Haftbefehle gegen drei mutmaßliche NSU-Unterstützer aufgehoben

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Mehrere Haftbefehle gegen mutmaßliche -Unterstützer wurden in den vergangenen Tagen aufgehoben. Bereits am Freitag hat der Bundesgerichtshof (BGH) der Haftbeschwerde von Holger G. stattgegeben. Am Dienstag kamen dann auch Carsten S. und frei, denen ebenfalls die Unterstützung des NSU vorgeworfen wird.

Holger G. saß seit Mitte November 2011 in U-Haft. Er soll dem damals untergetauchten Zwickauer Trio eine Pistole überbracht haben. G. habe einen Stoffbeutel mit der Waffe vom ebenfalls inhaftierten in den Jahren 2001 oder 2002 übernommen und in die Wohnung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in Zwickau gebracht, so der BGH in seinem Beschluss.

Daneben wird Holger G. vorgeworfen, dem Trio verschiedene Dokumente zur Verfügung gestellt zu haben. So ließ er extra einen Reisepass für die Untergetauchten anfertigen und überließ ihnen seinen Führerschein sowie eine fremde Krankenversicherungskarte. Diese Dokumente nutze der NSU u.a. für die Anmietung von Wohnmobilen, die während dem Mordanschlag auf die beiden Polizist_innen in Heilbronn und bei mehreren Banküberfälle genutzt wurden.

Während die Bundesanwaltschaft dies bisher als Beihilfe zu den Morden und Banküberfällen des NSU gewertet hatte, sieht der BGH dies nur noch als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die nicht für eine Inhaftierung ausreicht. Holger G. kannte die später Untergetauchten aus ihrer gemeinsamen Zeit in den Neonazi-Strukturen der 90er Jahre in Jena. Ab 1996 seien dort auch Diskussionen über einen bewaffneten Kampf geführt worden, doch habe G., wie auch Wohlleben, dies abgelehnt. Dennoch habe er dem Trio eine Waffe von Wohlleben überbracht und ihnen klar gemacht „mit Waffen nichts zu tun haben“ zu wollen, wie er vor den Ermittler_innen aussagte. Er habe nur Banküberfälle für möglich gehalten, so der BGH. Wie das zu den Diskussionen in den 90er Jahren passt und der Aussage Wohllebens, es sei besser, „wenn du nicht weißt, was sie damit [der Waffe, d.A.]vorhaben“, bleibt offen.

Anders als die meisten anderen mutmaßlichen NSU-Unterstützer, hatte Holger G. umfangreiche Aussagen vor der Bundesanwaltschaft gemacht und dabei die Unterstützungsleistungen eingeräumt.

Auch Carsten S. sagte nach seiner Festnahme im Februar aus und habe dabei „entscheidend zur Tataufklärung beigetragen“, wie die Bundesanwaltschaft ausführt. Darüber hinaus kommt ihm zu Gute, dass er bereits vor Jahren aus der Nazi-Szene ausgestiegen ist und für den damals 19-jährigen eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht zu erwarten ist. Dennoch lautet der Vorwurf gegen ihn weiterhin auf Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Er hatte die Ceska besorgt, die Tatwaffe mit der die neun Migranten umgebracht wurden.
Matthias D. wurde frei gelassen, da die Behörden nach dem BGH-Beschluss von letzter Woche die Untersuchungshaft nicht mehr als gerechtfertigt ansehen.

Weiterhin in U-Haft sitzen derzeit noch Beate Zschäpe, Andre Eminger und Ralf Wohlleben. Wann Anklage erhoben wird und ob es einen oder mehrere Prozesse geben wird, ist noch unklar. (fh)

 

Beschluss des BGH vom 25.05.2012 (Download)

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes (25.05.2012):

Nr. 73/2012

Bundesgerichtshof hebt Haftbefehl im „NSU„-Verfahren auf

Der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute den vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Unterstützung der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ am 14. November 2011 erlassenen und am 24. Februar 2012 erweiterten Haftbefehl aufgehoben.

In dem Haftbefehl wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe den am 4. November 2011 verstorbenen Mitgliedern des „NSU“ Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahre 2001 oder 2002 im Auftrag des anderweitig verfolgten Ralf Wohlleben eine Pistole überbracht und damit Beihilfe zu den von dieser Gruppierung in der Folge begangenen Morden und Banküberfällen geleistet. Weiter habe er Böhnhardt, Mundlos und die ebenfalls der Mitgliedschaft im „NSU“ verdächtige Beate Zschäpe dadurch unterstützt, dass er ihnen 2004 seinen Führerschein, 2006 eine fremde Krankenversichertenkarte und schließlich im Mai 2011 einen von ihm eigens für diesen Zweck beantragten Reisepass zur Benutzung überlassen habe.

