Protokoll 132. Verhandlungstag – 30. Juli 2014

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Ein Übergriff von auf zwei alternative Jugendliche im Jahr 1996 wurde heute behandelt. Bei der Aussage der beiden betroffenen Frauen wurde die Stimmung in dieser Zeit in Jena-Winzerla deutlich. Sie berichteten von der herrschenden Angst und Bedrohungen aus der rechten Szene und wie ihnen von der Polizei das Gefühl vermittelt wurde, an Übergriffen auf sie wegen ihrer Kleidung selbst schuld zu sein. Eine Zeugin wurde von Mopeds und einem Auto gejagt, in dem mutmaßlich André Kapke und Uwe Mundlos saßen. Leute aus ihrem Bekanntenkreis wurden ins Krankenhaus geprügelt.

Zeug_innen:

  • H. (Übergriff in Jena 1996 mutmaßlich durch Zschäpe)
  • S. (Übergriff in Jena 1996 mutmaßlich durch Zschäpe)
  • Christine La. (KOKin, BKA, Ermittlungen zum Übergriff in Jena 1996)

Der Verhandlungstag beginnt um 9.48 Uhr. Für RAin Schneiders ist heute RA Nahrath da.

Als erstes wird die Zeugin H. gehört. Mit H. betritt ihr Zeugenbeistand RAin Pietrzyk den Saal. Götzl sagt, es gehe um einen Vorfall aus den 90ern, bei dem H. verletzt worden sein soll, sie solle berichten. Es sei so gewesen, sagt die Zeugin, dass sie mit Freunden und Bekannten auf den Rummel gegangen sei. Abends sei sie mit S. in der Straßenbahn nach Jena-Winzerla gefahren bis zur Endhaltestelle. In der Straßenbahn habe sie gesehen, dass sich jemand ihr gegenüber hingesetzt habe. Die Straßenbahn sei nicht so voll gewesen, das sei auffällig gewesen, das Mädchen habe sie die ganze Zeit angestarrt. Sie habe das Mädchen nicht gekannt. Das Mädchen habe sie dann angesprochen, als sie ausgestiegen seien. Es sei in den frühen Abendstunden gewesen, es seien nicht sonderlich viele Leute unterwegs gewesen. Und das Mädchen habe gesagt, sie, H., hätte sie beleidigt oder ausgelacht. Ihr, so H., sei nicht erinnerlich, dass sie sowas gemacht habe. Das Mädchen habe sie dann geschubst, einfach nur geschubst, es sei keine Schlägerei gewesen. Sie sei dann hingefallen, das Mädchen habe sich auf sie gesetzt und gesagt, sie solle sagen: „Ich bin eine Potte“. S. habe daneben gestanden und habe nicht eingegriffen, weil sie eine kleine Ratte in der Kapuze gehabt habe. Das Mädchen, das sie angegriffen habe, habe auch noch jemanden dabei gehabt, die aber auch nichts gemacht habe. Beide seien ihr unbekannt gewesen. Im Nachhinein habe sie mitbekommen, dass es Beate Zschäpe war, die habe sie auf alten Fotos aus dem Internet auch identifizieren können. Der Fuß habe geschmerzt, am nächsten Tag habe ein Arzt festgestellt, dass er angebrochen war. Was aber für Zschäpe nicht ersichtlich gewesen sei.

Auf Frage sagt H., sie habe dann eine konservative Gipsverbandversorgung bekommen für einige Wochen. Danach sei alles gut gewesen. Auf Frage sagt sie, sie habe eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet, denn sie habe nicht gewusst, dass es Zschäpe gewesen sei. Persönlich sei ihr das gar nicht erinnerlich gewesen. Sie habe ihre Mutter gefragt, und die habe ihr gesagt, dass sie, H., das damals gemacht habe, weil es ihr wichtig gewesen sei. Auf Frage sagt H., sie habe ihre Mutter gar nicht gefragt, wann sie zur Polizei gegangen seien, es sei aber ein naher zeitlicher Abstand gewesen. Götzl fragt, wann der Vorfall war. Sie habe das so eingeordnet, wann sie mit den Leuten, mit denen sie auf dem Rummel gewesen sei, Kontakt gehabt habe. Es sei 1996 gewesen, das habe sich ganz gut recherchieren lassen. Und da sie beim Rummel gewesen seien, kämen nicht so viele Jahreszeiten in Betracht. Die Polizei habe gefragt, ob es nicht der Weihnachtsmarkt war, es sei aber nicht kalt gewesen. Das Altstadtfest im Herbst könne gut passen.

Götzl fragt, warum sich das Jahr gut habe recherchieren lassen. Das liege daran, so H., dass sie diesen Sommer in der Stadt verbracht habe, da seien viele Punker dabei gewesen, viele Leute aus der linken Szene. Auch S., die mit dabei gewesen sei, habe sie über diese Szene gekannt. Götzl fragt nach dem Nachnamen von H.s Begleiterin. H. sagt, inzwischen wisse sie den, aber sie habe den nicht mehr gewusst, sie habe sich mit Mühe und Not an den Vornamen erinnern können. Götzl: „Sie sagten, Sie hätten im Nachhinein erfahren, dass es Beate Zschäpe gewesen sei.“ H. sagt, sie wisse nicht, wer das wusste. Dieser Vorfall sei in der Szene Jenas ziemlich bekannt gewesen, denn sie habe dann den Gipsverband gehabt. Erst als es zu diesen Verhaftungen gekommen sei, habe ein freier Journalist Kontakt mit ihr aufgenommen, „damals gab es doch den Vorfall mit Beate Zschäpe“, und ihr Fotos gezeigt. Der habe gesagt, er habe diese Information von der Jungen Gemeinde. Vielleicht habe das mit S. zu tun, dass die Zschäpe habe identifizieren können. Sie, H., habe es vermieden, S. gestern danach zu fragen, weil sie gedacht habe, dass es nicht so klug ist, wenn sie sich darüber unterhalten würden.

Auf Frage sagt H., sie wisse nicht mehr wie der Journalist hieß, das sei ja auch schon über zwei Jahre her. Götzl fragt, welche Fotos das gewesen seien. Eins sei von so einem Demonstrationszug gewesen, da habe Zschäpe so längere Haare, Locken, ein volleres Gesicht gehabt. Und bei der polizeilichen Vernehmung seien ihr aktuelle Fotos gezeigt worden, da habe sie sie gar nicht erkennen können. Und alte Fotos, da habe sie sie sicher erkennen können. Götzl fragt, ob der Journalist gesagt hat, woher er das gewusst habe. H.: „Aus der JG Stadtmitte.“ Auf Nachfrage sagt H., sie wisse nicht ob er gesagt hat, dass er das von Katharina König weiß, oder ob das die Beamten gesagt haben bei der Vernehmung. Ihr sei bisher nicht plausibel, woher dieser Name aufgetaucht ist, weil S. und sie alleine gewesen seien. Sie verneint, Zschäpe damals gekannt zu haben. Auf Frage sagt sie, nach dem Vorfall habe sie sie noch ein-, zweimal von weitem gesehen, da habe sie sie ja einordnen können. Sie verneint, da wechselseitigen Blickkontakt gehabt zu habe, vielleicht habe sie [Zschäpe] sie nicht beachtet, vielleicht mit Absicht, vielleicht habe sie sie gar nicht erkannt. Das sei ein paar Monate später gewesen, jedes Mal in Winzerla, vor dem Win-Center. Sie, H., sei da in Begleitung ihrer Eltern gewesen, sie habe noch erwogen, zu sagen, guck die wars, habe es aber nicht gemacht, weil das evtl. blöd für ihren Vater gewesen wäre. Einmal sei Zschäpe alleine gewesen, so H. auf Frage, beim zweiten Mal sei es schon möglich, dass noch weitere Personen dabei gewesen seien.

