Wo Tonbandrauschen versagt

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Immer wieder kommen neue Versäumnisse der Behörden an Licht, wenn es um die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds geht. Um die Öffentlichkeit besser zu informieren, wollen nun mehrere antifaschistische Initiativen mit „NSU-Watch“ eine eigene Beobachtungssplattform ins Leben rufen.

Ein Beitrag von Christian Schiffer auf Bayern 2.

Beim Rauschen eines leeren Tonbandes passiert nicht besonders viel und der Erkenntnisgewinn beim Zuhören hält sich in Grenzen. Das möchte man meinen. Doch die Kölner Polizei sieht das offenbar anders. Um den NSU-Mördern auf die Spur zu kommen schickte sie im Jahr 2007 zwei Beamte nach München zu einer Hellseherin. Diese spielte den Polizisten immer wieder ein leeres Kassettenband vor und fragte, ob die Beamten darauf Stimmen hören würden. Doch die Polizisten hörten leider einfach nur ein gleichmäßiges, monotones Rauschen und fuhren wieder nach Hause.

„Tonbandstimmenforschung“ nennt man diesen Hokuspokus, den die Kölner Polizei bei ihren Ermittlungen zu einem NSU-Mordfall eingesetzt hat. Herausgekommen sind diese merkwürdigen Ermittlungsmethoden, die eigentlich seit 1929 offiziell verboten sind, beim NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Nachlesen kann man das alles wiederum in einem Blog namens „NSU-Watch“. Hier sammeln verschiedene antifaschistische Initiativen neue Erkenntnisse und machen sie der Öffentlichkeit zugänglich. Warum das notwendig ist fasst Ulli Jentsch zusammen. Er ist Mitarbeiter beim dem antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin kurz: APABIZ.

„Wir sind der Meinung, dass es eine unabhängige Begleitung geben muss. Und die muss von außerhalb der Parlamente kommen.“ Ulli Jentsch, APABIZ

Vor ein paar Monaten konnte APABIZ nachweisen, dass Nazis schon im Jahr 2002 die NSU-Terroristen feierten. Auch dieses Beispiel zeigt: Antifaschistische Organisationen können wertvolle Informationen zu Nazistrukturen liefern, die Öffentlichkeit könnte von ihren gut gefüllten Archiven massiv profitieren. Doch das Sammeln von Informationen kostet Zeit und Geld, ebenso die Beobachtung der NSU-Untersuchungsausschüsse, von denen es mittlerweile insgesamt schon vier Stück gibt und die auch von den etablierten Medien nicht ständig besucht werden. Aus dem Blog NSU-Watch soll deswegen eine professionelle Beobachtungstelle werden, so Ulli Jentsch, denn in Zukunft wird noch mehr Arbeit auf sie zukommen.

„Momentan basiert das alles auf ehrenamtlicher Arbeit. Demnächst kommen aber die großen Prozesse. Und dann ist es notwendig, die Prozessbeobachtung zu koordinieren und dafür braucht man entsprechende Finanzen. Es geht auch darum Erkenntnisse zu gewinnen, die über die der Presse hinausgehen.“

Neben dem Schaffen einer kritischen Öffentlichkeit und dem Sammeln von Informationen soll NSU-Watch aber auch der Vernetzung dienen. Oft wissen die verschiedenen Gruppen vor Ort sehr gut Bescheid über lokale und regionale Neo-Nazi-Strukturen. Doch es mangelt manchmal an einer besseren bundesweiten Koordination. Die Antifaschisten stehen hier vor einem ähnlichen Problem wie die Verfassungsschutz – und Polizeibehörden: Hier weiß die eine Hand oft nicht, was die andere gerade tut. So schlimm ist es bei den Antifaschisten zwar noch lange nicht, aber auch hier müsse die Zusammenarbeit intensiviert werden.

„Die Vernetzung haben die Nazis seit Mitte der 90er sehr massiv umgesetzt. Die Neonazi-Szene ist eine international und bundesweit vernetzte Szene. Deswegen müssen diejenigen, die etwas dagegen unternehmen wollen mindestens genauso gut vernetzt sein.“ Ulli Jentsch, APABIZ

Neun Organisationen wollen sich an NSU-Watch beteiligen, darunter auch Aida aus München. Die Arbeit möchte die neue Beobachtungstelle dann in einigen Wochen aufnehmen.