre Mütter denken sollten. Böhnhardt: „Es gab einfach keinen Weg.“ Die drei hätten zu ihrem Leben immer die gleichen Aussagen getroffen, es gehe ihnen gut, sie seien zusammen, sie kämen klar. Die drei hätten zu ihrem Lebensunterhalt gesagt, sie, die Eltern, sollten sich keine Sorgen, es würde ihnen vielleicht auch nicht gefallen. Sie habe an Internetgeschäfte gedacht, Mundlos sei da ein Experte gewesen, und sie habe danach gefragt, aber sie hätten nichts gesagt. Das Treffen habe ein, zwei Stunden gedauert, es sei nach dem Dienst gewesen, weil sie angenommen hätten, im Berufsverkehr habe auch die Polizei Schwierigkeiten, hinter ihnen herzukommen. Sie habe ihrem Sohn im März 1999, nachdem das Angebot schief gegangen sei, gesagt, dass es keine finanzielle Unterstützung mehr gebe.Sie könne das erste und zweite Treffen zeitlich nicht einordnen, sie seien wohl beide im Frühjahr gewesen, darauf schließe sie, weil sie alle Jacken und „die Jungs“ Mützen getragen hätten.

Ein letztes Treffen habe es 2002 gegeben, so Böhnhardt auf Frage von Götzl. Die Vorbereitung sei „wie gehabt“ gelaufen. Das sei ein bisschen später im Jahr gewesen, im Mai oder Juni, ihre Enkeltochter sie in die Schule gekommen zu der Zeit. Es sei ein Wochenende gewesen, sie seien vormittags angereist, sie hätten bei dem Treffen länger Zeit gehabt. Thema sei sicher gewesen: „Warum nicht, warum nicht, warum nicht.“ Es sei alles geblieben wie gehabt: „Wir wollen nicht, wir wollen nicht, wir wollen nicht.“ Sie hätten über banale Dinge gesprochen, wie  über „bewusste Kochrezepte“. Es sei so dargestellt worden, was ihr Sohn „für furchtbare Dinge getan haben soll. Und die Mutter unterhält sich über Rezepte.“ Wenn sie gewusst hätte, dass es das letzte Treffen bleiben solle, hätte sie nicht darüber geredet, so Böhnhardt. Es sei um die Familie gegangen. Sie hätten auch Fotos von der Stadt dabei gehabt. Im Laufe des Tages hätten sie viele Themen gehabt. Kurz vor Ende hätten sie erst erfahren, dass es das letzte Treffen sein solle. Die drei hätten gesagt, sie gehen weg. Sie habe es nicht glauben können. Danach sei es aus gewesen mit der Beherrschung. Ihre einzige Hoffnung sei gewesen, dass sie vielleicht ein neues Leben irgendwo beginnen, eine Familie gründen und von vorne anfangen. Sie habe mit Zschäpe gesprochen, ob die sich das gut überlegt habe. Zschäpe habe gesagt, sie gehe mit „den Jungs“. Uwe Mundlos habe sie ins Ohr geflüstert, dass er auf ihren Sohn aufpassen solle. Ihr Mann und sei seien traurig gewesen, weil sie an ihrem Leben nicht hätten teilnehmen können. Es habe immer wieder in der Zeitung gestanden, dass nach ihnen gefahndet wird, und sie habe gedacht, dass wenn die Zielfahnder sie nicht finden, dass sie dann vielleicht ganz weit weg seien. Sie wisse nicht, ob die drei es gesagt oder sie es sich eingebildet habe, dass sie ins Ausland gehen. Sie habe sich das nur so erklären können, weil Uwe gesagt habe, sie gingen weg und es wisse niemand, wohin. Deswegen habe sie auch keinen seiner Freunde kontaktiert. Böhnhardt: „Es tut mir auch für die fünf jungen Leute [die Angeklagten]leid, wenn die nicht in den Untergrund gegangen wären, würden die hier nicht sitzen.“