Götzl sagt, H. habe berichtet, dass die Angreiferin gesagt habe, H. habe sie beleidigt, und fragt, ob es da einen Vorfall gegeben habe. H. sagt, es sei ihr völlig unklar gewesen, was sie da meint. Sie habe überlegt, dass es um eine Verwechslung gegangen sein könnte, denn sie seien ja in großer Gruppe auf den Rummel gegangen. Und es habe ein Mädchen M. gegeben, das ihr (H.) ähnlich gesehen habe, lange rote Haare, Perlen drin, Zöpfe, bunte Klamotten, lange Röcke. Sie seien öfter mal verwechselt worden. Und irgendwie habe sie eine diffuse Erinnerung, dass sie das Mädchen mal gefragt habe, und die gesagt habe, sie habe etwas Freches gesagt.

Götzl sagt, H. solle die vier Personen beim Vorfall beschreiben und bei sich selbst anfangen. Sie selbst habe oft diese Stiefel angehabt, so H., Springerstiefel oder so ähnliche Stiefel, mit bunten Schnürsenkeln, gefärbte oder zerrissene Klamotten, lange Röcke, die Haare seien bunt gefärbt gewesen, mit Perlen drin. Sie sei schon sehr auffällig der linken Szene zuzuordnen gewesen von außen. S. habe kurze Haare gehabt, vielleicht 7 cm lang, pink gefärbt, abstehend in alle Richtungen, Piercings im Gesicht, enge schwarze Jeans und auch solche Stiefel, „so ungefähr“. Die Beate Zschäpe habe so bisschen über Schulter lange Haare gehabt, lockig, offen, ein rundes, volles Gesicht. Sie glaube, so H., dass sie ein bisschen kleiner als sie selbst gewesen sei und nicht auffällig angezogen: „Ich weiß nicht, vielleicht Bomberjacke.“ Zschäpes Begleiterin sei viel deutlicher der rechten Szene zuzuordnen gewesen. Die sei klein und zierlich gewesen, habe abrasierte Haare und ein längeres Pony gehabt. So eine Frisur, die in die Richtung weist. Die habe aber die ganze Zeit nichts gesagt oder getan, habe nur daneben gestanden.

Götzl fragt, ob S. etwas gesagt habe. Das wisse sie nicht, so H., S. habe körperlich nichts gemacht. Das sei auch ziemlich schnell gegangen. Götzl fragt, wie die Positionen der Beteiligten waren, als H. verletzt wurde. Sie sei ja geschubst worden, sagt H., und dann habe sie bäuchlings gelegen, und sie [die Angreiferin]habe sich auf ihren Rücken drauf gesetzt. Und dann habe sie sagen sollen: „Ich bin eine Potte.“ Und sie habe noch gedacht, „Nanu, was ist das für ein Wort?“ Dann sei sie [die Angreiferin]aufgestanden und weggegangen. Sie verneint, sich gewehrt zu haben. Das wäre, so H., ja auch total sinnlos gewesen, sie sei so unglücklich hingefallen, dass sie sich den Fuß verletzt habe, der total weh getan habe. Sie sei nach Hause gehumpelt und am nächsten Tag zum Arzt gegangen. Götzl fragt, ob sich H. zu der Zeit nochmal eine weitere Verletzung zugezogen habe. Verletzungen nicht, antwortet H., aber man habe immer darauf gefasst sein müssen, dass solche Zusammenstöße vorkommen.

Auf Nachfrage sagt H., wenn man nach Hause gefahren sei, wo man abends ja hin gemusst habe, da sei es schon so gewesen, dass man geguckt habe, sind da Rechte unterwegs. Es sei immer Angst dabei gewesen und Nervenkitzel, man habe nicht entspannt sein können. Götzl fragt, warum diese Angst bestand. H.: „Naja, weil es zu solchen Vorfällen kam, wiederholt.“ Auf Frage sagt H., sie habe damals einen Ex-Freund gehabt, der sei abends nach Lobeda-West gefahren und habe da so fürchterlich die Hucke voll gekriegt, dass sie ihn in der Unfallchirurgie habe besuchen müsse, der sei grün und blau geschlagen worden. Ein Bekannter von ihr sei auch tätlich angegriffen worden. Götzl fragt, wie es zu den Situationen gekommen ist. Bei ihrem Ex-Freund wisse sie, dass der alleine gewesen sei, gegen abends um Zehn, da sei er an welchen vorbeigekommen, die sich im rechten Milieu verortet hätten, und sei angegriffen worden. Götzl fragt, ob es da einen Anlass gab. H.: „Also, der Anlass, es gab eigentlich nicht wirklich Anlässe.“ Götzl fragt, ob da von bestimmten Personen die Rede war, ob Namen gefallen sind. Mit bestimmten Personen habe sie sich nicht beschäftigt, sagt H. Sie habe immer mal den Namen André Kapke gehört, aber sie wisse bis heute nicht, wie der aussieht. Sie habe sich nicht für „dieses Rechts-Links-Wir-wollen-uns-prügeln“ interessiert. Sie habe eher die Gedanken in der Szene interessant gefunden, weniger die „Straßenkämpfe“.

Sie verneint, sich in dem Zeitraum wegen sonstiger Verletzungen mal zum Arzt begeben zu haben. Götzl hält aus einem Karteikarteneintrag eines Arztes für die Patientin H. vom 17.9.96 vor, da sei auch die Rede von einer Malleolarfraktur links, einer Schürfwunde, und dass ein Gips angefertigt worden sei. Auf Frage, ob sie sich später mal über den Vorfall unterhalten habe, sagt H., bis vor kurzem sei es ihr nicht erinnerlich gewesen, jemals drüber gesprochen zu haben, dann habe sich dieser Journalist gemeldet. Dann sei erstmal nichts gewesen, aber dann habe sich irgendwann Lothar König gemeldet, und sie gefragt, ob sie einverstanden wäre, wenn er ihre Nummer an die Ermittler weitergibt. Und als diese Vorladung gekommen sei, habe sie die Katharina König angerufen und die habe gesagt, dass sie sich nicht mit ihr unterhalten könne, denn sie sei nicht prozessbeteiligt.

Götzl fragt, wo in der Straßenbahn H., S. und die anderen beiden Personen saßen. Da die Straßenbahn leer gewesen sei, hätten sie viel Platz gehabt, so H.  Beate habe ihr gegenüber gesessen. Es sei auffällig leer gewesen, es sei sehr ungewöhnlich gewesen, denn drum herum seien die Plätze leer gewesen. Sie [Beate] habe H. angestarrt. Aber sie könne nicht mehr genau sagen, wie die Sitzordnung war. Auf die Frage, ob weitere Personen in der Nähe waren, sagt H., sie denke schon, dass Leute in der Straßenbahn gewesen seien, aber das sei ja die Endhaltestelle, die seien dann ihrer Wege gegangen, das sei sehr verlassen gewesen dort. Eingestiegen seien sie Stadtzentrum, Holzmarkt. Auf die Frage, wie viel Zeit vergangen ist bis zur Konfrontation sagt H., sie seien ausgestiegen, dann 20, 30 Meter gelaufen. Sie denke nicht, dass der Vorfall lange gedauert hat. Es habe ein kurzes verbales Hinundher gegeben. Sie habe gesagt, dass sie das nicht war, das sei ihr nicht geglaubt worden, dann sei sie geschubst worden. Sie habe sich nicht gewehrt weil ihr Fuß so weh getan habe. Sie habe sich dann selbst beleidigt und sie [die Angreiferin]sei dann auch sofort weggegangen.

