An diesem Prozesstag wird ein Zeuge zu den Bahncards, die das NSU-Kerntrio benutzte, befragt. Diese liefen unter Alias-Identitäten, die die Drei auch anderweitig nutzten: André und Susann Eminger und Max-Florian Bu. Außerdem werden Schriftstücke verlesen. Zwei Artikel aus Neonazifanzines, die Uwe Mundlos zugeschrieben werden und Dokumente, die sich mit Michael See befassen.
Zeuge: Christian No. (Ermittlungen zu Bahncards auf die Namen André und Susann Eminger)
Das Gericht betritt um 09:45 Uhr den Saal. Götzl begrüßt die Verfahrensbeteiligten und macht die Präsenzfeststellung. Als Nebenkläger_innen sind Ayşe und İsmail Yozgat sowie Elif und Gamze Kubaşık anwesend.
Es folgt die Einvernahme des Zeugen Christian No. Götzl sagt, es gehe um Auswertungen, die No. nach Aktenlage bzgl. Bahncards durchgeführt habe, No. solle berichten, inwiefern er mit Ermittlungen betraut gewesen sei, welche er durchgeführt habe und ggf. mit welchem Ergebnis. No.: „Ich bin am 08.11.2011 als Finanzermittler eingebunden worden, um den Hintergrund dieser Bahncards zu ermitteln, die bei den Toten aufgefunden worden sind, eine Bahncard für einen Herrn Bu. und eine für Herrn Eminger. Und ich sollte rausfinden, ob es auch eine Bahncard für Susann Eminger gab.“ Er habe Auskunft bekommen bei der Bahn über die historischen und aktuellen Wohnorte, so No. Zusätzlich habe er Lichtbilder bekommen, mit denen man Böhnhardt und Mundlos habe identifizieren können und er habe die Personalien Susann Eminger noch eine Bahncard herausfinden können mit dem Lichtbild von Zschäpe. Sie hätten zwei Konten herausfinden können, über die diese Bahncard bezahlt worden sei. [phon.] Und die Kollegin Ho. habe über die Bahncard, die Mundlos benutzt habe, noch ein Konto herausfinden können.
Danach verliest Richterin Odersky den Artikel „Die Farbe des Rassismus“ aus dem Neonazi-Fanzine „White Supremacy“, Ausgabe Nummer 3.
[Wir geben den Artikel hier nicht vollständig im Wortlaut wieder. Es handelt sich um einen extrem völkisch-rassistischen Text, der von der Behauptung eines Rassismus gegen „Weiße“ ausgeht. Im Zentrum des Textes stehen dann folgende rassistische und antisemitische Sätze:
„Während die weiße Bevölkerung weltweit immer mehr abnimmt(durch geförderte Multikultur und Mischehen), hat sie nicht das Recht sich öffentlich auf die Erhaltung ihrer Kultur aufmerksam zumachen, würde es doch Rassismus sein, in den Augen derjenigen, welche glauben die Herrscher zu sein. Jede aussterbende Tierart ist besser geschützt. Wissenschaftler bestätigten in der offiziellen Presse, daß es in ein paar Jahren keine Blonden Menschen mehr geben wird. Natürlich gibt es noch eine Gruppe, welche Multikultur und Vermischung fordert, dies aber von der eigenen Gruppe fernhält. Ich nenn diese Gruppe nicht, um nicht rassistisch zu sein. Sie kennt ja sowieso jeder.
Wenn man ein aufmerksamer Beobachter ist, erkennt man sehr schnell, daß überall wo sich Einwanderer niederlassen, es nicht lange dauert, bis sie ihre Kultur und Religion ausbreiten. Später kommen Familienangehörige nach und langsam sind sie in der Überzahl. Jeder Aufschrei der Einheimischen wird mit der Rassismusformel niedergeschlagen. Anstatt ihr eigenes Land aufzubauen und die Früchte ihrer Arbeit zu ernten, ernten sie lieber woanders und begründen dies mit der Mitbeteiligung (was das auch immer sein soll) und der Vielfalt der Kulturen. Wandert der Weiße aus, hat er sich an zupassen und muß auf Rechte, Pflichten, Bräuche und Sitten seines Wirtes achten. “
(Fehler im Original.)