Nach Jahren habe sie sich damit abgefunden, dass ihr Sohn sich nicht melde. Uwes Bruder, ihr ältester Sohn, habe keinen Kontakt gehabt, sie hätten ihn auch immer erst hinterher von den Treffen erzählt. Götzl fragt nach Bezugspersonen von Uwe Böhnhardt vor 1998. Brigitte Böhnhardt nennt Ralf Wohlleben, der auch in Lobeda gewohnt habe, André K., Holger G., der irgendwann weg gezogen sei, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Der Bruder von André K. sei mal mit gelaufen, den würde sie aber nicht wiedererkennen. Sie glaube, Ralf Wohlleben sei nie in ihrer Wohnung gewesen. Götzl fragt nach einem Kontakt zu Holger G. nach 1998. Das könne Ende 1998 gewesen sein, so Böhnhardt, da sei G. vorbei gekommen und habe erklärte, er hätte Freunde besucht in Jena und habe mal gedacht, er guckt bei den Eltern von „Böhni „vorbei. Sie habe sich gefreut. Sie habe ihn gefragt, ob er wisse, wo die drei sind, er habe es verneint. Er sei auch nicht lange geblieben, eine halbe, dreiviertel Stunde: „So wie man bei den Eltern eines ehemaligen Freundes hineinschaut.“ Sie wisse, dass G. in Hannover gelebt habe, aber das wisse sei von ihrem Sohn. Ralf Wohlleben habe sie später nur zufällig in der Stadt getroffen. Dann sagt sie, sie habe Wohlleben einmal kontaktiert, als über Anwalt Ta. das Schreiben der Staatsanwaltschaft gekommen sei, dass ein Verfahren, bei dem ihr Sohn und Wohlleben gemeinsam angeklagt gewesen seien, wegen Verjährung eingestellt sei. Da habe sie Wohlleben angerufen und ihn gefragt, ob er die Akten brauche, das habe der aber verneint und sie habe das dann entsorgen können. Sie habe sich nur kurz nach Wohllebens Befinden erkundigt, der habe gesagt, er sei verheiratet und sie denke, er habe auch gesagt, er habe eine Tochter. Böhnhardt: „Da freut man sich, wenn jemand sein Leben in den Griff bekommen hat. Ich hätte mir erhofft, dass es mein Sohn auch packt.“ Wohlleben habe sich nicht nach ihrem Sohn erkundigt, das habe sie sonst im Gedächtnis.
Götzl will wissen, ob es bei den Kontakten mit ihrem Sohn mal um politische Themen gegangen sei, was Böhnhardt verneint. Sie habe die „leise Hoffnung“ gehabt, dass die drei sich von der rechten Szene getrennt hätten. Sie seien normal gekleidet gewesen und hätten keine Parolen mehr abgelassen. Die Gespräche mit ihrem Sohn darüber seien vor 1998 gewesen. Wann ihnen die „rechten Tendenzen“ aufgefallen seien, könne sie gar nicht mehr genau sagen, das sei schleichend gewesen. Fakt sie, dass sie als Eltern in keiner Weise diese rechte Szene akzeptiert hätten. Ihr Sohn habe keine Schriften, Plakate, Bilder zu Hause haben dürfen und eigentlich auch keine CDs mit „diesen rechtsradikalen Liedern“, das habe er aber sicherlich heimlich gemacht. Die „gewissen Parolen“ habe er daheim nicht äußern dürfen. Er habe schon mal versucht, einen Spruch abzulassen, wie „die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg“. Sie habe dann gesagt, es sei doch schön, dass Italiener und Türken da seien, er solle doch froh sein, dass andere den ganzen Tag in einer Pizzeria oder einem Dönerstand stehen, ob er da arbeiten wolle. Er habe die Parolen irgendwelcher Hohlköpfe nachgeplappert, ohne sie zu verstehen. Sie hätten auch mit Uwe Mundlos diskutiert, der sei ihrem Sohn ja vom Intellekt her überlegen gewesen, habe aber auch nicht gewusst, was er da für Parolen ablässt. Sie habe sich gefragt: „Wo kommen all diese Rattenfänger her, die im Osten auftauchten mit ihren Ideen?“ Es seien harte Diskussionen gewesen und er sei dann in sein Zimmer verschwunden, um der Diskussion aus dem Weg zu gehen. Er sei nie in Uniform bei ihnen zu Hause, gewesen, wenn er so etwas gehabt habe, dann habe er es woanders gelagert. Sie habe immer mal sein Zimmer durchsucht. Sie habe von den Themenbereichen der Diskussion wenig in Erinnerung. Die Parole „Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg“ würde sie seinem Frust schulden, dass er keine Arbeit fand. Einmal habe er den dummen Spruch gemacht: „Die Juden haben an allem Schuld“. Da habe sie gefragt, ob er überhaupt einen Juden kenne. Sie habe keinen gekannt, also hätten sich „diese Menschen“ so integriert, dass sie so seien „wie wir alle“. Er habe sich der Sache entzogen, wenn er nicht mehr weiter gewusst habe. Auf erneute Nachfrage von Götzl sagt Böhnhardt, sie seien immer im Ausland gewesen, Uwe habe das Ausland gekannt, Auf der Insel Korfu seien sie gewesen, da werde einem nichts geschenkt. In jedem Land müsse man fleißig sein. Und weiter: „Und das, was die Ausländer in Jena gemacht haben, dass sie Restaurants eröffnet haben oder Dönerstände, das war prima.“ Keiner dieser Ausländer habe ihrem Sohn eine Arbeit auf dem Bau weggenommen.
Ihr Sohn habe ihnen nicht erzählt, wo er sich aufgehalten hat, und wenn sie nach Freunden gefragt hätten, habe er gesagt, dass sie sie sowieso nicht kennen würden. Böhnhardt: „Es waren ja so verdammt viele arbeitslos und hatten Zeit für Blödsinn.“ Die ersten Anzeichen für die rechte Szene sei eine Bomberjacke gewesen, da hätten sie noch gedacht, dass sei nur ein Trend unter allen Jugendlichen, auch linke Jugendliche hätten diese Sachen getragen und selbst die Polizisten hätten schwarze Hosen und Springerstiefel getragen. Dann habe er sich „diese schwarze Hose und dann auch solche Springerstiefel“ gekauft. Die Schuhe seien zu viel gewesen, die habe er nicht in der Wohnung tragen dürfen. Das nächste sei gewesen, dass sie ihn hätten abholen müssen bei der Polizei. Da sei ihnen mitgeteilt worden, dass er schon im Visier sei bei der Polizei wegen seines Umgangs mit rechtsradikalen Jugendlichen. Da hätten sie, die Eltern, ihm gesagt, er solle nicht wagen, zu Hause etwas zu deponieren, was in diese Richtung führt. Sie habe gesagt, sie zerreiße alles: „Und er wusste, dass ich das machte.“ Er sei echt erschrocken gewesen, als sie ihn mal überrascht habe, als er „diese rechte CD“ gehört habe, das müsse 1997 gewesen sein. Eine Uniform oder ein Braunhemd, wie man ihm später vorgeworfen habe, habe Uwe nicht gehabt. Götzl fragt nochmal nach den Freunden. Böhnhardt nennt wieder Holger G., Wohlleben, Mundlos und dann Freunde aus der Klasse. Alle hätten sie Bomberjacken getragen, erst die grünen, dann hätten es die schwarzen sein müssen. Vielleicht habe auch mal [Bruder von André K.] Uwe abgeholt. Die Angeklagten Carsten S. und André E. kenne sie nicht, so Böhnhardt. Die Vernehmung wird unterbrochen.