Götzl sagt, H. habe angegeben, Beate Zschäpe bis zum Besuch des Journalisten nicht gekannt zu haben. Das sei auch so, antwortet H. Im Vernehmungsprotokoll stehe aber, so Götzl, dass M. H. erzählt habe, dass sie mit Zschäpe einen Zwischenfall gehabt habe. Sie nehme an, dass sich das retrospektiv aufgeschlüsselt habe, dass es sich um Zschäpe gehandelt habe, dass sie sich darüber verständigt haben, welches Mädchen es ist. Sie könne nicht hundertprozentig sagen, ob es dieses Gespräch gegeben hat, halte es aber für wahrscheinlich. Es sei einfach unglaublich lange her. Und als sie sich mit den Polizisten unterhalten habe, habe man immer Beate Zschäpe gesagt, denn sie habe ja dann schon die Fotos gesehen. Es müsse aber nicht sein, dass sie gegenüber M. den Namen Zschäpe verwendet hat, denn dieser Name sei ihr sehr unbekannt gewesen bis vor zwei Jahren. Vorhalt: Die Frage, ob sie Beate Zschäpe auf dem Weihnachtsmarkt gesehen habe und von einem Zwischenfall mit M. mitbekommen habe, habe H. verneint, aber sie hätte Zschäpe auch nicht erkannt; erst jetzt als das so groß in der Presse gewesen sei, habe sie das zuordnen können, auf den Fotos im Internet sehe sie aus wie damals. H. : „Ja.“

Götzl fragt zur Kleidung von Zschäpe und H. sagt, die sei nicht so sonderlich extrem angezogen gewesen, eher normal. Vorhalt: Bomberjacke und Jeans. H. sagt, die Jeans würde sie jetzt als normale Kleidung bezeichnen, es könne schon sein. Vorhalt: Die Begleiterin habe kurze Haare gehabt, eine typische Frisur, sie glaube, hinten kahl und vorne Pony; die habe sich raus gehalten, habe typisch rechts ausgesehen, mehr als die Beate. H. bestätigt die Vorhalte. Auf Frage, woran sie festmache, dass die typisch rechts ausgesehen habe, sagt H., an den Stiefeln, möglicherweise seien die mit weißen Schnürsenkeln gewesen, und an der Frisur. Götzl fragt nach weiteren Namen aus der rechten Szene damals. Sie habe bestimmt welche gekannt, so H., weil sich da auch drüber unterhalten worden sei von Freunden und Bekannten. Sie könne sich nicht erinnern, weil sie sich damals nicht damit beschäftigt habe, wer wie aussieht, was gemacht hat, in welchen Bündnissen steckt. Götzl fragt, ob H. damals etwas mit Mundlos und Böhnhardt verbunden hat. Sie wisse es nicht genau, so die Zeugin, aber sie vermute nicht. Zu Wohlleben sagt sie, sie glaube nicht, dass ihr damals der Name etwas sagte, und wenn, dann sei er total überlagert von aktuellen Informationen.

Vorhalt: Sie könne sich an zwei Auseinandersetzungen erinnern, ihr Freund sei auf dem Heimweg krankenhausreif geprügelt worden. Das sei der geschilderte Vorfall, bestätigt H. Vorhalt: Der sei als Linker leicht zu erkennen gewesen. H. sagt, der habe einen Irokesenschnitt gehabt, bunte Schnürsenkel, zerrissene Hose. Der andere Bekannte sei ein Ma. gewesen, so H. auf Frage, sie wisse nur, dass der auch verprügelt worden sei. Der habe zu den Leuten gehört, die sich da intensiver beschäftigt hätten mit dem rechten Milieu. Das sei auch so 1996 gewesen, vielleicht sei es auch schon 1995 los gegangen und in 1997 rein geschwappt. Vorhalt: Ma. sei ein Zahn ausgeschlagen worden; der sei auch als Linker erkennbar gewesen. Sie denke, sie mache das an den Klamotten fest, sagt H. auf Frage. Sie denke, dass er da sich deutlich zu erkennen gegeben habe, aber sie wisse nicht mehr, wie er da ausgesehen hat. Sie seien da im Endeffekt doch alle ähnlich herumgerannt, bunt, zerrissen, Springerstiefel.

Vorhalt: Sie sei von einem freien Reporter angesprochen worden, der sich an den Vorfall habe erinnern können. Sie bejaht, sofort gewusst zu haben, von welchem Vorfall die Rede ist. Sie sei ja nur einmal angegriffen worden, und dann das angebrochene Bein: „Das war schon ganz klar, welcher Vorfall.“ Vorhalt: Mit ihm habe sie Fotos angesehen und sei dann zur Überzeugung gelangt, dass es Zschäpe war. H.: „Ja.“ Auf Frage, was die Formulierung „zur Überzeugung gelangt“ bedeutet, sagt H., er habe ja gesagt, es sei die Beate Zschäpe gewesen, oder dass er das gehört habe aus der JG Stadtmitte. Sie habe gedacht, den Namen kenne ich ja gar nicht. Dann seien sie auf Google gegangen und auf den alten Bildern, da habe sie gewusst: „Okay, das war sie tatsächlich.“ Vorhalt: Es habe sie gewundert, dass er Informationen dazu hatte. Das wundere sie ja bis heute, so H., dass Leute aus Jena das gewusst hätten und sie nicht, diesen Namen. Auf Frage, ob der Journalist gesagt hat, ob er für ein bestimmtes Medium arbeitet, sagt H., sie habe das eher so verstanden, dass er freier Journalist ist, nicht für ein bestimmtes Blatt unterwegs.

Vorhalt: Möglicherweise habe ihre Freundin oder sonst jemand die Person gekannt, die sie angegriffen hat. Das sei eine Mutmaßung gewesen, sagt H. Sie bestätigt Vorhalte, die Angreiferin nochmal im Win-Center gesehen zu haben. Sie verneint die Frage, ob sie damals versucht hat, die Person unabhängig von einer Anzeige, ausfindig zu machen. Dann werden Lichtbilder in Augenschein genommen. Zunächst wird eine Reihe von Einzelbildern mit Männern, darunter Thomas Gerlach, André Kapke und Martin Wiese [bayerischer Rechtsterrorist], und Frauen gezeigt. Darunter finden sich Bilder von Zschäpe, zu zwei Bildern sagt H., das seien neuere Bilder von Zschäpe, auf denen sie sie nicht erkannt hätte, bei zwei Bildern sagt H., darauf würde sie Zschäpe erkennen, so habe sie damals ausgesehen. Bei einem der Männer sagt H., der sehe so aus wie Leute, die man damals auf der Straße gesehen habe. Bei einer Reihe von Einzelbildern mit Frauen, ohne ein Bild von Zschäpe, erkennt H. niemanden.

OStAin Greger fragt, ob H., als sie am Boden gelegen habe, zum Ausdruck gebracht habe, dass sie Schmerzen hat. H.: „Ich glaube nicht.“ Zur Eingrenzung des Alters der Angreiferin sagt, sie habe gedacht, dass die ein, zwei Jahre älter gewesen sei, oder drei. Die Begleiterin habe jung ausgesehen. Da sei aber schwierig zu schätzen in dem Alter. Zschäpes Verteidiger RA Heer fragt, ob er richtig verstanden habe, dass H. erst nach der Festnahme Zschäpes zur Überzeugung gelangt sei, dass es Zschäpe war, die sie angegriffen habe. H.: „Den Namen wusste ich vorher nicht, ja.“ Heer fragt, ob H. sich Fotos angesehen habe, die nach Eingabe des Namens Beate Zschäpe in Google erschienen sind, oder auch andere Fotos. Sie denke, nur Fotos aus der Google-Bildersuche, so H. Heer fragt, ob es eine Einleitung gegeben habe, wie die Vernehmung begonnen habe. Ganz normal, so H., sie habe erzählen sollen, es sei mitgeschrieben worden. Heer: „Direkt?“ H. bejaht das, eine habe geschrieben und die andere habe sie befragt. Heer fragt, ob zu Beginn der Vernehmung die Polizeibeamtinnen nochmals den Grund nannten, warum sie da sind. H.: „Na, der Grund war, dieses Ereignis protokollieren zu lassen, ich verstehe Ihre Frage nicht so ganz.“ Heer fragt, ob H. denn eine Erinnerung daran hat, ob zu Beginn der Vernehmung von den Polizeibeamtinnen der Name Beate Zschäpe genannt wurde. H.: „Nein.“ RA Stahl fragt, ob mal Frau König vorher mit H. gesprochen und den Namen genannt hat. Das verneint H., sie könne sich nicht erinnern, das sie darüber gesprochen hätten. Vorhalt aus der Vernehmung von Katharina König vom 28.3.2013: Auf die Frage, ob sie  auf dem Weihnachtsmarkt dabei gewesen sei, habe König geantwortet, nein, aber H. sei unmittelbar nach dem Vorfall in die JG gekommen und sie hätten sie zum Arzt gebracht; H. sei von zwei Personen gestützt worden; H. habe sofort geäußert, dass Zschäpe verantwortlich gewesen sei. Dazu sagt H., das sei so gar nicht das, was sie erlebt habe. Vielleicht habe König das mit einer anderen Situation verwechselt.