Was den Vorwurf der Beihilfe zum Mord betrifft, sieht der im Zuge eines Haftprüfungsverfahrens mit der Sache befasste 3. Strafsenat schon keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass die Übergabe der Pistole die nachfolgenden, erst ab Anfang 2004 begangenen Taten des „NSU“ – wie erforderlich – objektiv in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert hat. Insbesondere habe die Pistole nicht als eine der Tatwaffen identifiziert werden können.

Soweit dem Beschuldigten daneben Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, geht der Senat jedenfalls nicht von einem für die Anordnung von Untersuchungshaft notwendigen dringenden Tatverdacht aus. Die Gruppierung habe sich bei der Planung und bei der Durchführung ihrer Anschläge streng abgeschottet und, für eine terroristische Vereinigung ungewöhnlich, auch über mehr als zehn Jahre davon abgesehen, sich zu ihren Taten zu bekennen. Vor diesem Hintergrund lasse sich die Einlassung des Beschuldigten, er habe mit Mordanschlägen des „Trios“ nicht gerechnet und ihnen solche auch nicht zugetraut, derzeit nicht hinreichend sicher widerlegen.

Beschluss vom 25. Mai 2012 – AK 14/12

Karlsruhe, den 25. Mai 2012

Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft (29.05.2012):

29.05.2012 – 13/2012

Die Bundesanwaltschaft ordnet die Freilassung eines mutmaßlichen Unterstützers und eines mutmaßlichen Gehilfen der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ an

Die Bundesanwaltschaft hat heute beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Aufhebung der Haftbefehle gegen die Beschuldigten Carsten S. (vgl. Pressemitteilung Nr. 3/2012 vom 1. Februar 2012) und Matthias D. (vgl. Pressemitteilung Nr. 47/2011 vom 11. Dezember 2011) beantragt und deren Freilassung angeordnet.

Der Beschuldigte Carsten S. ist dringend verdächtig, den mutmaßlichen Mitgliedern der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ Ende 1999 oder Anfang 2000 gemeinsam mit dem Beschuldigten Ralf W. die Tatwaffe zu den Morden an neun Mitbürgern ausländischer Herkunft der Jahre 2000 bis 2006 beschafft und sich daher wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen strafbar gemacht zu haben (§ 211, § 27 StGB).

Aufgrund der aktuellen Ermittlungen ist der Haftgrund der Fluchtgefahr gegen ihn entfallen, so dass seine Entlassung anzuordnen war. Der Beschuldigte hat sich umfassend zum Tatvorwurf eingelassen und entscheidend zur Tataufklärung beigetragen. Er hat sich glaubhaft von rechtsradikalem Gedankengut abgewandt und seit spätestens 2001 keine Kontakte mehr in rechtsextremistische Kreise. Seit heute liegt der Bundesanwaltschaft zudem eine sachverständige Beurteilung vor, wonach bei dem zur Tatzeit 19-jährigen Beschuldigten die Anwendung von Jugendstrafrecht zu erwarten ist.

Angesichts der damit verbundenen geminderten Straferwartung und der festen sozialen Bindungen des Beschuldigten besteht deshalb keine Gefahr mehr, dass er sich dem Strafverfahren durch eine Flucht entziehen wird. Die Bundesanwaltschaft hat daher heute beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Aufhebung des Haftbefehls beantragt und die Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft angeordnet.

Der Beschuldigte Matthias D. befindet sich seit 11. Dezember 2011 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2011 in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, die terroristische Vereinigung „NSU“ in zwei Fällen unterstützt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, § 53 StGB).

Im Lichte der Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs über den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Holger G. vom 25. Mai 2012 kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die gegen den Beschuldigten vorliegenden Verdachtsmomente die Fortdauer der Untersuchungshaft tragen. Daher sah sich die Bundesanwaltschaft veranlasst, beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Aufhebung des Haftbefehls zu beantragen und die Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft anzuordnen.

Über die Frage der Anklageerhebung gegen die beiden Beschuldigten wird die Bundesanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen entscheiden.