Danach beschwert sich der Autor über „Anschläge auf Bürger, die dem Nationalen Spektrum angehören“ und über die die Medien angeblich nie berichten würden, über eine „Linke Terrormaschinerie“, über „Ausländergewalt“ und „Hetze gegen alles was sich zur Nationalen Sache zugehörig fühlt“. An einer Stelle schreibt er, dass bei einem Anschlag auf das Auto eines Linken oder dem Überfall auf einen Ausländer sofort die Rede „vom brauen Terrorismus“ wäre: „Wissen diese Schreiberlinge denn überhaupt was Terrorismus ist? Ausübung von Terror, Gewaltherrschaft, wo aber bitte ist dies auf die Nationale Seite Anwendbar? Überhaupt nicht.“ (Fehler im Original.) Unterschrieben ist der Text von einem „Uwe Unwohl“. Das BKA geht davon aus, dass Uwe Mundlos Autor des Textes ist.]
Danach verliest Richter Lang den Artikel „Solidaritätsaufruf“, ebenfalls aus „White Supremacy“, Nummer 3.
[Wir geben auch diesen Text nicht vollständig im Wortlaut wieder. Es handelt sich um einen satirisch gemeinten Spendenaufruf für ein Raketensystem für die USA. Unterschrieben ist der kurze Text mit „Uwe UmerZOGen“. Auch bei diesem Text gibt es Anhaltspunkte, dass er von Mundlos stammt. Der Bezug auf die antisemitische Figur der „ZOG“ (= „Zionist Occupied Government“, deutsch: „Zionistisch besetzte Regierung“) durch die hervorgehobenen Buchstaben im Autorennamen findet sich auch an einer weiteren Stelle im Text: „Die Ängste der Amerikaner sind durchaus verständlich, werden sie doch ständig in irgendwelche Kriege hineingeZOGen.“]
Dann verliest Richter Lang eine Erkenntnismitteilung des BfV zu Michael See. 1998 sei in der Garage in Jena u.a. die Publikation „Sonnenbanner“ aufgefunden worden, die vom „Freundeskreis nationaler Sozialisten / Aktion Volksfront“ herausgegeben worden sei. Gründungsmitglied des FNS/AV sei der Rechtsextremist Michael Doleisch von Dolsperg geb. See gewesen. Die Publikation enthalte viele nationale und internationale Kontaktadressen. Bemerkenswert seien die Artikel „Strategien der Zukunft“ und „Ein Wille, ein Weg, ein Ziel“. Im Folgenden werden die beiden Artikel teilweise zitiert. In „Strategien der Zukunft“ geht es um Zellenbildung, u.a. wird sich auf Major Hans von Dach bezogen. Dolsperg und seine aus Kassel stammende Frau, so die Mitteilung weiter, hätten als Parteilose bei Kommunalwahlen kandidiert. Dolsperg habe ursprünglich See geheißen und stamme aus Leinefelde in Thüringen. Dolsperg sei bei der FAP und beim IHV [Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige] gewesen. Im Sonnenbanner Nummer 18 habe See geschrieben: „Daher haben wir den Weg gewählt, der am steinigsten ist, wir wollen die BRD nicht reformieren, sondern abschaffen. … und die qualitative Auslese. Wir wollen die Macht nicht um der Macht willen, sondern aus der Erkenntnis, dass wir siegen müssen, wenn unsere Ziele verwirklicht werden sollen. … Glück und Zukunft unserer Kinder und unserer Rasse. Was können wir verlieren außer unserem Leben?“ 2002/2003 habe sich das Ehepaar ein Anwesen in Schweden gekauft und sei dorthin gezogen. Der Verhandlungstag endet um 11:38 Uhr.
Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/12/08/8-12-2015/
Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.