Wohllebens Verteidiger Klemke fragt, ob die geschilderte Gewalt eine „Einbahnstraße“ gewesen sei. Ihr sei es natürlich schon so vorgekommen, sagt H., aber es sei nicht gesagt, dass es nicht von radikaleren Vertretern der linken Szene nicht auch Aktionen gab. Zumindest wisse sie, dass sowas teilweise erwogen worden sei. Wenn jemand verprügelt worden sei, dass dann gesagt worden sei, vielleicht sollten wir auch mal eine Aktion machen. Sie denke, dass es nicht ausschließlich eine Einbahnstraße gewesen sei, aber für sie habe es sich schon eher nach einer Einbahnstraße angefühlt. Im Protokoll von H.s Vernehmung stehe, so Klemke, dass körperliche Gewalt von beiden Seiten damals nicht so ungewöhnlich gewesen sei. Das solle H. den Beamten gesagt haben. H. sagt, das habe sie heute schon gesagt habe, dass es Leute gegeben habe, die sich da ein bisschen extremer verhalten und reagiert hätten. Klemke fragt, ob es Gewalt von links gegen Rechte gegeben habe. Sie wisse nur, dass es überlegt worden sei, so H. Klemke sagt, das klinge ein bisschen anders im Protokoll. Auf Frage sagt H., sie habe das so gesagt, wenn es da so stehe, aber sie seien auf den Punkt nicht näher eingegangen.

RA Stahl fragt, ob H. eine Erinnerung habe, ob sie damals Alkohol getrunken haben. Bestimmt nicht auf dem Rummel, so H.,weil sie kein Geld gehabt hätten, aber vielleicht vorher. Stahl fragt, ob sie zum Feiern in der Stadt waren. Sie hätten gedacht, so H., wir gehen mal auf den Rummel und haben ein bisschen Spaß. Schon Feiern, das heiße aber nicht automatisch, dass man da Alkohol trinke. Dieser Rummel sei eher besetzt gewesen von Leuten aus der rechten Szene. Aber sie hätten sich gedacht, naja, warum soll man nicht auf den Rummel gehen dürfen, nur weil man bunt aussieht. Sie hätten sich das vorher überlegt, sie hätten einfach Lust gehabt, auf den Rummel zu gehen, Karussell zu fahren. Auf Frage sagt H., sie könne nicht sagen, ob sie nüchtern war, aber sturzbetrunken bestimmt nicht. Stahl: „Irgendwie so ein Zustand erhöhter Lebensfreude?“ Sie erinnere das nicht, antwortet H. Auf Frage, wieviele Personen das auf dem Rummel waren, sagt H., sie seien eine  größere Gruppe gewesen, so zehn plusminus, aber sie hätten sich dann geteilt in kleinere Gruppen, zu viert vielleicht. Sie habe gar nichts von einer Auseinandersetzung mit einer anderen Gruppe mitbekommen.

RAin Sturm, Zschäpes Verteidigerin sagt, ihr Kollege habe H. die Aussage Frau König vorgehalten, dass die ihr geholfen habe: „Sind Sie von der Jungen Welt aus …, von der Jungen Gemeinde, zum Arzt gebracht worden?“ Sie denke nicht, so H. Sie denke, das sie früh festgestellt habe, dass es immer noch weh tut, und alleine zum Arzt gegangen ist statt zur Schule. Sie denke, dass Katharina vielleicht die ganzen Vorfälle durcheinander bringt. Sturm fragt, ob H. wisse, ob sie sich danach mit S. unterhalten hat. Bestimmt, so H., man habe sich bei dem Treffpunkt in der Stadt ja jeden Tag gesehen. Sturm fragt, ob noch mehr von H. verlangt worden sei, als zu sagen, ich bin eine Potte. H.: „Nicht dass ich wüsste.“ Sturm: „Sind Sie aufgefordert worden, die Jacke auszuziehen?“ Das sei eine gute Frage, so H., da könne sie sich jetzt direkt nicht erinnern, „vielleicht doch, nein, weiß ich nicht mehr“. Sie erinnere sich auch nicht daran, ob die Angreiferin zu einer der umstehenden Personen etwas gesagt hat. Vorhalt: Die Personen jetzt im Prozess kenne H. nicht; sie würden ihr teilweise bekannt vorkommen; aber vielleicht nur, weil sie sich alle ähneln. Sturm fragt, auf wen sich das bezieht. Vorhin bei den Fotos habe sie ja auch schon mal gedacht, vielleicht kannte ich die vom Sehen. Das äußere Erscheinungsbild sei ja schon sehr ähnlich mit den kurzgeschorenen Haaren und der Mode.

Klemke fragt, wieviele Google-Fotos sich H. mit dem Journalisten angeschaut hat. Das seien schon etliche gewesen, so H., die neueren, wo sie gedacht habe, das komme ihr nicht bekannt vor, und die älteren, wo sie gedacht habe, die war es, das ist gesichert. Klemke fragt, ob das Porträtaufnahmen waren. H.: „Vielleicht.“ Das seien vielleicht fünf bis zehn ältere Fotos gewesen, so in dem Dreh. Götzl fragt, ob denn zur Begleiterin der Kontrahentin von H. in H.s Bekanntenkreis mal ein Name gefallen ist. Das verneint H. Götzl fragt zum Namen (zuletzt 107. Verhandlungstag). Den habe sie gestern registriert, als sie von einem Artikel im Internet über ihre Zeugenaussage gehört habe, so H. Götzl fragt, ob H. geweint hat damals. Sie glaube nicht, so H., sie glaube, dass sie sich ein bisschen zusammengerissen habe.

NK-Vertreter RA Reinecke fragt, ob H.s Freund sich mal mit Rechten geprügelt hat. H.: „Nicht dass ich wüsste.“ Sie verneint einen Terminkalender zu führen, sie habe keine Möglichkeit den Namen des Journalisten herauszufinden, so H. auf Frage von RAin Wierig. RA Erdal fragt, ob denn damals Gewalt unter den Frauen auch üblich gewesen. Möglich sei die bestimmt gewesen, aber jedenfalls ungewöhnlicher, so H.  Sie verneint, andere Frauen gekannt zu haben, die Frauen verprügelten. SV Prof. Saß fragt, ob H. Wahrnehmungen gemacht habe, dass bei der Kontrahentin oder der Begleiterin in Bezug auf Alkohol oder Drogen etwas zu erkennen war. Beides verneint H. Saß fragt, ob erörtert wurde, was der Begriff „Potte“ bedeutet. H. verneint das. Die Vernehmung endet um 11.17 Uhr.

Nach einer Pause geht es um 11.44 Uhr weiter mit der Zeugin S. Auch S. hat RAin Pietrzyk als Beistand. S. berichtet, 1996 sei sie mit H. in Jena in der Altstadt unterwegs gewesen und sie seien dann zur Straßenbahnhaltestelle gegangen, um nach Hause zu fahren, nach Winzerla. Da sei Frau Zschäpe mit einer Freundin gekommen, die sie persönlich unter dem Namen Jana A. gekannt habe vom Hörensagen. Sie und H. seien in die Straßenbahn eingestiegen. Sie hätten sich auf so einen Vierersitz gesetzt. H. und sie hätten sich gegenüber gesessen und Zschäpe direkt neben H. Neben ihr, S., habe A. gesessen. Sie seien nach Winzerla gefahren. Zwischendurch sei nicht geredet worden, es sei eine sehr angespannte Situation gewesen. Sie seien an der Endhaltestelle ausgestiegen, ein Stück gelaufen, dann hätten sie hinter sich schnellere Schritte gehört und Zschäpe habe irgendwas gesagt zu H. Sie hätten sich umgedreht. Die Äußerung von Zschäpe, die sie erinnern könne, sei gewesen, dass H. sie in der Stadt „Schlampe“ genannt hätte. Und dann habe Zschäpe H. mit zwei, drei geübten Handgriffen zu Boden gebracht. H. habe weinend am Boden gelegen. Zschäpe habe H. die Jacke entwendet oder H. habe sie selber ausziehen sollen, das wisse sie nicht mehr. Und dann sei Zschäpe weggegangen.