Götzl teilt mir, dass der Antrag auf Beiziehung der Akten aus dem Ermittlungsverfahren gegen André K. abgelehnt sei. Es handele sich um einen Beweisermittlungsantrag, Beweistatsachen, die sich aus einer Beiziehung ergeben sollten, seien nicht klar. Auszüge aus den Akten seien bereits beigezogen. Aus den Akten ergebe sich, dass sich Verdachtsmomente gegen André K. nicht hätten erhärten lassen.

Dann stellt der Verteidiger von Carsten S., RA Hösl, einen Antrag auf Vernehmung des Mitarbeiters des Bundesamtes für Verfassungsschutzes mit dem Tarnnamen „Sebastian Egerton“ (. Dieser sei Auswerter im Bereich Rechtsextremismus und habe im des Bundestages ausgesagt. Es gehe um den Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte S. zu der Zeit der ihm vorgeworfenen Tat trotz formal verantwortlicher Positionen in der Szene nur eine untergeordnete Rolle eingenommen habe. S. habe nur nur eine vom Angeklagten Wohlleben abhängige Position ohne Eigenverantwortung übernommen. Der Zeuge habe im Untersuchungsausschuss ausgeführt, S. sei immer ein Strohmann des THS [] gewesen, der die habe kapern sollen. S. sei nicht eigeninitiativ gewesen. Über den Ausstieg von S. habe er ausgeführt, S. habe“vollständig die Brücken abgerissen“. Weiterhin habe er S. als „Ziehsohn“ von Wohlleben bezeichnet. Nebenklagevertreter RA Bliwier sagt, der Antrag sie „im Prinzip ganz hübsch“, dem deutschen Strafprozess fehle jedoch der Leumundszeuge. Das sie dem Beweis nicht zugänglich, wenn die Tatsachen, auf die sich das stütze, nicht mitgeteilt würden.

Der Verhandlungstag endet um 16 Uhr.

Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Die Sicht von Brigitte Böhnhardt ist naturgemäß sehr subjektiv. Viele Interpretationen von ihr sind davon geprägt, ihren Sohn und seine Freunde im Nachhinein in Schutz zu nehmen. […] Ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft über eine mögliche Straferwartung nahm sie sehr begrenzt wahr. Wenn ein Staatsanwalt erklärt, die maximale Straferwartung habe 10 Jahre betragen, so ergibt sich das tatsächlich aus dem Gesetz. Fünf Jahre Straferwartung und die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung waren jedenfalls im Hinblick auf die Vorstrafen – über 2 Jahre waren ohnehin schon zu vollstrecken – und den Fakt von Bomben- und Sprengstofffunden aus damaliger Sicht durchaus nicht unrealistisch.“

Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Stolle erklärt außerdem:

“Die Vernehmung der Zeugin belegt die Existenz weiterer Unterstützer. Neben Andre K. soll auch ein weiterer Mann zu ihr gekommen sein, um Geld für die Untergetauchten abzuholen. Dieser Mann sei ihr nicht bekannt gewesen. Auch die Einwürfe der Zettel mit den Daten wegen den Telefongesprächen und den Treffen deuten auf ein funktionierendes Unterstützernetzwerk hin. Dies gilt es zu ermitteln.“

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