Auf Frage sagt S., H. habe sich das Bein gebrochen oder den Fuß, das wisse sie nicht mehr. Götzl fragt, was H. nach dem Vorfall gemacht hat. Nach dem Vorfall wisse sie, ehrlich gesagt nicht mehr, so S., aber H. habe dann Anzeige erstattet. Sie selbst sei noch minderjährig gewesen, so S., deswegen sei sie mit ihrer Mutter zur Polizei gegangen, um ihre Zeugenaussage zu machen. Wie viel später sie bei der Polizei war, wisse sie nicht mehr. Götzl fragt, ob H. denn gehen konnte nach dem Vorfall. Sie habe H., glaube sie, stützen müssen, so S., es sei auf jeden Fall sehr schlecht gegangen, H. habe geweint. Götzl: „Wo waren Sie an dem Tag gewesen?“ Sie sei in der Altstadt unterwegs gewesen, so S., sie wisse auch, dass da irgendein Rummel war. Aber sie wisse nicht mehr, wo sie unterwegs gewesen sei. Götzl fragt, ob S. es näher eingrenzen könne als auf 1996. S. verneint das. Götzl fragt zum Rummel, was das für ein Fest war. Sie würde sagen, so S., das sei wie in jeder Stadt, dass im Winter einmal Rummel ist oder Altstadtfest. Es gebe einen großen Platz in Jena, den Eichplatz, da würden dann auch immer die Fahrgeschäfte stehen. Götzl: „Ja, war das dieser Platz, an dem Sie gewesen sind?“ S.: „Ja.“ Götzl fragt, ob es Winter war oder eine andere Jahreszeit. Sie habe auch überlegt, sagt S., wisse es aber nicht mehr.

Götzl sagt, beim Vorfall selbst habe S. von zwei, drei geübten Handgriffen gesprochen, ob sie das näher beschreiben könne. S. sagt, sie habe sie nicht zu Boden gestoßen, sondern, das habe sich ihr so eingeprägt, weil sie es ungewöhnlich gefunden habe, es habe ausgesehen wie trainiert. Jemanden mit zwei Handgriffen zu Boden zu kriegen, sei halt wie beim Kampfsport oder so. Konkret könne sie das nicht mehr sagen, so S. auf Frage, sie sei 15 Jahre alt gewesen und das sei einfach lange her. Götzl bittet S., die Situation mit der Jacke näher zu beschreiben. Von dem direkten Kontakt wisse sie, wie gesagt, nur noch, das sie [Zschäpe] gesagt habe, H. habe Zschäpe „Schlampe“ genannt. Ihr, S., habe Zschäpe angedroht, wenn sie etwas mache oder unternehme, dann sei sie dran. Und sie erinnere sich noch, dass Zschäpe zu A. gemeint habe, sie solle aufpassen. Die habe ein paar Schritte von ihr (S.) entfernt gestanden. Sie (S.) habe nichts gemacht. Dann habe H. am Boden gelegen. Und sie wisse noch, dass Zschäpe die Jacke letztendlich gehabt habe, aber wie das passiert sei, wisse sie nicht mehr. Und die beiden seien in Richtung „Winzerclub“ gelaufen, der da in Winzerla an der Endhaltestelle gewesen sei, das wisse sie noch.

Götzl fragt nach der Jacke von H. S. sagt, das wisse sie nicht so richtig, ihr erster Einfall wäre eine altrosa Wildlederjacke, aber das sei nur der erste Gedankenblitz. Götzl fragt, ob S. diese Äußerungen, H. habe Zschäpe „Schlampe“ genannt, zu einem Vorfall an dem Tag zuordnen konnte. S. verneint das. Sie sei sehr perplex gewesen, denn erstens habe sie Angst vor Zschäpe gehabt und sie habe mit der Äußerung nichts anfangen können: „Das war eine absurde Situation.“ Auf Frage sagt S., H. habe wahrscheinlich überrascht darauf reagiert, vielleicht gefragt, wie sie darauf kommt. Götzl: „Ja, haben Sie etwas dazu noch in Erinnerung?“ S. verneint das. Jana A. sei da gewesen, weiter nichts, so S. auf Frage. Die habe nichts gesagt und nichts gemacht. Götzl fragt, wer wo war. Da sei ein Garagenkomplex bei den Straßenbahnschienen, so S., auf so einem Rasenstück dazwischen hätten sie gestanden. Sie selbst habe eher Richtung Garage gestanden, Richtung Schiene hätten Zschäpe und H. gestanden, und A. habe, glaube sie, rechts von ihr selbst gestanden. Sie seien vielleicht zwei Schritte entfernt gewesen, A. einen Schritt.

Götzl fragt, ob S. zum damaligen Zeitpunkt Zschäpe kannte. Sie habe Zschäpe vom Sehen aus Winzerla gekannt, so S. Und da sie selbst zu der Gruppe von Leuten gehört habe, die ein bisschen auffälliger aussahen, sei sie öfter damit konfrontiert, durchs Viertel gejagt zu werden, beleidigt zu werden. Sie habe ein paar andere Leute gekannt, denen es ähnlich ging, dadurch habe man sich unterhalten, deswegen seien ihr auch ein paar Namen und Gesichter bekannt, zum Beispiel Jana A. und Zschäpe. Die Frage, ob sie den Namen Zschäpe damals kannte, bejaht S. Götzl fragt, woher. Man habe sich mit Leuten unterhalten, so S., man habe im gleichen Viertel gewohnt, „das ist wie ein kleines Dorf, man spricht darüber“. Wodurch sie den Namen gekannt habe, die Person, das Gesicht dazu, seien Erzählungen gewesen von Leuten, dass Zschäpe, sie sage jetzt mal umgangssprachlich, ein „krasses Auftreten“ habe. Es habe Leute gegeben, die erzählt hätten, dass sie [Zschäpe] mit einem Messer in der Tasche herumläuft. Sie habe mehr als einmal gehört, dass Leute Angst haben, gesagt haben, Zschäpe habe keine Skrupel, auf Leute loszugehen. Götzl fragt, welche Leute das waren, die das sagten. Namen könne sie nicht nennen, so S., das wisse sie nicht, es seien Bekannte gewesen, Leute.

Auf die Frage, ob sie noch wisse, wie sie erstmals auf Zschäpe aufmerksam wurde, sagt S., einen konkreten Anlass gebe es nicht. Götzl fragt, ob S. Situationen in Erinnerung habe, bei denen Zschäpe zugegen war. S. sagt, Situationen wie an der Straßenbahnhaltestelle stehen und Zschäpe sehen, ja, aber keine Vorfälle in dem Sinn. Götzl fragt, ob S. denn noch eine Vorstellung hat, wer die Leute sein könnten, die davon berichtet haben. Das seien Leute gewesen, denen es ähnlich wie ihr selbst gegangen sei, die so nicht ins normale Straßenbild gepasst haben, vor allem in Jena-Winzerla nicht, die von Nazis gejagt worden seien, von Hooligans gejagt und beleidigt worden seien, Leute mit bunten Haaren. Zu Jana A. könne sie nur sagen, dass sie sie vom Sehen gekannt habe, sie habe zuordnen können und gehört habe, dass so ihr Name lautet. Wann sie den Namen erfahren hat, wisse sie nicht mehr. Götzl fragt, ob S. sonst mal Kontakt zu Jana A. gehabt habe, was S. verneint.

Götzl fragt nach Situationen, wo S. damit konfrontiert worden sei durchs Viertel gejagt zu werden. Sie sei aus einem fahrenden Auto angeschrien worden, es sei angedroht worden, dass sie sie kriegen und fertig machen, sie sei zu Fuß verfolgt worden, auf Mopeds verfolgt, so die Zeugin. Sie verneint, zu wissen, wer das jeweils war. Götzl fragt, wann diese Vorfälle etwa waren. S. sagt, sie würde sagen, so 1994/95/96. Götzl fragt, ob S. Zschäpe mal in Begleitung gesehen hat oder alleine. Wenn sie sie gesehen habe, so S., und das sei nicht oft gewesen, dann alleine. Jedenfalls könne sie sich an keine konkreten Personen oder so erinnern. Sie wisse nicht mehr, wie oft sie sie gesehen habe. Auf Frage, ob sie irgendwelche Personen aus dem Bekannten- oder Freundeskreis von Zschäpe damals kannte, sagt S., sie habe vom Sehen Böhnhardt und Mundlos gekannt. Die hätten auch zu den Personen gehört haben, von denen die Rede gewesen sei, dass man sich lieber fernhalten sollte oder aufpassen sollte. Aber diese Verbindung von den Dreien wisse sie auch erst seitdem diese Sache, weswegen man hier sitze, herausgekommen sei.

Götzl fragt nach Gelegenheiten, bei denen S. Mundlos und Böhnhardt gesehen habe. Das sei genauso wie bei Zschäpe und A. Sie habe in Winzerla gewohnt und dort habe man die vom Sehen gekannt. Sie verneint, mal mit denen gesprochen zu haben. Die Namen habe sie vom Hörensagen gekannt, Vor- und Nachname. Sie verneint, sich zu erinnern, von wem sie die Namen gehört habe. Sie erinnere sich nicht an Situationen, wo sie Böhnhardt, Mundlos oder beide gesehen habe. Sie verneint, sonstige Personen nennen zu könne, die sie als Bekannte Zschäpes zuordnen würde. Götzl fragt, ob S., der Name André Kapke etwas sage. S. bejaht das, das sei ein bekannter Name aus Jena. Den habe sie vom Sehen gekannt, genauso wie andere eben aus dem Stadtviertel. Sie verneint,  im Hinblick auf Kapke Situationen und Vorfälle in Erinnerung zu haben, die sie persönlich betreffen. Sie wisse noch von einem Vorfall, bei dem zwei Frauen überfallen und festgehalten worden seien. Die Informationen seien, dass zwei Frauen in Jena festgehalten worden seien, dass Kapke und Ralf Wohlleben involviert gewesen seien und es dann auch einen Prozess gegeben habe. Sie wisse nicht mehr, woher sie ihre Kenntnisse hat. Das sei 1999/2000 ungefähr gewesen, sagt S. auf Frage. Auf Frage sagt S., auch Wohlleben sei ein bekanntes Gesicht in Jena gewesen. Der Name sei ihr bekannt gewesen, den habe man erzählt. Sie bejaht, dass  Tino Brandt ihr ein Begriff sei. Zu damals könne sie zu Brandt nichts sagen. Es folgt die Mittagspause bis 13.26 Uhr.

Dann setzt Götzl die Befragung von S. fort. Vorhalt aus der Vernehmung von S.: Es habe mal einen Fall gegeben, da sei sie, S., nachts von einem roten Auto verfolgt worden; sie wissen nicht mehr, ob Uwe Mundlos am Steuer saß, aber auf jeden Fall habe André Kapke hinten drin gesessen. S. bejaht das, das sei ein Vorfall gewesen, wo ihr aus dem Auto nachgerufen worden sei, „wir kriegen dich“, und dass die Person, die da drin gesessen habe, wie André Kapke ausgesehen habe und sie noch eine schwammige Erinnerung habe, dass das Auto irgendwie ein roter Opel gewesen sei, und sie den aus irgendeinem Grund mit Mundlos in Zusammenhang bringe. Irgendwie sei ihr das erzählt worden, so S. auf Nachfrage, oder in einem Gespräch sei das mal gefallen, in der Zeit, als sie 14, 15 war. Götzl sagt, im Protokoll heiße es: „ob Uwe Mundlos am Steuer saß“. Das sei so gewesen, sagt S., dass sie diese vage Erinnerung gehabt habe, und von den Erzählungen her, dass das Auto mit seinem Namen in Verbindung gebracht worden sei. Und daraufhin habe die Dame, die sie vernommen habe, gefragt, ob er am Steuer saß und sie habe daraufhin gesagt, ob er am Steuer saß, wisse sie nicht. Götzl fragt nach Kapkes Aussehen, und S. sagt, der sei von der Statur sehr kräftig, manchmal Bart, manchmal kein Bart. Götzl möchte wissen, wie sich Kapke denn in der Situation verhalten hat. S. sagt, aus dem Auto sei herausgerufen worden und daraufhin sei sie sofort weg gerannt, habe sich ins Dunkle gerettet, weil sei sehr große Angst gehabt habe. Das Auto sei noch mit quietschenden Reifen losgefahren, aber sie habe sich versteckt. S. verneint, das Rufen einer Person zuordnen zu können. Götzl: “ Was wurde gerufen?“ S.: „Wir kriegen dich, sowas.“ Vorhalt: Jetzt kriegen wir dich, wir machen dich fertig. S. bejaht das.

Den Namen kenne sie vom Hörensagen, so S. auf Frage, sie könne den nicht irgendwelchen Situationen zuordnen. Auf Frage sagt sie, sie habe ein vages Bild vor Augen, es würden ihr keine Charakteristika einfallen, um ihn zu beschrieben, schmaler auf jeden Fall als sein Bruder, blonde oder dunkelblonde Haare. Sie bejaht, dass ihr etwas sage, da habe sie im Zusammenhang mit Tino Brandt drüber gelesen in der Presse. Und es habe Aufkleber vom THS gegeben in der Stadt. Vorhalt: Auf die Frage, ob sie Mundlos und Böhnhardt zu dieser Zeit gekannt habe und weitere rechte Personen, habe S. gesagt, Mundlos, Böhnhardt, Brandt, Wohlleben, André Kapke und Christian Kapke seien bekannte Personen aus der rechten Szene gewesen, sie seien organisiert und auch gewalttätig gewesen. Götzl fragt, was S. mit „organisiert und gewalttätig“ meint. S. sagt, sie meine, dass die da im THS organisiert waren, und ihre Wahrnehmung damals sei gewesen, dass Leute eben davon erzählt hätten, dass sie schon als Gruppe wahrgenommen würden, und als gefährlich.

Götzl fragt, was die anderen Personen angeht, ob S. die als gewalttätig erlebt hat. Das habe sie gehört, welche gefühlte Stimmung gewesen sei, welche Namen immer wieder gefallen seien. Auf Frage sagt S., Zschäpe habe sich bei dem Vorfall an Jana A. gewendet und gesagt, sie solle aufpassen oder gucken. Götzl fragt, wie S. damals ausgesehen habe. Sie habe damals immer unterschiedlich ausgesehen, so S., sie könne nicht hundertprozentig sagen, ob sie schwarze lange Haare hatte oder kurze rote. Götzl fragt, ob S. zu den anderen Personen etwas in Erinnerung geblieben ist, vom Aussehen her usw. Zschäpe habe sie mit langen offenen Haaren gekannt, sagt S., lockig ein bisschen wie eine Dauerwelle, unauffällig gekleidet, Jeans. Und Jana A. sei ihr mehr im Gedächtnis geblieben, weil sie so eine markante Kurzhaarfrisur gehabt habe, stark geschminkt, schwarze Sachen, Springerstiefel. H. habe immer lange Haare gehabt, eigentlich immer lange Röcke, wenn sie sich an damals erinnere, so S. auf Frage. Sie verneint, konkret etwas zum Aussehen von H. bei dem Vorfall sagen zu können. Götzl fragt, ob es von Seiten Zschäpes unabhängig von der Jacke noch eine Aufforderung an H. gegeben hat, was S. verneint. Götzl nennt den Begriff „Potte“. S.: „Wenn Sie es sagen, kommt mir das bekannt vor, dass Sie, ja, kommt mir bekannt vor.“ Auf Nachfrage sagt S., das sei von der Erinnerung her genauso: Sie habe sich nicht mehr erinnert, was danach passiert ist, und als ihre Mutter gesagt habe, natürlich waren wir bei der Polizei, sei alles wieder da gewesen. Und wenn Götzl das jetzt sage mit der „Potte“, habe H., glaube sie, sich selber so bezeichnen wollen.

Götzl fragt, ob S. denn damals zur Polizei gesagt hat, dass Zschäpe die Täterin sei. Das wisse sie nicht mehr, sagt S., hängengeblieben sei bei ihr selektiv, wie es in der Polizeistation aussah. Und der Polizist, dass der finde, dass sie ein nettes Mädchen sei, sich aber überlegen solle, was sie anzieht. Das habe sie sehr betroffen, denn ihr sei das Gefühl vermittelt worden, dass sie selbst schuld sei. Götzl: „Ist denn nicht über die Täterschaft gesprochen worden, obwohl sie sagen, sie kannten den Namen und die Person?“ Die genaue Aussage wisse sie nicht mehr, das sei weg. Götzl fragt, ob S. H. gesagt hat, ich kenne die Betreffende. Das wisse sie nicht mehr, so S. Sie seien nicht gut befreundet gewesen oder so, sie hätten sich gekannt. Es seien halt so einzelne Sachen, die einem einfallen, und manches sei weg. Götzl sagt, dass H., davon gesprochen habe, geschubst worden zu sein. Es sei sehr körpernah gewesen und habe gekonnt ausgesehen, wie sie zu Boden gebracht wurde, sagt S. dazu. Götzl fragt, ob S. zum Zeitpunkt des Vorfalls wusste, dass die Freundin von Zschäpe Jana A. hieß. Ob sie es davor gewusst oder kurz danach den Namen mit dem Gesicht in Verbindung gebracht habe, wisse sie nicht mehr, so S. Aber das sei da gewesen, als das ihre Lebensrealität gewesen sei, wo sie ständig diese Leute getroffen habe.

Götzl fragt nochmal zu dem Begriff „Potte“. S. sagt, das sei irgendwie ein komisches Wort und Zschäpe habe das verwendet und gemeint, H. solle sich „Potte“ nennen: „Es war auf jeden Fall ein eigenartiges Wort.“ Vorhalt: Zschäpe habe damals den Ruf gehabt, dass sie mit einem Messer in der Tasche herumlaufe und auch Männern gegenüber damit eindeutig aggressiv geworden sei. S. bestätigt den Vorhalt. Das falle auch in diese Kategorie, sie habe das gehört, das habe man sich sozusagen auf der Straße erzählt. Ein konkretes Ereignis wisse sie nicht, aber das sei bei ihr hängengeblieben. Sie habe das furchteinflößend gefunden, dass das so erzählt worden sei. Vorhalt: Zschäpe sei eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen, vor der jeder Angst bekommen habe. Damit sei gemeint, so S., dass Zschäpe eben diese Selbstsicherheit ausgestrahlt habe. Man merke ja, ob jemand raumeinnehmend ist oder eher zurückhaltend. Für sie sei das die Wahrnehmung gewesen immer, dass Leute Angst vor ihr haben. Auf Nachfrage sagt S., ihre Wahrnehmung sei das gewesen, was ihr erzählt worden sei und wie sie Zschäpe eben 1996 bei diesem Vorfall erlebt habe. Vorhalt: Obwohl Zschäpes Klamotten normal gewesen seien, habe man gewusst, dass sie zur rechten Szene gehört. Götzl fragt, woher S. das wusste. Weil das auch Leute erzählt hätten, antwortet S., dass Zschäpe eben Freunde habe, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Damit bringe sie Zschäpe in Verbindung. Götzl fragt, was S. sonst von Aussehen und Kleidung Zschäpes in Erinnerung geblieben ist. S. sagt, die sei nicht schick gekleidet gewesen, Pullover, sportlich, Turnschuhe.

Vorhalt: Von ihrer Art her sei sie laut gewesen, selbstbewusst und einnehmend. So habe sie Zschäpe wahrgenommen, sagt S., das beziehe sich auf den Vorfall. Götzl bittet um eine Beschreibung der Begleiterin von Zschäpe. Vom Haarschnitt her sei das ein etwas schickerer so genannter Renee-Schnitt gewesen, sagt S., schwarz, sie habe sie als stark geschminkt in Erinnerung, schwarze Sachen. Vorhalt: Kurze rasierte Haare, die schwarz gefärbt gewirkt hätten, schwarz geschminkt, ein bisschen kleiner als Zschäpe, schlank, auffällig große Augen, habe meistens schwarze Sachen und Springerstiefel getragen. S.: „Ja.“ Vorhalt: Jana A. sei der Name, den S. von ihr in Erinnerung habe, in Winzerla habe sie sie noch weitere Male gesehen, aber da habe es keine Zwischenfälle gegeben. Es folgt eine Inaugenscheinnahme der Lichtbilder, die schon H. gezeigt wurden. S. erkennt auf einem der Bilder André Kapke. Auf Bildern erkennt sie Zschäpe. Bei den Lichtbildern mit den Frauen, sagt S. zu Bild 4, die Person sehe aus wie die ihr als Jana A. bekannte, mit langen Haaren, aber sie könne es nicht hundertprozentig sagen.

Auf Frage, wie es zu der BKA-Vernehmung kam, sagt S., das BKA habe sich bei ihr gemeldet und gefragt, ob sie zu dem Vorfall nochmal eine Zeugenaussage machen würde, weil die Unterlagen nicht mehr existieren würden. Götzl fragt, ob S. vornweg Informationen von den Beamten bekommen habe, worum es geht. Sie sei gefragt worden, ob sie sich an einen Vorfall in Jena 1996 mit der H. erinnere, sagt S., da habe sie sofort gewusst, worum es geht. Götzl fragt, ob denn der Name Zschäpe gefallen ist, bevor sie Angaben dazu gemacht habe. Sie [die Beamtin]habe gefragt, ob sie noch wisse, wer das war, und da habe sie gesagt, ja, das war Beate Zschäpe, so S. Aber vorher sei das nicht gefallen. Götzl sagt, er frage, weil es hier einen Absatz „Hintergrund“ im Protokoll gebe, wo stehe, dass H. einen Vorfall geschildert habe, dass sie an einer Straßenbahnhaltestelle mglw. durch Beate Zschäpe angegriffen wurde. S. sagt, sie sei vorgeladen worden mit dem, was sie gerade gesagt habe, das habe sie mit der Beamtin am Telefon besprochen, vom Rest wisse sie nichts. Götzl fragt, was am Telefon besprochen wurde. Das BKA habe sie telefonisch kontaktiert und gefragt, ob sie sich an den Vorfall 1996 mit H. erinnere und ob sie noch wisse, wer die Körperverletzung begangen hat, und sie, S., habe dann gesagt, ja, Beate Zschäpe. Und dann habe man sich getroffen und sie habe davon erzählen sollen. Götzl: „Also das Telefonat war vor der Vernehmung?“ S.: „Genau.“ Die Vernehmung endet um 14.09 Uhr. Es folgt eine Unterbrechung.

Danach wird KOKin Christine La. vom BKA vernommen (siehe auch 66. Verhandlungstag). Götzl fragt, wie es zu den Vernehmungen der Zeuginnen S. und H. kam. Im Jahr 2013, so La., habe es einen Fernsehbericht gegeben, in dem Katharina König in einem Interview gesagt habe, dass sie von 1996 Erinnerungen an Zschäpe habe. In der Vernehmung habe König gesagt, dass Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, Kapke, Yvonne B. und andere damals die Nazigrößen gewesen seien, vor denen man Angst haben musste, und dass es Übergriffe durch Zschäpe gegeben habe, was durch andere habe bestätigt werden könne. König habe von einer Körperverletzung berichtet und den Vornamen von H. genannt. H. sei ermittelt worden, habe sich erinnern können und von ihrer Begleiterin S. berichtet. Auch diese S. habe man ermittelt, auch sie habe sich an den Sachverhalt erinnert. S. habe sich erinnert, dass Zschäpe damals eine Begleiterin gehabt habe, möglicherweise Jana A., heute J. Es habe rekonstruiert werden können, dass es sich um den 16.9.1996 handelte, Altstadtfest. Dann gibt La. grob den Verlauf des Vorfalls wieder, wie er sich aus den beiden Aussagen der Zeuginnen rekonstruieren lässt. Danach sagt sie, sie habe den Arzt von H. ermitteln können. H. sei am 17.9.96 da gewesen mit einem Bruch am linken oberen Sprunggelenk. Dieses vierte Altstadtfest sei vom 13. bis 22. September gegangen und an diesem 16. September sei das Programm um 18 Uhr [phon.] zu Ende gewesen. Möglicherweise seien die beiden also nach Abschluss des Fests in die Bahn eingestiegen. Auf Frage sagt La., es sei die Straßenbahnlinie 2 und die Station Holzmarkt sei die klassische Station, wo man einsteigt, wenn man auf dem Altstadtfest ist.

Götzl fragt, wie es konkret zu den Vernehmungen kam. Es sei schwierig gewesen, Katharina König habe sich nur an den Vornamen von H., erinnern können, Lothar König habe sich dann an den vollen Namen erinnern können. Sie habe H. ermitteln können, und die habe sofort gesagt, dass sie sich erinnern könne. Götzl fragt, ob von Seiten der Zeugin irgendwelche Namen gefallen sind. Der Name Zschäpe sei von H. selbst gefallen, sagt La., sie sei von einem Journalisten angesprochen worden, noch vor dem BKA, dass es 1996 eine Körperverletzung unter Beteiligung von Zschäpe gegeben habe und H. habe sich dann erinnert, dass es Zschäpe gewesen sei. Bei der Vernehmung H. finde sich, so Götzl, ein Vorspann, dass H. möglicherweise Geschädigte einer Körperverletzung auf dem Weihnachtsmarkt 1996 gewesen sei, die Verletzungen sollten maßgeblich von Zschäpe verursacht worden sein. La. sagt, Katharina und Lothar König hätten schon von Zschäpe gesprochen, und die beiden hätten sich auch mit H. unterhalten. Götzl fragt, warum man diesen Satz da rein nehme und nicht erst danach fragt. La.: „Weil wir sicher sein wollten, dass wir nicht von einem anderen Sachverhalt sprechen.“ Dann hält Götzl die Angabe zum „Hintergrund“ aus der Vernehmung von S. vor. La. sagt, das sei so erfolgt. Götzl fragt, warum. La. sagt, das sei erfolgt, um sicherzugehen, dass alle Zeugen auch vom selben Sachverhalt sprechen. Götzl: „Ja, warum geben Sie schon alles vor?“ La.: „Weil die Zeuginnen schon am Telefon den Sachverhalt eingegrenzt haben.“ Götzl fragt, ob da der Name Zschäpe immer gefallen ist. La. bejaht das, das sei von Beginn an so gewesen, bei Katharina König und in den Telefonaten H. und S. Sie habe angerufen und Katharina König habe von sich aus Zschäpe erwähnt, H. habe mit Katharina und Lothar König gesprochen gehabt und habe von sich aus Zschäpe genannt und S. habe auch von sich aus von Zschäpe gesprochen.

Die Frage von RA Stahl, ob La. über die geführten Telefonate Vermerke erstellt hat, verneint die Zeugin, sie habe aufgeschrieben, dass es Telefonate gab. Stahl fragt, ob die Informationen in den Telefonaten nicht von Bedeutung gewesen seien. Sie habe, so La., in den Telefonaten keine Information erhalten, die sie nicht auch in den Vernehmungen erhalten habe, sonst hätte sie einen Vermerk geschrieben. Das sei das übliche Prozedere, dass sie auf Nachfrage einen Hintergrund gebe. Eine Nachfrage sei nicht erfolgt. Die Zeugen hätten von sich aus den Sachverhalt eingrenzen können, seien vorgeladen worden, erschienen und alles weitere werde protokolliert. Stahl fragt nach einem Gespräch, dass La. gerade mit OStA Weingarten geführt habe vor dem Saal. La. sagt, das habe mit ihren privaten Triathlon-Interessen zu tun gehabt. Die Vernehmung endet um 14.43 Uhr.

Danach beantragt NK-Vertreter RA Kienzle, den Ministerialdirigenten Richard Reinfeld und den Kriminaloberrat Christoph Schäfer über das Bundesministerium des Innern (BMI) zu laden und zu vernehmen. Die beiden würden bekunden, am 1.10.2013 der Hauptverhandlung beigewohnt und in behördlichem Auftrag zur Informationsgewinnung die erste Zeugenvernehmung von Andreas Te. beobachtet zu haben. Sie würden bekunden, dass ihre Tätigkeit in der „Projektgruppe Untersuchungsausschuss Nationalsozialistischer Untergrund“ neben anderen die eines „Beauftragten der Mitglieder der Bundesregierung, BMI“ beim Bundestags-UA gewesen sei. Reinfeld werde zudem bekunden, dass seine Aufgabe u.a. die Wahrung des Geheimschutzes gewesen sei, u.a. darin bestanden habe, die Offenlegung von Quellen und deren Klar- bzw. Decknamen zu verhindern. Die NK Yozgat habe bereits, so Kienzle, beantragt, behördliche Prozessbeobachtung im hiesigen Verfahren bekannt zu geben. Hintergrund sei die durch eine solche Beobachtung und entsprechenden Informationstransfer mögliche Gefährdung der Wahrheitsfindung. Der Vorsitzende sei dem Antrag nachgekommen, ohne dass sich ein Prozessbeobachter zu erkennen gegeben hätte. Es sei nun der Nachweis zu führen, dass eine auf Informationsweitergabe gerichtete Prozessbeobachtung stattgefunden hat.

Es sei nun konkret zu befürchten, dass auf das Beweisergebnis in der vorliegenden Verhandlung betreffend die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Te. Einfluss genommen werden solle. Anhaltspunkte würden sich aus der Funktion der entsandten Prozessbeobachter des BMI, dem auch das BfV zuzuordnen ist, ergeben. Auch aus den Verfahrensakten ergebe sich ein konkreter Bezug von Reinfeld zum BfV. Eine Zusammenarbeit zwischen BfV und den Landesämtern für VS sei ausdrücklich vorgesehen. Daher liege auch ein Wissenstransfer der in dieser Verhandlung erlangten Informationen auch auf die Ebene des LfV Hessen nahe. Dies laufe den strafprozessualen Grundsätzen deshalb zuwider, weil bereits eine Reihe von z.T. ehemaligen Bediensteten des LfV Hessen hier vernommen worden seien, andere seien beantragt oder stünden noch aus. Es sei zu befürchten, dass die Verhinderung der umfassenden Sachaufklärung im Fall Halit Yozgat nun neben der aufrecht erhaltenen Sperrerklärung auch mithilfe eines behördlichen Wissenstransfers aus der laufenden Verhandlung aufrecht erhalten bleiben solle. 2006 habe eine polizeiliche Vernehmung der Mitarbeiter des LfV nicht stattfinden können, heute stehe sie unter dem Vorbehalt konkreter Einflussnahme durch Informationstransfer. Durch die Vernehmung der beiden Zeugen würden sich Tatsachen ergeben für eine Würdigung der Angaben der Mitarbeiter des LfV zu den Angaben von Te.

Der Verhandlungstag endet um 14.50 Uhr.

Auf NSU-Nebenklage heißt es:
„Auch wenn beide Zeuginnen 18 Jahre nach der Tat nicht mehr alle Details gleich erinnerten, waren aber jedenfalls ihre Angaben zum grundsätzlichen Ablauf der Tat glaubhaft. Insbesondere die Geschädigte gab sich sichtlich Mühe, ausgewogen zu berichten und auseinander zu halten, an was sie sich noch konkret erinnerte und was sie sich im Nachhinein erschlossen hatte. Die Versuche der Verteidigung Zschäpe, die Identifizierung ihrer Mandantin in Zweifel zu ziehen, überzeugten dagegen nicht.
Wohlleben-Verteidiger Klemke derweil betrieb wieder v.a. Verteidigung für die Nazi-Szene und versuchte, in die Zeuginnen „hineinzufragen“, dass damals Gewalt von Nazis wie auch von Linken alltäglich gewesen sei. Die Zeuginnen erinnerten die Geschehnisse aber durchaus ganz anders, nämlich so, dass vor allem sie und ihre Freundinnen und Freunde Angst vor den in Jena damals sehr stark vertretenen Nazis hatten.“

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